Normen
AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §11 Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
EURallg
MRK Art2
MRK Art3
32011L0095 Status-RL
32011L0095 Status-RL Art15
32011L0095 Status-RL Art6
32013L0032 IntSchutz-RL Art45 Abs2 lita
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140160.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 26. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Der Mitbeteiligte brachte im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - auf das Wesentliche zusammengefasst und soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - vor, er sei im August 1988 in Beshud, Provinz Mardak, geboren. Dort habe er vier Jahre und sodann ein Jahr in Kabul gelebt. Im Alter von fünf Jahren sei er (mit seinen Eltern) in den Iran gereist. An Verwandten lebten noch seine Tante und deren Kinder in Afghanistan. Der Ehemann der Tante gehe einer Beschäftigung nach. Der Rest seiner Familie - seine Ehefrau, sein Kind, seine Eltern sowie drei Geschwister - lebe im Iran. Der Vater arbeite als Maurer auf einer Baustelle. Im Jahr 1388 (nach iranischer Zeitrechnung, im Rahmen einer Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Mitbeteiligte an, es habe sich um das Jahr 2008 nach hiesiger Zeitrechnung gehandelt) sei der Mitbeteiligte "wegen eines Auslandsstudiums" nach Afghanistan gefahren, damit er "ein Studentenvisum für den Iran bekomme". Im Rahmen der Erzählung zu den Gründen für seine Flucht führte er weiter aus, dass er noch "ein Jahr ein Studentenvisum" gehabt habe. Er wäre dann entweder nach Afghanistan zurückgekehrt oder hätte illegal im Iran weiterleben müssen. Ohne gültige Papiere werde man im Iran sofort von der Polizei abgeschoben. Vor seinem Studium habe er eine Aufenthaltsbewilligung für den Iran gehabt. Wenn man studieren wolle, müsse man aber von Afghanistan aus "ein Auslandsstudium für den Iran beantragen". Nach Abschluss des Studiums müsse man nach Afghanistan zurück. Er habe auch vorgehabt, nach Afghanistan zurückzugehen. Er habe nach Kabul gehen wollen, weil dort für ihn keine Gefahr bestünde. Seine Probleme beruhten darauf, dass seine Frau, die er im Iran kennengelernt habe und die zurück nach Afghanistan habe müssen, einem anderen Mann versprochen worden sei. Die Mutter seiner Frau sei gegen die Hochzeit mit dem anderen Mann gewesen und habe sie zu ihm zurück in den Iran geschickt. Der "Verlobte" und dessen Familie hätten viele Kontakte zu den Taliban, weshalb der Mitbeteiligte in Gefahr sei. Die "ganzen Mullahs" würden ihn und seine Ehefrau verfolgen und ermorden, weil seine Ehefrau unerlaubt weggelaufen sei. Zu seiner Ausbildung befragt gab der Mitbeteiligte an, er habe im Iran zwölf Klassen der High School besucht und diese abgeschlossen. Danach sei er im Iran auf der Universität gewesen und er habe einen Bachelorabschluss. Er habe dann einen Platz für ein Masterstudium erhalten, das er aber nicht zu Ende habe bringen können. Zwischendurch sei er immer wieder als "einfacher" Arbeiter tätig gewesen. Bisher sei er vom Vater finanziell unterstützt worden, was dieser "sicher wieder weiter" tun würde. Auch seine Ehefrau und sein Kind würden von seinem Vater unterstützt. Diese hielten sich weiterhin gemeinsam im Iran in Isfahan, wo auch der Mitbeteiligte vor seiner Ausreise gelebt und studiert habe, auf.
3 Mit Bescheid vom 4. März 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Mitbeteiligten sowohl hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab. Weiters sprach die Behörde aus, dass dem Mitbeteiligten ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 55 und § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 und § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde nach § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
4 Zur Person des Mitbeteiligten hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seiner Begründung fest, dass dessen Familienstand ungeklärt sei. Der Ort des Aufenthalts seiner Eltern und seiner Geschwister sei nicht feststellbar. Es bestehe - so die Behörde im Rahmen ihrer beweiswürdigenden Überlegungen - die begründete Vermutung, dass sich diese in Afghanistan befänden. Das Vorbringen des Mitbeteiligten zu seiner Eheschließung und der damit in Zusammenhang stehenden Flucht stufte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als unglaubwürdig ein.
5 Rechtlich folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Bezug auf die Versagung von subsidiärem Schutz, der Mitbeteiligte habe die "behauptete Gefährdungslage" nicht glaubhaft gemacht. Die allgemeine Lage in seinem Heimatland sei nicht so gelagert, dass von einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens auszugehen sei. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mitbeteiligte seinen Lebensunterhalt im Heimatland nicht bestreiten könnte. Es handle sich bei ihm um einen gesunden, erwachsenen und arbeitsfähigen Mann. Er könne dort die Mittel für seinen Unterhalt durch Erwerbstätigkeit - wenn auch anfangs vielleicht nur durch "Gelegenheitsjobs" - sichern. Es sei ihm auch zumutbar, in Kabul seinen Lebensmittelpunkt zu begründen. Es sei kein Grund - er behaupte zudem, "über Bildung zu verfügen" - ersichtlich, weshalb er von der afghanischen Gesellschaft nicht aufgenommen werden würde. Weiters habe er in Afghanistan Verwandte, die ihn unterstützen könnten. Auch könne er für die Bestreitung des Lebensunterhaltes Unterstützungsleistungen, die von UNHCR und IOM gewährt würden, in Anspruch nehmen. 6 Im Weiteren legte die Behörde noch ihre Erwägungen zu den übrigen Aussprüchen - insbesondere weshalb die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht als unverhältnismäßig im Sinn des Art. 8 EMRK anzusehen sei - dar.
