AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2025:L518.2303802.1.00
Spruch:
Schriftliche Ausfertigung des am 16.01.2025 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde des (1.) XXXX , geb. XXXX , der (2.) XXXX , geb. XXXX , der mj. (3) XXXX , geb. XXXX , der mj. (4) XXXX , geb. XXXX , der mj. (5) XXXX , geb. XXXX und der mj. (6) XXXX , geb. XXXX , die minderjährigen Beschwerdeführerinnen gesetzlich vertreten durch die Eltern, alle Staatsangehörigkeit Georgien, alle vertreten durch die RA Mag. SINGER, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 31.10.2024, Zl. 1397490809-240863248, 1397491904-240863469, 1397492803-240863595, 1397490602-240863230, 1397491305-240863329 und 1397491610-240863361 wegen §§ 3, 8, 10 und 57 AsylG, § 18 BFA-VG und §§ 46, 52 und 55 FPG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.01.2025, zu Recht:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge gemäß der Reihung im Spruch als BF1 bis BF6 bezeichnet), reisten spätestens am 03.06.2024 in das Bundesgebiet ein und stellten Anträge auf internationalen Schutz.
Zum Ausreisegrund befragt führte der BF1 aus „Vor ca. drei Jahren wurde in Tiflis in einem Spital eine Krankheit meiner Tochter XXXX festgestellt. Vermutlich die Krankheit Rubenstein Tayb Syndrom. Sie leidet durch diese Krankheit an einer geistig und körperlichen Behinderung die in Georgien nicht medizinische behandelt werden kann. Vor ca. zwei Monaten habe wir konkret erfahren, dass ihr eventuell in Österreich geholfen werden kann. Das sind alle meine Fluchtgründe“. Von der BF2 wurde diesbezüglich mitgeteilt „Seit der Geburt leidet meine Tochter XXXX an einer Krankheit. Vor kurzen haben wir erfahren das es das Rubenstein Tayb Syndrom ist. In Georgien gibt es keine Behandlung und auch keine Finanzierung. Deshalb haben wir entschieden nach Österreich zu reisen mit der Hoffnung auf medizinische Hilfe. Das sind alle meine Fluchtgründe“. Bei einer Rückkehr befürchte der BF1 nichts, die BF2, dass ihre Tochter den Kindergarten und die Schule nicht besuchen kann. Für den minderjährigen BF wurden keine eigenen Gründe bekannt gegeben.
I.2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der BF1 am 12.09.2024 und die BF2 am 25.09.2024 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, EAST OST, im Beisein einer Dolmetscherin in georgischer Sprache von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.
Zu den Gründen der Antragstellung befragt gaben der BF1 und die BF2 gleichlautend bekannt, dass die Ausreise einzig aus gesundheitlichen Gründen ihrer Tochter (BF6) erfolgte.
Für die minderjährigen BF3, BF4 und BF5 wurden keine anderen Gründe bekannt gegeben.
I.3. Die Anträge der BF auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden des BFA gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Es wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die BF6 unter Zusammenschau aller medizinischen Unterlagen an einer, vermutlich genetisch bedingten, Entwicklungsverzögerung bzw. Intelligenzminderung und Autismusspektrumstörung (Arztbrief XXXX vom 18.09.2024) leidet. Wie aus den Länderfeststellungen zu Georgien ersichtlich ist einer der Grundsätze der staatlichen Gesundheitspolitik die allgemeine und gleichberechtigte Zugänglichkeit zur Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung im Rahmen der staatlichen Verpflichtungen, die in den staatlichen Gesundheitsprogrammen vorgesehen sind. Aus den Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation vom März 2021 und Juli 2024 ergibt sich, dass die Leiden der BF6 in Georgien behandelbar sind.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Georgien traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.
I.4. Gegen die gegenständlichen Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass konkretere bzw. detailliertere Feststellungen zum Gesundheitszustand des Kindes trotz der Vorlage umfassender ärztlicher Unterlagen insbesondere auch von österreichischen Spitälern nicht getätigt wurden. In Österreich konnte nun eine genaue Diagnose gestellt werden, nämlich jene der Intelligenzminderung mit Pica Syndrom und eingeschränkter reziproker Interaktion sowie Schlafstörungen bei molekulargenetisch gesichertem Potocki-Lupski Syndrom sowie eine Hyperopie bds. mit Astigmatismus grav. Im gegenständlichen Fall darf es insbesondere nicht außer Acht gelassen werden, dass entsprechenden nunmehr vorliegenden Befund vom 8.11.2024 all die Jahre der ärztlichen Behandlung in Georgien keine zutreffende Diagnose getroffen werden konnte bzw. die Eltern hier aus eigener Tasche zu finanzierende zusätzliche Untersuchungen verwiesen wurden.
Beantragt werde jedenfalls eine mündliche Beschwerdeverhandlung, weiters die Bescheide dahingehend abzuändern, dass den Anträgen auf internationalen Schutz stattgegeben wird, in eventu den Beschwerdeführern den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu die bekämpften Bescheide dahingehend abzuändern, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und 55 Asylgesetz 2005 erteilt wird, sowie festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig und die Abschiebung gemäß S 46 FPG nach Georgien nicht zulässig ist, in eventu die bekämpfte Entscheidung aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückverweisen.
I.5. Mit Eingabe vom 10.01.2025 wurde von der rechtsfreundlichen Vertretung ein medizinisches Dokumentationsformular samt Übersetzung bezüglich der BF6 und eine Bestätigung über die Inanspruchnahme einer Psychotherapie bei der Volkshilfe hinsichtlich der BF2 übermittelt.
I.6. Am 16.01.2025 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein der rechtsfreundlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die georgische Sprache durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde den BF die Gelegenheit gegeben ihren Standpunkt umfassend darzulegen.
Gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG wurde das Erkenntnis mündlich verkündet, wobei die Beschwerden als unbegründet abgewiesen wurden. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass aufgrund der hier vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung zwar nicht entgegengetreten werden mag, als hieraus ableitbar ist, dass die Gesundheitsversorgung nicht kostenlos und nicht auf gleichem Niveau wie in Österreich gewährleistet ist, eine Überstellung nach Georgien führt jedoch nicht zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. lm vorliegenden Fall konnten somit seitens der bP keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Georgien belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts. lm gegenständlichen Fall besteht im Lichte der Berichtslage kein Hinweis, dass die bP vom Zugang zu medizinsicher Versorgung in Georgien ausgeschlossen wären und bestehen auch keine Hinweise, dass die seitens der bP beschriebenen Krankheiten nicht behandelbar wären. Wenngleich, wie in der Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung festgehalten, das Potocki-Lupski-Syndrom bislang in Georgien unbekannt war, ist festzuhalten, dass die derzeit in Österreich konsumierten medizinischen und therapeutischen Maßnahmen (Logo-, Ergo und Physiotherapie) im Heimatland durchaus geleistet werden können. So bestätigten die Beschwerdeführer sowohl den Erhalt eines Schlafmittels, wie auch therapeutischer Maßnahmen im Heimatland. Auch wenn, wie behauptet das Schlafmittel nicht gewirkt habe, ist festzuhalten, dass in Georgien andere Schlafmittel erhältlich sind und dies ggf. im erforderlichen Ausmaß importiert werden kann. Auch der Umstand, dass eine Therapie mangels geeigneten Therapeuten nicht durchgeführt bzw. letzten Endes gestrichen wurde, erweis sich nicht als geeigneter Einwand einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Die Therapie wurde ursprünglich ärztlich verordnet und ist sohin im Heimatland grundsätzlich verfügbar. Auch erweist sich das Vorbringen, dass im Heimatland eine Diagnose nicht erstellt werden konnte als nicht zielführend, ist doch nunmehr bei Klarstellung der Diagnose und des Medikamenten- bzw. Therapiebedarfs auch im Herkunftsland von einer qualitativ höherwertigeren Behandlung auszugehen ist.
I.7. Mit Eingabe vom 27.01.2025 wurde die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses beantragt.
I.8. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
Der BF1 führt den im Spruch genannten Namen, er ist Staatsangehöriger von Georgien, der georgischen Volksgruppe zugehörig und orthodoxer Christ. Der BF1 wurde am XXXX in XXXX geboren, er ist mit der BF2 verheiratet und Vater der minderjährigen Beschwerdeführer. Der BF1 besuchte elf Jahre lang die Schule und war danach beim Militär und der Polizei beruflich tätig. Ab dem Jahr 2004 lebte er in Tiflis. Die Identität des BF1 steht nicht fest.
Der BF1 ist gesund und benötigt keine Medikamente.
In Georgien leben noch die Eltern, ein Cousin, sowie zahlreiche Tanten und Onkeln, gesamt handelt es sich um ca. 20 Familienmitglieder. Die Eltern sind Pensionisten und betreiben eine eigene Landwirtschaft. Der BF1 ist im Besitz eines Hauses in XXXX (17km außerhalb von Tiflis), welches aktuell leer steht. Der BF1 hat regelmäßigen Kontakt zu seinen Verwandten.
Die BF2 führt den im Spruch genannten Namen, sie ist Staatsangehörige von Georgien, der georgischen Volksgruppe zugehörig und orthodoxer Christin. Die BF2 wurde am XXXX in XXXX geboren. Die BF2 ist die Gattin des BF1 und Mutter der minderjährigen Beschwerdeführer. Sie besuchte elf Jahre lang die Schule und vier Jahre eine Universität. Vor der Ausreise war sie als Zolloffizier beschäftigt. Die Identität der BF2 steht nicht fest.
Die BF2 gibt an, an Hepatitis B und Leberzirrhose, Stadium 3, zu leiden. Sie benötigt aktuell nur Kontrollen und erhält keine medizinische Behandlung. Diesbezügliche medizinische Unterlagen wurden nicht vorgelegt. In Vorlage wurde eine Bestätigung der Volkshilfe über die Inanspruchnahme einer Psychotherapie gebracht.
In Georgien wohnen noch der Vater, eine Schwester und ein Bruder. Weiters halten sich noch ca. 25 Familienmitglieder in Form von Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins in Georgien auf. Der Bruder ist Verkäufer in einem Baumarkt, die Schwester ist Hausfrau. Die BF2 hat regelmäßigen Kontakt zu ihren Verwandten.
Die minderjährigen BF führen die im Spruch genannten Namen, sie sind Staatsangehörige von Georgien, der georgischen Volksgruppe zugehörig und orthodoxe Christinnen. Die BF3 wurde XXXX , die BF4 am XXXX , die BF5 am XXXX und die BF6 am XXXX in Tiflis geboren. Sie leben bei und von den Eltern. Die minderjährigen BF werden im Verfahren von den Eltern gesetzlich vertreten. Die Identitäten stehen nicht fest.
Die BF6 leidet Intelligenzminderung mit Picasyndrom und eingeschränkter reziproker Interaktion sowie Schlafstörungen bei molekulargenetisch gesichertem Potocki-Lupski Syndrom, Hyperopie bds mit Astigmatismus grav. Dabei handelt es sich um einen Gendefekt, der nicht heilbar ist. Sie erhält eine Ergotherapie. Hinsichtlich einer Logotherapie, wie auch einer Physiotherapie steht sie auf einer Warteliste. Die BF6 erhält ein Schlafmittel, namens Pipamterom. Weitere Medikamente bedarf sie nicht. Festgestellt wird, dass die derzeit in Österreich konsumierten medizinischen und therapeutischen Maßnahmen (Logo-, Ergo und Physiotherapie) im Heimatland geleistet werden können. So bestätigten die Beschwerdeführer sowohl den Erhalt eines Schlafmittels, wie auch therapeutischer Maßnahmen im Heimatland.
Die BF3, BF4 und BF5 sind gesund und benötigen keine Medikamente.
In Georgien wohnen noch die bei den Eltern angeführten Verwandten.
Die BF reisten legal mit dem Bus von Georgien über die Türkei, Bulgarien, Serbien und Slowenien nach Österreich und stellten am 03.06.2024 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
Die BF sind in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet war und ist nicht nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.
Die BF verfügen über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in ihrem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte.
Im Bundesgebiet lebt ein Bruder des BF1, es besteht kein Abhängigkeitsverhältnis. Der BF1 arbeitet seit 25.11.2024 bei XXXX in Linz als Fahrer für den Zustelldienst GLS (zwei Stunden täglich, € 500,-/Monat). Die BF beziehen Grundversorgung. Die volljährigen BF besuchen einen Deutschkurs. Die BF3 besucht die Polytechnische Schule Urfahr. Die BF sind in keinen Vereinen oder Organisationen Mitglieder und leisten keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Es wurden keine Unterstützungsschreiben eingebracht. Die BF sind für keine Personen im Bundesgebiet sorgepflichtig.
Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung bzw. Verschlechterung in Bezug auf die den BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der Person der BF gelegenen Umständen.
Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation des BF.
Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
In Bezug auf die individuelle Lage der BF im Falle einer Rückkehr nach Georgien konnte keine im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich geänderte oder gar verschlechterte Situation festgestellt werden.
Weiter konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Georgien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:
An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
Länderspezifische Anmerkungen
Letzte Änderung 2024-10-25 12:04
Sofern nicht anders angegeben, schließen die Themenbereiche zu Georgien die Situation in den separatistischen Landesteilen Abchasien und Südossetien nicht ein.
Die Verwendung von Bezeichnungen wie "Regierung", "Behörden" o. Ä. im Zusammenhang mit Abchasien oder Südossetien stellt keine Wertung der Staatendokumentation hinsichtlich des Status dieser Gebiete dar. Die in dieser Länderinformation zur Verfügung gestellten Karten dienen der Veranschaulichung und stellen keine Anerkennung der gezeigten Grenzen durch die Staatendokumentation dar.
Georgien wird in Österreich laut Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV) derzeit als sicherer Herkunftsstaat geführt. Aufgrund von Entwicklungen im Herkunftsstaat ist derzeit eine Überprüfung der Eigenschaft als sicherer Herkunftsstaat von Georgien anhängig.
Hinweis zu COVID-19:
Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Website der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports .
Für historische Daten bis zum 10.3.2023 s. die Datenbank der Johns-Hopkins-Universität:
https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 .
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Georgien ist seit 09.04.1991 wieder unabhängig (zuerst 1918) (AA 29.2.2024). Die politische und wirtschaftliche Transformation des Landes, die 1989 begann, war von Bürgerkrieg, territorialen Konflikten und schweren wirtschaftlichen Rückschlägen geprägt (BS 19.3.2024). Nach der Unabhängigkeitserklärung (von der Sowjetunion) kam es zu Spannungen zwischen der Zentralregierung in Tiflis und den Regionen Abchasien und Südossetien, was 1992 zu einem Bürgerkrieg führte. Beide Regionen erklärten ihre Unabhängigkeit, die jedoch international nicht anerkannt wurde. Im August 2008 intervenierte Russland in dem Konflikt, und obwohl ein Sechspunkteplan zur Rückführung der russischen Truppen unterzeichnet wurde, blieb dieser unvollzogen, sodass die Gebiete weiterhin unter russischer Kontrolle stehen (AA 29.2.2024; vgl. Merkur 15.5.2024). Südossetien und Abchasien sind ökonomisch von Russland abhängig (Merkur 15.5.2024) und suchen die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Kontrolle über die Gebiete, welche über eigene politische Systeme, Parlament und Justiz verfügen. Die Regionen werden von eigenen Streitkräften gesichert, die Unterstützung von russischem Militär erhalten, und die Grenzen sind für die Einwohner nur in geringem Maße durchlässig (AA 26.5.2023). Seit der Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens durch Russland hat sich die Abhängigkeit beider Gebiete von Moskau weiter verstärkt. Die wirtschaftliche Entwicklung stagniert, und trotz eines aufgeblähten Verwaltungsapparats sind öffentliche Leistungen, wie Gesundheit und Bildung, unterfinanziert (BPB 26.8.2020). Im Jahr 2023 hat Russland sein Engagement in den besetzten Gebieten weiter intensiviert (GIP 5.3.2024).
Durch Verfassungsänderung am 17.11.2013 wurde Georgien von einer Präsidialrepublik zu einer parlamentarischen Demokratie (AA 29.2.2024). Im Land finden regelmäßige und kompetitive Wahlen statt (FH 2024). 2023 blieb die Polarisierung ein zentrales Problem für die georgische Demokratie, es wurden keine Fortschritte erzielt und die Spannungen zwischen der Regierungspartei und der Opposition haben zugenommen (GIP 5.3.2024). Georgien verfügt zwar über ein dynamisches Mehrparteiensystem, aber die Oppositionsparteien sehen sich mitunter mit Hindernissen für den politischen Wettbewerb konfrontiert, darunter rechtliche Schikanen, Einschüchterung und physische Gewalt. Die Fähigkeit der gewählten Beamten, die Regierungspolitik zu bestimmen und umzusetzen, wird durch die informelle Rolle der Oligarchen beeinträchtigt (FH 2024).
Die Regierung ist das oberste Organ der Exekutive, das die Innen- und Außenpolitik des Landes umsetzt (Verf GEOR 29.6.2020, Art. 54; vgl. FH 2024). Der Präsident ist das Staatsoberhaupt, der Garant für die nationale Einheit und Unabhängigkeit sowie der Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Verf GEOR 29.6.2020, Art. 49; vgl. FH 2024). Das aktuelle Staatsoberhaupt, die 2018 letzte direkt gewählte Präsidentin Salome Surabischwili, amtiert bis Ende 2024. Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt von einem 300-köpfigen Gremium bestehend aus nationalen Gesetzgebern sowie regionalen und lokalen Amtsträgern gewählt (CRS 3.7.2023; vgl. FH 2024, Verf GEOR 29.6.2020, Art. 50). Die Amtszeit soll zukünftig 5 Jahre betragen (Verf GEOR 29.6.2020, Art. 50). Der Präsident ernennt formell den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 2024). Der derzeitige Ministerpräsident ist Irakli Garibaschwili, dessen Amtsantritt am 22.2.2021 war (PMoG o.D.).
Im Jahr 2018 gewann Salome Surabischwili, eine unabhängige ehemalige Außenministerin, unterstützt von der Partei "Georgischer Traum", in der zweiten Runde die Präsidentschaftswahlen mit rund 60 Prozent der Stimmen und besiegte Grigol Waschadse, einen ehemaligen Außenminister und Kandidaten der "Vereinigten Nationalen Bewegung" (UNM) (FH 2024). Die OSZE beurteilte die Wahl als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Zu den Kritikpunkten gehören die missbräuchliche Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie eine qualitativ mangelhafte Wahl-Berichterstattung (OSCE 28.2.2019).
Gemäß der Verfassung setzt sich das Parlament aus 150 Abgeordneten zusammen, die in einem einzigen Mehrmandatswahlkreis für eine Amtszeit von vier Jahren nach dem Verhältniswahlrecht in allgemeiner, freier, gleicher und unmittelbarer Wahl in geheimer Abstimmung gewählt werden (Verf GEOR 29.6.2020, Art. 37; vgl. FH 2024). Die Verfassungsänderungen von 2018 sehen ein reines Verhältniswahlsystem für die Parlamentswahlen 2024 vor (USDOS 23.4.2024). Die georgische Wahlbehörde bereitet sich aktiv auf die Parlamentswahlen am 26. Oktober 2024 vor, wobei etwa 90 % der Wähler durch den Einsatz elektronischer Technologien zur Stimmenüberprüfung und -auszählung an den Wahlen teilnehmen werden (EAG 19.3.2024; vgl. EPDE 2.4.2024).
Bei den am 31.10.2020 durchgeführten Parlamentswahlen erzielte die bisherige Regierungspartei "Georgischer Traum" 48 % der abgegebenen Stimmen und erneut eine satte Mehrheit von 60 % der Mandate. Das größte Oppositionsbündnis, die UNM, erhielt 27 % der abgegebenen Stimmen zugeschrieben (CRS 3.7.2023; vgl. OSCE 5.3.2021). Die unterlegene Opposition prangerte erhebliche Wahlmanipulationen an und mobilisierte ihre Anhänger auf der Straße (REU 31.10.2020). Die Oppositionsparteien boykottierten die Stichwahl, bei der die Wahlbeteiligung mit 26 Prozent die niedrigste seit der Unabhängigkeit war. Die Oppositionsmitglieder boykottierten daraufhin eine Zeit lang das Parlament, doch bis zum Ende des Jahres 2022 hatten die meisten ihre Sitze eingenommen (FH 2024). Am 8.6.2021 hat auch die UNM ihren Boykott beendet und nahm erstmals an einer Parlamentssitzung teil (FNS 11.6.2021). Gemäß der OSZE waren die Parlamentswahlen weitgehend kompetitiv, und insgesamt wurden die Grundfreiheiten respektiert. Dennoch haben weitverbreitete Vorwürfe der Ausübung von Druck auf Wähler und Vorwürfe der unklaren Abgrenzung zwischen der Regierungspartei und dem Staat das Vertrauen der Öffentlichkeit in einige Aspekte des Ablaufs der Wahl unterminiert. Der grundlegend überarbeitete Rechtsrahmen bot eine solide Grundlage für die Abhaltung demokratischer Wahlen. Die technischen Aspekte der Wahlen wurden trotz der Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie effizient gehandhabt. Jedoch hat sich die Dominanz der Regierungspartei in den Wahlkommissionen negativ auf die Wahrnehmung ihrer Unparteilichkeit und Unabhängigkeit ausgewirkt, insbesondere auf den unteren Ebenen (OSCE 5.3.2021).
Georgien unterzeichnete 2014 ein Assoziierungsabkommen einschließlich einer vertieften und umfassenden Freihandelszone mit der EU (ADA 10.2023). Anfang März 2022 beantragte das Land die EU-Mitgliedschaft und erhielt im Dezember 2023 den Kandidatenstatus (EC o.D.; vgl. AA 29.2.2024) unter der Bedingung, dass Georgien weitere Reformschritte unternimmt, bevor weitere Integrationsschritte folgen. Die Integration Georgiens in EU und NATO ist ein prioritäres Ziel und in der Verfassung festgehalten (AA 29.2.2024).
Engagement für die weitere Demokratisierung und EU-Integration zeigte die georgische Bevölkerung durch die massiven Proteste im März 2023, welche sich gegen das Gesetz zur Transparenz ausländischen Einflusses [Anm.: auch bekannt als "Gesetz über ausländische Agenten"] richteten (BS 19.3.2024). Massenproteste wiederholten sich auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes im Juni 2024 (BAMF 10.6.2024), das von der Präsidentin des Landes beim Verfassungsgericht angefochten wurde (Tagesschau 15.7.2024), da es gegen eine Klausel in der georgischen Verfassung verstößt, die die Regierung verpflichtet, sich um den Beitritt zur EU und NATO zu bemühen (ORF 15.7.2024). Die politische Spaltung Georgiens und die öffentlichen Proteste verschärften sich, als das Engagement der Regierung für eine EU-Mitgliedschaft angesichts der wachsenden Beziehungen zu Russland und der zunehmenden antiwestlichen Rhetorik zunehmend infrage gestellt wurde. Im November empfahl die Europäische Kommission, Georgien den Status eines EU-Beitrittskandidaten zuzuerkennen, der unter anderem von der Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit, der Überwindung der politischen Polarisierung und der Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz abhängt, was von der Bevölkerung unterstützt wurde. Dieser Status wurde im Dezember 2023 zuerkannt (AI 24.4.2024).
