European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00032.17Z.0329.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Der Kläger erwarb in den Jahren 2005 und 2006 von der Beklagten 2.344 M*****‑Zertifikate und strebt nunmehr die Aufhebung der abgeschlossenen Kauf- und Kommissionsverträge sowie die Rückzahlung des Anschaffungspreises Zug um Zug gegen Rückübertragung der Zertifikate an. Die Vorinstanzen wiesen das Begehren ab. Es stehe nicht fest, was der Kläger erworben hätte, wären diese Geschäfte nicht abgeschlossen worden; insbesondere stehe nicht fest, dass er diesfalls in Gold veranlagt hätte.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach der Entscheidung 7 Ob 77/10i (SZ 2011/40 = GES 2011, 223 [Krejci, 193] = GesRZ 2011, 251 [Diregger] = ZFR 2011/130 [Gruber] = ecolex 2011/228 [Wilhelm] = JAP 2011/2012/21 [Jaindl]) trifft den Geschädigten die Behauptungs- und Beweislast nicht nur dafür, dass er bei korrekter Information die tatsächlich gezeichneten Wertpapiere nicht erworben hätte, sondern auch dafür, wie er sich bei korrekter Information hypothetisch alternativ verhalten und sich so sein Vermögen entwickelt hätte. Die Entscheidung 4 Ob 67/12z (JBl 2012, 788 [Dullinger]) präzisierte zwar dahin, dass dies „selbstverständlich nur dann“ gilt, wenn der Kläger bei korrekter Beratung überhaupt veranlagt hätte, was bei einem vorgefassten Anlageentschluss im Regelfall anzunehmen sei. Im vorliegenden Fall hat der Kläger aber im Verfahren erster Instanz mehrfach vorgebracht, er hätte, „hätte er die klagsgegenständlichen Papiere nicht erworben, sein Kapital stattdessen in Gold angelegt“; die Überlegungen der außerordentlichen Revision, der Kläger habe damals gar keinen vorgefassten Veranlagungsentschluss gehabt, widersprechen somit seinem eigenen Vorbringen.
2. In der Entscheidung 4 Ob 67/12z führte der Oberste Gerichtshof aus, (unter anderem) im Begehren auf Zahlung des veranlagten Betrags Zug um Zug gegen Rückgabe der Papiere sei regelmäßig die (ausreichende) Behauptung enthalten, dass eine Alternativanlage (zumindest) das Kapital erhalten hätte. Nach der Entscheidung 10 Ob 34/13t (ecolex 2014/82 [Wilhelm]) genügt beispielsweise die Behauptung, eine Alternativveranlagung hätte dem Kläger „das Kapital erhalten“. Daraus ist jedoch für den Kläger nichts gewonnen:
Der Kläger brachte im Verfahren erster Instanz zur Alternativveranlagung vor, mit einem Investment in Gold hätte er sein Kapital jedenfalls erhalten. Dies konnte das Erstgericht nicht feststellen. Damit unterscheidet sich aber der vorliegende Sachverhalt etwa von dem der Entscheidung 7 Ob 221/13w zugrunde liegenden insofern, als der (dortige) Kläger vorgebracht gehabt hatte, er hätte „bei richtiger Anlageberatung in zumindest mit 5 % verzinsliche Staatsanleihen oder in fixverzinsliche Sparbücher oder Rentenversicherungen investiert“. Das Erstgericht stellte fest, „dass der Kläger sein Geld nicht auf ein Sparbuch gelegt hätte und […] dass er offenkundig auf der Suche nach einer gewinnbringenderen Veranlagung gewesen sei und einen Wechsel von einer konservativen in eine eher riskante Veranlagung beabsichtigt habe; es sei davon auszugehen, dass der Kläger eine andere Form der Anlage gewählt hätte, die höhere Rendite verspreche als ein Sparbuch oder eine Versicherung, es könne aber nicht festgestellt werden, wie der Kläger das Geld veranlagt hätte“. Auch in dem der Entscheidung 4 Ob 67/12z zugrunde liegenden Fall hätte der Kläger zwar bei einer „ordentlich erfolgten Aufklärung“ anders veranlagt, das Erstgericht konnte jedoch nicht feststellen, „für welche Anlageform er sich entschieden hätte und ob er damit einen Gewinn oder einen Verlust gemacht hätte“. Dass der Oberste Gerichtshof in den beiden genannten Entscheidungen den Erstgerichten eine Verfahrensergänzung auftrug, ist für den vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig. Der Kläger hat sich hier konkret auf eine ganz bestimmte Alternativveranlagung (eine konkrete Anlagegattung; vgl 2 Ob 17/13h ecolex 2014/198 [Wilhelm] = ZFR 2014/253 [Winkler]) berufen, konnte diese jedoch nicht unter Beweis stellen.
3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat der Anleger insoweit den Eintritt eines Schadens nur „plausibel“ zu machen (6 Ob 231/10d; 7 Ob 77/10i; 4 Ob 67/12z; vgl auch 10 Ob 61/11k). Es liege auf der Hand, dass konkrete Angaben und (daher) Feststellungen zur alternativen Veranlagung gerade dann nur schwer möglich sind, wenn eine höhere Risikobereitschaft bestand, sodass die Annahme einer „sicheren“ Veranlagung, etwa auf einem Sparbuch, ausgeschlossen ist. In einem solchen Fall sei festzustellen, für welche Anlageart sich der Geschädigte bei ordnungsgemäßer Beratung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entschieden hätte. Maßgebend sei in weiterer Folge die typische – etwa durch Indizes belegte – Entwicklung solcher Anlagen (4 Ob 67/12z). Auf das Regelbeweismaß der Zivilprozessordnung komme es dabei nicht an (7 Ob 221/13w; 4 Ob 67/12z).
Die außerordentliche Revision meint unter Hinweis auf diese Rechtsprechung, es wäre somit maßgeblich darauf angekommen, eine Feststellung etwa dahin zu treffen, dass der Kläger „alternativ jedenfalls kapitalerhaltend investiert hätte, nämlich in Gold oder Immobilien“. Abgesehen davon, dass – wie bereits erwähnt – der Kläger im Verfahren erster Instanz ein Alternativinvestment ausdrücklich „in Gold“ und nicht in Immobilien behauptete, hat sich das Berufungsgericht in Erledigung der Feststellungsrüge des Klägers in dessen Berufung ausführlich mit dem herabgesetzten Beweismaßstab auseinandergesetzt und diesen auch erkennbar zugrunde gelegt. Lediglich der Vollständigkeit halber sei aber in diesem Zusammenhang noch darauf hingewiesen, dass der Oberste Gerichtshof auch im vorliegenden Kontext nicht Tatsacheninstanz und daher an Feststellungen der Vorinstanzen gebunden ist.
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