7 Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der er in erster Linie der Ansicht des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, sein Vorbringen zum Grund seiner Flucht sei unglaubwürdig, entgegentrat. In Bezug auf die Versagung des Status des subsidiär Schutzberechtigten verwies er auf diverse Berichte zu Afghanistan und brachte vor, in diesem Land habe sich die allgemeine Sicherheitslage teilweise dramatisch verschlechtert. Wenn das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl behaupte, anhand der allgemeinen Lage in Afghanistan sei nicht ersichtlich, dass von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens des Mitbeteiligten auszugehen wäre, sei dies ebenso völlig unverständlich, wie die Annahme der Behörde, "er hätte Familie in Afghanistan". Vielmehr bestehe "die reale Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung aufgrund der ausgesprochen schlechten Sicherheitslage in Afghanistan und weil er dort keinerlei Anknüpfungspunkte mehr" habe.
8 Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Verhandlung durch. Mit Erkenntnis vom 27. Juni 2017 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Mitbeteiligten, soweit ihm der Status des Asylberechtigten versagt blieb, ab. Jedoch sprach es aus, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 27. Juni 2018 erteilt werde. Gegen diese der Beschwerde stattgebenden Aussprüche erhob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Revision.
9 Dieser Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 5. Dezember 2017, Ra 2017/01/0236, Folge gegeben und die der vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde stattgebenden Aussprüche wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. In der Begründung dieses Erkenntnisses verwies der Verwaltungsgerichtshof auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliege, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Es reiche nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen. Die allgemeine Situation in Afghanistan sei nämlich nicht so gelagert, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit seinen Feststellungen zwar die Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation für den Mitbeteiligten im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat aufgezeigt; dies in Bezug auf den Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung sowie auf eine allgemein sehr prekäre Sicherheitslage. Die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des Art. 3 EMRK im Sinn der dazu ergangenen Rechtsprechung sei damit aber nicht dargetan worden.
10 Im fortgesetzten Verfahren sprach das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem nunmehr von der Behörde wiederum in Revision gezogenen Erkenntnis neuerlich aus, dass dem Mitbeteiligten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde. Unter einem erteilte es dem Mitbeteiligten gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine bis 1. März 2020 gültige befristete Aufenthaltsberechtigung. Die Erhebung einer Revision wurde vom Verwaltungsgericht für nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig erklärt.
11 Das Bundesverwaltungsgericht ging - soweit für das Revisionsverfahren maßgeblich - in seinen (auch rechtliche Erwägungen enthaltenden) Feststellungen davon aus, dass der Mitbeteiligte Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie Moslem schiitischer Glaubensrichtung sei. Er stamme aus dem Distrikt Behsud der Provinz Maidan Wardak und spreche Dari als Muttersprache. Er habe seit seinem sechsten Lebensjahr mit seinen Eltern, zwei Schwestern und einem Bruder im gemeinsamen Familienverband im Iran gelebt. Er sei verheiratet und habe ein Kind. Seine Familie lebe nach wie vor im Iran. Im Herkunftsland lebe in der Provinz Maidan Wardak lediglich eine Tante, zu der er jedoch keinen Kontakt habe. Er besitze weder ein Haus noch ein Grundstück in Afghanistan. Aufgrund seines damals jungen Alters habe er keine Erinnerungen an seinen Herkunftsstaat. Er sei seit seiner Ausreise in den Iran lediglich im Jahr 2008 für 20 Tage in Afghanistan gewesen, um ein Studentenvisum für den Iran zu beantragen. Diese 20 Tage habe er mit einer Gruppe "von anderen Leuten" und mit einem Freund bei dessen Bekannten in Kabul verbracht. Er habe etwa 12 Jahre lang die Grundschule im Iran besucht und in der Folge ein Studium begonnen, das er jedoch nicht abgeschlossen habe. Er habe gelegentlich als Hilfsarbeiter gearbeitet. Der Mitbeteiligte sei gesund und arbeitsfähig. Mit seinen Familienangehörigen im Iran stehe er nach wie vor in Kontakt. Die wirtschaftliche Situation seiner Familie sei schlecht. Sein Vater arbeite als Bauarbeiter und versorge die Familie. Dieser finanziere auch das Leben der Frau des Mitbeteiligten und dessen Sohnes, die beide im Iran im gemeinsamen Haushalt beim Vater des Mitbeteiligten lebten. Es könne nicht festgestellt werden, dass der alleinverdienende Vater des Mitbeteiligten in der Lage und willens sei, den Mitbeteiligten im Fall der Rückkehr nach Afghanistan finanziell zu unterstützen. Es sei dem Mitbeteiligten auch nicht möglich, sich bei dem Bekannten seines Freundes in Kabul anzusiedeln. Es habe dort lediglich eine vorübergehende Nächtigungsmöglichkeit im Jahr 2008 bestanden. Eine finanzielle Unterstützung bei einer Ansiedelung des Mitbeteiligten in Afghanistan sei daher nicht zu erwarten. Der Mitbeteiligte verfüge über keine familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan, zumal er zu der dort verbliebenen Tante keinen Kontakt habe. Er habe keine emotionale, familiäre oder soziale Bindung zu seiner Herkunftsprovinz in Afghanistan. Dem Mitbeteiligten würde im Fall der Rückkehr in seine
Herkunftsprovinz Maidan Wardak ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Die Rückkehr und Ansiedelung außerhalb der Herkunftsprovinz, insbesondere in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sei ihm aufgrund der individuellen Umstände nicht zumutbar. Er verfüge in Afghanistan über kein hinreichendes familiäres Netzwerk, mit dessen Unterstützung ihm der Aufbau einer Existenzgrundlage möglich wäre. Er sei nicht mit den örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Afghanistan vertraut. Es sei ihm aufgrund seiner individuellen Situation nicht möglich, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten in Afghanistan Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es andere Landsleute führen können. Bei einer Ansiedelung im Heimatland liefe er Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose existenzbedrohende Situation zu geraten.