Quellen
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AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
ADA - Austrian Development Agency [Österreich] (10.2023): Länderinformation Georgien, https://www.entwicklung.at/fileadmin/user_upload/Dokumente/Laenderinformationen/LI_Georgien_Okt2023.pdf , Zugriff 19.8.2024
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (10.6.2024): Briefing Notes KW 24 / 2024, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2024/briefingnotes-kw24-2024.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 25.7.2024
BPB - Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschland] (26.8.2020): Georgien, https://www.bpb.de/themen/kriege-konflikte/dossier-kriege-konflikte/54599/georgien , Zugriff 15.9.2023
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FNS - Friedrich Naumann Stiftung (11.6.2021): Erfolgreiche EU-Vermittlung: Innenpolitische Krise in Georgien beendet?, https://www.freiheit.org/de/suedkaukasus/innenpolitische-krise-georgien-beendet , Zugriff 25.9.2023
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Merkur - Merkur (15.5.2024): Konflikt im Südkaukasus: Als Georgien und Russland Krieg führten, https://www.merkur.de/politik/georgien-russland-kaukasus-krieg-konflikt-putin-republiken-suedossetien-abchasien-zr-93072095.html , Zugriff 29.8.2024
ORF - Österreichischer Rundfunk (15.7.2024): Georgien: Präsidentin klagt gegen ,,Agentengesetz“, https://orf.at/stories/3363639 , Zugriff 19.8.2024
OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (5.3.2021): Georgia - Parliamentary Elections - 31 October 2020 - ODIHR Limited Election Observation Mission Final Report, https://www.osce.org/files/f/documents/1/4/480500.pdf , Zugriff 25.9.2023
OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (28.2.2019): Georgia - Presidential Election - 28 October and 28 November 2018 - ODIHR Election Observation Mission Final Report, https://www.osce.org/files/f/documents/9/4/412724_2.pdf , Zugriff 25.9.2023
PMoG - Prime Minister of Georgia [Georgien] (o.D.): Prime Minister of Georgia Irakli Garibashvili, https://garibashvili.ge/en/about , Zugriff 22.9.2023
REU - Reuters (31.10.2020): Ruling party in Georgia wins parliament vote, opposition protests, https://www.reuters.com/article/us-georgia-election-idUSKBN27G0CY , Zugriff 25.9.2023
Tagesschau - Tagesschau (15.7.2024): Georgiens Präsidentin klagt gegen umstrittenes Gesetz, https://www.tagesschau.de/ausland/europa/georgien-gesetz-praesidentin-verfassungsgericht-100.html , Zugriff 19.8.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107700.html , Zugriff 2.9.2024
Verf GEOR - Verfassung Georgiens [Georgien] (29.6.2020): Constitution of Georgia, https://matsne.gov.ge/en/document/view/30346?publication=36 , Zugriff 14.8.2024
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Die großflächige Invasion Russlands in der Ukraine im Februar 2022 hat die regionale Sicherheitslage grundlegend verändert und Georgien in eine herausfordernde Position gebracht (UB-FO 11.2023; vgl. EDA 3.9.2024), da das Land mit einem Zustrom russischer Bürger konfrontiert ist, die in ihrem Nachbarland Schutz suchen. Gleichzeitig hat sich die pro-russische Desinformation, die zu den Hauptproblemen der georgischen nationalen Sicherheit gehört, noch weiter verstärkt und zielt auf die schwächsten Teile der Gesellschaft ab, um eine Entfremdung Georgiens von seinen westlichen Partnern zu erreichen (UB-FO 11.2023). Auch bestehen Spannungen im Zusammenhang mit den ungelösten Konflikten in den Regionen Abchasien und Südossetien. In den städtischen Zentren äußert sich die soziale und politische Unzufriedenheit vermehrt in Demonstrationen und Protestaktionen (EDA 3.9.2024). Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden (AA 4.6.2024).
In Tiflis und anderen größeren Städten Georgiens finden Proteste gegen das am 14. Mai 2024 verabschiedete Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme statt (AA 4.6.2024), nach dem sich NGOs und Medien, die mehr als ein Fünftel ihrer Förderung aus dem Ausland erhalten, als Organisationen registrieren lassen müssen, die ausländische Interessen vertreten. Dies führte zu massiven Protesten aufgrund der Befürchtung der Einschränkung der Medienfreiheit und Bürgerrechte. Die Polizei ging gewaltsam gegen die Demonstranten vor (ICG 5.2024). Das Gesetz wurde von mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen und Oppositionsabgeordneten angefochten. Die Einsprüche gegen dieses Gesetz werden vom Verfassungsgericht geprüft (ICG 8.2024).
Die Situation an den Verwaltungsgrenzen zwischen Georgien und den Regionen Abchasien und Südossetien, welche sich nicht unter der Kontrolle der georgischen Regierung befinden, ist stabil (AA 4.6.2024). Die Beobachtungsmission der Europäischen Union in Georgien, die in erster Linie darauf abzielt, die Lage vor Ort zu beobachten, über Zwischenfälle zu berichten und generell durch ihre Präsenz in den betreffenden Gebieten zu einer Verbesserung der Sicherheitslage beizutragen (UNHRC 11.8.2023), hält die Lage hier für relativ stabil und das Risiko von Zwischenfällen gering (EUMM o.D.). Trotz vordergründiger Ruhe kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen den beiden Regionen und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 3.9.2024; vgl. AA 4.6.2024). Die eigenen Streitkräfte der beiden Regionen werden durch russisches Militär und russische Grenztruppen unterstützt (AA 26.5.2023; vgl. UNGA 29.4.2024). Zivilpersonen, die sich hier aufhalten, sind von Inhaftierung wegen sogenannter illegaler Grenzübertritte betroffen (UNGA 29.4.2024). In Bezug auf die beiden Regionen hielt das Europäische Gericht für Menschenrechte im April 2024 einstimmig fest, dass Verstöße vonseiten Russlands gegen das Recht auf Leben, das Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, das Recht auf Freiheit und Sicherheit, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das Recht auf Schutz des Eigentums, das Recht auf Bildung sowie die Bewegungsfreiheit vorliegen (ECHR 9.4.2024).
Über seine militärische Präsenz und Sicherheitsmaßnahmen entlang der Grenzen zu Georgien hinaus hat Russland mit Abchasien einen Vertrag über eine strategische Partnerschaft (24. November 2014) sowie mit Südossetien einen Bündnis- und Integrationsvertrag (18. März 2015) geschlossen, welche deren Einbindung in einen gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungsraum bestätigen (BS 19.3.2024). Angesichts der Annexion Abchasiens und Südossetiens durch Russland setzt Georgien alle Hoffnungen auf eine engere Anbindung an die EU und die NATO (EP 4.2024). Kraft des georgischen Gesetzes gelten die Gebiete der Autonomen Republik Abchasien und die Region Zchinwali (Südossetien) als besetzt (GBG GEOR 6.6.2018). Auch das Europäische Parlament erkennt sie als besetzte georgische Gebiete an (UNSC 13.8.2024). Die EU unterstützt Georgiens Souveränität und territoriale Integrität innerhalb seiner international anerkannten Grenzen und engagiert sich seit 2008 für eine friedliche Konfliktlösung, einschließlich der EU-Monitoring-Mission und der Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus (EC 8.11.2023a).
Der Beitritt zur EU und NATO zählt zu den wichtigsten außenpolitischen Zielen Georgiens (CIA 7.8.2024). 1994 trat Georgien dem Programm "Partnership for Peace" der NATO bei. Seit 2010 befindet sich ein Verbindungsbüro der NATO in Georgien (NATO 7.3.2024). Georgien ist einer der Teilnehmerstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSCE o.D.).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.6.2024): Georgien: Reise- und Sicherheitshinweise (Stand: 3.9.2024), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/georgiensicherheit/201918#content_4 , Zugriff 3.9.2024
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Georgia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105865/country_report_2024_GEO.pdf , Zugriff 19.8.2024
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (7.8.2024): The World Factbook - Georgia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/georgia , Zugriff 4.9.2024
EC - Europäische Kommission (8.11.2023a): Georgia 2023 Report, https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/system/files/2023-11/SWD_2023_697 Georgia report.pdf, Zugriff 4.9.2024
ECHR - European Court of Human Rights (9.4.2024): Case of Georgia v. Russia (IV), https://hudoc.echr.coe.int/fre# {"itemid":["001-232000"]}, Zugriff 4.9.2024
EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (3.9.2024): Reisehinweise für Georgien (gültig am 3.9.2024), https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html#edafd1042 , Zugriff 3.9.2024
EP - Europäisches Parlament (4.2024): Drei Nachbarn der Östlichen Partnerschaft im Südkaukasus, https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/172/drei-nachbarn-der-ostlichen-partnerschaft-im-sudkaukasus , Zugriff 4.9.2024
EUMM - The European Union Monitoring Mission in Georgia (o.D.): Factsheet and Figures, https://www.eumm.eu/data/image_db_innova/EUMM Factsheet - English.pdf, Zugriff 28.9.2023 [Login erforderlich]
GBG GEOR - Gesetz über besetzte Gebiete [Georgien] (6.6.2018): Law of Georgia on Occupied Territories, https://matsne.gov.ge/en/document/view/19132?publication=6 , Zugriff 10.9.2024
ICG - International Crisis Group (8.2024): CrisisWatch - Tracking Conflict Worldwide: Georgia, https://www.crisisgroup.org/crisiswatch/database?location []=62&crisis_state=&created=custom&from_month=8&from_year=2024&to_month=8&to_year=2024, Zugriff 3.9.2024
ICG - International Crisis Group (5.2024): CrisisWatch - Tracking Conflict Worldwide: Georgia, https://www.crisisgroup.org/crisiswatch/database?location []=62&crisis_state=&created=custom&from_month=5&from_year=2024&to_month=5&to_year=2024, Zugriff 3.9.2024
NATO - North Atlantic Treaty Organization (7.3.2024): Relations with Georgia, https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_38988.htm , Zugriff 4.9.2024
OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (o.D.): Participating States, https://www.osce.org/participating-states , Zugriff 29.9.2023
UB-FO - Universität Bremen - Forschungsstelle Osteuropa (11.2023): Caucasus Analytical Digest No. 135: Impact of the Russian War against Ukraine on Georgia, https://www.laender-analysen.de/cad/pdf/CaucasusAnalyticalDigest135.pdf , Zugriff 3.9.2024
UNGA - United Nations General Assembly (29.4.2024): Status of internally displaced persons and refugees from Abkhazia, Georgia, and the Tskhinvali region/South Ossetia, Georgia; Report of the Secretary-General, https://documents.un.org/doc/undoc/gen/n24/117/80/pdf/n2411780.pdf , Zugriff 2.9.2024
UNHRC - United Nations Human Rights Council (11.8.2023): Visit to Georgia; Report of the Independent Expert on the promotion of a democratic and equitable international order, Livingstone Sewanyana [A/HRC/54/28/Add.1], https://www.ecoi.net/en/file/local/2096508/G2315431.pdf , Zugriff 29.9.2023
UNSC - United Nations Security Council (13.8.2024): Georgia: Meeting under “Any Other Business", https://www.securitycouncilreport.org/whatsinblue/2024/08/georgia-meeting-under-any-other-business-4.php , Zugriff 4.9.2024
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung 2024-10-01 15:51
Die Reform der Justiz ist seit Regierungsbeginn eines der wichtigsten Vorhaben der Partei "Georgischer Traum". Im Vergleich zur Vorgängerregierung hat die Unabhängigkeit der Justiz große Fortschritte gemacht. In der Regel ist davon auszugehen, dass die Justiz unabhängig und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen entscheidet. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wenig ausgeprägt. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis [zum Regierungswechsel] 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. NGOs äußern immer wieder Zweifel an der Unabhängigkeit von Gerichten und Staatsanwaltschaft. Sie kritisieren, dass die Selbstverwaltung der Justiz von einer engen Machtgruppe beherrscht wird, die auch die Ernennungen der obersten Richter kontrolliert (AA 26.5.2023).
Trotz laufender Justizreformen beeinflussen Exekutive und Legislative die Justiz. Auch die mangelnde Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren stellen ein Problem dar. Richter des Obersten Gerichtshofs werden vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein Selbstverwaltungsorgan der Justiz wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates. Das Gesetz garantiert ein ordnungsgemäßes Verfahren, aber die damit verbundenen Vorschriften werden nicht immer beachtet. Urteile des Verfassungsgerichts in Bezug auf ordnungsgemäße Verfahren werden mangelhaft umgesetzt. Es kommt zu administrativen Verzögerungen bei Gerichtsverfahren, zu Verletzungen der Unschuldsvermutung, Nichteinhaltung von Vorschriften in Bezug auf Inhaftierung und Verhöre sowie Verweigerung des Zugangs zu einem Anwalt bei Festnahme (FH 2024).
Das Justizsystem Georgiens hat begrenzte Fortschritte erzielt, unterstützt durch vier Reformwellen, die den rechtlichen Rahmen verbessert haben. Zu den legislativen Änderungen gehören die Verbesserung der Zugänglichkeit von Gerichtsurteilen sowie die Erhöhung der beruflichen Erfahrung für Nominierte des Obersten Gerichts auf zehn Jahre. Im Juni 2023 verabschiedete das Parlament Änderungen zum Gesetz über die ordentlichen Gerichte und entwarf im September 2023 weitere Änderungen, die einige Empfehlungen der Venedig-Kommission umsetzen. Die Änderungen beinhalten jedoch nicht die wichtigsten Empfehlungen der Venedig-Kommission zur umfassenden Reform des Hohen Justizrates u. a. (EC 8.11.2023b). Das Büro der Ombudsperson hat in einer Einreichung an das georgische Parlament im Oktober 2022 eine Reihe von Vorschlägen für eine Justizreform gemacht. Keiner dieser Vorschläge wurde angenommen (UNHRC 17.7.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
EC - Europäische Kommission (8.11.2023b): Key findings of the 2023 Report on Georgia, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/QANDA_23_5626 , Zugriff 4.9.2024
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108040.html , Zugriff 14.8.2024
UNHRC - United Nations Human Rights Council (17.7.2023): Cooperation with Georgia. Report of the United Nations High Commissioner for Human Rights, https://www.ecoi.net/en/file/local/2095899/G2313585.pdf , Zugriff 24.8.2023
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Die Sicherheitskräfte, die dem Innenministerium Georgiens untergeordnet sind, bestehen aus der Grenzpolizei und Küstenwache (einschließlich der Seestreitkräfte, die 2009 mit der Küstenwache zusammengelegt wurden). Das Innenministerium verfügt auch über Kräfte zum Schutz strategischer Infrastrukturen und zur Durchführung von Sonderoperationen (CIA 7.8.2024). Eine weitere gesetzlich vorgesehene georgische Sicherheitsinstitution, die der Regierung untergeordnet ist, stellt der Staatssicherheitsdienst (auch bekannt als State Security Service of Georgia, SSSG) dar, der ein System von Sondereinrichtungen der Exekutive ausmacht und in seinem Zuständigkeitsbereich die Staatssicherheit gewährleistet (GSSD GEOR 22.3.2017, Art. 2). Der SSSG hat das Mandat für terrorismusbezogene Vorfälle und Ermittlungen, arbeitet eng mit verschiedenen Ministerien und internationalen Partnern zusammen und ist laut dem US-amerikanischen Außenministerium gut ausgebildet und ausgerüstet. Auch ist Georgien im Allgemeinen in der Lage, terroristische Vorfälle aufzudecken, zu verhindern und auf sie zu reagieren (USDOS 30.11.2023). Der Nationale Sicherheitsrat untersteht gemäß den gesetzlichen Vorgaben als beratendes Gremium dem Premierminister, liefert Informationen zu nationalen Sicherheitsbedrohungen, bereitet politische Entscheidungen vor, plant und koordiniert die Sicherheitspolitik auf strategischer Ebene und führt seine Aktivitäten auf Grundlage der georgischen Verfassung und Gesetze durch (GPKNSP GEOR 2.11.2021, Art. 19). Georgiens Militär bzw. Verteidigungskräfte (auch bekannt als Defense Forces of Georgia, DFG) bestehen aus den Bodentruppen, der Luftwaffe, Nationalgarde und den Sondereinsatzkräften (CIA 7.8.2024).
Im Dezember 2021 leitete die Regierung einen beschleunigten parlamentarischen Prozess zur Abschaffung des 2018 gegründeten Staatlichen Inspektoratsdienstes (State Inspector’s Service, SIS) ein, der für die Untersuchung von Machtmissbrauch und die Überwachung der Rechtmäßigkeit von Eingriffen in das Recht auf Privatsphäre zuständig war. Diese Entscheidung wurde von verschiedenen Organisationen, darunter der OSZE und dem UN-Landesteam in Georgien, aufgrund fehlender überzeugender Begründung für die Abschaffung kritisiert, was für Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit von Institutionen zum Schutz der Menschenrechte sorgt. Der Dienst wurde durch zwei neue Institutionen ersetzt: den Sonderermittlungsdienst (Special Investigation Service, SIS), der Machtmissbrauch untersuchen soll, und den Dienst für den Schutz personenbezogener Daten (Personal Data Protection Service, PDPS), die jeweils spezifische Aufgaben im Bereich der Machtmissbrauchsermittlung und des Datenschutzes übernehmen sollen (UNHRC 19.3.2024; vgl. USDOS 20.3.2023).
Polizeibeamte werden in ihrer Rolle als Hüter von Regeln öffentlich als zurückhaltend, aber auch oft als untätig oder wenig effektiv wahrgenommen. Der Staatssicherheitsdienst tritt nicht als Repressionsinstrument auf, hat jedoch weitreichende Kompetenzen und ist in seiner Tätigkeit nur eingeschränkt transparent. Staatliche Stellen haben auch weitreichenden Zugang zu elektronischer Kommunikation der Bevölkerung und zu den persönlichen Daten, die bei privaten Netzbetreibern hinterlegt sind (AA 26.5.2023). Eine laufende Polizeireform zielt auf die Trennung der Rollen zwischen Staatsanwälten und Ermittlern sowie zwischen operativen und investigativen Funktionen von Polizeibeamten ab. Bürgernahe und nachrichtendienstlich geführte Polizeiarbeit soll ausgeweitet, die zentralisierte analytische Arbeit verbessert, der Kampf gegen Computerkriminalität und organisierte Kriminalität intensiviert sowie die internationale Zusammenarbeit ausgebaut werden (EC 10.8.2022). Die Umstrukturierung der Polizei hat an Dynamik gewonnen, doch sind die Ergebnisse bisher begrenzt (EC 8.11.2023a).
Trotz der Reformen berichten NGOs regelmäßig von übermäßiger Gewalt durch Polizisten gegen Häftlinge und Demonstrierende sowie von der Straflosigkeit von Polizisten im Falle von Folter und Misshandlungen (BICC 7.2024). Mit Stand Oktober 2023 gingen beim SIS 1.775 Beschwerden über Misshandlungen durch die Strafverfolgungsbehörden ein, und in 178 Fällen wurden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet (HRW 11.1.2024). Nicht zuletzt setzen sich auch politisch motivierte Strafverfolgungen fort (AI 24.4.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
AI - Amnesty International (24.4.2024): The State of the World’s Human Rights; Georgia 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107899.html , Zugriff 6.9.2024
BICC - Bonn International Centre for Conflict Studies (7.2024): Georgien, Länderinformationen zu den Europäischen Kriterien für Rüstungsexporte, https://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/georgien/2024_Georgien.pdf , Zugriff 6.9.2024
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (7.8.2024): The World Factbook - Georgia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/georgia , Zugriff 4.9.2024
EC - Europäische Kommission (8.11.2023a): Georgia 2023 Report, https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/system/files/2023-11/SWD_2023_697 Georgia report.pdf, Zugriff 4.9.2024
EC - Europäische Kommission (10.8.2022): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2022) 215 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/2078335/ST_11784_2022_INIT_en.pdf ; filename*=UTF-8''ST_11784_2022_INIT_en.pdf, Zugriff 29.9.2023
GPKNSP GEOR - Gesetz über die Planung und Koordinierung der nationalen Sicherheitspolitik [Georgien] (2.11.2021): Law of Georgia on Planning and Coordination of the National Security Policy, https://matsne.gov.ge/en/document/view/2764463?publication=10 , Zugriff 5.9.2024
GSSD GEOR - Gesetz über den Staatssicherheitsdienst [Georgien] (22.3.2017): Law of Georgia on the State Security Service of Georgia, https://matsne.gov.ge/en/document/view/2905260?publication=1 , Zugriff 5.9.2024
HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103212.html , Zugriff 6.9.2024
UNHRC - United Nations Human Rights Council (19.3.2024): Visit to Georgia; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights defenders [A/HRC/55/50/Add.2], https://www.ecoi.net/en/file/local/2105439/g2403810.pdf , Zugriff 5.9.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (30.11.2023): Country Report on Terrorism 2022 - Chapter 1 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2101559.html , Zugriff 5.9.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089112.html , Zugriff 13.9.2024
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Georgien ist dem UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (einschließlich der Zusatzprotokolle) beigetreten (OHCHR o.D.). Gemäß der Verfassung Georgiens ist die Würde des Menschen unantastbar und wird vom Staat geschützt; Folter und unmenschliche Behandlung sind verboten (Verf GEOR 29.6.2020, Art. 9; vgl. EC 8.11.2023a). Dennoch wenden Staatsbedienstete Berichten zufolge solche Methoden in der Praxis an (USDOS 23.4.2024). Vorfälle von Gewaltanwendung scheinen auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar (AA 26.5.2023). Mit Stand Oktober 2023 waren an das Büro der Ombudsperson 72 Beschwerden in Bezug auf Misshandlungen durch die Strafverfolgung herangetragen worden (HRW 11.1.2024). Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte merkt erhebliche Fortschritte bei der Bekämpfung von Folter in Georgien an, wobei zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind (UNHCHR 18.10.2023; vgl. PDG o.D.).
Der im März 2022 gegründete Sonderermittlungsdienst (SIS) hat die Zuständigkeit der Ermittlung von Folter und Misshandlung. Laut der Europäischen Kommission ist das Mandat des SIS sehr weit gefasst, und seine Zuständigkeit wurde seit seiner Einrichtung mehrfach erweitert. Dies birgt die Gefahr, dass die Hauptaufgabe des SIS, nämlich die Untersuchung von Folter und Misshandlung durch Strafverfolgungsbeamte, nicht genügend Aufmerksamkeit und Ressourcen erhält. Im Jahr 2022 hat der Sonderermittlungsdienst 2.514 Meldungen erhalten, wobei viele der mutmaßlichen Opfer inhaftierte Personen sind. In 420 Fällen wurden Strafverfahren eingeleitet, von denen 56 % Misshandlungen durch Vollzugsbeamte betreffen (EC 8.11.2023a).
Die Regierung erlaubt ein unabhängiges Monitoring der Lage in den Gefängnissen durch Organisationen wie das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (USDOS 23.4.2024). Im März 2023 stattete das Komitee Georgien einen Besuch ab und untersuchte die Situation im Bereich der Gesundheitsfürsorge im Strafvollzug in der Klinik "VivaMedi". Trotz insgesamt akzeptabler Lebensbedingungen wurde das therapeutische Umfeld aufgrund Missachtung der Privatsphäre der Patienten und der ärztlichen Schweigepflicht bemängelt (ECPT 18.1.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
EC - Europäische Kommission (8.11.2023a): Georgia 2023 Report, https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/system/files/2023-11/SWD_2023_697 Georgia report.pdf, Zugriff 4.9.2024
ECPT - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (18.1.2024): Report to the Georgian Government on the visit to Georgia carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 25 to 27 March 2023, https://rm.coe.int/1680ae2dd0 , Zugriff 6.9.2024
HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103212.html , Zugriff 6.9.2024
OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (o.D.): UN Treaty Body Database, https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=89 , Zugriff 11.9.2024
PDG - Public Defender (Ombudsman) of Georgia [Georgien] (o.D.): Report of the Public Defender of Georgia, On the Situation of Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia, 2023, https://ombudsman.ge/res/docs/2024052911382931838.pdf , Zugriff 6.9.2024
UNHCHR - Hoher Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte (18.10.2023): Georgia: Prison system needs modernisation, says UN torture prevention body, https://www.ohchr.org/en/press-releases/2023/10/georgia-prison-system-needs-modernisation-says-un-torture-prevention-body#:~:text=GENEVA (18 October 2023) –,century standards, UN torture prevention, Zugriff 6.9.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107700.html , Zugriff 2.9.2024
Verf GEOR - Verfassung Georgiens [Georgien] (29.6.2020): Constitution of Georgia, https://matsne.gov.ge/en/document/view/30346?publication=36 , Zugriff 14.8.2024
Korruption
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Georgien hat Fortschritte im Kampf gegen Korruption gemacht und ein Anti-Korruptionsbüro eingerichtet, das mehrere Funktionen in einem einzigen Gremium vereint. Die Gesetzgebung dazu wurde im September 2023 an die Venedig-Kommission übermittelt (EC 8.11.2023a). Die Gesetze gegen Korruption in Georgien sehen zwar strafrechtliche Sanktionen für Beamte vor, jedoch werden sie von der Regierung nicht effektiv umgesetzt. Es gibt Berichte über Korruption auf höheren Ebenen (USDOS 23.4.2024). Die Kleinkorruption befindet sich auf einem bemerkenswert niedrigen Niveau, während bei Korruption auf höheren Ebenen nahezu vollständige Straflosigkeit herrscht. Das Land erlebt die Korruptionsform der "Staatsvereinnahmung" (TIG 26.1.2024). Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen (AA 26.5.2023).
Korruption hat bei der staatlichen Postenbesetzung und bei der öffentlichen Beschaffung die Form von Vettern- und Günstlingswirtschaft angenommen. Die mangelnde Unabhängigkeit sowohl der Gesetzesvollzugsbehörden als auch der Justiz behindert die wirksame Anwendung von Antikorruptionsgesetzen. Erfolgreiche Klagen gegen hochrangige Beamte sowie gegen Personen, welche solchen Beamten nahestehen, sind selten (FH 2024).
