BVwG L518 2286721-1

BVwGL518 2286721-129.3.2024

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:L518.2286721.1.00

 

Spruch:

L518 2286716-1/9E

L518 2286723-1/9E

L518 2286718-1/6E

L518 2286721-1/6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerden des (1.) XXXX , geb. XXXX , der (2.) XXXX , geb. XXXX , und der (3.) mj. XXXX , geb. XXXX , und des (4.) mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA Georgien, alle vertreten durch die BBU GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2024, Zl. XXXX , (2.) Zl. XXXX , (3.) Zl. XXXX und (4.) Zl. XXXX wegen §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz (AsylG 2005), § 18 BFA-VG und §§ 46, 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.03.2024 zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

 

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF1 bezeichnet) reiste legal nach eigenen Angaben am 26.04.2023 von Georgien nach Polen. Die Zweitbeschwerdeführerin (in weiterer Folge als BF2 bezeichnet) reiste mit ihrer minderjährigen Tochter und ihrem minderjährigen Sohn (in weiterer Folge als BF3 und BF4 bezeichnet) am 05.08.2023 über den Luftweg nach Krakau. Sie reisten spätestens am 09.09.2023 in das Bundesgebiet ein und setzten von Österreich ihre Reise in die Bundesrepublik Deutschland fort. Am 12.09.2023 wurden BF1, BF2, BF3 und BF4 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Bundesrepublik Deutschland an die österreichischen Behörden rücküberstellt. BF1 und BF2 stellten am 13.09.2023 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. BF2 stellte, als Mutter der minderjährigen BF3 und des BF4, am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Zuge der Erstbefragung am 14.09.2023 gab der BF1 hinsichtlich des Ausreisegrundes an, dass er in Georgien diskriminiert werde, sein Leben in Gefahr sei, weil er ein Mönch sei und sich verliebt habe in BF2. Im Falle der Rückkehr könnte es sein, dass er getötet werde; er würde keine Unterkunft im Herkunftsland haben und keine Arbeitsmöglichkeit.

BF2 gab im Zuge der Erstbefragung am 14.09.2023 hinsichtlich ihres Fluchtgrundes an, dass sie mit BF1 zusammenleben wolle, dies sei im Herkunftsstaat nicht möglich, da es ihrem Lebensgefährten als geistlichen Würdenträger in Georgien nicht gestattet sei eine intime Beziehung zu einer Frau zu führen. Im Falle der Rückkehr würde BF2 befürchten, dass BF1 von der Kirche verbannt werden würde. BF2 würde bei einer Rückkehr mit Mobbing und einem Ausstoß aus der Familie konfrontiert sein.

Im Falle der Rückkehr verneinten BF1 und BF2, dass sie von einer unmenschlichen Behandlung, unmenschlichen Strafe oder mit der Todesstrafe bedroht seien. Auch hätten sie mit keinen Sanktionen zu rechnen.

I.3. Nach Zulassung des Verfahrens wurden die BF am 04.01.2024 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. BF1 führte dabei aus, dass er sowohl eine Diskriminierung durch die georgische Gesellschaft als auch anlässlich des Bruchs kirchenrechtlicher Vorschriften wegen der intimen Beziehung zu BF2 einer Verfolgung durch einen Archimandriten innerhalb des Klerus bei seiner Rückkehr befürchte. Eine anderweitige innerstaatliche Niederlassung in Rustavi oder Batumi wäre für den BF1 nicht möglich, da er einen hohen Bekanntheitsgrad in Tiflis durch sein Facebook-Profil mit 100.000 Follower habe.

BF2 gab im Rahmen der Einvernahme an, dass ihre gesellschaftliche Stellung aufgrund von Ächtung, einen Mönch verführt zu haben, im Herkunftsstaat beeinträchtigt sei. Sie habe aufgrund ihrer Beziehung zu BF1 und dessen Bruch des Mönchgelübdes den Herkunftsstaat verlassen, da sie in Georgien nun gesellschaftliche Diskriminierung und familiäre Ächtung befürchte sowie ein wirtschaftliches Fortkommen mangels Arbeits- und Wohnmöglichkeit aufgrund der Diskriminierung nicht möglich sei.