12 Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, den Angaben des Mitbeteiligten zu seinen bisherigen Aufenthaltsorten, dem schulischen und beruflichen Werdegang, seinem Familienstand, seinen Familienangehörigen, seinen sozialen und familiären Anknüpfungspunkten in Afghanistan, der wirtschaftlichen Situation seiner Familie, und seiner Muttersprache zu folgen, weil sie "im Wesentlichen" gleichbleibend, widerspruchsfrei, nachvollziehbar und vor dem Hintergrund der sozio-ökonomischen Strukturen in Afghanistan und im Iran plausibel seien. Dass der Vater des Mitbeteiligten nicht in der Lage sei, den Mitbeteiligten im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell zu unterstützen, ergebe sich daraus, dass der Vater "lediglich Baustellenarbeiter im Iran" sei und die übrige Familie sowie die Frau und das Kind des Mitbeteiligten zu versorgen habe. Dass er den Mitbeteiligten im Fall einer Ansiedelung in Afghanistan unterstützen könnte und dies tatsächlich tun würde, sei aufgrund der schlechten finanziellen Lage der Familie nicht anzunehmen. Es hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass andere Familienmitglieder den Mitbeteiligten finanziell unterstützen könnten und bereit wären, dies zu tun. Wenn der Mitbeteiligte in seiner Vernehmung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angegeben habe, sein Vater habe ihn im Iran finanziell unterstützt und dieser werde ihn auch weiter unterstützen, sei festzuhalten, dass sich diese Aussagen dem Gesprächsverlauf zufolge auf eine Rückkehr des Mitbeteiligten in den Iran zu seiner Familie und nicht auf eine Neuansiedelung in Afghanistan bezogen hätten. Aufgrund der schlechten finanziellen Lage der Familie könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Vater den Mitbeteiligten auch im Fall einer Ansiedelung in Afghanistan unterstützen werde und könnte. Dies habe der Mitbeteiligte in der Verhandlung glaubhaft dargelegt. Auch sei eine Unterstützung "in Form von Geld oder einer Unterkunft" im Fall einer Ansiedelung des Mitbeteiligten in Afghanistan nicht zu erwarten.
13 In der rechtlichen Beurteilung ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass dem Mitbeteiligten eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Maidan Wardak aufgrund der dort herrschenden volatilen Sicherheitslage nicht zumutbar sei. Er könne aber unter Berücksichtigung der von UNHCR in seinen Richtlinien vom 30. August 2018 und der vom EASO in seiner "Country Guidance" vom Juni 2018 aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan in einer Zusammenschau mit den persönlichen Lebensumständen des Mitbeteiligten auch nicht in zumutbarer Weise auf die Ansiedlung in "beliebigen" Landesteilen Afghanistans, insbesondere in den Städten Mazar-e Sharif und Herat, verwiesen werden. 14 Aus den Feststellungen zur Situation in Afghanistan gehe hervor, dass die Städte Herat und Mazar-e Sharif ohne unangemessene Schwierigkeiten und ernsthafte Risken erreichbar seien. Sowohl bei Mazar-e Sharif als auch bei Herat handle es sich um Orte, an denen die willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht habe, dass es im Allgemeinen für Zivilisten nicht geradezu wahrscheinlich erscheine, dass sie tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein würden. Es seien fallbezogen keine individuell gefahrenerhöhende Umstände erkennbar, aus denen sich eine spezifische Gefährdung des Mitbeteiligten ableiten ließe. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass im Fall einer Ansiedlung des Mitbeteiligten in den Städten Mazar-e Sharif und Herat allein auf Grund der Sicherheitslage von einer realen Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK auszugehen wäre.
15 Die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, sei in den genannten Städten häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Personen, die sich ohne jegliche familiäre oder sonstige soziale Anknüpfungspunkte, Fachausbildung oder finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten durch Dritte in diesen Städten ansiedeln, seien mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Allerdings sei aufgrund der Berichte zu der dort herrschenden Situation abzuleiten, dass sich die Stadt Mazar-e Sharif wirtschaftlich gut entwickle. Es entstünden neue Arbeitsplätze, Unternehmen siedelten sich dort an und auch der Dienstleistungsbereich wachse. Im Juni 2017 sei ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen worden, welches darauf abziele, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren. Auch in Bezug auf Herat ergebe sich aus den Berichten, dass es sich um eine "relativ" entwickelte Provinz Afghanistans handle, in der im Harirud-Tal Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werde sowie (künftig) Safran produziert werden solle, was auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen solle. Weiters sei ableitbar, dass dort die Wirtschaftslage "vergleichsweise" gut sei. Bezüglich der Dürre in Herat sei auf die aktuelle Berichtslage mit Stand vom Oktober 2018 zu verweisen, nach der die Dürre in diesem Jahr (gemeint: das Jahr 2018) zwar zu einer deutlich geringeren Getreideernte in Afghanistan führen und eine massive Landflucht nach sich ziehen werde, die für die Betroffenen teilweise auch prekäre Lebensbedingungen zur Folge haben werde. Allerdings werde auch von zahlreichen internationalen Hilfsprogrammen für die vor der Dürre geflohene Bevölkerung, vor allem in der Provinz Herat, berichtet und ausgeführt, dass trotz geringerer Ernten in Afghanistan die Getreidepreise auf Grund guter Ernten in Pakistan und im Iran im Mai 2018 nicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre lägen. Es werde keineswegs verkannt, dass die Folgen der Dürre in der Provinz Herat, aber auch in der Provinz Balkh, und die damit verbundene "Landflucht" der betroffenen Bevölkerung negative Auswirkungen auf die Versorgungslage in den Städten Mazar-e Sharif und Herat nach sich ziehe. Jedoch sei in einer Gesamtbetrachtung nicht ersichtlich, dass die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in diesen Städten nicht als zumindest grundlegend gesichert anzusehen sei. 16 Nach den Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 sei die Inanspruchnahme einer internen Schutzalternative nur zumutbar, wenn die betroffene Person im Gebiet der Neuansiedlung Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft habe und "man sich vergewissert" habe, dass diese willens und in der Lage seien, die betroffene Person tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis stellten alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne besondere Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen könnten unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung böten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stünden.