Im November 2022 verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Einrichtung eines Antikorruptionsbüros, das die Antikorruptionspolitik überwachen und Vermögenserklärungen kontrollieren soll, jedoch keine Ermittlungsfunktionen hat. Das Büro nahm am 1. September 2023 seine Arbeit auf. Die Oppositionsparteien und die zivilgesellschaftlichen Organisationen äußerten starke Vorbehalte hinsichtlich der Unabhängigkeit und Effizienz des Amtes, und die Rechtsvorschriften wurden im September 2023 der Venedig-Kommission zur Stellungnahme vorgelegt (EC 8.11.2023a).
Gemäß dem Corruption Perceptions Index 2023 von Transparency International, welcher das von Experten und Geschäftsleuten wahrgenommene Korruptionsniveau im öffentlichen Sektor misst, wird Georgien mit 53 von 100 Punkten bewertet (0 = sehr korrupt, 100 = sehr wenig korrupt). Georgien liegt gleichauf mit Zypern, Grenada und Ruanda (TI 1.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
EC - Europäische Kommission (8.11.2023a): Georgia 2023 Report, https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/system/files/2023-11/SWD_2023_697 Georgia report.pdf, Zugriff 4.9.2024
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108040.html , Zugriff 14.8.2024
TI - Transparency International (1.2024): Corruption Perceptions Index 2023, https://images.transparencycdn.org/images/Report_CPI2023_Eng.pdf , Zugriff 15.5.2024
TIG - Transparency International Georgia (26.1.2024): Alleged Cases of the High-Level Corruption — A Periodically Updated List, https://transparency.ge/en/blog/alleged-cases-high-level-corruption-periodically-updated-list?fbclid=IwAR2X5ojLHC-llutfBeQ9ZTFiGr1I5yRUzkaHy3upB6KA3mGYozBtOZ_iPms , Zugriff 9.9.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107700.html , Zugriff 2.9.2024
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Da sich die politische Polarisierung in Georgien verschärft, sind die Interessengruppen des Landes nicht in der Lage, themenbezogene politische Debatten zu führen. Ein erheblicher Teil der Gesellschaft hat sich nicht in Interessengruppen oder NGOs organisiert, was auf eine geringe Bereitschaft hinweist, formelle Vereinigungen mit spezifischen Zielen zu gründen oder beizutreten. NGOs sind in hohem Maße auf westliche Unterstützung angewiesen, wenn es um Finanzierung, Beratung und die Förderung individueller Freiheit geht, und sehen sich mit wachsenden Herausforderungen durch prorussische Akteure konfrontiert (BS 19.3.2024).
Menschenrechtsorganisationen und andere NGOs können sich ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit durchführen. Sie werden in der Öffentlichkeit gut wahrgenommen und können auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben (AA 26.5.2023; vgl. EC 8.11.2023a). In den meisten Fällen werden die Tätigkeiten von Menschenrechtsorganisationen durch die Regierung nicht eingeschränkt. Menschenrechtsorganisationen dürfen frei ermitteln und die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlichen (USDOS 23.4.2024). Während manche NGOs in die politischen Diskussionen einbezogen werden (FH 2024; vgl. AA 26.5.2023), berichten andere, dass sie politischem Druck ausgesetzt sind, vor allem in Form von Überwachung, Kritik und Ausschluss vom politischen Dialog (FH 2024).
Darüber hinaus nimmt die Partei "Georgischer Traum" kritische NGOs ins Visier, bezeichnet sie als Agenten ausländischer Interessen und bedroht ihre Aktivitäten. Des Weiteren unterstellt sie den NGOs wiederholt, sie seien Teil der Opposition oder aufgrund der westlichen Finanzierung korrupt. Obwohl der Staat den NGOs keine formellen Beschränkungen auferlegt und sie nach wie vor Finanzmittel von westlichen Gebern erhalten können, besteht die Befürchtung, dass die Bezeichnung "Agenten ausländischer Einflussnahme" zur Stigmatisierung und damit zur Begrenzung des Einflusses der Zivilgesellschaft und der Medien auf die staatlichen Behörden und die politische Agenda verwendet werden könnte (BS 19.3.2024).
Georgien verfügt nicht über eine umfassende Regierungsstrategie zur Unterstützung der Zivilgesellschaft oder zur Zusammenarbeit mit ihr. Sowohl auf zentraler als auch auf kommunaler Ebene gibt es Mechanismen zur Konsultation der Zivilgesellschaft bei der Politikgestaltung und Gesetzgebung (EC 8.11.2023a).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Georgia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105865/country_report_2024_GEO.pdf , Zugriff 19.8.2024
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Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Gemäß der georgischen Verfassung schützt und anerkennt der Staat die universell anerkannten Menschenrechte und Freiheiten als ewige und höchste menschliche Werte. Bei der Ausübung der Staatsgewalt sind das Volk und der Staat an diese Rechte und Freiheiten als unmittelbar geltendes Recht gebunden. Die Verfassung leugnet nicht andere allgemein anerkannte Menschenrechte und Freiheiten (Verf GEOR 29.6.2020, Art. 4).
Georgien verfügt über starke nationale und verfassungsrechtlich garantierte Menschenrechtsinstitutionen, wie z. B. das Amt der Ombudsperson, welches Einzelfälle aufgreift und Missstände aller Art regelmäßig öffentlich anspricht. Die vom georgischen Parlament ernannte unabhängige Ombudsperson beobachtet mit einem Stab von rund 140 Mitarbeitern und zehn Regionalbüros die Wahrung der Menschenrechte im Land und klärt problematische Vorfälle auf (AA 26.5.2023). Sie berät die Regierung in Menschenrechtsfragen und analysiert außerdem die Gesetze, Strategien und Praktiken des Staates in Übereinstimmung mit den internationalen Standards und gibt entsprechende Empfehlungen ab. Basierend auf dem Gesetz zur "Beseitigung aller Formen von Diskriminierung" wird die Ombudsperson als Gleichbehandlungsstelle definiert. Eine von deren Hauptfunktionen ist es, die Umsetzung des Gesetzes zu überwachen. Das Amt der Ombudsperson führt zudem Bildungsaktivitäten im Bereich der Menschenrechte und Freiheiten durch und reicht beim Verfassungsgericht Beschwerden ein, wenn die Menschenrechte und Freiheiten durch einen normativen Akt verletzt werden (ENNHRI o.D.). Am 7. März 2023 wurde Lewan Ioseliani, Rechtsanwalt und bis zu seiner Wahl Parlamentsabgeordneter für die Oppositionspartei "Bürger", als Ombudsperson vom Parlament gewählt (AA 26.5.2023). NGOs betrachten das Amt der Ombudsperson, das sich mit Menschenrechten befasst und Anschuldigungen über Missbrauch und Diskriminierung prüft, als die objektivste Menschenrechtseinrichtung des Landes (USDOS 23.4.2024).
NGOs äußern immer wieder Zweifel an der Unabhängigkeit von Gerichten und Staatsanwaltschaft. Sie kritisieren, dass die Selbstverwaltung der Justiz von einer engen Machtgruppe beherrscht wird, die auch die Ernennungen der obersten Richter kontrolliert. Im Vergleich zur Vorgängerregierung hat die Unabhängigkeit der Justiz große Fortschritte gemacht. Im Justizwesen und Strafvollzug kann eine menschenrechtswidrige Behandlung, die bis 2012 systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden. Menschenrechtsorganisationen können sich ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit durchführen. Die Lage der Menschenrechte hat in vielen Bereichen einen guten Stand erreicht. Problematisch bleibt die mangelnde politische, soziale und wirtschaftliche Teilhabe Angehöriger ethnischer Minderheiten sowie insbesondere die ablehnende Einstellung der Gesellschaft gegenüber sexuellen Minderheiten (AA 26.5.2023).
Quellen
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ENNHRI - European Network of National Human Rights Institutions (o.D.): Public Defender (Ombudsman) of Georgia, https://ennhri.org/our-members/georgia/ , Zugriff 25.8.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107700.html , Zugriff 2.9.2024
Verf GEOR - Verfassung Georgiens [Georgien] (29.6.2020): Constitution of Georgia, https://matsne.gov.ge/en/document/view/30346?publication=36 , Zugriff 14.8.2024
Meinungs- und Pressefreiheit
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Die Verfassung und die Gesetze garantieren die Meinungs- und Pressefreiheit, jedoch gibt es erhebliche Bedenken hinsichtlich des Respekts der Regierung für diese Freiheit. Insbesondere wird die Verschärfung des Umfelds für Medienpluralismus kritisiert. Zudem gibt es Gewalt und Drohungen gegen Journalisten, während die Verantwortlichen für solche Taten oft nicht zur Rechenschaft gezogen werden (USDOS 23.4.2024).
Georgier äußern ihre Meinungen im Allgemeinen ohne Angst vor staatlicher Repression, jedoch sind in den letzten Jahren Bedenken hinsichtlich staatlicher Überwachung aufgekommen. Berichte zeigen, dass der Staatliche Sicherheitsdienst 2021 in umfangreiche Überwachungsmaßnahmen gegen Journalisten, Aktivisten und Politiker verwickelt war, und es herrscht eine mangelnde Aufsicht über diese Praktiken (FH 2024; vgl. AA 26.5.2023). Im Jahr 2023 gab es Versuche, die berufliche Tätigkeit von Medienvertretern zu beeinträchtigen und ihre Meinungsfreiheit einzuschränken (HRC 2024).
Die georgische Presselandschaft ist stark politisiert und neigt schnell zu Übertreibungen (AA 26.5.2023; vgl. HRC 2024). Die meisten Fernsehsender sind politischen Parteien zugeordnet. Trotz der Meinungsfreiheit erleben Journalisten und Medienvertreter kontinuierliche Angriffe, was ein feindliches Medienumfeld schafft, während Gerichtsverfahren gegen Eigentümer kritischer Medien und negative Entscheidungen des Obersten Gerichts die Meinungsfreiheit weiter beeinträchtigen (HRC 2024).
Manipulation, Hassreden und Desinformation sind in den Medien weit verbreitet, insbesondere im Fernsehen, der wichtigsten Informationsquelle. Die Eigentümer der Medien kontrollieren häufig die redaktionellen Inhalte. Verbale und körperliche Angriffe auf Journalisten sind häufig, auch durch hohe Regierungsbeamte, insbesondere während Wahlkämpfen. Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit 2024 von Reporter ohne Grenzen rangiert Georgien gegenwärtig auf Platz 103 von insgesamt 180 Plätzen (RSF o.D.).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
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RSF - Reporter ohne Grenzen (o.D.): Georgia, https://rsf.org/en/country/georgia , Zugriff 10.9.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107700.html , Zugriff 2.9.2024
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die Verfassung und die Gesetze Georgiens garantiert (AA 26.5.2023). Menschenrechtsorganisationen äußern sich besorgt über die gesetzlichen Bestimmungen, darunter die Verpflichtung, dass politische Parteien und andere Organisationen den lokalen Behörden fünf Tage im Voraus mitteilen müssen, wenn sie sich in einem öffentlichen Bereich versammeln wollen, wodurch spontane Demonstrationen ausgeschlossen werden (USDOS 23.4.2024).
In Tiflis fanden unlängst mehrere Versammlungen von zivilen Aktivisten, politischen Parteien und Bürgerbewegungen statt, wobei es zu erheblichen Verletzungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit kam (HRC 2024), einschließlich übermäßiger Gewaltanwendung durch die Polizei (FH 2024; vgl. HRW 11.1.2024). Die Praxis der Verhaftung von Demonstranten aufgrund geringfügiger Vergehen wie Ungehorsams lässt sich auf die Anwendung des aus der Sowjetzeit stammenden Gesetzbuchs für Ordnungswidrigkeiten zurückführen (BS 19.3.2024). Die fehlende Rechenschaftspflicht für Verstöße der Strafverfolgungsbehörden, insbesondere im Zusammenhang mit der Versammlungsfreiheit, hält an (HRW 11.1.2024).
Die Regierung vollzieht die Gesetze, welche die Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer schützen oder gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung verbieten, nicht wirksam. Rechtsmittel zur Bekämpfung von willkürlichen Entlassungen und Rechtsstreitigkeiten über Arbeitsrechte sind mit langen Verzögerungen verbunden (USDOS 23.4.2024).
Das Versammlungsrecht sexueller Minderheiten wird selten geschützt (FH 2024), die Versammlungsfreiheit für diese Gemeinschaft ist nicht gewährleistet (AA 26.5.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
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HRC - Human Rights Center (2024): State of Human Rights in Georgia, 2023, https://www.hrc.ge/files/305annual 2023 eng.pdf , Zugriff 10.9.2024
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USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107700.html , Zugriff 2.9.2024
Todesstrafe
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
In Georgien wurde 1997 die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft (AA 26.5.2023; vgl. AI 5.2024). Dieses Verbot ist auch in Artikel 10 der Verfassung verankert (Verf GEOR 29.6.2020). Das zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe hat Georgien im März 1999 ratifiziert (OHCHR o.D.).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
AI - Amnesty International (5.2024): Death Sentences and Executions 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2110112/ACT5079522024ENGLISH.pdf , Zugriff 11.9.2024
OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (o.D.): UN Treaty Body Database, https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=89 , Zugriff 11.9.2024
Verf GEOR - Verfassung Georgiens [Georgien] (29.6.2020): Constitution of Georgia, https://matsne.gov.ge/en/document/view/30346?publication=36 , Zugriff 14.8.2024
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Georgien hat vier wichtige internationale Verträge zum Schutz der Frauenrechte ratifiziert oder angenommen, darunter das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, das dazugehörige Fakultativprotokoll, das Untersuchungsverfahren gemäß diesem Protokoll (OHCHR o.D.) und die Istanbul-Konvention des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (CoE o.D.). Zur Sicherstellung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen in allen Lebensbereichen, einschließlich Politik, Wirtschaft, Bildung, Familie und Beruf gibt es in Georgien umfassende staatliche Garantien wie auch einen rechtlichen Rahmen für die Umsetzung dieser Gleichstellungsmaßnahmen (GGG GEOR 15.12.2022; vgl. AA 26.5.2023). Jedoch können Frauen diese Rechte aufgrund gesellschaftlicher Traditionen und Konventionen, ungeachtet gleich hohen Bildungsstandes, nicht immer ausüben (AA 26.5.2023; vgl. FH 2024).
Obwohl keine Gesetze die Teilnahme von Frauen an der Politik verhindern, sind sie trotz Wahlreformen mit Geschlechterquoten in der Regierung bzw. in der Politik unterrepräsentiert (FH 2024; vgl. GIP 5.3.2024, UNDP o.D.). Georgische Politikerinnen sind häufig Opfer von Gewalt und sexistischen Anfeindungen, was ihre Teilnahme an der Demokratie behindert. Jüngsten Daten zufolge haben 54 % der weiblichen Kandidaten während ihres Wahlkampfs oder ihrer politischen Laufbahn physische, psychische, wirtschaftliche oder sexuelle Gewalt und Belästigung erfahren. In den sozialen Medien werden Politikerinnen häufig mit sexistischen Hasstiraden angegriffen, unter anderem aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, ihres Aussehens, ihrer intellektuellen Fähigkeiten und moralischer Kriterien (UN Georgia 25.11.2023). Tief verwurzelte Stereotype behindern den Fortschritt zu einer gleichberechtigten Gesellschaft, auch wenn es in den letzten Jahren einige positive Veränderungen in der öffentlichen Meinung gegeben hat (GIP 5.3.2024).
Frauen sind unabhängig von ihren beruflichen und akademischen Qualifikationen in schlecht bezahlten und gering qualifizierten Positionen überrepräsentiert (USDOS 20.3.2023). Trotz bedeutender Fortschritte bei der Verbesserung der nationalen Gesetzgebung und der Stärkung des Schutzes der Frauenrechte sind in Georgien immer noch geschlechtsspezifische Vorurteile verbreitet, die der Gleichstellung der Geschlechter und der Teilhabe, einschließlich der wirtschaftlichen Teilhabe, von Frauen und Mädchen im Wege stehen (GIZ 28.2.2024).
Trotz entscheidender Maßnahmen von Regierung und Zivilgesellschaft bleibt Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Georgien ein kritisches Problem, das in der Geschlechterungleichheit verwurzelt ist und diese weiter verstärkt (UN Georgia 25.11.2023; vgl. AA 26.5.2023). Fälle häuslicher Gewalt werden von der Gesellschaft und den Behörden meist als interne Familienangelegenheit betrachtet. Die Bereitschaft, dagegen Maßnahmen zu ergreifen, nimmt jedoch weiterhin zu (AA 26.5.2023; vgl. FH 2024). Die Statistik zeigt, dass trotz positiver Gesetzesänderungen in Georgien die Umsetzung der Gesetze und die Zahl der Verbrechen gegen Frauen weiterhin problematisch sind, wobei in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 13 Frauenmorde registriert wurden, von denen 7 Anzeichen häuslicher Gewalt aufwiesen (HRC 2024). Auch die digitale Gewalt nimmt mit der technologischen Entwicklung zu und betrifft insbesondere Frauen, die häufig Opfer psychischer Gewalt werden (HRC 2024).
Vergewaltigung ist gesetzeswidrig. Ersttäter können mit einer Haftstrafe von bis zu acht Jahren belangt werden. Die Regierung setzt das Gesetz nicht wirksam um. Den Ermittlungsbehörden fehlt es an Schulungen bzgl. wirksamer Abläufe für Fallbearbeitung und Beweissammlung (USDOS 23.4.2024). Vergewaltigung in der Ehe ist nicht ausdrücklich strafbar (FH 2024).
Schutz vor häuslicher Gewalt kann in Frauenhäusern oder Einrichtungen für Mütter und Kinder geboten werden (AA 26.5.2023). Der georgische Staat finanziert neben fünf Frauenhäusern auch fünf Krisenzentren, in denen Frauen eine Unterkunft beziehen können. Darüber hinaus gibt es eine staatliche Notrufnummer, die Informationen und Hilfe für Gewaltopfer bereitstellt. Der Staat bietet Frauen derzeit auch die Möglichkeit, einen neuen Beruf zu erlernen, jedoch reicht diese Unterstützung oftmals nicht aus, da viele Frauen ein Einkommen sofort benötigen (Chaikhana 27.12.2022). Die Regierung hat im Oktober 2023 mit Unterstützung der UN ein erweitertes Frauenhaus in Tiflis eröffnet, um Opfern von Gewalt Dienste und Schutz zu bieten (UN Georgia 27.10.2023).
Sexuelle Belästigung wird als eine Verwaltungsübertretung behandelt und hat strafrechtlich keine Folgen. Vor allem am Arbeitsplatz stellt sexuelle Belästigung ein Problem dar (USDOS 23.4.2024). Frauen und Mädchen, die Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt sind, einschließlich konfliktbezogener sexueller Gewalt und häuslicher Gewalt, zögern oft, solche Gewalttaten zu melden, aufgrund vorherrschender Geschlechterstereotypen, Angst vor Stigmatisierung oder Vergeltung sowie mangelnden Vertrauens in Strafverfolgungsmechanismen und staatliche Unterstützungsdienste (UN-CEDAW 2.3.2023).
Gemäß dem Global Gender Gap Index 2024 des Weltwirtschaftsforums nimmt Georgien Rang 69 [76 im Jahr 2023] von insgesamt 146 Ländern ein. Rangmäßig befindet sich Georgien zwischen Rumänien und Brasilien. [Der Global Gender Gap Index misst die Entwicklung der Gesamtsituation für Frauen in Bezug auf folgende Aspekte: Teilnahme am Wirtschaftsleben; Bildungschancen; Gesundheit und politische Rechte.] (WEF 11.6.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
Chaikhana - Chaikhana (27.12.2022): Persistent and present despite progress: The problem of domestic violence in Georgia, https://chaikhana.media/en/stories/1417/persistent-and-present-despite-progress-the-problem-of-domestic-violence-in-georgia , Zugriff 13.9.2024
CoE - Council of Europe (o.D.): Georgia - Istanbul Convention Action against violence against women and domestic violence, https://www.coe.int/en/web/istanbul-convention/georgia , Zugriff 13.9.2024
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108040.html , Zugriff 14.8.2024
GGG GEOR - Gesetz zu Gleichberechtigung der Geschlechter [Georgien] (15.12.2022): Law of Georgia on Gender Equality, https://matsne.gov.ge/en/document/view/91624?publication=9 , Zugriff 13.9.2024
GIP - Georgian Institute of Politics (5.3.2024): The Georgia Governance Index (GGI) 2023, https://gip.ge/wp-content/uploads/2024/04/Georgia-Goverance-Index-Report-2023_Eng.pdf , Zugriff 14.8.2024
GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (28.2.2024): Circular Economy in Georgia; Opportunities for reusable packaging systems and women’s participation, https://www.giz.de/en/downloads/giz2024-en-baseline-study-georgia-extern.pdf , Zugriff 13.9.2024
HRC - Human Rights Center (2024): State of Human Rights in Georgia, 2023, https://www.hrc.ge/files/305annual 2023 eng.pdf , Zugriff 10.9.2024
OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (o.D.): UN Treaty Body Database, https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=89 , Zugriff 11.9.2024
UN-CEDAW - United Nations - Committee on the Elimination of Discrimination against Women (2.3.2023): Concluding observations on the sixth periodic report of Georgia [CEDAW/C/GEO/CO/6], https://www.ecoi.net/en/file/local/2088876/N2306479.pdf , Zugriff 13.9.2024
UNDP - United Nations Development Programme (o.D.): Our focus: Gender Equality, https://www.undp.org/georgia/gender-equality , Zugriff 13.9.2024
UN Georgia - UN Georgia (25.11.2023): Statement on International Day for the Elimination of Violence against Women and Girls, https://georgia.un.org/en/253835-statement-international-day-elimination-violence-against-women-and-girls , Zugriff 13.9.2024
UN Georgia - UN Georgia (27.10.2023): UN Women support leads to expansion of the existing shelter for victims of violence in Tbilisi, https://georgia.un.org/en/254531-un-women-support-leads-expansion-existing-shelter-victims-violence-tbilisi , Zugriff 13.9.2024
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WEF - World Economic Forum (11.6.2024): Global Gender Gap Report 2024, https://www3.weforum.org/docs/WEF_GGGR_2024.pdf , Zugriff 13.9.2024
Kinder
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Die UN-Kinderrechtskonvention wurde von Georgien im Jahr 1994 ratifiziert (OHCHR o.D.). Staatliche repressive Handlungen gegen Kinder gibt es in Georgien nicht. Jedoch ist die staatliche Unterstützung von Kindern – ob bei Bildung oder Sozialhilfe – gering. Der Erwerb des Familieneinkommens mithilfe von Kindern und die frühe Verheiratung von Mädchen sind insbesondere bei ethnischen Minderheiten verbreitet und akzeptiert mit der Folge, dass die Schulpflicht vernachlässigt wird (AA 26.5.2023). In Georgien bestehen ein hohes Maß an Gewalt gegen Kinder und unzureichende Verfahrens- sowie politische Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder in Familien, Heimen, Pflegefamilien und in Bildungseinrichtungen (UN-CRC 25.6.2024; vgl. AA 26.5.2023, HRC 2024). Das Gesetz legt Rechte für Kinder fest, verbietet Diskriminierung und sieht Strafen für Kindesmissbrauch vor, wobei jedoch Herausforderungen bei der Prävention von Gewalt gegen Kinder, der Qualifikation von Fachkräften und Ressourcenknappheit bestehen und körperliche Züchtigung in Schulen trotz Verbots weiterhin ein Problem darstellt (USDOS 23.4.2024; vgl. PDG o.D.). Die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren betrug im Jahr 2023 0,6 % (GHI o.D.).
Die Prävention von Straftaten sexueller Gewalt gegen Kinder, die schnelle Aufdeckung von Vorfällen, die wirksame Reaktion und Verfügbarkeit von Rehabilitations- und Unterstützungsdiensten für Kinder und ihre Familien sind weiterhin problematisch. Die innerstaatliche Gesetzgebung und der bestehende Beweisstandard sind der Ombudsperson nach nicht mit den Verpflichtungen aus internationalen Instrumenten vereinbar. Gewalt, Gewaltandrohung und Ausnutzung von Hilflosigkeit bleiben weiterhin Voraussetzungen für die strafrechtliche Einordnung als Vergewaltigung oder andere sexuelle Handlungen an Kindern, während Umstände wie Vertrauensmissbrauch oder Ausnutzung einer Autoritätsposition allein keinen Straftatbestand darstellen. Zudem gibt es kein gesetzlich festgelegtes Mindestalter für die Einwilligung [in sexuelle Handlungen; Anm. der Staatendokumentation]. Die unzureichende Versorgung und geografische Abdeckung von Dienstleistungen für Kinder, die Opfer von Missbrauch und sexueller Gewalt geworden sind, sowie der Mangel an Fachkräften für die Arbeit mit Kindern bleiben problematisch, wobei das einzige spezialisierte Zentrum für psychologische und soziale Dienste nur in Tiflis verfügbar ist, trotz langjähriger Pläne zur Eröffnung eines ähnlichen Zentrums in Westgeorgien (PDG o.D.).