I.4. Nach einer Anfrage vom 06.10.2023 des BFA an die Staatendokumentation bezüglich „Inwieweit es in Georgien für einen Mönch oder einen Diakon der griechisch-orthodoxen Kirche möglich ist, zu heiraten, eine Beziehung mit einer Frau und Kindern zu haben; welche Berufsbilder stehen einem Mönch und/oder einem Diakon der griechisch-orthodoxen Kirche offen, wenn sich dieser der frei gewählten Lebensform des Zölibats abwendet und eine Familie gründet; inwieweit es möglich ist, dass ein ehemaliger Mönch und/oder ein ehemaliger Diakon der griechisch-orthodoxen Kirche Berufe wie Mechatroniker ausübt; ist bekannt, dass ehemalige Mönche und/oder ehemalige Diakone der griechisch-orthodoxen Kirche Verfolgungshandlungen ausgesetzt sind?“ langte am 16.11.2023 die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation bei der belangten Behörde ein. Darin wird ausgeführt, dass eine kirchliche Regelung auf die zivile Gesetzesregelung der Ehe keinen Einfluss habe. Wenn ein Mönch sich dazu entscheidet zu heiraten und somit auf das Klosterleben verzichtet, sei dies kein Verstoß gegen die zivile Gesetzgebung des Landes und es gäbe auch keinerlei strafrechtliche Verfolgungshandlungen. Für BF1 bedeutet dies, dass entsprechend der kirchlichen Kanonik eine Verletzung der Bestimmungen – für das „schwarze und weiße Priestertum“ ist eine Heirat oder intime Beziehung zu einer Frau, außer das Mitglied der weißen Priesterschaft war vor dem Eintritt schon verheiratet, nicht vorgesehen – als eine große Sünde einzustufen ist und rufe dies eine kirchliche Strafe hervor, welche im äußersten Fall zum Entzug des kirchlichen Grades und zur Ausschließung aus der Kirche führen kann. Ein Verstoß gegen die kirchlichen Gesetze führt zu kircheninternen Konsequenzen aufgrund kirchenrechtlicher Regelungen. Für jede Sünde gibt es von der Kirche eine entsprechende Strafe und Epitimie (kirchliche Buße), aber keine Sünde und kein Verstoß gegen kirchliche Gesetze ruft die physische Bestrafung hervor, insbesondere gerät niemand in Lebensgefahr.

I.5. Die Anträge der BF auf internationalen Schutz wurde mit den im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde vom 11.01.2024 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (SP I.). Gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (SP II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (SP III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (SP IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung der BF nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig ist (SP V.) Gemäß § 55 Absatz 1a besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (SP VI.). Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (SP VII.).

Begründend wurde ausgeführt, dass die BF aufgrund wirtschaftlicher Motive (Reisebewegung) den Herkunftsstaat verlassen haben und BF1 und BF2 im Herkunftsstaat lediglich mit einem zu erwartenden schlechteren gesellschaftlichen Ansehen konfrontiert sein könnten, jedoch kein Verfolgungsmechanismus aufgrund des Bruchs des Mönchgelübdes des BF1 den BF im Herkunftsstaat drohen würde. Eine Gefährdung durch den Archimandrit XXXX konnte aufgrund der vagen Angaben nicht glaubhaft nachvollzogen werden.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Georgien traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.6. Gegen die Spruchpunkte I-VII dieses Bescheids wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Moniert wurden inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, die Verletzung von Verfahrensvorschriften, mangelhafte Beweiswürdigung.

Die belangte Behörde hätte es unterlassen, sich mit diesen Vorbringen auseinanderzusetzen, da der BF1 in das Visier der georgischen Sicherheitsbehörden geraten könne, welche Kontakte mit kirchlichen Institutionen pflegen und würde BF1 keine Hilfe vom Staat bzw. Exekutivbehörden erwarten, da sein Verfolger XXXX , ein hochrangiger geistlicher Würdeträger sei. Eine Rückkehr der BF3 und BF4 nach Georgien würde weiters eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Kindeswohles bedeuten.

I.7. Am 11.03.2024 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein der BF, ihrer rechtsfreundlichen Vertretung sowie eines Dolmetsches für die georgische Sprache durchgeführt.

I.8. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

II. 1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

 

Der BF1 führt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in Georgien geboren. Er ist Staatsangehöriger von Georgien, Angehöriger der georgischen und ukrainischen Volksgruppe und orthodoxer Christ. Er besuchte elf Jahre die Pflichtschule, maturierte und absolvierte ein Studium der Theologie, welches er 2017 abschloss. Der BF1 ist Mönch, der sogenannten „schwarzen Priesterschaft“ der georgisch-orthodoxen Kirche und war bis XXXX in der XXXX . Zuletzt arbeitete er in Polen als UBER-Fahrer. Er war im Zuge seines Studiums in Israel als Metallarbeiter angestellt. Er hat eine Tochter im Herkunftsstaat und ist geschieden. Seine Identität steht fest.

Der BF1 reiste aufgrund der vom Rat am 27. Februar 2017 verabschiedeten Verordnung über die Visaliberalisierung, die für georgische Staatsangehörige bei Reisen in die EU gilt, sofern sie sich höchstens 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen dort aufhalten, legal nach Polen ein.

Der BF1 ist gesund und benötigt keine Medikamente.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

BF1 ist der Lebensgefährte von BF2.

 

Die BF2 führt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in Georgien geboren. Sie ist Staatsangehörige von Georgien, Angehörige der georgischen Volksgruppe und orthodoxe Christin.

Sie besuchte 12 Jahre die Pflichtschule, absolvierte die Matura sowie 3 Jahre eine Ausbildung in Journalistik. Vor ihrer Ausreise gab sie Privatunterricht für Kinder. Ihre Identität steht fest.

Die BF2 ist die Mutter der minderjährigen BF3 und des minderjährigen BF4 und Lebensgefährtin des BF1. Die Ehe der BF2 zum Kindesvater von BF3 und BF4 wurde im Mai 2023 geschieden.