17 EASO prüfe in seiner "Country Guidance" vom Juni 2018 im Hinblick auf die Frage der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer internen Schutzalternative in den afghanischen Städten Mazare Sharif, Herat und Kabul spezielle Personenprofile. Dabei komme EASO für das Personenprofil der "Antragsteller, welche außerhalb von Afghanistan geboren sind bzw. über einen sehr langen Zeitraum im Ausland gelebt haben", zum Ergebnis, dass diesen die Inanspruchnahme einer internen Schutzalternative in diesen Städten dann nicht zumutbar sein könnte, wenn sie dort über keinerlei Unterstützungsnetzwerk verfügten, das ihnen bei der Bestreitung ihres Lebensunterhalts behilflich sein könne. Diesbezüglich sei bei der Prüfung auf folgende Teilaspekte Bedacht zu nehmen:
Vorhandensein eines Unterstützungsnetzwerks, Ortskenntnisse sowie der soziale und wirtschaftliche Hintergrund des Antragstellers. 18 Sowohl UNHCR als auch EASO hätten betont, dass deren Ausführungen "immer vor dem Hintergrund einer Einzelfallprüfung zu verstehen" seien.
19 Beim Mitbeteiligten handle es sich um einen Mann im erwerbsfähigen Alter mit zwölfjähriger Schulbildung im Iran. Er habe ein Studium begonnen, aber nicht abgeschlossen. Er verfüge über "erste" Berufserfahrung als Hilfsarbeiter. Es könne die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben bei ihm vorausgesetzt werden.
20 Der Mitbeteiligten sei zwar in Afghanistan geboren, jedoch ab seinem sechsten Lebensjahr im Iran aufgewachsen. Mit Ausnahme seiner ersten fünf Lebensjahre und eines 20-tägigen Aufenthalts in Kabul habe er sein gesamtes Leben außerhalb Afghanistans verbracht, weshalb er über keine Ortskenntnisse und lediglich über geringe Kenntnisse der lokalen Gepflogenheiten Afghanistans verfüge. Er habe dort keine "aufrechten" familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte, erhalte von seiner im Iran lebenden Familie keine finanzielle Unterstützung und wäre bei einer Ansiedlung in Afghanistan folglich vorerst auf sich alleine gestellt und gezwungen, in einer der afghanischen Großstädte, etwa in Mazar-e Sharif oder Herat, nach Wohnraum und Arbeit zu suchen, ohne jedoch dort über irgendwelche Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten zu verfügen. Durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe könnte der Beschwerdeführer "höchstens sehr kurzfristig" in den Städten Mazar-e Sharif und Herat das Auslangen finden.
21 Neben der - alle afghanischen Staatsangehörigen und jene ohne familiäre oder sonstige soziale Anknüpfungspunkte in besonderem Ausmaß treffenden - allgemein prekären Versorgungslage im Hinblick auf Zugang zu Arbeit und Wohnraum sei im Fall des Mitbeteiligten hervorzuheben, dass eine "offenkundig in seiner Person gelegene und in Zusammenschau mit den bereits dargelegten Aspekten maßgebliche Erschwernis im Falle seiner Ansiedlung in Afghanistan" darin bestehe, dass er auf Grund seines außerhalb Afghanistans verbrachten Lebens und seiner Abstammung als Hazara gegenüber der übrigen afghanischen Bevölkerung, die in Afghanistan aufgewachsen sei und ihr Herkunftsland "in der Regel" nie verlassen hätten, als "Fremder im eigenen Land" exponiert und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei der für die Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit einer Ansiedlung relevanten Arbeitssuche diskriminiert wäre. Aus den Berichten gehe hervor, dass in Afghanistan generell gegenüber "Rückkehrern" eine negative Einstellung herrsche und diesen vorgeworfen werde, ihr Land im Stich gelassen zu haben, dem Krieg entflohen zu sein und im Ausland ein wohlhabendes Leben geführt zu haben. Rückkehrer aus dem Iran könnten wegen ihres Akzents leicht erkannt sowie sozial ausgegrenzt werden und seien Diskriminierungen seitens der Bevölkerung ausgesetzt. Aus dem in das Verfahren eingeführten aktuellen Berichtsmaterial zur Situation von Rückkehrern aus dem Iran gehe hervor, dass gerade jene afghanischen Staatsangehörigen, die keine familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan hätten und ihr gesamtes Leben oder den überwiegenden Teil ihres Lebens im Iran gelebt hätten, vom Zugang zu Arbeit und Wohnraum nicht nur am Anfang ihrer Ansiedlung oder Rückkehr, sondern weitgehend ausgeschlossen seien. Somit unterscheide sich die Situation der Gruppe der "Iran-Rückkehrer" von der Situation jener afghanischen Staatsangehörigen, die ihr ganzes Leben in Afghanistan, wenn auch nicht in einer der Großstädte, verbracht haben und zur Gänze dort sozialisiert worden sind, entscheidungswesentlich.
22 Darüber hinaus gehöre der Mitbeteiligte als Hazara einer ethnischen und religiösen Minderheit in Afghanistan an, die weitreichenden Benachteiligungen und Diskriminierungen ausgesetzt sei.
23 Die Prüfung der vom EASO als maßgebliche Kriterien angesehenen Umstände führe zu dem Ergebnis, dass der Mitbeteiligte aufgrund individueller Gefährdungsfaktoren, nämlich geringer Kenntnis der kulturellen Gepflogenheiten, fehlender Kenntnis der infrastrukturellen Gegebenheiten, fehlendes Unterstützungsnetzwerk, Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, Exponiertheit als "Iran-Rückkehrer" und geringer Berufserfahrung, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sein werde, nach anfänglichen Schwierigkeiten in den Städten Herat oder Mazare Sharif Fuß fassen und dort ein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten führen zu können. Dies gelte umso mehr für die Stadt Kabul, weil der Berichtslage zu entnehmen sei, dass sich dort "deutlich negative Trends in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten" zeigten.