Die Regierung hat die Ersetzung der Großwaisenhäuser durch alternative Einrichtungen weitgehend abgeschlossen (USDOS 20.3.2023; vgl. PDG 3.4.2023). In Georgien gibt es 37 kleine familienähnliche Heime, darunter vier spezialisierte familienähnliche Heime für Kinder mit schweren und schwersten Behinderungen oder gesundheitlichen Problemen, sowie das Kinderheim in Tiflis, das LEPL-Kinderzentrum in Poti und die Ninotsminda-Internatsschule für Waisenkinder unter dem Patriarchat von Georgien (PDG o.D.). Die Regierung hat den Pool von Pflegeeltern aufgestockt, um Kinder aus Waisenhäusern aufzunehmen und einen Zustrom neuer Fälle in Waisenhäuser zu vermeiden (USDOS 20.3.2023).
Der Unterricht in öffentlichen Schulen ist kostenlos (IOM 6.2023). Trotz hoher Einschreibungsquoten in den Primar- und Sekundarschulen bestehen in Georgien Bedenken bezüglich mangelhaften Schulbesuchs und eingeschränkten Bildungszugangs für Kinder ethnischer Minderheiten, was teilweise auf einen Mangel an Lehrkräften in nicht-georgischsprachigen Schulen zurückzuführen ist (UN-CRC 25.6.2024).
Der Schutz obdachloser Kinder stellte im Jahr 2023 weiterhin eine große Herausforderung dar, wobei 261 Kinder Unterstützung erhielten, aber Probleme wie Sicherheit, Gewaltprävention und mangelnde Ressourcen blieben bestehen. Trotz der Empfehlungen der Ombudsperson aus den Vorjahren wurden die systemischen Probleme nicht gelöst, was zu einer weiteren Reduzierung der Tagesbetreuungszentren und Unterkünfte führte. Die Situation verdeutlicht die Notwendigkeit verstärkter Dienste, zusätzlicher Unterstützungsprogramme und koordinierter Maßnahmen der zuständigen Regierungsbehörden, um langfristige Lösungen für obdachlose Kinder zu finden (PDG o.D.).
Georgien machte 2023 moderate Fortschritte bei der Bekämpfung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit, einschließlich verstärkter Arbeitsplatzinspektionen und erhöhter finanzieller Unterstützung für Sozialprogramme. Trotz dieser Fortschritte bestehen weiterhin Herausforderungen wie unzureichende Gesetze zum Mindestarbeitsalter, fehlende explizite Verbote der Nutzung von Kindern für illegale Aktivitäten und mangelnde Koordination bei der Bekämpfung von Menschenhandel. Gesetzlich ist Erwerbstätigkeit ab einem Alter von 16 Jahren erlaubt, was nicht den internationalen Standards entspricht, da dies nicht für den informellen Sektor gilt. Darüber hinaus verbietet das Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich den Einsatz von Kindern für illegale Tätigkeiten. Das Bildungsgesetz erlaubt es Kindern, die Schule bereits mit 15 Jahren zu verlassen, was sie für ausbeuterische Arbeitsverhältnisse anfällig macht (USDOL 2024).
Die Kinder in Georgien sind einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt als jede andere Bevölkerungsgruppe, wobei das Land ein umfassendes, kinderfreundliches Sozialsystem vermissen lässt und viele schutzbedürftige Familien und Kinder, insbesondere in ländlichen Gebieten, unzureichend unterstützt werden (UNICEF o.D.). Laut einer Studie des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2023 weisen 37,8 % der georgischen Kinder materielle und soziale Defizite auf (HRC 2024). So berichtet die Ombudsperson, dass 15 % der Fälle möglicher Verletzungen der Rechte des Kindes, die von der Staatsanwaltschaft untersucht werden, im Zusammenhang mit der Armut und der schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Situation von Kindern und Familien mit Kindern stehen. Die Anzahl der in der einheitlichen Datenbank für sozial schwache Familien registrierten Kinder ist im Vergleich zum Jahr 2022 um 5,2% gestiegen. Trotz verschiedener zentraler und kommunaler Sozialprogramme, einschließlich der Versorgung von Säuglingen mit Babynahrung und Lebensmitteln für Familien mit Kindern, können die bestehenden Maßnahmen laut der Ombudsperson die Bedürfnisse von Kindern und Familien in schwierigen sozioökonomischen Situationen nicht vollständig erfüllen (PDG o.D.). Im Juli 2023 führte die Regierung ein System zur monatlichen finanziellen Unterstützung in Höhe von GEL 200 [ca. EUR 67] für sozial schwache Kinder ein, die in Armut leben, darunter Kinder bis 16 Jahre, die unter Sozialschutz stehen (GIP 5.3.2024; vgl. CoE 28.12.2023). Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurde die finanzielle Unterstützung für hilfsbedürftige Kinder im Jahr 2022 um GEL 50 [ca. EUR 17] erhöht, sodass seit Juli 2023 etwa 232.000 Kinder die erhöhte Unterstützung von GEL 200 [ca. EUR 67] erhalten. Die Sozialhilfe für Kinder mit Behinderungen wurde im Jahr 2022 zunächst auf GEL 275 [ca. EUR 92] und mit 2023 auf GEL 340 [ca. EUR 113] angehoben (Agenda.ge 20.4.2023).
Das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung beträgt für Männer und Frauen 18 Jahre. Die Zwangsverheiratung von Personen unter 18 Jahren wird mit zwei bis vier Jahren Freiheitsstrafe geahndet (USDOS 23.4.2024). Die Praxis der frühen Verheiratung und Verlobung stellt nach wie vor eine bedeutende Herausforderung dar (USDOS 23.4.2024; vgl. PDG o.D., Humanium o.D.). Trotz einiger Fortschritte, wie der Einrichtung einer Arbeitsgruppe zum Thema Kinderehen und einer leichten Abnahme der Schulabbrüche aufgrund von Heirat, bleiben die Koordination zwischen den zuständigen Behörden, die Umsetzung von Schutzmaßnahmen und die strafrechtliche Verfolgung von Kinderehen weiterhin problematisch (PDG o.D.).
Gemäß dem Index der Umsetzung von Kinderrechten erreicht Georgien 7,79 von insgesamt 10 Punkten, was "wahrnehmbare Probleme" bedeutet (orange Stufe) (Humanium o.D.).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
Agenda.ge - Agenda.ge (20.4.2023): UN Child Welfare Survey highlights Georgia’s “substantive progress" in reducing child poverty - Deputy Health Minister, https://agenda.ge/en/news/2023/1556 , Zugriff 16.8.2023
CoE - Council of Europe (28.12.2023): European Social Charter; Ad hoc report on the cost-of-living crisis submitted by the Government of Georgia, https://rm.coe.int/geo-ad-hoc-report-on-the-cost-of-living-crisis/1680ae60b7 , Zugriff 16.9.2024
GHI - Global Hunger Index (o.D.): Welthunger-Index: Georgien, https://www.globalhungerindex.org/de/georgia.html , Zugriff 16.9.2024
GIP - Georgian Institute of Politics (5.3.2024): The Georgia Governance Index (GGI) 2023, https://gip.ge/wp-content/uploads/2024/04/Georgia-Goverance-Index-Report-2023_Eng.pdf , Zugriff 14.8.2024
HRC - Human Rights Center (2024): State of Human Rights in Georgia, 2023, https://www.hrc.ge/files/305annual 2023 eng.pdf , Zugriff 10.9.2024
Humanium - Humanium (o.D.): Kinder in Georgien, https://www.humanium.org/de/georgien , Zugriff 16.9.2024
IOM - International Organization for Migration (6.2023): Georgien: Länderinformationsblatt 2023, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_Georgia_2023_DE.pdf , Zugriff 16.9.2024
OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (o.D.): UN Treaty Body Database, https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=89 , Zugriff 11.9.2024
PDG - Public Defender (Ombudsman) of Georgia [Georgien] (o.D.): Report of the Public Defender of Georgia, On the Situation of Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia, 2023, https://ombudsman.ge/res/docs/2024052911382931838.pdf , Zugriff 6.9.2024
PDG - Public Defender (Ombudsman) of Georgia [Georgien] (3.4.2023): Parliamentary Report of the Public Defender of Georgia: On the situation of Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia 2022, https://www.ombudsman.ge/res/docs/2023033120380187763.pdf , Zugriff 10.8.2023
UN-CRC - UN Committee on the Rights of the Child (25.6.2024): Concluding observations on the combined fifth and sixth periodic reports of Georgia [CRC/C/GEO/CO/5-6], https://www.ecoi.net/en/file/local/2113097/G2408887.pdf , Zugriff 16.9.2024
UNICEF - United Nations International Children’s Emergency Fund (o.D.): Child Poverty and Social Protection, https://www.unicef.org/georgia/child-poverty-and-social-protection , Zugriff 16.9.2024
USDOL - United States Department of Labor [USA] (2024): 2023 Findings on the Worst Forms of Child Labor: Georgia, https://www.dol.gov/agencies/ilab/resources/reports/child-labor/georgia , Zugriff 16.9.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107700.html , Zugriff 2.9.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089112.html , Zugriff 13.9.2024
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Georgier dürfen frei reisen, im Inland innerhalb des von der Regierung kontrollierten Territoriums sowie ins Ausland. Sie dürfen ihren Wohnsitz, ihre Beschäftigung und ihre Ausbildung ohne unangemessene Einmischung wechseln (FH 2024).
Es ist nach georgischem Recht illegal, von Russland aus über Südossetien oder Abchasien nach Georgien einzureisen, da es keine offiziellen Grenzkontrollen gibt und Reisende strafrechtlich verfolgt werden können (DFA 7.8.2024; vgl. FCDO o.D.).
Bei der Ausreise aus Georgien erfolgt eine Pass- und Identitätskontrolle unter Nutzung eines EDV-basierten zuverlässigen Systems. Es überprüft die Personalien des Reisedokuments mit der im System hinterlegten Datenbank mit durch Georgien gesuchten Personen und gibt Hilfestellung bei der Echtheitsprüfung des Dokuments. Ziel ist es, aufenthaltsrechtliche Verstöße, insbesondere aber mit Haftbefehl gesuchte Straftäter und irreguläre Migranten, zu identifizieren (AA 26.5.2023).
Zwischen Georgien und der EU besteht seit 2017 ein visafreies Regime (EC 8.11.2023a) . Der Europäischen Kommission nach erfüllt die georgische Grenzkontrolle zwar Mindeststandards, benötigt jedoch zusätzliche technische und personelle Ressourcen zur Qualitätsverbesserung. Georgien verwendet eine Risikobewertungsmethodik basierend auf dem von Frontex entwickelten gemeinsamen integrierten Risikoanalysemodell (CIRAM). Die Bekämpfung grenzüberschreitender organisierter Kriminalität erfordert Verbesserungen bei Ermittlungen und Strafverfolgung, insbesondere in Bezug auf Menschenhandel, Migrantenschmuggel und Terrorismus. Schließlich kooperiert Georgien aktiv mit internationalen Organisationen wie Europol, Interpol und Frontex, um die Grenzsicherheit zu verbessern und den Informationsaustausch zu fördern (EC 8.11.2023a). Im Jahr 2025 wird für Reisen nach Europa eine ETIAS-Reisegenehmigung (European Travel Information and Authorisation System) benötigt, die auch georgische Staatsangehörige betreffen wird (EU 7.2024).
Die De-facto-Behörden und russische Streitkräfte in den von Russland besetzten Gebieten schränken die Bewegungsfreiheit der lokalen Bevölkerung beim Passieren der administrativen Grenze ein, gleichwohl sie Flexibilität für Reisen zu medizinischen, Pensionsleistungs-, religiösen und bildungsbezogenen Zwecken zeigen. In einigen Fällen aber, insbesondere in Südossetien, behindern sie den Zugang zu medizinischer Versorgung im von Tiflis verwalteten Gebiet. Der abchasische Hauptgrenzübergang bleibt für alle Einwohner geöffnet, die über lokal ausgestellte Reisedokumente verfügen (USDOS 23.4.2024). Personen, die sich der administrativen Grenze nähern, riskieren die Inhaftierung durch den Grenzschutz der Russischen Föderation oder Misshandlung durch die lokalen Sicherheitskräfte (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024).
In Georgien gibt es kein zentrales Melderegister. Jedoch existiert ein auskunftsfähiges, zentrales Personenregister, da jedem georgischen Staatsbürger von Geburt an eine persönliche Identitätsnummer zugeteilt wird (AA 26.5.2023; vgl. VB Tiflis 10.8.2022). Adressanmeldungen werden durchgeführt. Diese werden in den sogenannten "Public Halls" administriert, welche vom Justizministerium verwaltet werden (VB Tiflis 10.8.2022).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
DFA - Department of Foreign Affairs [Irland] (7.8.2024): Georgia (current at 17.9.2024), https://www.ireland.ie/en/dfa/overseas-travel/advice/georgia , Zugriff 17.9.2024
EC - Europäische Kommission (8.11.2023a): Georgia 2023 Report, https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/system/files/2023-11/SWD_2023_697 Georgia report.pdf, Zugriff 4.9.2024
EU - Europäische Union (7.2024): ETIAS Info Pack, Public Version, June - July 2024, https://www.bmi.gv.at/202/Fremdenpolizei_und_Grenzkontrolle/Information_zu_ETIAS/files/ETIAS_Info_Pack_July_2024_Public_nBF_01082024.pdf , Zugriff 18.9.2024
FCDO - Foreign, Commonwealth & Development Office [United Kingdom] (o.D.): Georgia travel advice - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/georgia/safety-and-security , Zugriff 7.6.2023
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108040.html , Zugriff 14.8.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107700.html , Zugriff 2.9.2024
VB Tiflis - Verbindungsbeamter des BMI in Tiflis [Österreich] (10.8.2022): Auskunft per E-Mail
Grundversorgung und Wirtschaft
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die staatliche Sozialhilfe liegt bei bis zu GEL 220 [ca. EUR 73] im Monat. Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband (AA 26.5.2023).
Große Teile der georgischen Bevölkerung sind unterbeschäftigt oder arbeitslos. Vor allem die Bewohner der ländlichen Bergregionen, aber auch besonders gefährdete Gruppen in Städten, wie intern Vertriebene und Alleinerzieher, sind von Armut betroffen. Ländliche Armut führt häufig zu Landflucht oder Emigration (ADA 10.2023). Das nationale Statistikbüro Georgiens gibt die Arbeitslosenrate für das Jahr 2023 mit 16,4 % an (Geo Stat 15.5.2024). Etwa 15,6 % der Georgier leben in Armut (Agenda.ge 29.5.2023; vgl. SJC 20.7.2023, Geo Stat 29.5.2024).
Die meisten Personen sind in der Landwirtschaft, Jagd- und Forstwirtschaft, Fischerei, Groß- und Einzelhandel, Reparatur von Kraftfahrzeugen und persönlichen und Haushaltswaren, Bildung, Industrie tätig. Die größte Nachfrage nach Arbeitsplätzen besteht im Dienstleistungssektor. Die meisten Erwerbstätigen sind zwischen 25 und 60 Jahre alt (IOM 6.2023). Das monatliche Durchschnittseinkommen (nominal) der unselbstständig Beschäftigten lag im zweiten Quartal 2024 bei den Männern bei ca. GEL 2.413,5 [ca. EUR 800] und bei den Frauen bei GEL 1.590,2 [ca. EUR 527] (Geo Stat o.D.a).
Das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betrug im zweiten Quartal 2024 9,6 % (Geo Stat o.D.b). Der Wechselkurs des Lari stabilisiert sich (die Volatilität, die im Jahr 2022 bestand, hat nachgelassen), das Leistungsbilanzdefizit bleibt aufgrund des wenig entwickelten Industriesektors und der hohen Energie- und Rohstoffabhängigkeit weiterhin bestehen. Zusätzlich trägt der wachsende Fachkräftemangel zu einem negativen Einfluss auf die Leistungsbilanz und das Außenhandelsbilanzdefizit bei. Im Jahr 2022 betrug die Inflation durchschnittlich 2,5 % (WKO 5.2024). Im Bankensektor hat sich der Zugang zu Finanzmitteln verbessert (HF 10.2023). In der ersten Hälfte 2023 stammte ein Fünftel der internationalen Ankünfte in Georgien aus Russland, doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Die Einnahmen aus russischem Tourismus, Überweisungen und Exporten nach Russland beliefen sich auf etwa 2 Milliarden USD, 1,6-mal mehr als im gleichen Zeitraum 2022 (GIP 5.3.2024).
Der Außenhandel Georgiens wuchs 2023 weiter, wobei sowohl Importe (hauptsächlich durch den Handel mit Kraftfahrzeugen, Erdöl, Gas und Pharmazeutika) als auch Exporte (vor allem Kraftfahrzeuge, Kupfererze und -konzentrate sowie Wein und Spirituosen) zunahmen. Die wichtigsten Absatzmärkte verlagerten sich in Richtung GUS-Länder (insbesondere Aserbaidschan und Armenien, gefolgt von Kasachstan und Kirgistan), die insgesamt 65,9 % des Gesamtexportmarktes ausmachten, während die EU trotz eines Exportrückgangs ein bedeutender Handelspartner nach Aserbaidschan und Armenien blieb. Der Import aus der EU stieg um fast ein Viertel auf 3,81 Mrd. USD und macht sich somit zum wichtigsten Beschaffungsmarkt Georgiens. Die weiteren bedeutenden Handelspartner im Import waren die Türkei, die USA und Russland. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind auch die Überweisungen von Gastarbeitern aus dem Ausland, die im Jahr 2023 allerdings um 12,8 % auf nach wie vor hohe 3,8 Mrd. zurückgegangen sind (WKO 5.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
ADA - Austrian Development Agency [Österreich] (10.2023): Länderinformation Georgien, https://www.entwicklung.at/fileadmin/user_upload/Dokumente/Laenderinformationen/LI_Georgien_Okt2023.pdf , Zugriff 19.8.2024
Agenda.ge - Agenda.ge (29.5.2023): Georgia’s poverty rate at “historic low" of 15.6% - Gov’t Administration, https://agenda.ge/en/news/2023/2093 , Zugriff 7.6.2023
Geo Stat - National Statistics Office of Georgia [Georgien] (o.D.a): Wages, https://www.geostat.ge/en/modules/categories/39/wages , Zugriff 3.10.2024
Geo Stat - National Statistics Office of Georgia [Georgien] (o.D.b): Gross Domestic Product (GDP), https://www.geostat.ge/en/modules/categories/23/gross-domestic-product-gdp , Zugriff 3.10.2024
Geo Stat - National Statistics Office of Georgia [Georgien] (29.5.2024): Indicator of Poverty and Gini Coefficients 2023, https://www.geostat.ge/media/62702/Indicator-of-Poverty-and-Gini-Coefficients---2023.pdf , Zugriff 14.10.2024
Geo Stat - National Statistics Office of Georgia [Georgien] (15.5.2024): Indicators of the Labour Force (Employment and Unemployment) 2023, https://www.geostat.ge/media/62229/Indicators-of-the-Labour-Force-(Employment-and-Unemployment)---2023.pdf , Zugriff 14.10.2024
GIP - Georgian Institute of Politics (5.3.2024): The Georgia Governance Index (GGI) 2023, https://gip.ge/wp-content/uploads/2024/04/Georgia-Goverance-Index-Report-2023_Eng.pdf , Zugriff 14.8.2024
HF - Heritage Foundation, The (10.2023): 2024 Index of Economic Freedom (Updated October 2023): Georgia, https://static.heritage.org/index/pdf/2024/2024_indexofeconomicfreedom_georgia.pdf , Zugriff 3.10.2024
IOM - International Organization for Migration (6.2023): Georgien: Länderinformationsblatt 2023, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_Georgia_2023_DE.pdf , Zugriff 16.9.2024
SJC - Social Justice Center (20.7.2023): The Role of Targeted Social Assistance in the Social Protection System and Its Connection with Other Social Support Services, https://socialjustice.org.ge/uploads/products/pdf/ საარსებო_შემწეობა_-_ENG_1692009999.pdf, Zugriff 7.10.2024
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (5.2024): Wirtschaftsbericht Georgien, https://www.wko.at/oe/aussenwirtschaft/georgien-wirtschaftsbericht.pdf , Zugriff 3.10.2024
Sozialbeihilfen
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Die georgische Regierung hat ein gemischtes System gezielter und universeller beitragsfreier Sozialleistungen eingeführt, dessen Gestaltung und Umsetzung noch stark von institutionellem Erbe geprägt ist (UN Georgia 14.2.2024). Die georgische Verfassung definiert das Land als Sozialstaat, der soziale Gerechtigkeit, gleichmäßige Entwicklung und grundlegende Sozialleistungen gewährleisten muss (Verf GEOR 29.6.2020, Art. 5). Das Gesetz "Über die Sozialhilfe" und die Regierungsresolution Nr. 145 "Über die Sozialhilfe" bilden die rechtliche Grundlage für das System der Sozialhilfe (SJC 20.7.2023). Das Sozialhilfegesetz zielt auf ein faires und effektives Unterstützungssystem ab, indem es Sozialhilfebeziehungen regelt, zuständige Behörden festlegt und verschiedene Arten der Hilfeleistung bestimmt. Die Sozialhilfe umfasst verschiedene Formen wie Lebensunterhaltszuschüsse, Wiedereingliederungshilfen, Zulagen für Pflegefamilien, Beihilfen für die Pflege volljähriger Personen, nicht-monetäre Sozialhilfe und ein Sozialpaket, deren Verfahren und Kriterien durch ministerielle Verordnungen oder Regierungsbeschlüsse geregelt werden (GSH GEOR 1.12.2022, Art. 1-121; vgl. CoE 28.12.2023). Kritischen Meinungen zufolge betont das nationale Sozialhilfegesetz die gezielte Zuweisung von Ressourcen an besonders bedürftige Personen, extrem arme Familien und Obdachlose, anstatt ein bedingungsloses Recht auf Sozialhilfe zu gewährleisten (SJC 20.7.2023; vgl. UN Georgia 14.2.2024).
2006 wurde das wichtigste Sozialhilfeprogramm des Landes, "die gezielte Sozialhilfe" (auch bekannt als "Targeted Social Assistance", TSA), eingeführt (UN Georgia 14.2.2024). Dieses kommt extrem armen Familien zugute, die durch ein sozioökonomisches Bewertungssystem identifiziert werden, das verschiedene Aspekte wie Beschäftigungsstatus, Einkommen, Wohnsituation, Nebenkosten und Gesundheitszustand berücksichtigt. Anspruch auf die TSA haben jene Familien, die in der einheitlichen Datenbank für sozial gefährdete Familien registriert sind und deren Bewertungspunktzahl unter dem gesetzlich festgelegten Schwellenwert liegt (SJC 20.7.2023; vgl. UN Georgia 14.2.2024). Aktuell arbeitet das Sozialministerium an einer erneuten Überarbeitung des Bewertungssystems, um Inklusions- und Exklusionsfehler zu minimieren (UN Georgia 14.2.2024). Folgende Familienbeihilfen (TSA) und Kinderbeihilfen (Child Benefit Programme, CBP) in der Landeswährung (GEL) lassen sich den Bewertungspunkten zuordnen:
UN Georgia 14.2.2024
Familien unterhalb der Armutsgrenze können mit einer Unterstützung von GEL 30-60 [ca. EUR 10-20] pro Familienmitglied rechnen (IOM 6.2023; vgl. SJC 20.7.2023). Insgesamt erhalten etwa 40 % der georgischen Bevölkerung mindestens eine Sozialleistung, wobei 42 % der Männer und 48 % der Frauen abgedeckt sind. Der höhere Anteil weiblicher Leistungsempfänger ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass mehr Frauen eine allgemeine Alterspension beziehen. Bei der gezielten Sozialhilfe überwiegen Frauen mit etwa 55 % gegenüber Männern mit etwa 45 % (UN Georgia 14.2.2024).