24 Dem Mitbeteiligten drohe vor dem Hintergrund der vorliegenden Berichte und unter Berücksichtigung der ihn betreffenden individuellen Umstände im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht komme. Seine Abschiebung würde sohin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, weshalb ihm nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei. Infolgedessen sei ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 auch eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen.
25 Die Erhebung einer Revision - so das Bundesverwaltungsgericht abschließend - sei nicht im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es sich bei der Frage, ob es einem Asylwerber möglich sein werde, in jenem Gebiet, das als innerstaatliche Fluchtalternative dienen solle, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können, eine Prüfung im Einzelfall handle.
26 Gegen diese Entscheidung wendet sich die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhobene Revision. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Revision sowie der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht das Vorverfahren eingeleitet. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
27 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
28 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der - näher zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der auch jene des Verfassungsgerichtshofes entspreche, zur Frage, wann die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zumutbar sei, abgewichen. Entgegen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts lasse sich den Berichten zu Afghanistan nicht entnehmen, dass "Iran-Rückkehrer" ohne familiäre und sonstige Anknüpfungspunkte vom Zugang zu Arbeit und Wohnraum weitestgehend ausgeschlossen wären. In diesen Berichten finde sich nur die Aussage, dass Afghanen und im Besonderen Angehörige der Hazara, die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben, weitgehend von den Verwandtschafts-, Geschäfts- und Patronage-Beziehungen, die sich in den letzten zehn Jahren entwickelt hätten, ausgeschlossen seien. Die darüber hinausgehende Aussage des Bundesverwaltungsgerichts stelle sohin eine wesentliche Aktenwidrigkeit dar. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergebe sich, dass es für die Frage der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative keinen wesentlichen Unterschied mache, ob ein afghanischer Staatsangehöriger in seinem Heimatland oder im Iran geboren und dort aufgewachsen sei, wenn er aufgrund der Erziehung durch seine afghanischen Eltern mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut sei. Lasse man die aktenwidrige Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, "Iran-Rückkehrer" wären gänzlich vom Zugang zu Arbeit und Wohnraum ausgeschlossen, außer Acht, so unterscheide sich der vorliegende Fall von jenem, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 2018, Ra 2018/18/0001, zugrunde gelegen sei, nur darin, dass der Mitbeteiligte Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sei. Diesem Umstand habe der Verwaltungsgerichtshof aber in seiner zu Afghanistan ergangenen Rechtsprechung betreffend die Frage der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative keine entscheidungswesentliche Bedeutung beigemessen. Zudem stehe die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung betreffend die Hazara erfolgte Annahme des Bundesverwaltungsgerichts in einem Spannungsverhältnis zu den von ihm selbst getroffenen Feststellungen, wonach sich die Lage der Hazara, "vornehmlich" aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem Gebiet, grundsätzlich verbessert habe. Im Rahmen der Revisionsgründe führt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl näher aus, weshalb seiner Ansicht nach auch die vom Bundesverwaltungsgericht erwähnte vom EASO zu Afghanistan veröffentlichte "Country Guidance" vom Juni 2018 keine andere Sichtweise, als in der bisherigen Rechtsprechung vertreten, erfordere.
29 Der Mitbeteiligte macht in seiner Revisionsbeantwortung geltend, dass in Afghanistan auch in den Großstädten eine solche allgemeine Lage herrsche, die dazu führe, dass seine Rückführung gegen Art. 3 EMRK verstoße.
30 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. 31 § 8 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 sowie § 11 AsylG 2005 (jeweils samt Überschrift) lauten:
"Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. ...
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) ...
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
(3a) ...
...
Innerstaatliche Fluchtalternative
§ 11. (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche
Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."
32 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten hat, dass der österreichische Gesetzgeber mit § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zwar die unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz verletzt hat, weil es dem nationalen Gesetzgeber nach der Richtlinie 2011/95/EU (im Weiteren: Statusrichtlinie) verboten ist, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuerkennen. Eine nationale Gewährung von Schutz aus anderen - insbesondere familiären oder humanitären - Gründen fällt nicht in den Anwendungsbereich der Statusrichtlinie und bedarf einer Form, die die Gefahr der Verwechslung mit der Schutzgewährung nach dieser Richtlinie ausschließt (vgl. VwGH 21.5.2019, Ro 2019/19/0006, Rn. 17 und 18, mit Hinweis auf VwGH 6.11.2018, Ra 2018/01/0106).
33 Jedoch hat der Verwaltungsgerichtshof im soeben genannten Erkenntnis Ro 2019/19/0006 auch mit näherer Begründung dargelegt, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der Statusrichtlinie in Übereinstimmung gebracht würde, die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer - unionsrechtlich nicht geforderten - Auslegung contra legem führen würde. Damit würde der Statusrichtlinie zu Unrecht eine ihr im gegebenen Zusammenhang nicht zukommende unmittelbare Wirkung zugeschrieben. Der Verwaltungsgerichtshof hält daher an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann (vgl. Rn. 44 der Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses; weiters VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053).
34 Dies bedeutet, dass im Rahmen der Prüfung, ob dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben ist, im Rahmen der Beurteilung nach Art. 3 EMRK, selbst wenn die Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) oder die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird, gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 auch auf § 11 AsylG 2005 Bedacht zu nehmen ist. 35 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung in Bezug auf Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. 36 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen.
37 Soweit es die Beurteilung betrifft, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass die Frage der Sicherheit des Asylwerbers in dem als innerstaatliche Fluchtalternative geprüften Gebiet des Herkunftsstaates wesentliche Bedeutung hat. Es muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber in diesem Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, findet. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein. Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reicht es aber nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
38 Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. zum Ganzen VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, Rn. 120 bis 123, mwN; weiters etwa VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053).
39 Wird von der Behörde - im Beschwerdeverfahren: vom Verwaltungsgericht - nach entsprechender Prüfung die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Bezug auf ein Gebiet allgemein bejaht, so obliegt es dem Asylwerber, besondere Umstände aufzuzeigen, die gegen die Zumutbarkeit sprechen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0636; 5.12.2018, Ra 2018/20/0125; 6.11.2018, Ra 2018/01/0106). 40 Weiters entspricht es in Bezug auf Afghanistan der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden kann, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist (vgl. auch dazu VwGH Ra 2019/14/0153, Rn. 124, mwN).
41 Dass diese Rechtsprechung - im Besonderen in Bezug auf afghanische Staatsangehörige, die im Iran aufgewachsen oder die längste Zeit ihres Lebens dort verbracht haben - auch zur hier maßgeblichen Berichtslage aufrechtzuerhalten ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zum Ausdruck gebracht (vgl. VwGH 18.7.2019, Ra 2019/19/0197; 29.4.2019, Ra 2019/20/0175; 24.6.2019, Ra 2018/20/0434; 7.6.2019, Ra 2019/14/0114; 17.6.2019, Ra 2018/20/0500; vgl. weiters zu einem aus dem Mai 2019 stammenden Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, dem der Fall eines afghanischen Staatsangehörigen, der im Iran geboren und aufgewachsen ist, zugrunde lag, VfGH 26.6.2019, E 2181/2019, worin der Verfassungsgerichtshof zur vom Bundesverwaltungsgericht betreffend Art. 3 EMRK vorgenommenen Beurteilung - ausgehend von seinem Prüfmaßstab - festgehalten hat, es liege keine von diesem Gerichtshof wahrzunehmende Verletzung dieses Grundrechtes vor). 42 In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung ausgeführt hat, dass den Richtlinien des UNHCR besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung") ist. Diese Indizwirkung bedeutet zwar nicht, dass die Asylbehörden in Bindung an entsprechende Empfehlungen des UNHCR internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings haben sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und im Beschwerdeverfahren das Bundesverwaltungsgericht mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen des UNHCR auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zudem zu erkennen gegeben, dass auf die Äußerungen des UNHCR nicht nur bei der Prüfung, ob das Begehren auf Zuerkennung auf Asyl berechtigt ist, Bedacht zu nehmen ist, sondern auch bei der Beurteilung, ob die Rückführung eines Asylwerbers in sein Heimatland zu einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK führen kann, sofern sich daraus für die Lösung dieser Fragen verwertbare Aussagen ergeben, sowie ob eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, Rn. 130 und 131, mwN). Auch den vom Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office - EASO) herausgegebenen Informationen ist in einem solchen Fall Beachtung zu schenken (vgl. nochmals VwGH Ra 2019/14/0153, Rn. 139, mit Hinweis auf VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533). 43 Das Bundesverwaltungsgericht ist in der gegenständlichen Entscheidung nicht davon ausgegangen, dass die Rückkehr oder die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den afghanischen Großstädten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat jedenfalls zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen werde oder unzumutbar wäre. Dies steht mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Einklang (vgl. sich näher mit den Afghanistan betreffenden Richtlinien des UNHCR vom 30. August 2018 und den Empfehlungen des EASO aus Juni 2018 befassend VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, samt zahlreichen Nachweisen aus der Rsp. (Rn. 140), weiters zeitlich danach gelegen und ebenfalls zur hier maßgeblichen Berichtslage VwGH 18.7.2019,
Ra 2019/19/0197; 29.4.2019, Ra 2019/20/0175; 27.6.2019, Ra 2019/14/0085; 25.6.2019, Ra 2018/19/0546; 28.6.2019, Ra 2019/20/0310; 19.6.2019, Ra 2019/18/0106; 24.6.2019, Ra 2018/20/0434; 7.6.2019, Ra 2019/14/0114; 17.6.2019, Ra 2018/20/0500; 11.6.2019, Ra 2019/20/0257).
44 Das Bundesverwaltungsgericht stellt in seiner Begründung u. a. ausdrücklich auf die vom EASO herausgegebenen "Country Guidance: Afghanistan" vom Juni 2018 ab.
45 Jener im Kapitel "V. Internal protection alternative" (S. 98ff) enthaltene Passus in den von EASO veröffentlichten Leitlinien, auf den sich das Bundesverwaltungsgericht bezieht, lautet wie folgt (S. 109):
"Applicants who were born and/or lived outside Afghanistan for a very long period of time
For applicants who were born and/or lived outside Afghanistan for a very long period of time, IPA may not be reasonable if they do not have a support network which would assist them in accessing means of basic subsistence.
The following elements should be taken into account in this assessment:
Support network: a support network would be of particular importance in the assessment of the reasonableness of IPA for such applicants.
Local knowledge: particular consideration should be given to whether the applicant has local knowledge and maintained any ties with Afghanistan. Afghan nationals who resided outside of the country over a prolonged period of time may lack essential local knowledge necessary for accessing basic subsistence means and basic services. The support network could also provide the applicant with such local knowledge.
Social and economic background: the background of the applicant, including their educational and professional experience and connections, as well as whether they were able to live on their own outside Afghanistan, could be relevant considerations."
46 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass (auch) EASO in diesen Ausführungen nicht davon ausgeht, jenen afghanischen Staatsangehörigen, die außerhalb Afghanistans geboren wurden und/oder für längere Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben, wäre die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in ihrem Heimatland schlechthin unzumutbar. Vielmehr hält EASO fest, eine solche könnte bei Fehlen eines sie unterstützenden Netzwerks nicht zumutbar sein ("may not be reasonable"). 47 Im Weiteren empfiehlt EASO bei der vorzunehmenden Bewertung den oben wiedergegebenen Umständen Beachtung zu schenken. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Umstände, deren Existenz sämtlich bejaht oder verneint werden müsste. Zudem sind diese Ausführungen des EASO im Kontext seiner gesamten Ausführungen zur innerstaatlichen Fluchtalternative zu verstehen.