Eine Arbeitslosenunterstützung existiert nicht (UN Georgia 14.2.2024; vgl. IOM 6.2023). Es gibt ein staatliches Pensionssystem, und bezugsberechtigt sind Männer ab 65 und Frauen ab 60 Jahre. Der Pensionsantrag ist bei der nächstgelegenen Sozialdienststelle einzureichen. Die Entscheidung fällt innerhalb von zehn Tagen (IOM 6.2023). Die staatliche Pension beträgt 2024 für unter 70-Jährige GEL 315 [ca. EUR 106] (GEL 378 [ca. EUR 127] in Bergregionen) und für über 70-Jährige GEL 415 [ca. EUR 140] (GEL 498 [ca. EUR 168] in Bergregionen), wobei eine jährliche Anpassung an Inflation und Wirtschaftswachstum erfolgt (JA o.D.). Seit 2019 ist ein kumulatives Pensionssystem eingeführt worden, welches für Selbstständige freiwillig ist, auch für Arbeitnehmer über 40 Jahre. Die Teilnahme an diesem System ist für georgische Staatsbürger unter 40 Jahren, die angestellt und/oder selbstständig erwerbstätig sind, sowie für Ausländer, die im Besitz einer Daueraufenthaltsgenehmigung sind, verpflichtend. 2 % des Gehalts des Beitragszahlers gehen auf dessen persönliches Pensionskonto. Darüber hinaus überweisen die Regierung und der Arbeitgeber 2 % auf das Konto des Beitragszahlers. Bei Erreichen des Pensionsalters hat der Beitragszahler Anspruch auf eine Pension auf monatlicher Basis (IOM 6.2023).
Im Gesetz ist ein bezahlter Mutterschaftsurlaub von 126 Kalendertagen und im Falle von Komplikationen während der Geburt oder bei der Geburt von Zwillingen ein Mutterschaftsurlaub von 143 Kalendertagen festgelegt (AGB GEOR 17.9.2024). Mutterschaftsleistungen gelten ausschließlich für formal Beschäftigte, nicht für Frauen im informellen Sektor, Selbstständige oder Arbeitslose. Für 126 Tage Mutterschutz wird eine einmalige staatliche Leistung von bis zu GEL 2.000 [ca. EUR 674] gewährt (UN Georgia 14.2.2024).
Der Staatliche Fonds zum Schutz und Unterstützung für Opfer von Menschenhandel verfügt über zwei Unterkünfte in Tiflis und Batumi für Opfer von Menschenhandel und häuslicher Gewalt. Betroffene können außerdem in einem Krisenzentrum in Tiflis untergebracht werden und erhalten u. a. folgende Dienstleistungen: psychologische Unterstützung, medizinische Hilfe, Rechtsbeistand und Übersetzungsdienst (IOM 6.2023).
Quellen
AGB GEOR - Arbeitsgesetzbuch [Georgien] (17.9.2024): Organic Law of Georgia – Labour Code of Georgia, https://matsne.gov.ge/en/document/view/1155567?publication=26 , Zugriff 16.10.2024
CoE - Council of Europe (28.12.2023): European Social Charter; Ad hoc report on the cost-of-living crisis submitted by the Government of Georgia, https://rm.coe.int/geo-ad-hoc-report-on-the-cost-of-living-crisis/1680ae60b7 , Zugriff 16.9.2024
GSH GEOR - Gesetz über Sozialhilfe [Georgien] (1.12.2022): Закон Грузии О социальной помощи [Gesetz Georgiens über Sozialhilfe], https://www.matsne.gov.ge/ru/document/view/23098?publication=16 , Zugriff 4.10.2024
IOM - International Organization for Migration (6.2023): Georgien: Länderinformationsblatt 2023, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_Georgia_2023_DE.pdf , Zugriff 16.9.2024
JA - Just Advisors (o.D.): Everything we know about pensions in Georgia, https://en.justadvisors.ge/tpost/lg94uvbcv1-everything-we-know-about-pensions-in-geo , Zugriff 16.10.2024
SJC - Social Justice Center (20.7.2023): The Role of Targeted Social Assistance in the Social Protection System and Its Connection with Other Social Support Services, https://socialjustice.org.ge/uploads/products/pdf/ საარსებო_შემწეობა_-_ENG_1692009999.pdf, Zugriff 7.10.2024
UN Georgia - UN Georgia (14.2.2024): Readiness to implement the action plan to strengthen regional cooperation on social protection : Georgia, https://georgia.un.org/en/download/153834/260563 , Zugriff 14.10.2024
Verf GEOR - Verfassung Georgiens [Georgien] (29.6.2020): Constitution of Georgia, https://matsne.gov.ge/en/document/view/30346?publication=36 , Zugriff 14.8.2024
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Gemäß der georgischen Gesetzgebung sorgt das georgische Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales für die Verfolgung der staatlichen Gesundheitspolitik. Es erarbeitet und erlässt in seinem Zuständigkeitsbereich entsprechende Rechtsakte. Einer der Grundsätze der staatlichen Gesundheitspolitik ist die allgemeine und gleichberechtigte Zugänglichkeit zur Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung im Rahmen der staatlichen Verpflichtungen, die in den staatlichen Gesundheitsprogrammen vorgesehen sind. Der Staat ist für die Zertifizierung von Ärzten, Zulassung medizinischer Tätigkeiten und Erteilung von Genehmigungen für medizinische Einrichtungen zuständig (GGW GEOR 28.6.2017, Art. 4f, 15). Die Weltgesundheitsorganisation betont, dass Georgien der Stärkung der primären Gesundheitsversorgung durch verschiedene Reformen und Programme stets Priorität einräumt. Diese werden jedoch von uneinheitlicher Umsetzung, unvollendeten Agenden und mangelnder Abstimmung zwischen den verschiedenen Akteuren des Gesundheitssystems beeinträchtigt (WHO 27.7.2023).
Im Februar 2013 wurde das staatlich verwaltete Universelle Gesundheitsversorgungsprogramm (Universal Health Care Program, UHCP) mit überwiegend privaten medizinischen Einrichtungen eingeführt (MIdpLHSA o.D.; vgl. EOHSP 12.9.2022) und ermöglichte Personen, die zuvor nicht versichert waren, den Anspruch auf ein "Mindestleistungspaket", nachdem sie sich bei einer Primärversorgungseinrichtung ihrer Wahl angemeldet hatten. Dies wurde im Juli 2013 auf nicht notfallmedizinische Operationen, Herzoperationen, Chemotherapie, Hormontherapie, Strahlentherapie und Entbindungen ausgeweitet. Im Jahr 2020 wurde eine neue nationale Gesundheitsbehörde eingerichtet, um das UHCP und die meisten anderen Gesundheitsprogramme zu verwalten (EOHSP 12.9.2022). Das UHCP bietet Gesamt- und Basispakete von Leistungen (IOM 6.2023), welche nach Einkommen und anderen vorrangigen Gruppen unterteilt werden (EOHSP 12.9.2022; vgl. IOM 6.2023). Für einige medizinische Leistungen müssen verschiedene Nutzerkategorien eine Zuzahlung leisten. Das UHCP gewährleistet die finanzielle und geografische Zugänglichkeit der wichtigsten medizinischen Leistungen für alle Nutzer (MIdpLHSA o.D.). Die medizinische Versorgung ist durch das staatlich finanzierte UHCP sowie zusätzlich durch bestehende staatliche Gesundheitsprogramme für bestimmte Krankheitsbilder (z. B. Diabetes, Hepatitis C, Tuberkulose) je nach sozialer Lage kostenlos oder mit Zuzahlungen gewährleistet. Mit privater Krankenversicherung kann die Leistungsübernahme medizinischer Behandlungen beitragsabhängig erweitert werden (AA 26.5.2023). In dringenden Fällen wendet sich der UHCP-Teilnehmer an eine beliebige medizinische Einrichtung des UHCP. Für eine geplante stationäre Behandlung darf die Agentur für soziale Dienste mit einem Formular der medizinischen Einrichtung kontaktiert werden, in der die Behandlung erfolgen soll (MIdpLHSA o.D.).
Das georgische Gesundheitsministerium hat ein Punktesystem entwickelt, um festzustellen, ob eine Person als sozioökonomisch gefährdet einzustufen ist. Die Höhe der Punktzahl hängt vom Vermögen, Einkommen und der Haushaltszusammensetzung ab und bestimmt, ob eine Person Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen und auf das öffentliche Krankenversicherungssystem hat (EUAA MedCOI 3.8.2022).
UHCP-Versicherte müssen ihren Hausarzt kontaktieren, um eine Überweisung für einen Facharzt zu erhalten (IOM 6.2023). Für Behandlungskosten, welche von Patienten selbst getragen werden müssen, kann bei der zuständigen Kommission des Ministeriums um Kostenersatz angesucht werden. Die Unterstützungsleistungen hängen sowohl von der Art der Erkrankung bzw. Therapie als auch von der Bedürftigkeit der Person selbst ab. Bei manchen Therapien gibt es z. B. für "Veteranen" 100 % Vergütung, bei anderen Erkrankungen nur 50 % oder gar keine Unterstützung. Manches Mal sind die Unterstützungsleistungen auch zeitlich begrenzt. Aus diesem Grund muss betreffend Unterstützung bei Behandlungskosten jede Erkrankung/Medikament/Therapie separat betrachtet werden (VB Tiflis 30.8.2022). Die Kosten für die Behandlung von Kindern bis zu einem Alter von 5 Jahren sind teilweise gedeckt, abhängig von der Art der Erkrankung (IOM 6.2023). Das Recht auf medizinische Versorgung haben georgische Staatsbürger und Staatenlose mit entsprechendem Status in Georgien (GGW GEOR 28.6.2017, Art. 5; vgl. EUAA MedCOI 9.5.2023, AA 26.5.2023). Die Abteilung für medizinische Länderinformationen der European Union Agency for Asylum (EUAA MedCOI) geht davon aus, dass es keine Beschränkungen für Bürger gibt, die seit mehreren Jahren nicht mehr in Georgien aufhältig sind (EUAA MedCOI 9.5.2023). Das UHCP steht weiters Einwohnern Abchasiens und Südossetiens, welche ein sogenanntes neutrales Reisedokument besitzen (MIdpLHSA o.D.), sowie Asylbewerbern und Personen mit humanitärem oder Flüchtlingsstatus offen (IOM 6.2023; vgl. MIdpLHSA o.D.).
Die Anspruchsberechtigung für das UHCP und die Höhe der Zuzahlung für diejenigen Personen, die keine private Versicherung haben, sind einkommensabhängig (EOHSP 12.9.2022). Sozial schwache Gruppen haben Anspruch auf das Gesamtpaket des UHCP. Erwerbstätige, deren Bruttogehalt GEL 1.000 [ca. EUR 339] übersteigt, aber das Jahreseinkommen weniger als GEL 40.000 [ca. EUR 13.543] beträgt, haben Anspruch auf das UHCP mit eingeschränkten Leistungen. Die einkommensstärksten Haushalte sind seit 2017 von den meisten Leistungen des UHCP ausgeschlossen, haben aber weiterhin Anspruch auf einige Leistungen (IOM 6.2023; vgl. MIdpLHSA o.D.), die durch vertikale Programme angeboten werden - es gibt 22 vertikale nationale Gesundheitsprogramme, die die gesamte Bevölkerung für bestimmte Krankheiten oder Behandlungen abdecken. Es wird von ihnen erwartet, dass sie eine private Krankenversicherung abschließen (EOHSP 12.9.2022).
In Georgien werden drei Arten von Paketen der staatlichen medizinischen Versorgung angeboten: ein Standard- und Minimalpaket sowie ein Paket für bestimmte Alters- und Risikogruppen. Im Standardpaket sind geplante ambulante Gesundheitsdienste (70 bis 100 % finanziert), verschiedene Fachärzte, mehrere geplante Operationen, nicht-chirurgische Behandlung onkologischer Erkrankungen, Entbindungen sowie diagnostische Verfahren eingeschlossen. Im Minimalpaket, das bis dato privat versicherte Personen vorsieht, die ihren Vertrag mit der privaten Versicherungsanstalt kündigen, stehen Allgemeinmediziner, kostenlose Pflegedienste, eine vollständige Finanzierung von Blut- und Urintests sowie ambulante und stationäre Behandlungen für mehr als 450 spezifische Indikationen des UHCP zur Verfügung (Kostengrenze GEL 15.000 [ca. EUR 5.334]). Schließlich gilt beim Paket für bestimmte Alters- und Risikogruppen eine hundertprozentige Abdeckung der UHCP-Leistungen (einschließlich der medizinischen Grundversorgung), jedoch mit gewissen Einschränkungen. Darüber hinaus ist hierin eine hundertprozentige Kostenübernahme für diagnostische Verfahren wie Fluoroskopie, Radio- und Mammografie vorgesehen (UNHCR 6.2020).
Georgien bietet staatliche Programme zur Behandlung verschiedener Krankheiten wie beispielsweise Hepatitis C, HIV/AIDS und Drogenabhängigkeit (MIdpLHSA o.D.; vgl. IOM 6.2023). Auch bestehen staatliche Programme betreffend eine Reihe von Behandlungen psychischer Krankheiten, spezielle Medikamente für spezifische Erkrankungen wie unter anderem Diabetes, angeborene Zerebralparese und Downsyndrom, Medikamente für Brustkrebs im Frühstadium, Behandlung von Tuberkulose, Dialyse und Nierentransplantation, palliativmedizinische Versorgung und nicht zuletzt Notfallversorgung und Krankentransport (MIdpLHSA o.D.).
Große Apotheken bieten eine Vielzahl von Medikamenten an. Die Verfügbarkeit gewisser Medikamente kann online oder telefonisch überprüft werden. Die meisten Medikamentenkosten werden nicht von staatlichen Programmen abgedeckt (IOM 6.2023). Seit März 2023 gilt in Georgien eine Preisobergrenze für 300 Medikamente zur Behandlung onkologischer und verschiedener chronischer Krankheiten. Für insgesamt 1.100 Arzneimittel gelten derzeit Festbeträge. Das Gesundheitsministerium verspricht, dass die Liste schrittweise erweitert werden soll (NG 18.3.2023; vgl. EK 18.3.2023).
Der Weltgesundheitsorganisation zufolge hat Georgien den Zugang zu grundlegenden Diensten verbessert, vor allem bei Infektionskrankheiten, insbesondere bei der Behandlung von HIV, Tuberkulose und Hepatitis C. Herausforderungen bestehen beim Zugang zur Behandlung chronischer Erkrankungen und bei vorbeugenden Behandlungen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (WHO 27.7.2023).
Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität (AA 26.5.2023). Die medizinische Versorgung, insbesondere außerhalb von Tiflis, ist unzureichend. Außerhalb von Städten kann sie häufig nicht gewährleistet werden (AA 4.6.2024). Für manche überlebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Medikamente werden weitgehend importiert, zumeist aus der Türkei und Russland, aber auch aus EU-Ländern (AA 26.5.2023). Die öffentlichen Krankenhäuser, vor allem außerhalb der Hauptstadt, entsprechen nicht dem europäischen Standard. In Tiflis, Batumi und Kutaissi gibt es einige private Einrichtungen, die hinsichtlich der Unterbringung und der technischen und fachlichen Ausstattung modern und auf dem neuesten Stand sind (BMEIA 24.9.2024; vgl. AA 4.6.2024). Viele Gesundheitsleistungen sind noch nicht von der staatlichen Versicherung abgedeckt. Im Rahmen des UHCP ist die Notfallversorgung zu 70-100 % abgedeckt (IOM 6.2023).
Im Jahr 2022 wurde das Verfahren Diagnosis Related Groups (DRG) im Bereich der Gesundheitsversorgung vorgestellt. Das DRG-System dient der Überprüfung der Sätze für medizinische Leistungen, der Übertragung von Budgetbeträgen, der Klassifizierung von Leistungen und der Erstellung gemeinsamer Tarife. Bei Nichteinhaltung der Vorgaben können Krankenhäuser vom UHCP ausgeschlossen werden (GIP 1.2.2023). Die Einführung des DRG-Systems und die Regulierung der Arzneimittelpreise haben den Zugang der Bürger zur Gesundheitsversorgung verbessert, aber auch das Risiko einer Verschlechterung der Qualität von Dienstleistungen und Medikamenten mit sich gebracht (GIP 5.3.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.6.2024): Georgien: Reise- und Sicherheitshinweise (Stand: 3.9.2024), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/georgiensicherheit/201918#content_4 , Zugriff 3.9.2024
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
BMEIA - Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (24.9.2024): Georgien, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/georgien , Zugriff 17.10.2024
EK - Echo Kawkasa (18.3.2023): Верхний порог цен включен еще на 300 медицинских препаратов в Грузии [Preisobergrenze für 300 weitere Arzneimittel in Georgien eingeführt], https://www.ekhokavkaza.com/a/32323996.html , Zugriff 17.10.2024
EOHSP - European Observatory on Health Systems and Policies (12.9.2022): Health Systems in Action; Georgia, 2022 Edition, https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/362341/9789289059121-eng.pdf?sequence=1 , Zugriff 17.10.2024
EUAA MedCOI - Medical Country of Origin Information by EUAA (European Agency for Asylum) (9.5.2023): Question & Answer ACC 7781, https://medcoi.euaa.europa.eu/Source/DownloadAttachment/23559?RepositoryId=20604 , Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
EUAA MedCOI - Medical Country of Origin Information by EUAA (European Agency for Asylum) (3.8.2022): Question & Answer ACC 7659, https://medcoi.euaa.europa.eu/Source/DownloadAttachment/21886?RepositoryId=20439 , Zugriff 8.9.2023 [Login erforderlich]
GGW GEOR - Gesetz über das Gesundheitswesen [Georgien] (28.6.2017): Law of Georgia on Health Care, https://matsne.gov.ge/en/document/view/29980?publication=37 , Zugriff 17.10.2024
GIP - Georgian Institute of Politics (5.3.2024): The Georgia Governance Index (GGI) 2023, https://gip.ge/wp-content/uploads/2024/04/Georgia-Goverance-Index-Report-2023_Eng.pdf , Zugriff 14.8.2024
GIP - Georgian Institute of Politics (1.2.2023): The Georgia Governance Index (GGI) 2022, https://gip.ge/wp-content/uploads/2023/02/Georgia-Goverance-Index-Report-2022_Eng_Web.pdf , Zugriff 17.10.2024
IOM - International Organization for Migration (6.2023): Georgien: Länderinformationsblatt 2023, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_Georgia_2023_DE.pdf , Zugriff 16.9.2024
MIdpLHSA - Ministry of Internally Displaced Persons from the Occupied Territories, Labour, Health and Social Affairs of Georgia [Georgien] (o.D.): Healthcare State Programs, https://www.moh.gov.ge/en/706/ , Zugriff 6.9.2023
NG - Nowosti-Grusija (18.3.2023): Верхний порог цен включен еще на 300 медицинских препаратов в Грузии – опубликован список [Preisobergrenze für 300 weitere Arzneimittel in Georgien - Liste veröffentlicht], https://www.newsgeorgia.ge/verhnij-porog-cen-vkljuchen-eshhe-na-300-medicinskih-preparatov-v-gruzii-opublikovan-spisok , Zugriff 17.10.2024
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (6.2020): State Universal Healthcare Programme in Georgia, https://help.unhcr.org/georgia/wp-content/uploads/sites/47/2021/06/UNHCR-Healthcare-Brochure_ENGL.pdf , Zugriff 17.10.2024
VB Tiflis - Verbindungsbeamter des BMI in Tiflis [Österreich] (30.8.2022): Auskunft per E-Mail
WHO - World Health Organization (27.7.2023): Primary health care policy paper series; Georgia: Moving from policy to actions to strengthen primary health care, https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/371854/WHO-EURO-2023-7565-47332-69449-eng.pdf?sequence=1 , Zugriff 17.10.2024
Rückkehr
Letzte Änderung 2024-10-25 14:18
Georgische Rückkehrer/Rückgeführte können die allgemeinen, wenn auch in der Regel insgesamt unzureichenden Sozialleistungen in Anspruch nehmen, darunter eine kostenlose medizinische Grundversorgung. Traditionell bietet der Familienverband eine soziale Absicherung. Internationale Organisationen wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) bieten Beratung und finanzielle Unterstützung für Rückkehrer an. Das Ministerium für Binnenvertriebene, Arbeit, Gesundheit und Soziales koordiniert das staatliche Reintegrationsprogramm (State Reintegration Programme). Hier wird Beratung und auch finanzielle Hilfe zur Reintegration in den Arbeitsmarkt (auch Hilfe zur Selbstständigkeit) und bei Bedarf auch Erst- bzw. Zwischenunterkunft zur Verfügung gestellt. Staatliche Repressalien gegen Rückkehrer sind nicht bekannt. Auch die Tatsache einer Asylantragstellung im Ausland ist für die Behandlung durch staatliche Stellen ohne Bedeutung. Georgien hat Rückübernahme-Abkommen mit der EU und weiteren europäischen Ländern geschlossen. Die georgische Regierung stellt sich zunehmend den Problemen von Rückkehrern (AA 26.5.2023).
Das staatliche Programm zur Reintegration von Rückkehrern sieht die Unterstützung des Reintegrationsprozesses georgischer Staatsbürger, die aus der Emigration zurückkehren, vor. Das Programm sieht die Bereitstellung von Zuschüssen, Berufsausbildung, medizinischer Hilfe und vorübergehendem Wohnraum zur Schaffung einer Einkommensquelle und zur Förderung der Selbstständigkeit vor. Teilnahmeberechtigt sind georgische Staatsbürger (oder staatenlose Personen, die dauerhaft in Georgien leben), welche sich seit mehr als 12 Monaten unrechtmäßig im Ausland aufhalten oder im Ausland Asyl beantragt oder erhalten haben (GDA o.D.).
IOM bietet Rückkehrern Unterstützung im Rahmen des AVRR-Programms an (Assisted Voluntary Return and Reintegration). Im Rahmen von Programmen zur unterstützten Rückkehr erhalten Migranten administrative, logistische und finanzielle Unterstützung (IOM o.D.).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092800/Auswärtiges_Amt ,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_(Stand_April_2023),_26.05.2023.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
GDA - Außenministerium Georgiens Abteilung für Diasporabeziehungen [Georgien] (o.D.): საქართველოში დაბრუნებულ მიგრანტთა სარეინტეგრაციო დახმარების სახელმწიფო პროგრამა [Staatliches Programm zur Wiedereingliederungshilfe für nach Georgien zurückkehrende Migranten], https://gda.ge/pages/reintegratsiis-sakhelmtsifo-programa , Zugriff 18.10.2024
IOM - International Organization for Migration (o.D.): Return to Georgia, https://georgia.iom.int/return-to-georgia , Zugriff 18.10.2024
II.2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben, ein ergänzendes Ermittlungsverfahren, sowie eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der BF ergeben sich aus den in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie den Sprach- und Ortskenntnissen. Mangels originaler Identitätsdokumente konnte die Identität der BF nicht festgestellt werden.
II.2.3. Die Feststellungen betreffend die von den BF in Anspruch genommenen Leistungen der Grundversorgung ergeben sich zweifelsfrei aus dem amtswegig angefertigten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit der BF in Österreich entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsichtnahme in das Strafregister).
Den Daten des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister kann schließlich entnommen werden, dass der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG 2005 geduldet war. Hinweise darauf, dass ihr weiterer Aufenthalt zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig wäre oder die BF im Bundesgebiet Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO wurden, kamen im Verfahren nicht hervor und es wurde auch kein dahingehendes Vorbringen erstattet, sodass keine dahingehenden positiven Feststellungen getroffen werden können.
II.2.4. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.
Die BF traten auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen und wird neuerlich darauf hingewiesen, dass die Republik Österreich die Republik Georgien als sicheren Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG betrachtet und daher von der normativen Vergewisserung der Sicherheit Georgiens auszugehen ist.
II.2.5. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene freie Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Wesentlichen von ihrem objektiven Aussagekern her in sich schlüssig und stimmig ist.
Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten -–z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.
Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).
II.2.6. Die volljährigen BF haben sowohl in der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes als auch bei der Einvernahme vor dem Bundesamt und auch in der mündlichen Verhandlung zum Ausreisegrund befragt bekannt gegeben, dass sie ausschließlich aus gesundheitlichen bzw. medizinischen Zwecken nach Österreich gereist sind. Lediglich von der BF2 wurde in der mündlichen Verhandlung überraschend und erstmals bekannt gegeben, dass sie gegen die bestehende Regierung protestiert hätte. Sie hätten dadurch jedoch keine Probleme mit den staatlichen Behörden oder deren Organe in ihrem Heimatstaat aus Gründen der GFK gehabt. Auch wurden sie zu keiner Zeit bei einer Demonstration von Polizeiorganen oder anderen staatlichen Organen beamtshandelt und wurden auch niemals Daten aufgenommen.
Sohin wurde kein über die Erkrankung der BF6 hinausgehendes Fluchtvorbringen erstattet. Die BF haben sich demnach nach Einholung umfangreicher Informationen zum Gesundheitssystem in Österreich dazu entschlossen, in das Bundesgebiet einzig zu dem Zweck einer kostenlosen medizinischen Behandlung einzureisen. Eine Ausreise aus Georgien aufgrund begründeter Furcht vor Übergriffen kann somit folgerichtig ausgeschlossen werden und wurde auch zu keiner Zeit von den BF behauptet.
Vom BF1 wurde in der Erstbefragung dezidiert zum Ausreisegrund befragt bekannt gegeben „Vor ca. drei Jahren wurde in Tiflis in einem Spital eine Krankheit meiner Tochter Sopia festgestellt. Vermutlich die Krankheit Rubenstein Tayb Syndrom. Sie leidet durch diese Krankheit an einer geistig und körperlichen Behinderung die in Georgien nicht medizinische behandelt werden kann. Vor ca. zwei Monaten habe wir konkret erfahren, dass ihr eventuell in Österreich geholfen werden kann. Das sind alle meine Fluchtgründe“. Von der BF2 wurde diesbezüglich mitgeteilt „Seit der Geburt leidet meine Tochter Sopia an einer Krankheit. Vor kurzen haben wir erfahren das es das Rubenstein Tayb Syndrom ist. In Georgien gibt es keine Behandlung und auch keine Finanzierung. Deshalb haben wir entschieden nach Österreich zu reisen mit der Hoffnung auf medizinische Hilfe. Das sind alle meine Fluchtgründe“.
Auch in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA teilten die volljährigen BF zu den Gründen der Antragstellung befragt, gleichlautend mit, dass die Ausreise einzig aus gesundheitlichen Gründen ihrer Tochter (BF6) erfolgte. So gab der BF1 weiter bekannt, dass in Georgien andere Diagnosen gestellt wurden als in Österreich. Hier gehe man von einer Mikrokephalie und Asphyxie aus. In Georgien hätte man angenommen, dass es sich Autismus oder das Rubenstein-Tayb Syndrom handeln würde. Seine Tochter sie jedenfalls schon zwei Jahre in Georgien in Behandlung gestanden, wie er weiter ausführte. Die Ärzte haben Untersuchungen vorgeschlagen, die mindestens € 3.000,- gekostet hätten. Auch wenn die Untersuchungen zu einem Ergebnis geführt hätten, hätten die Ärzte nicht gewusst, wie es weitergegangen wäre. Hier in Österreich gehen die Ärzte davon aus, dass es genetisch verursacht ist. Abermals zu ihn Georgien erhaltenen Medikamente oder Therapien befragt, teilte der BF1 mit, dass die BF6 eine sensorische Entwicklungstherapie bekam, es hätte sich dabei um einen Kindergarten, in welchem auch Therapien angeboten wurden, gehandelt. Diese hätte jedoch nichts gebracht. Auch in einem Rehabilitationszentrum in XXXX hätte ihr nicht geholfen werden können, weil dort keine Spezialisten für eine sensorische Therapie gewesen wären. Einzig die Finanzierung dort war gesichert.
Von der BF2 wurde vor dem BFA ergänzend ausgeführt, dass ihre Tochter ab dem zweiten Lebensjahr in Georgien eine logopädische und psychologische Therapie, sowie eine Physiotherapie erhalten hat. Eine sensorische Therapie wäre nicht gemacht worden. Der Zustand der BF6 habe sich auch nicht verbessert. In weiterer Folge ist sie in ein Zentrum für Autisten gekommen, dort wurde jedoch behauptet, dass sie nicht unter Autismus leidet. Weiters wurde ihr bzw. ihrer Tochter dort eine Entwicklungstherapie und eine sensorische Therapie empfohlen. Als Medikament wurde der BF6 nur etwas zum Schlafen verabreicht, wie sie weiter bekannt gab. Auch wären alle Kosten für die Therapien übernommen worden, die BF selbst haben nichts bezahlt.
Zur Behandlung in Österreich befragt teilte sie mit, dass eine richtige Diagnose noch nicht festgestellt wurde. Es fand schon eine MRT Untersuchung statt und ihre Tochter hat eine Ergotherapie angefangen. Weiters wurde ihr ein (anderes) Schlafmittel als in Georgien verschrieben. Sonst bekommt sie keine Therapien. Hinsichtlich der Therapien im Heimatland gab der Erstbeschwerdeführer an, dass seine Tochter Therapien, wie beispielsweise Logotherapie erhalten hat, aber die P2 besser darüber bescheid wisse. Die Zweitbeschwerdeführerin gab in der öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung konkret befragt an, dass die P6 eine medizinisch bzw. therapeutische Behandlung erhalten hat. Sie hat im Heimatland ein Schlafmittel bekommen, welches allerdings nicht gewirkt habe und sie erhielt auch Physio-, Logo- wie auch eine psychologische Therapie.
Über weitere Nachfrage gab die P2 an, dass die Ergotherapie zwar ärztlich verordnet wurde, da aber kein Therapeut zur Verfügung stand, wurde diese folglich gänzlich gestrichen.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt auf keinen Fall die Erkrankungen und Leiden der BF6. Dessen ungeachtet, kann es auch im Bundesgebiet fallweise zu falschen bzw. unterschiedlichen Diagnosen kommen. Die BF2 gibt sohin auch vor dem BFA bekannt, dass noch keine richtige Diagnose festgestellt wurde. Auch erhalte sie in Österreich keine sensorische Therapie.
Wie dem aktuellen medizinischen Berichten der XXXX vom 08.11.2024 zu entnehmen ist, leidet die BF6 an Intelligenzminderung mit Picasyndrom und eingeschränkter reziproker Interaktion sowie Schlafstörungen bei molekulargenetisch gesichertem Potocki-Lupski Syndrom Hyperopie bds mit Astigmatismus grav. Das Potocki-Lupski Syndrom ist in der Literatur mit Intelligenzminderung, Autismus und Schlafstörungen verbunden. Funktionelle Therapien sind über die Jahre nötig, um bei XXXX die größtmögliche Selbständigkeit zu erreichen. Augenärztliche Kontrollen bei Brillenversorgung sind ebenso 2x jährlich nötig, es besteht eine Hyperopie bds mit +3,5 sowie ein deutlicher Astigmatismus. Kindergartenförderung wäre am besten im Rahmen einer heilpädagogischen Gruppe. Der Schulbesuch kann bei Sopia nur im Rahmen eines angepassten Lehrplans in einer Kleinklasse stattfinden. 2x jährlich sind entwicklungsneurologische Kontrollen mit Feinabstimmung der Therapieziele nötig. Die vorliegenden Schlafstörungen werden dzt. mit Pipamperon Saft 4ml abds. behandelt und damit wird eine gute Schlafdauer erreicht. Circadin und Slenyto waren erfolglos.
Die nächste Entwicklungskontrolle ist in einem halben Jahr angezeigt, Ergotherapie läuft derzeit IX wöchentlich weiter und die Therapieziele werden zu Hause umgesetzt.
Dem ergotherapeutischen Verlaufsbericht der XXXX vom 08.11.2024 ist weiters zu entnehmen, dass XXXX Fortschritte v.a. im Bereich der Aufmerksamkeitsleistungen macht. So kann sie mittlerweile (selbstständig) an einer strukturierten Tätigkeit b. Tisch (z.B. zum Thema Farbsortierung) oder in gezielten Spielsequenzen am Boden (miteinander) für 5 Minuten die Aufmerksamkeit halten und zeigt sich dabei motiviert und interessiert. Dies ist v.a. der konsequenten Umsetzung und Übung zu Hause den Eltern von XXXX zu verdanken, die das in der Therapie Gezeigte vorbildhaft umsetzen. Ebenso wird mit XXXX an der Strukturierung von Aufgaben und Tagesabläufen mithilfe eines Bilderplans (Metacom Symbole) gearbeitet, um ihr mehr Selbstständigkeit und Teilhabe zu ermöglichen. Die ausgeprägten Weglauftendenzen zeigen sich im Therapiesetting weniger, dennoch braucht XXXX tlw. engmaschige Begleitung, um Aktivitäten zu Ende zu führen, sich nach Therapieende die Schuhe anzuziehen, sich zu verabschieden. An der Schlafsituation hat sich lt. Familie nichts geändert, XXXX hat massive Durchschlafschwierigkeiten, welche medikamentös bislang nicht in den Griff zu bekommen waren. Hier sollen bei Bedarf noch therapeutische Ideen ausprobiert werden (z.B. Gewichtsdecke oder Therapietuch).
Es kann somit festgehalten werden, dass mittlerweile eine exakte Diagnose hinsichtlich der Erkrankungen der BF6 besteht. Die BF6 besucht eine Ergotherapie, wie sie bereits in Georgien verordnet war. Selbstverständlich kann diese jetzt aufgrund der genauen Diagnose, zielgerichteter als vorher durchgeführt werden und zeigen sich bereits erste Erfolge. Diese sind allerdings, wie meist bei derartigen Therapien unter anderem auch maßgeblich dem Umstand zu verdanken, dass die Übungen daheim konsequent umgesetzt werden. Der Erstbeschwerdeführer bestätigte, dass er mit sie mit ihrer Tochter etwa eine Stunde pro Tag Übungen auch zu Hause machen. Damit wird jedoch konkludent bekannt gegeben, dass die Übungen an jedem Ort der Welt durchgeführt werden können. Hinsichtlich der Schlafstörungen ist es auch den Ärzten in Österreich bislang nicht endgültig gelungen, eine zufriedenstellende Lösung zu finden, was einmal mehr belegt, dass auch die im Bundesgebiet tätigen Ärzte keine Wunder bewirken können und das Gesundheitssystem in Georgien nicht so kläglich ist, wie es die volljährigen BF darzustellen versuchen. Vorgesehen ist weiters eine Kontrolle in einem halben Jahr. Bezüglich Kindergarten und Schule wurde eine Kindergartenförderung, am besten im Rahmen einer heilpädagogischen Gruppe, empfohlen. Einen derartigen Kindergarten besuchte die BF6 ebenfalls bereits in Georgen, wie zumindest der BF1 bekannt gab (AS63). Ein Schulbesuch kann bei der BF6 nur im Rahmen eines angepassten Lehrplans in einer Kleinklasse stattfinden, dies ist in Georgien ebenfalls gegeben.
Weiters wurden vom BFA zwei Anfragebeantwortungen dem Verfahren beigezogen. So ist der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom März 2021 – auszugsweise – zu entnehmen:
Ist die Behandlung von Kindern mit einer psychischen Erkrankung in Form der tiefgreifenden Entwicklungsstörung aus dem Autismus Spektrum möglich?
Ist in Georgien eine Logopädie, Ergotherapie und eine spezielle Förderung in der Schule möglich?
Gemäß BMA 13035 ist eine pädiatrische Versorgung, z.B. mittels speziellem Förderunterricht und auch eine ambulante Behandlung und Nachbetreuung durch einen Logopäden/Sprachtherapeuten, sowie Pflege bei geistiger und körperlicher Behinderungen in Form einer stationären 24 Stunden Langzeitpflege, oder aber eine Tagesbetreuung bei geistiger und körperlichen Beeinträchtigung verfügbar.
Gemäß BMA 13891 ist eine stationäre Behandlung und Nachbetreuung durch einen Ergotherapeuten verfügbar wie auch eine stationäre und ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen pädiatrischen Physiotherapeuten, wie auch durch einen Logopäden/Sprachtherapeuten. Zudem wird laut BMA 13891 angeführt, dass die Tagesstätte „First Step Georgia“ Kinder bei geistigen Entwicklungsstörungen aufnimmt und betreut.
Darüber hinaus ist auch gemäß BMA 12956 der Förderunterricht für beeinträchtigte Kinder in einer öffentlichen Schule verfügbar. Behandlungen durch einen Sprachtherapeuten und einem Ergotherapeuten sind allerdings nur in einer privaten Einrichtung in Tiflis verfügbar.
Auf die Frage ob solche Behandlungen bereits in den Jahren 2017 und 2018 zur Verfügung standen, wurden von MedCOI auf folgende BMAs verwiesen:
Laut BMA 9603 vom April 2017, ist in der privaten Einrichtung „Neurodevelopment Center“ in Tiflis eine stationäre und ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen Ergotherapeuten verfügbar, so wie auch eine pädiatrische Betreuung/Behandlung, durch einen Logopäden und mittels multidisziplinärer Beurteilung durch ein Zentrum für Entwicklungsstörungen. Darüber hinaus ist auch eine pädiatrische Betreuung, wie z.B. Sonderschulunterricht für geistig Behinderte, in der öffentlichen Einrichtung, dem KOJORI DISABLED CHILDREN'S HOUSE in Tiflis verfügbar.
Laut BMA 11569 vom September 2018 war die Betreuung von geistig und körperlich eingeschränkten Kinder mittels langfristiger institutionellen Tagesbetreuung verfügbar, ebenso wie eine spezielle Schulausbildung für geistig beeinträchtigte Kinder in der öffentlichen Einrichtung, dem KOJORI DISABLED CHILDREN'S HOUSE in Tiflis. Weiters war auch ein Logopäde verfügbar und sogar eine Physiotherapie zu Hause wäre verfügbar, aber auch eine stationäre und ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen pädiatrischen Physiotherapeuten standen zur Verfügung (BMA 11569).
Anfragebeantwortung vom Juli 2024 hinsichtlich schwerer Entwicklungsverzögerung
Die Leistungen der folgenden Zentren werden vom Staat finanziert, wenn das Kind förderfähig ist und nach seiner Ankunft in Georgien einen Behindertenstatus erhält. Die Erlangung des Behindertenstatus dauert jedoch in der Regel mehrere Monate, und die Zentren haben Wartelisten.
•Kinderrehabilitationszentrum (REHAB), Adresse: Tiflis, Vazxha Pshavela Ave, 70B; Tel: 597 22 36 30.
•Tageszentrum für Kinder mit schwerer oder mittelschwerer geistiger Behinderung (Altersgruppe: 6-18 Jahre): NGO "First step", Adresse: Tiflis, Lubliana str. 21b, TEL: 032 2 603 604; https://firststep.ge/en .
•In dem Tageszentrum arbeitet ein multidisziplinäres Team aus Psychologen, Kinderärzten, Ergotherapeuten, Sprachtherapeuten, Sonderschullehrern und Sozialarbeitern. Das Zentrum kann 42 Kinder aufnehmen.
•Zentrum für freie Pädagogik (Altersgruppe: 7-18-Jährige), Adresse: Tiflis, M. Libanidze str.10; TEL: 0322 34 76 21.
•Es handelt sich um ein Tageszentrum, in dem die folgenden Fachkräfte zur Verfügung stehen: Psychologen, Sprachtherapeuten, Kunsttherapeuten, Musiktherapeuten, Sensomotorik-Therapeuten und Sonderschullehrer.
Das Tageszentrum führt Programme durch, um den Begünstigten die notwendigen Alltags- und Lebenskompetenzen sowie berufliche Fähigkeiten zu vermitteln.
IOM berichtet am 9.7.2024, dass es finanzielle Unterstützung vom Staat gibt.
Die finanzielle Unterstützung für Kinder mit Behindertenstatus beträgt 390 GEL (128,03 EUR) pro Monat. Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe ist jedoch, dass ein Antrag auf Feststellung des Behindertenstatus des Kindes, unter Beifügung aller verfügbaren übersetzten medizinischen Unterlagen, vom zuständigen Ausschuss entsprechend beurteilt wurde. Dies kann mehrere Wochen oder Monate dauern. Sobald das Kind den Behindertenstatus erhalten und einen Platz auf der Warteliste eines Rehabilitationszentrums erhalten hat, sind die Leistungen in den Rehabilitationszentren, die von staatlichen Dienstleistern betrieben werden, kostenlos (siehe Frage 2).
Aus den Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation ergibt sich sohin, dass sowohl eine stationäre, als auch ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen Ergotherapeuten verfügbar ist. Ebenso ist eine pädiatrische Betreuung und/oder Behandlung durch einen Logopäden und mittels multidisziplinärer Beurteilung durch ein Zentrum für Entwicklungsstörungen verfügbar. Hinsichtlich dem Schulbesuch ist eine spezielle Ausbildung für geistig beeinträchtigte Kinder in der öffentlichen Einrichtung „KOJORI DISABLED CHILDREN'S HOUSE“ in Tiflis möglich. Es besteht weiters die Möglichkeit einer Physiotherapie zu Hause, auch stehen dazu eine stationäre und ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen pädiatrischen Physiotherapeuten zur Verfügung. Zudem muss festgehalten werden, dass die BF6 in Georgien über einen Behindertenstatus verfügt und eine monatliche Rente von 380 Lari bezieht. Zudem gaben die volljährigen BF selbst bekannt, dass die Behandlungen und Therapien bezahlt wurden. Auch zählt die BF6 aufgrund ihres Behindertenstatus zu den förderfähigen Kindern, denen in drei namentlich genannten Zentren in Tiflis Leistungen vom Staat finanziert werden. Es handelt sich dabei um Tageszentren, in denen die folgenden Fachkräfte zur Verfügung stehen: Psychologen, Sprachtherapeuten, Kunsttherapeuten, Musiktherapeuten, Sensomotorik-Therapeuten und Sonderschullehrer.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung teilte der BF1 mit, dass er vor der Ausreise als Polizeibeamter gearbeitet und 1.500 Lari verdient hat. Zum Ausreisegrund befragt gab er bekannt, dass die Familie ausschließlich wegen dem Gesundheitszustand der BF6 ausreiste. Gesteigert und nicht glaubwürdig, weil nur vage und substanzlos behauptet, versuchte er nun auch, Probleme bei seiner Arbeit darzustellen. So hätte er die Ausführung mancher Befehle verweigert, wodurch er keine Fortbildungen und keine Vorrückungen erhalten hätte. In Anbetracht, dass er lediglich die letzten vier Jahre vor der Ausreise als Polizeioffizier tätig gewesen sei, erscheint der Umstand, bei Vorrückungen nicht berücksichtigt worden zu sein, nicht asylrlevant. Aber selbst bei Wahrheitsunterstellung kann darin kein in der GFK genannter Grund erkannt werden.
Hinsichtlich seiner Tochter XXXX teilte er mit, dass seine Gattin und er mit ihr täglich ca. eine Stunde ergotherapeutische Übungen machen. Die Übungen werden ihnen von der Therapeutin illustriert und dann daheim ausgeführt. In Georgien hat sie ebenfalls Therapien erhalten, beispielsweise eine Logotherapie, wie er weiter bekannt gab. Ausgereist wären sie unter anderem deswegen, weil seine Tochter in Georgien keine konkrete Diagnose erhalten hat. Die durchgeführten Therapien hätten keine positiven Resultate erzielt. Bezüglich Kosten gab er weiters bekannt, dass er solche nicht tragen musste. Lediglich für einzelne Untersuchungen und Diagnostik hätte er insgesamt an die 1.000,- Lari bezahlt. Seine Tochter hatte zudem einen Invalidenstatus der Stufe 2 inne. Hinsichtlich einer Rückkehr teilte der BF1 mit, dass es schwierig werden würde, weil Kinder mit dieser Diagnose in Georgien nicht unterstützt werden. Seine Tochter war zweieinhalb Jahre in unterschiedlichen Kliniken in Therapie und es hätte nicht ein positives Erlebnis gegeben.
Die BF2 führte aus, dass sie vor der Ausreise als Zolloffizierin tätig war und 1.600,- Lari im Monat verdiente. Als Grund für die Ausreise nannte auch sie ausschließlich den Gesundheitszustand ihrer Tochter. Auch finanzielle Probleme hätten bestanden, so teilte sie konträr zu ihrem Gatten mit, dass sie keine staatliche Versicherung hatten und jeder Arztbesucht zum Bezahlen war. Auch versuchte sie jetzt, analog zum BF1, noch andere Gründe in das Verfahren einzubringen, indem sie inhaltslos und vage bekannt gab, dass sie gegen die bestehende Regierung demonstriert hätte. Sie wäre aber niemals bei einer Demonstration von Polizeiorganen oder anderen staatlichen Organen beamtshandelt worden, es wären auch keine Daten aufgenommen worden. Auch hier sind keine in der GFK genannten Gründe ersichtlich, die BF2 versucht lediglich wie ihr Gatte, eine bessere Position im Verfahren zu erlangen.
Hinsichtlich ihrer kranken Tochter teilte sie mit, dass diese aktuell die in den medizinischen Unterlagen genannten Therapien und ein Schlafmittel erhält. Weiters führe sie Übungen mit ihrer Tochter durch. Im Heimatland hat die BF6 ebenfalls ein Schlafmittel erhalten, sowie Physio-, Logotherapie, wie auch eine psychologische Therapie. Es zeigte sich jedoch kein Erfolg. Wahrheitswidrig führte sie aus, dass eine Ergotherapie in Georgien nicht möglich wäre. Konträr zu ihren ersten Angaben in der mündlichen Verhandlung, teilte sie in weiterer Folge schließlich mit, dass die BF6 im Heimatland sehr wohl versichert war und auch einen Invalidenstatus inne hatte. Auch könne sie die Kosten nicht beziffern, weil alle Therapien gänzlich vom Staat übernommen wurden. Entgegen den Angaben ihres Gatten bezifferte sie die Gesamtkosten in Georgien für medizinische Zwecke mit 3.000,- bis 4.000,- Lari. Die Höhe der Kosten sind dabei ohnehin nicht beachtlich, verfügen die beiden BF miteinander über 3.000,- Euro im Monat und wurde die BF6 zweieinhalb Jahre in Georgien behandelt. So wäre monatlich ein Betrag von etwas über 150,- Lari aufzuwenden gewesen (bei Kosten von 4.000,- Lari). Bei den vom BF1 genannten Aufwendungen in Höhe von 1.000,- Lari belaufen sich die monatlichen Kosten zudem nur auf knapp 40 Lari. Beide Summen sind in Anbetracht eines Einkommens von über 3.000,- Euro im Monat keine außergewöhnlich hohe Summe. Anträge bezüglich finanzieller Unterstützung wären von der Wohnsitzgemeinde abgelehnt worden. Bei einer NGO haben die BF keine Anträge gestellt. Die Zweitbeschwerdeführerin gab zudem an, dass der Veteranenverein einer, wenn auch nur geringen, teilweise Kostenübernahme für die genetische Untersuchung zugestimmt hat, diese Untersuchung haben die BF jedoch letzten Endes nicht im Heimatland durchgeführt.
Die BF2 wurde letztlich dazu befragt, warum sie der Meinung sei, dass die gleichen Therapien in Georgien weniger geeignet wären, als jene im Bundesgebiet. Dazu teilte sie – sichtlich verstimmt – mit, dass es eine Vertrauensfrage sei. Sie hätten in Georgien an jeder Therapie teilgenommen, jedoch erfolglos. Die Ergotherapie wäre zuerst angeordnet, in weiterer Folge aber mangels Verfügbarkeit eines Therapeuten gestrichen worden.
Wie bereits ausgeführt, muss abermals darauf hingewiesen werden, dass eine nicht korrekte Diagnose und damit verbundener, nicht passender Therapie nicht nur in Georgien, sondern auch in anderen Ländern, so auch in Österreich vorkommen kann. Es ist deswegen nicht nachvollziehbar, dass die Eltern mit ihren vier Töchtern deswegen sogleich das Land verlassen, um in Österreich die bestmögliche und vor allem kostenlose Behandlung zu erhalten. Sie sorgten sich in Georgien nicht wirklich um finanzielle Unterstützung, was vermutlich auch an den hohen Monatseinkünften der volljährigen BF liegen mag. Auch erhielt die BF6 in Georgien eine Invaliditätspension und wurden sämtliche Therapiekosten vom Staat übernommen. Wenngleich, wie in der Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung festgehalten, das Potocki-Lupski-Syndrom bislang in Georgien unbekannt gewesen sein mag, ist festzuhalten, dass die derzeit in Österreich konsumierte Ergotherapie auch im Heimatland geleistet werden kann. Zudem bestätigten die Beschwerdeführer sowohl den Erhalt eines Schlafmittels, wie auch therapeutischer Maßnahmen im Heimatland. Auch wenn, wie behauptet das Schlafmittel nicht gewirkt habe, ist festzuhalten, dass in Georgien andere Schlafmittel erhältlich sind und dies ggf. im erforderlichen Ausmaß importiert werden kann. So wurde auch in Österreich noch kein wirklich zufriedenstellendes Schlafmittel für die BF6 gefunden. Auch der Umstand, dass eine Therapie mangels geeigneten Therapeuten nicht durchgeführt bzw. letzten Endes gestrichen wurde, erweis sich nicht als geeigneter Einwand einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Die Therapie wurde ursprünglich ärztlich verordnet und ist sohin im Heimatland grundsätzlich verfügbar. Auch erweist sich das Vorbringen, dass im Heimatland eine Diagnose nicht erstellt werden konnte als nicht zielführend, ist doch nunmehr aufgrund der im Bundesgebiet exakt erstellten Diagnose und des Medikamenten- bzw. Therapiebedarfs auch im Herkunftsland von einer qualitativ höherwertigeren und zielgerichteten Behandlung auszugehen. Zusammengefasst kann aus den angeführten Gründen nicht erkannt werden, dass die weitere Behandlung des BF6 in Georgien nicht möglich wäre, wie von der rechtsfreundlichen Vertretung moniert wurde. Bei nunmehriger Klarstellung der Diagnosen und des Medikamenten- wie auch Therapiebedarfs ist auch im Herkunftsland von einer qualitativ höherwertigeren Behandlung auszugehen.