48 Die Einbeziehung dieser Umstände soll der Beurteilung dienen, ob der betreffende Fremde trotz längerer Abwesenheit von seinem Heimatland ausreichend mit jenen Gegebenheiten vertraut ist oder über jene Fertigkeiten oder Unterstützung verfügt, sodass es ihm möglich sein wird, sein grundlegendes Auskommen zu sichern (siehe auch die dies nunmehr ausdrücklich ansprechenden Ausführungen von EASO in den - im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung noch nicht veröffentlichten - "Country Guidance: Afghanistan" vom Juni 2019, S. 139: "Afghan nationals who resided outside of the country over a prolonged period of time may lack essential local knowledge necessary for accessing basic subsistence means and basic services. An existing support network could also provide the applicant with such local knowledge. The background of the applicant, including their educational and professional experience and connections, as well as previous experience of living on their own outside Afghanistan, could be relevant considerations.").
49 Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine in der rechtlichen Beurteilung geäußerte Ansicht, der vorliegende Fall unterscheide sich maßgeblich von der Situation, in der sich afghanische Staatsangehörige, die sich Zeit ihres Lebens in Afghanistan aufgehalten haben, darauf, dass der Mitbeteiligte Hazara sei und nur geringe Kenntnis von den lokalen Gepflogenheiten in Afghanistan habe. Über ein ihn im Fall der Rückkehr nach Afghanistan unterstützendes "Netzwerk" verfüge er nicht.
50 Dem Bundesverwaltungsgericht ist bei seinen Erwägungen ein für den Verfahrensausgang relevanter Begründungsmangel unterlaufen. Die in den rechtlichen Erwägungen zum Ausdruck gebrachte Einschätzung ist nämlich einerseits mit den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Lage der Hazara in Afghanistan, zur Situation von im Iran lebenden afghanischen Staatsangehörigen und zu deren Lage im Fall der Rückkehr nach Afghanistan, sowie andererseits mit dem Inhalt der vorgelegten Akten - im Besonderen mit den Angaben des Mitbeteiligten zu seiner Person, die insoweit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
nach dessen Ausführungen zur Beweiswürdigung zugrunde gelegt worden seien - nicht in Einklang zu bringen.
51 Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Mitbeteiligte nach dem Inhalt eines aus dem Juni 2015 stammenden Berichts zur Situation in Afghanistan als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara als "Fremder in eigenen Land" exponiert und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei der Arbeitssuche diskriminiert wäre. Auch aus einem von September 2016 stammenden Bericht ergebe sich, dass Angehörige der Hazara Benachteiligungen und Diskriminierungen ausgesetzt seien. Weiters gehe aus "dem aktuellen Länderberichtsmaterial" zur Situation von Rückkehrern aus dem Iran "eindeutig hervor", dass jene afghanischen Staatsangehörigen, die keine familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan hätten und ihr gesamtes Leben oder den überwiegenden Teil ihres Lebens im Iran gelebt hätten, vom Zugang zu Arbeit und Wohnraum nicht nur "am Anfang ihrer Ansiedlung/Rückkehr, sondern weitgehend ausgeschlossen" seien. Daher unterscheide sich die "Fallgruppe der ‚Iran-Rückkehrer' bei einer möglichen Ansiedlung insbesondere in den afghanischen Großstädten" entscheidungswesentlich von der Situation jener afghanischen Staatsangehörigen, die "ihr ganzes Leben in Afghanistan - wenn auch nicht in einer der Großstädte - verbracht" hätten und dort sozialisiert worden seien. 52 Was die Situation von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara betrifft, enthält das angefochtene Erkenntnis durchaus Schilderungen über Übergriffe auf Angehörige der Hazara, die sich in erster Linie auf Berichte aus den Jahren 2015 und 2016 gründen. Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sind allerdings in ihrer diese Berichtslage betreffenden Rechtsprechung davon ausgegangen, dass es der Annahme der Zulässigkeit der Rückführung nach Afghanistan nicht entgegensteht, wenn ein afghanischer Staatsangehöriger, der die längste Zeit seines Lebens im Iran verbracht hat, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara ist (vgl. VwGH 19.4.2018, Ra 2017/18/0436; 10.9.2018, Ra 2018/19/0411; 28.3.2019, Ra 2018/14/0067, jeweils mwN; VfGH 12.12.2017, E 2068/2017). Im Besonderen ist hier auch auf das im ersten Rechtsgang ergangene den Mitbeteiligten betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Dezember 2017, Ra 2017/01/0236, hinzuweisen, mit dem über die Anfechtung des mit 27. Juni 2017 datierten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem die bis dahin existente Berichtslage, insbesondere auch jene aus den Jahren 2015 und 2016, erfasst war, entschieden worden war. Zudem trifft das Bundesverwaltungsgericht im hier angefochtenen Erkenntnis auch auf aktuellere Quellen gegründete Feststellungen, wonach zwar weiterhin gesellschaftliche Spannungen zwischen den Hazara, deren Anteil an der Bevölkerung Afghanistans etwa 10% ausmache, und der übrigen Bevölkerung bestünden. Solche lebten in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf und könnten zu Diskriminierungen führen. Jedoch wird in den Feststellungen weiter - ebenfalls beruhend auf teilweise neuere als vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ins Treffen geführte Berichte - ausgeführt, dass sich die Situation der Hazara, die während der "Taliban-Herrschaft" besonders verfolgt worden seien, verbessert habe; dies "vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet". In Kabul geborene Hazara gehörten nunmehr zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen. Wenngleich nicht alle Hazara die ihnen eröffneten Möglichkeiten hätten nutzen können, hätten sie sich mittlerweile in den Bereichen "Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert". Hazara hätten "eine neue afghanische Mittelklasse gegründet". Sie hätten im allgemeinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Allerdings sei der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger, außer ein Hazara sei dort Abteilungsleiter. Hazara seien auch mit 10% - also im Ausmaß des nationalen Durchschnitts in der Bevölkerung - in der afghanischen Armee und Polizei repräsentiert (angefochtenes Erkenntnis, S. 43). 