II.2.7. Die Erkrankung des BF6 wurde vom BFA anhand der beigebrachten medizinischen Schriftstücke berücksichtigt und auch im angefochtenen Bescheid festgestellt und gewürdigt. Auch bleibt hinsichtlich der medizinischen Versorgung in Georgien festzuhalten, dass diese grundsätzlich für alle georgischen Staatsangehörigen durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung kostenlos gewährleistet ist. Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren (Kutaissi, Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und moderne Behandlungen an. Für manche überlebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist daher allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Dazu ist anzumerken, dass die BF in XXXX (17km außerhalb von Tiflis) ihren Wohnsitz haben.
Zudem hat nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Die BF gaben diesbezüglich ohnehin bekannt, dass sämtliche Kosten für Therapien vom Staat übernommen wurden und die BF6 zudem einen Invalidenstatus inne hatte.
Ferner steht auch nach wie vor der Erlass des Gesundheitsministeriums vom 15.Juni 2011, No:01 31/N in Geltung. Im Rahmen dieses Erlasses wird die die Einfuhr von bestimmten Medikamenten und Heilmitteln und deren Mengen geregelt und auch tatsächlich nach nachstehenden Kriterien ermöglicht:
a) Ohne eine entsprechende medizinische Dokumentation für den individuellen Bedarf einer natürlichen Person dürfen nicht mehr als zehn Standardpackungen eingeführt werden. Hinsichtlich der Verwendung und Wirkung des betreffenden Medikaments erfolgt dies „auf eigene Verantwortung“
b) Sollte eine natürliche Person georgischer Staatsbürger Medikamente / Heilmittel in Standardpackung, einer größeren (mehr als 10) Zahl benötigen, kann das notwendige Medikament / Heilmittel entsprechend einer vorliegenden medizinischen Dokumentation mit der Auflistung / Berechnung der notwendigen Tagesdosis eingeführt werden. (VB des BM.I für Georgien und Aserbaidschan (31.1.2019): Auskunft des VB, per E-Mail)“.
Die benötigten Therapien sind aus den angeführten Gründen auch in Georgien durchführbar. Hinsichtlich einem Schulbesuch ist eine spezielle Ausbildung für geistig beeinträchtigte Kinder in der öffentlichen Einrichtung „KOJORI DISABLED CHILDREN'S HOUSE“ in Tiflis möglich. Aus diesen Gründen kann keine Verletzung der Art 2 und 3 dem EMRK festgestellt werden. Zudem ist anzuführen, dass sich auch das Gesundheitssystem in Georgien kontinuierlich verbessert und erweitert und auch die dort praktizierenden Ärzte im Rahmen des hippokratischen Eides auf die Gesundheit und das Wohlergehen ihrer Patienten achten und das Bestmögliche tun werden.
Den Länderinformationen zu Georgien ist weiters zu entnehmen, wie sich der Zugang zur medizinischen Behandlung, besonders für Rückkehrer gestaltet:
Auswahl und Voraussetzungen: Georgische Staatsbürger sind automatisch versichert, hierfür muss lediglich die nächstgelegene Klinik aufgesucht werden. Die BF sind georgische Staatsbürger, sie sind automatisch versichert und müssen lediglich die nächstgelegene Klinik aufsuchen.
Registrierung: für georgische Staatsbürger genügt es im Krankheitsfall eine Klinik aufzusuchen, alle medizinischen Einrichtungen sind an der staatlichen Krankenversicherung beteiligt. Die BF sind jedenfalls in der Lage ist, Klinik aufzusuchen.
Benötigte Dokumente: nur gültiger Ausweis. Die BF sind im Besitz von ID-Karten.
Daher ist den BF, primär der BF2 und der BF6, der Zugang zur notwendigen medizinischen Behandlung nicht nur grundsätzlich, sondern auch tatsächlich möglich. Die BF erfüllen alle Kriterien für den Zugang zu den entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten bei einer Rückkehr. Auch kann für Behandlungskosten, welche von Patienten selbst getragen werden müssen, bei der zuständigen Kommission des Ministeriums um Kostenersatz angesucht werden, wie den Länderinformationen zu entnehmen ist. Dass die BF6 einem realen Risiko ausgesetzt wäre, unter qualvollen Umständen zu sterben, ergibt sich in diesem Fall nicht.
Es wird auch angemerkt, dass die BF6 während des Rücktransfers in ihr Heimatland bei Bedarf ärztliches Beisein zur Verfügung gestellt werden kann. Bei einer Abschiebung nach Tiflis ist jedenfalls eine adäquate ärztliche Behandlung der BF6 realistisch und durchführbar. Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass die BF6 im Herkunftsstaat für den Fall einer Rückkehr jedenfalls adäquat behandelt werden kann und demnach für den Fall einer Rückkehr in keine lebensbedrohende Situation geraten würde. Eine fehlende Behandlungsmöglichkeit in Georgien liegt – wie umfassend dargelegt – jedenfalls nicht vor.
Hinsichtlich der von der BF2 erst in der mündlichen Verhandlung bekannt gegebenen Leiden sind folgende Überlegungen massgeblich: Sie leide an Hepatitis B und Leberzirrhose, Stadium 3. Sie benötigt aktuell nur Kontrollen und erhält keine medizinische Behandlung. Entsprechende medizinische Unterlagen brachte sie nicht in Vorlage. In Vorlage wurde eine Bestätigung der Volkshilfe über die Inanspruchnahme einer Psychotherapie gebracht. Sämtliche von der BF2 vorgebrachten Leiden und Erkrankungen sind in Georgen behandelbar.
II.2.8. Die wirtschaftliche Lage stellt sich für die BF bei einer Rückkehr nach Georgien ausreichend gesichert dar. Die Feststellungen zu den Familienangehörigen und deren Aufenthalt ergeben sich aus den Angaben der BF im Asylverfahren. Wie den Feststellungen entkommen werden kann, leben in Georgien noch die Eltern, ein Cousin, sowie zahlreiche Tanten und Onkeln des BF1, gesamt handelt es sich um ca. 20 Familienmitglieder. Die Eltern sind Pensionisten und betreiben eine eigene Landwirtschaft. Der BF1 ist im Besitz eines Hauses in XXXX (17km außerhalb von Tiflis), welches aktuell leer steht. Weiters wohnen in Georgien noch der Vater, eine Schwester und ein Bruder der BF2, sowie weitere 25 Familienmitglieder in Form von Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins. Der Bruder ist Verkäufer in einem Baumarkt, die Schwester ist Hausfrau. Die BF haben regelmäßigen Kontakt zu ihren Verwandten. Es kann angenommen werden, dass die BF von der Verwandtschaft in Georgien unterstützt werden.
Für den Fall einer Rückkehr ist demnach nicht davon auszugehen, dass den BF ihre Lebensgrundlage entzogen wäre. Vielmehr haben sie in Georgien familiären Anschluss und steht ihnen die Rückkehr in ihren Familienverband unverändert offen. Laut Länderinformationen gibt es in Georgien zudem für Familien, welche unter der Armutsgrenze leben, die Möglichkeit, um Sozialhilfe anzusuchen.
Gemäß § 52a BFA-VG kann auch eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für den Neubeginn in der Republik Georgien gewährt werden. Rückkehrerinnen werden auf Basis dieser gesetzlichen Grundlage vom ersten Informationsgespräch bis zur tatsächlichen Rückreise in einer Einrichtung beraten, begleitet und umfassend unterstützt. Die Bereitschaft zur Rückkehr ist darüber hinaus eng verbunden mit der Schaffung von Überlebensgrundlagen im Herkunftsstaat. Abgestimmt auf die individuelle Situation der Rückkehrenden sind verschiedene Formen der Unterstützung notwendig bzw. möglich:
Schaffung des Zugangs zu Wohn-, Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeiten; Beschaffung von Arbeitsgeräten; Vermittlung zu den Hilfsorganisationen im Heimatland; finanzielle Unterstützung. Durch den Aufbau eines Netzwerkes von Kontakten zu Hilfsorganisationen in den jeweiligen Rückkehrländern soll der Neubeginn der rückkehrenden, in der Regel entwurzelten Menschen während der Anfangsphase erleichtert werden (vgl. hierzu www.verein-menschenrechte.at und www.caritas.at/return ).
Rückkehrerinnen, die Unterstützung benötigen, sind bislang vor allem auf Familie und Freunde angewiesen. Internationale Organisationen – wie IOM, ICMPD –bieten ebenfalls Unterstützung an.
Um die Reintegration der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, wurden 650.000 Lari (ca. 216.460 Euro) aus dem Staatshaushalt 2018 bereitgestellt, die an förderungswürdige NGOs verteilt werden:
- Öffentliche Fürsprache" - Tiflis, Kvemo Kartli, Mtskheta-Mtianeti
- Samtskhe-Javakheti Regionalverband "Toleranti" - Samtskhe-Javakheti, Shida Kartli
- Stiftung "AbkhazInterncont"(AIC) - Samegrelo-Zemo Svaneti
- Vereinigung junger Wissenschaftler "Intellekt" - Adjara, Guria
- Fonds "AbkhazInterncont"(AIC) - Racha-Lechkhumi, Kvemo Svaneti
- Kakheti Regional Development Foundation (KRDF) – Kakheti
Um den Wiedereingliederungsprozess der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, werden die NGOs die folgenden Dienstleistungen für die Begünstigten erbringen – gültig für das gesamte Staatsgebiet:
- Bereitstellung von medizinischer Behandlung und Medikamenten
- Finanzierung einkommensschaffender Projekte
- Unterstützung der beruflichen Weiterbildung/Umschulung und Qualifizierung der
Begünstigten
- Bereitstellung von temporären Unterkünften (SCMI 9.3.2018).
Im staatlichen Programm sind jene teilnahmeberechtigt, die georgische Bürger oder staatenlos sind und über eine Aufenthaltsbewilligung verfügen; sich mehr als ein Jahr illegal im Ausland aufgehalten haben oder im Ausland um Asyl angesucht haben, und seit weniger als einem Jahr in Georgien sind (MRA o.D.). Die BF erfüllen die Voraussetzungen für die Teilnahme an diesem staatlichen Programm.
In diesem Zusammenhang darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die rechtsfreundlich bzw. durch eine im Asyl- und Fremdenwesen versierte Organisation vertretenen BF im Rahmen der ihnen bekannten Obliegenheit zur Bescheinigung ihres Vorbringens keinen einzigen Beleg über das Nichtvorhandensein von Wohnmöglichkeiten in Georgien vorlegten. So steht der BF1 nach wie vor im Besitz eines Hauses in XXXX (17km außerhalb von Tiflis). Auch aufgrund des ergänzendem Ermittlungsverfahren und im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergab sich keine andere Einschätzung des Sachverhaltes, wie dies bereits vom Bundesamt aufgezeigt wurde.
Die BF verfügen über ein weitreichendes verwandtschaftliches und soziales Netz, welches sie bei der Existenzsicherung unterstützen kann. Die BF stehen zudem in Kontakt zu den Verwandten in Georgien. Unterkunftsmöglichkeiten stehen den BF, wie schon vor der Ausreise im eigenem Haus zur Verfügung. Neben der staatlichen Sozialhilfe kann auch vom österreichischen Staat Rückkehrhilfe gewährt werden. Auch internationale Organisationen bieten für Rückkehrer Unterstützung an.
Das BVwG geht daher zusammenfassend davon aus, dass die BF – wie auch von ihnen bekannt gegeben – aus rein gesundheitlichen Motiven heraus ihr Heimatland verlassen haben. Zusammenfassend ist zum Vorbringen auszuführen, dass das erkennende Gericht zur Überzeugung gelangte, dass in den Angaben der BF glaubwürdige Anknüpfungspunkte oder Hinweise für eine individuelle Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention nicht erkennbar waren und auch von den BF selbst nicht vorgebracht wurden. Dazu ist grundsätzlich in diesem Zusammenhang auszuführen, dass etwaige wirtschaftliche oder private Schwierigkeiten objektiv nicht dazu geeignet sind, die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zu begründen.
II.2.9. Die Monierungen in der Beschwerde sind unbeachtlich, weil das Bundesamt das Vorbringen und den Gesundheitszustand der BF6 ausreichend und umfangreich gewürdigt und abgeklärt und somit die gebotene Tiefe mehr als erfüllt hat.
Jede Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stellt zudem eine Einzelfallentscheidung mit Prüfung des konkreten Sachverhalts dar, sodass keine Bindungswirkungen zu anderen Entscheidungen bestehen, weshalb die in der Beschwerde zitierten Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte nicht zu einer anderen Beurteilung führen können. Genauso würden auch Ausführungen zu abgeschobenen Personen, welch eine Verschlechterung des Zustandes in Georgien erfahren hätten, keine Relevanz entfalten. Derartige Umstände wären weder belegt, noch auf den jeweiligen Einzelfall zu übertragen.
Die BF verließen Georgien aus rein gesundheitlichen Gründen, ohne jedoch einer asylrelevanten individuellen Gefährdung ausgesetzt gewesen zu sein.
Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372 mwN).
Nach der geltenden Rechtslage wäre eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde; dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.
II.2.10. Schließlich ist im vorliegenden Beschwerdefall zu beachten, dass es sich bei den BF um eine Familie mit vier minderjährigen Kindern und damit um besonders vulnerable und besonders schutzbedürftige Personen handelt. Diese besondere Vulnerabilität ist bei der Beurteilung, ob den beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung ihrer durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung damit, welche Rückkehrsituation die BF tatsächlich vorfinden (siehe dazu statt aller VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336 mwN; VfGH 11.12.2018, E 2025/2018).
Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass die minderjährigen BF keiner besonders gefährdeten Gruppe angehören und ist auch von einer Rückkehr der minderjährigen BF gemeinsam mit ihren Eltern davon auszugehen, sodass die Betreuung, Erziehung und Beaufsichtigung der Minderjährigen sichergestellt ist.
Das Bundesverwaltungsgericht kann außerdem in Ansehung der minderjährigen BF nicht die reale Gefahr erkennen, im Rückkehrfall von häuslicher Gewalt betroffen zu sein. Die Eltern vermitteln den Eindruck, am Wohlergehen ihrer Töchter sehr interessiert zu sein. Hinweise auf gewalttätige Übergriffe auf die Minderjährigen im Bundesgebiet liegen nicht vor. Ausgehend davon ist auch nicht zu besorgen, dass die minderjährigen BF im Rückkehrfall einem davon abgeleiteten Risiko ausgesetzt würden oder sie sonst von häuslicher Gewalt betroffen wären.
In Georgien ist die Grundversorgung mit Nahrung und medizinische Versorgung gegeben. Ob der obenstehenden Erwägungen und den getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsregion der BF ist nicht zu besorgen, dass die minderjährigen BF als besonders vulnerable Personen im Rückkehrfall von terroristischen oder kriminellen Aktivtäten betroffen wären. Aufgrund der Verfahrensergebnisse ist auch nicht davon auszugehen, dass sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit sonstiger Gewalt, wie etwa Blutrache oder einem Ehrenmord, zum Opfer fallen würden. Ein dahingehendes Vorbringen wurde im Verfahren nicht erstattet und es kann das Bundesverwaltungsgericht in Ansehung der persönlichen Profile der BF auch kein amtswegig wahrzunehmendes besonderes Gefährdungsmoment erkennen.
Hinsichtlich der Erkrankungen und Leiden der BF6 (und der BF2), bzw. deren Behandlungsmöglichkeiten wird auf die bereits detaillierten Ausführungen verwiesen.
Aufgrund der oben dargelegten Erwägungen zur sozioökonomischen Lage kann schließlich nicht die reale Gefahr erkannt werden, dass die BF im Rückkehrfall von einer unzureichenden Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern oder von Unterernährung betroffen wären. Hinweise auf Versorgungsengpässe bzw. Engpässe bei der Versorgung mit Gütern, die Kinder für ihre Bedürfnisse benötigen, liegen ausweislich der Feststellungen nicht vor.
Ausgehend von den persönlichen Profilen der BF und den Erwägungen zur Lebensgrundlage im Herkunftsstaat geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass den minderjährigen BF im Wege der Versorgung durch ihre Eltern und den zahlreichen Verwandten in Georgien nicht nur eine hinreichende Absicherung im Hinblick auf die Güter des täglichen Bedarfs, sondern insbesondere auch im Hinblick auf ihre altersgerechten Bedürfnisse erfahren werden.
II.2.11. Die volljährigen BF sind aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes in der Lage, ihr Auskommen im Herkunftsstaat zu bestreiten. Dass die Wirtschaftslage in Georgien derzeit unzureichend sein mag, stellt aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes in Anbetracht des persönlichen Profils der BF und der bestehenden Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat keine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK dar. Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet auch nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH 17.09.2019, Ra 2019/14/0160).
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht, Sicherer Herkunftsstaat
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
Dass Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idgF geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
II.3.1.2. Familienverfahren gemäß § 34 AsylG:
Stellt ein Familienangehöriger von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist (Z 1); einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist (Z 2) oder einem Asylwerber (Z 3) einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt gemäß § 34 Abs. 1 AsylG dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Gemäß § 34 Abs. 5 AsylG gelten die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet und sind beide die Eltern der minderjährigen BF3 bis BF6. Hinsichtlich der BF liegt daher ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.
Zu A)
II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
II3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:„§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) …
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. | dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder |
2. | der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat. |
...“
Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen war.
Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
II.3.2.2. Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (in etwa VwGH vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731; vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre überhaupt fraglich, ob unter solchen Umständen noch von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (vgl. VwGH vom 20.05.2015, Zl. Ra 2015/20/0030 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153).
Die StatusRL 2011/95/EU sieht einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0597 und vom 01.09.2005, 2005/20/0357).
II.3.2.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:
Es ist festzuhalten, dass die BF keine Fluchtgründe ins Treffen führten, die auf eine persönliche Verfolgung im Herkunftsland im Sinne der GFK, mithin aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung schließen lassen.
Auch eine Verfolgung durch staatliche Behörden bzw. dass eine solche Verfolgung durch staatliche Behörden drohen würde, wurde von den BF nicht in substantiierter Weise behauptet oder belegt und verneinten sie eine solche vor dem BFA zudem dezidiert.
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft, wobei als zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ erachtet wird. Diese ist dann gegeben, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist.
II.3.2.3. Wie im gegenständlichen Fall aber bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war das Vorbringen der BF zum behaupteten Ausreisegrund, demnach ausschließlich die Erkrankung der BF6 zwar glaubwürdig, ein Asylgrund kann dementsprechend von vornherein jedoch ausgeschlossen werden.
Im gegenständlichen Fall gelangt das Bundesverwaltungsgericht aus oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich erörterten Gründen zum Ergebnis, dass die BF keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt waren oder im Fall der Rückkehr ausgesetzt wären, sodass internationaler Schutz nicht zu gewähren ist. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).
Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.
Bezüglich der Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, bleibt festzuhalten, dass diese keine Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes darstellen, da alle Bewohner gleichermaßen davon betroffen sind.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur hinzunehmen sind, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe hat, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die etwa in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstiger Unruhen entstehen, ein Standpunkt den beispielsweise auch das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft in Punkt 164 einnimmt (VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798). Die Beschwerdeführer sind außerdem sunnitischen und schiitischen Glaubens, sie haben demnach im Fall einer Rückkehr insbesondere keine Schwierigkeiten aufgrund ihres Religionsbekenntnisses zu befürchten.
II.3.3. Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat
II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:„§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. | der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder |
2. | … |
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 … zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.…“
Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.
Art. 2 EMRK lautet:
„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. (2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.“
Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Art. 3 EMRK lautet:„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“
Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).
Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).
Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.
Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffenen Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.
Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gem. der Judikatur des EGMR muss ein BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).
Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.
Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinn des Art. 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solch innerstaatlich bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (VG München 13.05.2016, M 4 K 16.30558).
Dabei ist zu überprüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende und damit allgemeine Gefahr in der Person des Beschwerdeführers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Bedrohung darstellt. Eine allgemeine Gefahr kann sich insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH U. 17.02.2009, C-465/07 ). Ob eine Situation genereller Gewalt eine ausreichende Intensität erreicht, um eine reale Gefahr einer für das Leben oder die Person zu bewirken, ist insbesondere anhand folgender Kriterien zu beurteilen: ob die Konfliktparteien Methoden und Taktiken anwenden, die die Gefahr ziviler Opfer erhöhen oder direkt auf Zivilisten gerichtet sind; ob diese Taktiken und Methoden weit verbreitet sind; ob die Kampfhandlungen lokal oder verbreitet stattfinden; schließlich die Zahl der getöteten, verwundeten und vertriebenen Zivilisten (EGRM U 28.06.2011, Sufi/Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 8319/07, 11449/07).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt jedoch nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; EGMR U 20.07.2010, N. gegen Schweden, Nr. 23505/09; U 13.10.2011, Husseini gegen Schweden, Nr. 10611/09). Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, zur Lage in Bagdad). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).
Im Hinblick der Gefahrendichte ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die der Beschwerdeführer typischerweise zurückkehren wird. Zur Feststellung der Gefahrendichte kann auf eine annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung zurückgegriffen werden. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (dt BVerwG 17.11.2011, 10 C 13/10).
Dessen ungeachtet sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch dann abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (§ 8 Abs. 3 AsylG 2005).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen im Übrigen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141).
II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der BF scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.
Da sich der Herkunftsstaat der BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Es kann auch nicht erkannt werden, dass den BF im Falle einer Rückkehr nach Georgien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), haben doch die erwachsenen BF selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung nach Georgien jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und sie und ihre Töchter in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.
Zu der Erkrankung bzw. zum Gesundheitszustand der BF6 (und der BF2) wird festgehalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. die Beschlüsse des VwGH vom 21. Februar 2017, Ro 2016/18/0005 und Ra 2017/18/0008 bis 0009, unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien; auch Beschluss des VwGH vom 23.3.2017, Ra 2017/20/0038; siehe auch Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“]; Erk. d. VfGH 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9). Bloß spekulative Überlegungen über einen fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung sind ebenso unbeachtlich wie eine bloße Minderung der Lebensqualität (Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05).
Die genannten allgemeinen Ausführungen gelten auch beim Vorliegen psychischer Erkrankungen bzw. Störungen. Zur Verdeutlichung der vom EGMR gesetzten Schwelle sei hier auf die Entscheidung SALKIC and others against Sweden (Application no. 7702/04) hingewiesen, wo die Zulässigkeit der Abschiebung schwer traumatisierter und teilweise suizidale Tendenzen aufweisende Bosnier nach Bosnien und Herzegowina bejaht wurde, wobei hier wohl außer Streit gestellt werden kann, dass das bosnische Gesundheitssystem dem schwedischen qualitätsmäßig unterliegt.
Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finland vom 31.05.2005 (Appl. 1383/04), wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der sich seit 2002 in psychiatrischer Behandlung befunden hat und der selbstmordgefährdet war, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes „real risk“.
Aufgrund der hier vorliegenden Krankheitsbilder ist jedenfalls nicht ableitbar, dass eine Überstellung nach Georgien zu einer Beeinträchtigung des gesundheitlichen Zustandes der BF6 (und der BF2) führt, womit folgerichtig keine Verletzung von Art 3 EMRK gegeben ist.
Es liegt aktuell auch bei der BF6 (und der BF2) keine derartige Erkrankung vor, welche das Risiko bergen würde, im Falle der Rückkehr unter qualvollen Umständen in Georgien zu sterben. Anhand der bereits vom BFA in das Verfahren eingebrachten Anfragebeantwortungen geht hervor, dass sowohl eine stationäre, als auch ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen Ergotherapeuten in Georgien verfügbar ist. Ebenso ist eine pädiatrische Betreuung und/oder Behandlung durch einen Logopäden und mittels multidisziplinärer Beurteilung durch ein Zentrum für Entwicklungsstörungen verfügbar. Hinsichtlich dem Schulbesuch ist eine spezielle Ausbildung für geistig beeinträchtigte Kinder in der öffentlichen Einrichtung „KOJORI DISABLED CHILDREN'S HOUSE“ in Tiflis möglich. Es besteht weiters die Möglichkeit einer Physiotherapie zu Hause, auch stehen dazu eine stationäre und ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen pädiatrischen Physiotherapeuten zur Verfügung. Zudem muss festgehalten werden, dass die BF6 in Georgien über einen Behindertenstatus verfügt und eine monatliche Rente von 380 Lari bezieht. Zudem gaben die volljährigen BF selbst bekannt, dass die Behandlungen und Therapien bezahlt wurden. Auch zählt die BF6 aufgrund ihres Behindertenstatus zu den förderfähigen Kindern, denen in drei namentlich genannten Zentren in Tiflis Leistungen vom Staat finanziert werden. Es handelt sich dabei um Tageszentren, in denen die folgenden Fachkräfte zur Verfügung stehen: Psychologen, Sprachtherapeuten, Kunsttherapeuten, Musiktherapeuten, Sensomotorik-Therapeuten und Sonderschullehrer. Wie bereits angeführt, ist eine weitere Behandlung, nicht zuletzt aufgrund der in Österreich exakt erstellten Diagnose in Georgien erhältlich und verfügbar und jetzt zudem zielgerichteter als vor der Ausreise möglich. Der BF6 wurde weiters lediglich ein Schlafmittel verschrieben, derartige Medikamente sind auch in Georgien selbstverständlich erhältlich. Ferner steht auch nach wie vor der Erlass des Gesundheitsministeriums vom 15.Juni 2011, No:01 31/N in Geltung. Im Rahmen dieses Erlasses wird die die Einfuhr von bestimmten Medikamenten und Heilmitteln und deren Mengen bei Nichtverfügbarkeit geregelt und ermöglicht.
Die benötigten Behandlungen sind demnach in Georgien erhältlich und die Kosten werden zwischen 80% bis 100% vom Staat übernommen. Es gibt demnach in Georgien auch, wie in der Beweiswürdigung bereits ausführlich erörtert und den Länderinformationen entnehmbar, die BF6 (und BF2) betreffende Behandlungsmöglichkeiten und kann zudem ein benötigtes Medikament bei Nichterhältlichkeit eingeführt werden bzw. sind Ersatzpräparate landesweit erhältlich. Es kann damit nicht von einem gänzlichen Fehlen von angemessenen Behandlungsmöglichkeiten ausgegangen werden und muss zwar eventuell mit einer Verschlechterung des persönlichen Zustandes der BF6 gerechnet werden, dieser ist jedoch nicht unwiederbringlich oder derart gravierend, dass eine Abschiebung unzulässig zu erklären oder subsidiärer Schutz zu gewähren wäre.
Die BF konnten in Georgien auch trotz der Erkrankung der BF6 vor ihrer Ausreise für ihren Lebensunterhalt sorgen.
Neben den Möglichkeiten, Sozialleistungen zu beziehen, steht den BF damit auch ein Netz von Verwandten zur Verfügung, welche zur Finanzierung der etwaig teilweise kostenpflichtigen Behandlung beitragen können.
Im vorliegenden Fall konnten seitens der BF keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Georgien belegt werden, welche die Notwendigkeit weiterer Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts notwendig machen würden.
Im gegenständlichen Fall besteht im Lichte der Berichtslage kein Hinweis, dass die BF6 (und BF2) vom Zugang zu medizinischer Versorgung in Georgien ausgeschlossen wäre und bestehen auch keine Hinweise, dass die seitens der BF6 beschriebenen und diagnostizierten Krankheiten nicht behandelbar wären. Auch faktische Hindernisse, welche das Fehlen eines Zugangs zur medizinischen Versorgung aus in der Person der BF gelegenen Umständen belegen würden, kamen nicht hervor.
Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso Erk. des AsylGH vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E mwN). Zur individuellen Versorgungssituation der BF wird weiter festgestellt, dass diese im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Einerseits stammen die BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören sie keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
II.3.3.3. Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht über eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten. In Georgien leben noch die Eltern, ein Cousin, sowie zahlreiche Tanten und Onkeln des BF1, gesamt handelt es sich um ca. 20 Familienmitglieder. Die Eltern sind Pensionisten und betreiben eine eigene Landwirtschaft. Der BF1 ist im Besitz eines Hauses in XXXX (17km außerhalb von Tiflis), welches aktuell leer steht. Weiters wohnen in Georgien noch der Vater, eine Schwester und ein Bruder der BF2, sowie weitere 25 Familienmitglieder in Form von Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins. Der Bruder ist Verkäufer in einem Baumarkt, die Schwester ist Hausfrau. Die BF haben regelmäßigen Kontakt zu ihren Verwandten in Georgien.
Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die BF somit nicht in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden.
Weder droht den BF im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten gewährleisteten Rechte, noch bestünde die Gefahr, der Todesstrafe unterzogen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen, sodass der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu Recht abgewiesen wurde.
II.3.4 Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung
II.3.4.1. Gesetzliche Grundlagen:
§ 10 AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.“
§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
§ 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln:
§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.“
(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.
§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:
„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I. Nr. 68/2017 aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt – EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“
§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise
§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.
(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.
§ 18 BFA-VG, lautet auszugsweise:
„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde“
(1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“
II.3.4.2. Die gegenständlich in Österreich gestellten Anträge auf internationalen Schutz wurden abgewiesen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel der drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fallen die BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.
Es liegen keine Umstände vor, dass den BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
II.3.4.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
II.3.4.4. Im Bundesgebiet lebt ein Bruder des BF1, es besteht kein Abhängigkeitsverhältnis. Der BF1 arbeitet seit 25.11.2024 bei Koba Nioradze in Linz als Fahrer für den Zustelldienst GLS (zwei Stunden täglich, € 500,-/Monat). Die BF beziehen Grundversorgung. Die volljährigen BF besuchen einen Deutschkurs. Die BF3 besucht die Polytechnische Schule Urfahr. Die BF sind in keinen Vereinen oder Organisationen Mitglieder und leisten keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Es wurden keine Unterstützungsschreiben eingebracht. Die BF sind für keine Personen im Bundesgebiet sorgepflichtig. Die Rückkehrentscheidung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, sondern allenfalls einen solchen in das Privatleben.
II.3.4.5. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der geltenden Judikatur Folgendes:
- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:
Die BF sind seit 03.06.2024 in Österreich aufhältig. Die BF konnten ihren Aufenthalt lediglich durch die Stellung der unbegründeten Anträge auf internationalen Schutz vorübergehend legalisieren. Hätten sie diese unbegründeten Asylanträge nicht gestellt, wären sie rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würden.
- das tatsächliche Bestehen eines Privatlebens:
Die BF verfügen über keine relevanten privaten Anknüpfungspunkte.
- die Schutzwürdigkeit des Privatlebens
Die BF begründeten ihr Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt lediglich durch die Stellung der unbegründeten Asylanträge vorübergehend legalisiert war. Auch war der Aufenthalt der BF zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privatlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt.
Letztlich ist auch festzuhalten, dass die BF nicht gezwungen sind, nach einer Ausreise allenfalls bestehende Bindungen zur Gänze abzubrechen. So stünde es ihr frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74 mwN).
- Grad der Integration
Im Bundesgebiet lebt ein Bruder des BF1, es besteht kein Abhängigkeitsverhältnis. Der BF1 arbeitet seit 25.11.2024 bei Koba Nioradze in Linz als Fahrer für den Zustelldienst GLS (zwei Stunden täglich, € 500,-/Monat). Die BF beziehen Grundversorgung. Die volljährigen BF besuchen einen Deutschkurs. Die BF3 besucht die Polytechnische Schule Urfahr. Die BF sind in keinen Vereinen oder Organisationen Mitglieder und leisten keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Es wurden keine Unterstützungsschreiben eingebracht. Die BF sind für keine Personen im Bundesgebiet sorgepflichtig.
In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die –hier bei weitem nicht vorhandenen- Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).
- Bindungen zum Herkunftsstaat
Die BF verbrachten ihr gesamtes Leben in Georgien, wurden dort sozialisiert, bekennen sich zum dortigen christlich-orthodoxen Glauben und sprechen die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. In Georgien leben noch die Eltern, ein Cousin, sowie zahlreiche Tanten und Onkeln des BF1, gesamt handelt es sich um ca. 20 Familienmitglieder. Die Eltern sind Pensionisten und betreiben eine eigene Landwirtschaft. Der BF1 ist im Besitz eines Hauses in XXXX (17km außerhalb von Tiflis), welches aktuell leer steht. Weiters wohnen in Georgien noch der Vater, eine Schwester und ein Bruder der BF2, sowie weitere 25 Familienmitglieder in Form von Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins. Der Bruder ist Verkäufer in einem Baumarkt, die Schwester ist Hausfrau. Die BF haben regelmäßigen Kontakt zu ihren Verwandten in Georgien. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es den BF im Falle einer Rückkehr nach Georgien nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.
Die BF4, BF5 und BF6 befinden sich in einem anpassungsfähigen Alter. Die BF3 ist 14 Jahre und befindet sich gemäß der Judikatur der Höchstgerichte zwar nicht mehr im anpassungsfähigen Alter, das in der Rechtsprechung der Höchstgerichte zwischen sieben und elf Jahren angenommen wird (vgl. VfGH 07.10.2014, U 2459/2012 ua., sowie VwGH 19.09.2012, 2012/22/0143 ua.), jedoch hat sie über 13 Jahre und sohin fast ihr ganzes Leben in Georgien verbracht und dort ihre erste Sozialisierung erfahren, weshalb die Anpassungsfähigkeit nach wie vor gegeben ist und die Wiedereingliederung nach der Rechtsprechung ebenfalls als möglich und zumutbar erscheinen lässt (vgl. dazu VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422; 30.07.2015, Ra 2014/22/0055; 23.06.2015, Ra 2015/22/0026)..
Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist gerade Kindern, welche noch im jungen Alter sind und die mit ihren Eltern gemeinsam ausreisen, die (Re-)Integration im Herkunftsstaat der Eltern zumutbar. So nahm der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30.08.2011, Zl. 2009/21/0015 an, dass bei einem 6 Jahre und 3 Monate dauernden Aufenthalt in Österreich erwartet werden kann, die Kinder werden sich im Rahmen des gewohnten familiären Umfeldes an die neuen Begebenheiten im Herkunftsstaat der Eltern anpassen können (vgl. auch VwGH vom 19. Mai 2011, Zlen. 2009/21/0115, 116, mwN). Selbst Schwierigkeiten bei der (Re) Integration sind in derartigen Fällen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen in Kauf zu nehmen (vgl. VwGH vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0282).
- strafrechtliche Unbescholtenheit
Die BF sind bislang strafrechtlich unbescholten.
Diese Feststellung stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.
-Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts
Derartiges konnte nicht festgestellt werden.
- die Frage, ob das Privatleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren
Den BF musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist.
- mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer
Ein derartiges Verschulden kann der Aktenlage nicht entnommen werden.
- Kindeswohl
Allfällige ungünstigere Entwicklungsbedingungen im Ausland begründen für sich allein noch keine Gefährdung des Kindeswohls, vor allem dann, wenn die Familie von dort stammt (OGH 08.07.2003, Zl. 4Ob146/03d unter Verweis auf Coester in Staudinger, BGB13 § 1666 Rz 82 mwN). Zudem gehören die Eltern und deren sozioökonomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (ebd.).
Bei der Beurteilung, ob im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung von durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten droht, ist nach der Judikatur des VwGH eine eventuelle besondere Vulnerabilität der Betroffenen im Speziellen zu berücksichtigen, wobei der VwGH auch auf die Definition schutzbedürftiger Personen in Art. 21. Der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) verweist (vgl. zuletzt VwGH vom 13.12.2018, Zl. Ra 2018/18/0336 sowie vom 30.08.2017, Zl. Ra 2017/18/0089 zum Irak sowie VwGH vom 06.09.2018, Ra 2018/18/0315 und diverse andere zu Afghanistan). Art. 21 der Aufnahmerichtlinie zählt als besonders schutzbedürftige Personen unter anderem Minderjährige auf.
Der Verfassungsgerichtshof hat - aufgrund der vom BVwG selbst herangezogenen UNHCR-Richtlinien- in seiner Entscheidung vom 12.12.2018, Zl E 667/2018 hinsichtlich einer Familie aus Kabul festgehalten, dass Familien mit besonderem Schutzbedarf - nach Ansicht des UNHCR - nur dann eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul offensteht, wenn sie Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, die Zurückkehrenden tatsächlich zu unterstützen. Die zugrundeliegende Entscheidung des BVwG wurde behoben, da vom BVwG nicht näher begründet wurde, warum es davon ausging, dass der Bruder der Erstbeschwerdeführerin eine sechsköpfige Familie ausreichend unterstützen könne bzw wolle. Es sei verabsäumt worden, die Erstbeschwerdeführerin zur konkreten Lebenssituation ihres Bruders und ihrer Schwester zu befragen.
Demnach wird von der Judikatur – zuletzt auch in einer Einzelentscheidung hinsichtlich des sicheren Herkunftsstaates Georgien (VwGH vom 07.03.2019, Ra 2018/21/0216 bis 0217-13) - eine konkrete Auseinandersetzung damit gefordert, welche Rückkehrsituation eine Familie mit minderjährigen Kindern im Herkunftsstaat tatsächlich vorfindet, insbesondere unter Berücksichtigung der dort herrschenden Sicherheitslage und Bewegungsfreiheit (VwGH 21.03.2018, Ra 2017/18/0474 bis 0479) sowie der Unterkunftsmöglichkeit (VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0315).
Gemäß § 138 ABGB ist das Wohl des Kindes (Kindeswohl) in allen das minderjährige Kind betreffenden Angelegenheiten, insbesondere der Obsorge und der persönlichen Kontakte, als leitender Gesichtspunkt zu berücksichtigen und bestmöglich zu gewährleisten. § 138 ABGB dient auch im Bereich verwaltungsrechtlicher Entscheidungen, in denen auf das Kindeswohl Rücksicht zu nehmen ist, als Orientierungsmaßstab (vgl. VwGH vom 24.09.2019, Ra 2019/20/0274).
Insbesondere ist der Frage der angemessenen Versorgung und sorgfältigen Erziehung der Kinder (Z 1), der Förderung ihrer Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten (Z 4) sowie allgemein um die Frage ihrer Lebensverhältnisse (Z 12) nachzugehen. Aus der genannten Bestimmung ergibt sich überdies, dass auch die Meinung der Kinder zu berücksichtigen ist (Z 5) und dass Beeinträchtigungen zu vermeiden sind, die Kinder durch die Um- und Durchsetzung einer Maßnahme gegen ihren Willen erleiden könnten (Z 6). Ein weiteres Kriterium ist die Aufrechterhaltung von verlässlichen Kontakten zu wichtigen Bezugspersonen und von sicheren Bindungen zu diesen Personen (Z 9).
Im Rahmen der nach § 9 BFA-VG 2014 vorzunehmenden Interessenabwägung kommt den Kriterien des § 138 ABGB hingegen nach der Rechtsprechung des VwGH (vgl. VwGH 14.12. 2020, Ra 2020/20/0408) lediglich die Funktion eines "Orientierungsmaßstabs" für die Behörde bzw. das VwG zu. Zudem sei nochmals klargestellt, dass die Berücksichtigung des Kindeswohls im Kontext aufenthaltsbeendender Maßnahmen lediglich einen Aspekt im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung darstellt; das Kindeswohl ist daher bei der Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen von Fremden nicht das einzig ausschlaggebende Kriterium. Die konkrete Gewichtung des Kindeswohls im Rahmen der nach § 9 BFA-VG 2014 vorzunehmenden Gesamtbetrachtung bzw. Interessenabwägung hängt vielmehr von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, die fallbezogen umfänglich ermittelt, festgestellt und bewertet wurden. Die konkrete Gewichtung des Kindeswohls im Rahmen der nach § 9 BFA-VG 2014 vorzunehmenden Gesamtbetrachtung bzw. Interessenabwägung hängt vielmehr von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (vgl. VwGH vom 09.03.2022, Ra 2022/14/0044, mwN).
Im vorliegenden Fall ist daher insbesondere zu berücksichtigen, dass die BF3 bis BF6 minderjährige Kinder – somit Angehörige einer besonders vulnerablen und besonders schutzbedürftigen Personengruppe - sind. Daher ist eine konkrete Auseinandersetzung mit der Rückkehrsituation, die die minderjährigen BF bzw. die Eltern mit ihren minderjährigen Kindern im Heimatstaat tatsächlich vorfinden würden, erforderlich.
Auch sind sowohl die Eltern als auch die minderjährigen Töchter georgische Staatsbürger und sind somit alle BF im selben Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen. Die minderjährigen BF teilen somit das sozioökonomische Schicksal ihrer Eltern. Den BF stehen nach der Rückkehr sowohl private, karitative als auch bei Bedarf staatliche Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung. Zudem wohnen in Georgien noch die Eltern, ein Cousin, sowie zahlreiche Tanten und Onkeln des BF1, gesamt handelt es sich um ca. 20 Familienmitglieder. Die Eltern sind Pensionisten und betreiben eine eigene Landwirtschaft. Der BF1 ist im Besitz eines Hauses in XXXX (17km außerhalb von Tiflis), welches aktuell leer steht. Weiters wohnen in Georgien noch der Vater, eine Schwester und ein Bruder der BF2, sowie weitere 25 Familienmitglieder in Form von Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins. Der Bruder ist Verkäufer in einem Baumarkt, die Schwester ist Hausfrau.
Dass die minderjährigen Beschwerdeführer in Österreich eine besonders intensive Nahebeziehung zu ihren Mitschülern, Freunden oder Pädagogen pflegen würden, ist nicht dargelegt worden.
Die Beschwerdeführer stehen mit ihren Verwandten in Georgien jedenfalls regelmäßig in Kontakt. Den minderjährigen Beschwerdeführern ist eine Eingliederung in das georgische Schulsystem möglich, es besteht auch keine Sprachbarriere, welche die Eigliederung in das Schulsystem als schwierig erweisen könnte. Ein Schulbesuch der minderjährigen Beschwerdeführer in Georgien ist sohin möglich und zumutbar.
In Anbetracht des erst knapp neun Monate langen Aufenthaltes der minderjährigen BF im Bundesgebiet kann auch nicht davon gesprochen werden, dass sie wesentliche Teile ihrer Kindheit und Jugend in Österreich verbracht hätten (vgl. zum Aspekt der Aufenthaltsdauer VfSlg. 19.357/2011).
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes deutet zusammenfassend nichts darauf hin, dass es den minderjährigen BF in Begleitung ihrer Eltern im Falle einer Rückkehr nach Georgien nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft zu integrieren.
Dies folgt daraus, dass seine grundsätzliche Sozialisierung bereits in Georgien erfolgte. Weiters fehlen wichtige Bezugspersonen im Bundesgebiet außerhalb der Kernfamilie. Die engsten Bezugspersonen bleiben den minderjährigen BF erhalten. Dass sie die Schule in Österreich nicht weiter besuchen können, ist – wie oben dargetan – vertretbar und ein weiterer Schulbesuch in der Herkunftsregion möglich und zumutbar. Die minderjährigen Beschwerdeführer verfügen in Georgien neben einer gesicherten Lebensgrundlage auch über familiäre Anknüpfungspunkte, zumal sowohl Großeltern, sowie zahlreiche Tanten und Onkeln samt Familie dort leben. Im Verfahren ist nicht hervorgekommen, dass die kindliche Entwicklung oder Förderung im Falle der Rückkehr grob beeinträchtigt wäre. Die Eltern der Minderjährigen sind in der Lage für ihre Grundbedürfnisse zu sorgen und ist das Wohlergehen der Minderjährigen gesichert.
In Anbetracht der gemeinsamen Rückkehr im Familienverband kann auch davon ausgegangen werden, dass aufgrund der Anwesenheit sämtlicher Bezugspersonen keine das Kindeswohl beeinträchtigende Entwurzelung eintritt (VwGH 23.11.2017, Ra 2015/22/0162).
Eine Verletzung des Kindeswohles ist daher nicht ersichtlich.
- Auswirkung der allgemeinen Lage in Georgien auf die BF
Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass dem Art. 8 EMRK innewohnenden Recht auf das Privat- und Familienleben auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit abzuleiten ist (vgl. etwa Erk. d. VwGH vom 28.6.2016, Ra 2015/21/0199-8). Vor diesem Hintergrund ist die Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Lichte des Art. 8 EMRK auch vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat, welche die bP im Falle einer Rückkehr vorfinden, zu prüfen, wobei bereits an dieser Stelle Art. 8 EMRK –anders als Art. 3 leg. cit.- einen Eingriffsvorbehalt kennt.
Im Rahmen der Beurteilung der allgemeinen Lage in der der Republik Georgien ist zu berücksichtigen, dass –wie bereits mehrfach erwähnt- gem. § 1 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, die Republik Georgien als sicherer Herkunftsstaat gilt und ergaben sich im gegenständlichen Fall keine Hinweise auf einen aus diesem Blickwinkel relevanten Sachverhalt.
Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).
Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine (damals) Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).
Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).
Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.
Gem. Art 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privat- und/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs. 2 leg. cit. genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich –abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.
Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für einen BF grundsätzlich nicht mehr möglich, den Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass der BF gem. § 21 (2) und (3) NAG die Legalisierung ihres Aufenthaltes vom Inland aus offensteht, sodass sie mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Rückkehrentscheidung bedarf.
Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens sind die BF somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.
Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der (damals) Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.
Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.
Der Rechtsprechung des EGMR folgend (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisung- bzw. Rückkehrentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Praxis hinsichtlich Rückkehrentscheidungen der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art „Handreichung des Staates“ - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.
Wenn man – wie die Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt – dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.
Weiter wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:
Im gegenständlichen Fall erachtete es der EGMR nicht erforderlich, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist.
Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.
Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.
Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.
II.3.4.6. Letztlich ist festzustellen, dass eine Gegenüberstellung der von den BF in ihrem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnissen mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen der BF am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes führen würde.
Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie die BF erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.
Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip [„no one can profit from his own wrongdoing“], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).
Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration der BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht sind nicht erkennbar. Die BF halten sich im Vergleich zu ihrem Lebensalter erst einen sehr kurzen Zeitraum (knapp neun Monate) in Österreich auf. Eine über das normale Maß hinausgehende gesellschaftliche Integration ist nicht erkennbar. Die BF haben nahezu ihr gesamtes Leben in Georgien verbracht und wurden dort sozialisiert. Es ist daher davon auszugehen, dass auf Grund dieser engen Beziehungen zum Herkunftsstaat im Vergleich mit dem bisherigen Leben in Österreich die Beziehungen zu Georgien eine – wenn überhaupt vorhandene – Integration in Österreich bei weitem überwiegen.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse der BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
II.3.5. Abschiebung
II.3.5.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).
Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).
Im gegenständlichen Fall sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Georgien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlichen Beschwerden nicht schlüssig dargelegt und wurden bzw. werden hierzu bereits an entsprechend passenden Stellen des gegenständlichen Erkenntnisses Ausführungen getätigt, welche die in § 50 Abs. 1 und 2 FPG erforderlichen Subsumtionen bereits vorwegnehmen.
Eine im § 50 Abs. 3 FPG genannte Empfehlung des EGMR liegt ebenfalls nicht vor.
Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Georgien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlichen Beschwerden nicht schlüssig dargelegt.
II.3.5.2. Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG kann das BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG stammt.
Weiters ist dies gemäß Z 4 leg.cit. möglich, wenn der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat.
Gemäß § 19 Abs. 5 BFA-VG kann die Bundesregierung bestimmte Staaten durch Verordnung als sichere Herkunftsstaaten definieren. Gemäß § 1 Z 12 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV) gilt Georgien als sicherer Herkunftsstaat.
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hätte das Bundesverwaltungsgericht binnen einer Woche ab Beschwerdevorlage die aufschiebende Wirkung zuerkennen müssen, wenn anzunehmen gewesen wäre, dass den BF eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3, 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention gedroht hätte oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich gebracht hätte.
Aus den vorangehenden Ausführungen zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zur Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung folgt, dass keine Rechtsverletzung drohte, welche die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung geboten hätte.
Besondere individuelle Gründe, die für die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sprechen könnten, wurden im gesamten, so auch im Beschwerdeverfahren, durch sämtliche Ausführungen ausreichend konkret und substantiiert nicht dargelegt, bzw. konnte der BF das Vorliegen von diesbezüglich besonders berücksichtigungswürdigen Gründen insgesamt nicht glaubhaft machen.
Wie die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden zu Recht dargelegt hat, gilt Georgien als sicherer Herkunftsstaat und hat der BF im Verfahren keine Verfolgungsgründe vorgebracht. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist somit zu Recht erfolgt.
Folglich war auch gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen.
II.3.5.3. Da auch alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Rückkehrentscheidung und keine Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, waren die Beschwerden auch gegen diese Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, der hier vertretenen Zurechnungstheorie und den Anforderungen an einen Staat und dessen Behörden, um von dessen Willen und Fähigkeit, den auf seinem Territorium aufhältigen Menschen Schutz vor Übergriffen zu gewähren ausgehen zu können, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.
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