53 Das Bundesverwaltungsgericht trifft im angefochtenen Erkenntnis des Weiteren unter der Überschrift "12. Rückkehr" Feststellungen zur Situation von afghanischen Staatsangehörigen, die nach einem (in der Regel mehr als sechsmonatigen) Auslandsaufenthalt nach Afghanistan zurückkehren (vgl. S. 51ff) und im Besonderen auch zu "Afghanische(n) Flüchtlingen im Iran" (S. 55f). Im Jahr 2017 seien 462.361 Personen aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt (S. 51). Die freiwillige Repatriierung von Flüchtlingen (u.a. auch) aus dem Iran werde von UNHCR unterstützt. Die afghanische Regierung kooperiere mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um auch rückkehrenden Flüchtlingen Schutz und Unterstützung zu bieten. Lediglich die Fähigkeit der afghanischen Regierung, vulnerable Personen zu unterstützen, bleibe begrenzt und sie sei insoweit weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. 54 Das angefochtene Erkenntnis enthält in diesem Zusammenhang weitere Ausführungen, welche Herausforderungen im Rahmen der Unterbringung bestünden und wie diesen - etwa durch Zurverfügungstellung von temporären Unterkünften durch die Regierung und durch IOM - begegnet werde. Weiters wird dargelegt, mit welchen Maßnahmen die afghanische Regierung und internationale Organisationen unterstützend tätig würden, und welche Bedeutung "unterschiedliche Netzwerke" für rückkehrende afghanische Staatsangehörige hätten. Dass jene afghanischen Staatsangehörigen, die sich über längere Zeit im Iran aufgehalten haben, von der im angefochtenen Erkenntnis dargestellten Unterstützung ausgeschlossen wären, lässt sich den Feststellungen allerdings nicht entnehmen.
55 Wenn das Bundesverwaltungsgericht hervorhebt, dass der Mitbeteiligte über keine Ortskenntnisse und nur geringe Kenntnisse der lokalen Gepflogenheiten verfüge, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass er derartiges nicht behauptet hat. Vielmehr hat er - wie oben wiedergegeben - gegenüber dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl selbst ausgeführt, dass er vorgehabt habe, nach Abschluss seines Studiums nach Afghanistan, konkret: nach Kabul, zurückzukehren. Dass er im Laufe des Verfahrens die Möglichkeit zur Rückkehr nach Kabul wieder relativiert hat, hat er immer nur mit der dort herrschenden Sicherheitslage, nicht aber mit persönlichen Unzulänglichkeiten begründet. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt (angefochtenes Erkenntnis, S. 55), dass die Mehrheit der Afghanen, die sich im Iran aufhalten, "in von Afghanen dominierten urbanen und halb-urbanen Gebieten" (etwa 57% der im Iran lebenden Afghanen in den Provinzen Teheran, Isfahan und Razavi-Chorsan sowie 22% in den Provinzen Kerman, Fars und Ghom) wohnten. Dies stellt sich im Fall des Mitbeteiligten, der im Kreis seiner afghanischen Familienangehörigen aufgewachsen ist und in Isfahan gelebt und studiert hat, nicht anders dar. Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, der Mitbeteiligte sei mit den in Afghanistan herrschenden Gepflogenheiten nicht oder bloß in einem entscheidungserheblich geringen Maß vertraut, erweist sich mithin als nicht nachvollziehbar. Eine Begründung für diese Annahme enthält das angefochtene Erkenntnis nicht. Insbesondere vermögen die dazu in der Beweiswürdigung tragend getätigten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, es könnte sich (auch) insoweit auf die Angaben des Mitbeteiligten stützen, eine solche Annahme nicht zu begründen, weil der Mitbeteiligte - wie oben dargelegt - solche Angaben nicht gemacht hat. Der Mitbeteiligte, der auch vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Verhandlung dazu befragt wurde, aus welchen Gründen, ihm eine Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich wäre, hat insoweit lediglich darauf verwiesen, dass dort sein Leben wegen der seine Eheschließung betreffenden Vorkommnisse in Gefahr sei. Diesem Vorbringen wurde allerdings bereits im Rahmen der Entscheidung über die Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht gefolgt. Auch in der Revisionsbeantwortung führt der Mitbeteiligte keine in seiner Person gelegenen besonderen Umstände ins Treffen, sondern verweist nur auf die allgemeine Lage in seinem Heimatland. Darauf, dass der Mitbeteiligte über keine detaillierten Ortskenntnisse betreffend die afghanischen Großstädte verfügt, kommt es nicht an; insoweit unterscheidet sich seine Situation nicht maßgeblich von jener, in der sich afghanische Staatsangehörige befinden, die sich Zeit ihres Lebens in Afghanistan aufgehalten haben und solche Kenntnisse gleichfalls nicht aufweisen.
56 Das Bundesverwaltungsgericht hat somit seiner Entscheidung (sachverhaltsbezogene) Prämissen zugrunde gelegt, die mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Da das Bundesverwaltungsgericht im Fall einer mängelfreien Begründung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
57 Bei diesem Ergebnis war dem Mitbeteiligten kein Ersatz seiner Aufwendungen für die Erstattung der Revisionsbeantwortung zuzusprechen, weil gemäß § 47 Abs. 3 VwGG Mitbeteiligte einen Anspruch auf Aufwandersatz nur im Fall der Abweisung der Revision haben.
Wien, am 17. September 2019
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