BF2, BF3 und BF4 reisten aufgrund der vom Rat am 27. Februar 2017 verabschiedeten Verordnung über die Visaliberalisierung, die für georgische Staatsangehörige bei Reisen in die EU gilt, sofern sie sich höchstens 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen dort aufhalten, legal über den Luftweg in das Gebiet der Europäischen Union ein.

Die BF2 ist gesund und benötigt keine Medikamente.

In Tiflis leben die Eltern, der Bruder und dessen Familie und die Großmutter der BF2. Mit dem Bruder und dem Vater und der Mutter besteht aufrechter Kontakt.

Die BF2 ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

 

Die minderjährigen BF3 und BF4 führen den im Spruch genannten Namen, sie sind Staatsangehörige von Georgien und orthodoxe Christen. Die BF3 wurde am XXXX , der BF4 am XXXX in Tiflis geboren. BF3 und BF4 leben bei der Mutter. Die minderjährigen BF werden im Verfahren von der Mutter gesetzlich vertreten.

Die Identitäten der BF3 und des BF4 stehen fest.

Die BF3 und BF4 sind strafunmündig.

Die minderjährigen BF sind gesund und benötigen keine Medikamente.

BF 3 ist besucht derzeit in Österreich die Schule.

 

Die BF gehören keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatten in ihrem Herkunftsstaat vor der Ausreise keine Schwierigkeiten mit staatlichen Organen, Sicherheitskräften oder Justizbehörden zu gewärtigen.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF1 vor der Ausreise Schwierigkeiten aufgrund seines Bekenntnisses zur christlichen Religion bzw. ethnischen Zugehörigkeit zur georgischen und ukrainischen Volksgruppe zu gewärtigen hatten. Auch bei BF2, BF3 und BF4 kann nicht festgestellt werden, dass sie vor der Ausreise Schwierigkeiten aufgrund ihres Bekenntnisses zur christlichen Religion bzw. ethnischen Zugehörigkeit zur georgischen Volksgruppe zu gewärtigen hatten.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren oder sie im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.

 

Den BF droht im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der BF festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine in Georgien drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie im Hinblick auf kriegerische Ereignisse, extremistische Anschläge, stammesbezogene Gewalt oder organisierte kriminelle Handlungen sowie willkürliche Gewaltausübung.

Die kirchenrechtlichen Regelungen haben laut vorliegender Anfragebeantwortung GEORGIEN Recht auf Ehe und Arbeit der kirchlichen Würdenträger der Staatendokumentation vom 16.11.2023 keinen Einfluss auf zivile Gesetze.

Feststeht, dass einem kirchlichen Würdeträger im Herkunftsstaat keine strafrechtliche Verfolgung aufgrund der intimen Beziehung zu einer Frau und der Begehung einer Sünde nach kirchenrechtlichen Vorschriften droht. Ein Verstoß gegen kirchliche Vorschriften ruft im Herkunftsstaat keine physische Bestrafung oder die Gefährdung des Lebens hervor.

 

Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung bzw. Verschlechterung in Bezug auf die die BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der jeweiligen Person der BF gelegenen Umständen. Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation der BF.

 

In Bezug auf die individuelle Lage der BF im Falle einer Rückkehr nach Georgien konnte keine im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich geänderte oder gar verschlechterte Situation festgestellt werden.

 

Die BF verfügen über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in ihrem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte und eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft.

 

Weiters konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Georgien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Die Abschiebung der BF nach Georgien ist zulässig und möglich.

 

Weitere Ausreisegründe und/oder Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.

 

II.1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

 

An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.

 

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 8 vom 03.10.2023, wiedergegeben:

 

1 Sicherheitslage

Letzte Änderung 2023-10-03 13:29

Georgien ist von verschiedenen innenpolitischen und internationalen Risiken, Konflikten und Krisen betroffen, die die Sicherheit, den Zusammenhalt und die nachhaltige Entwicklung der Region gefährden (UB-FO 5.2022).Aufgrund des russischen militärischen Angriffs auf die Ukraine haben die Spannungen in der Region zugenommen. Auch bestehen gewisse politische Spannungen, u. a. im Zusammenhang mit den ungelösten Konflikten in den Regionen Abchasien und Südossetien. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen. Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden (EDA 16.5.2023; vgl. AA 10.8.2023).

Im März 2023 kam es in der Hauptstadt Tiflis zu mehrere Tage langen Unruhen als Reaktion auf den umstrittenen Gesetzesentwurf über „ausländischeAgenten“, was zu gewalttätigenAuseinandersetzungen mit der Polizei führte. Daraufhin beschuldigten De-facto-Beamte im abtrünnigen Abchasien und russische Beamte westliche Länder, einen Putsch in Georgien anzuzetteln, um

„eine zweite Front gegen Russland“ zu eröffnen. Die de-facto-Führung Abchasiens organisierte vom 12. bis 14. März 2023 militärische Übungen entlang der Trennungslinie und begründete dies mit der Notwendigkeit einer verstärkten Ausbildung angesichts der „veränderten geopolitischen Lage in der Region“. Abchasien und Russland hielten am 24. März 2023 eine gemeinsame „defensive“ Militärübung ab (ICG 3.2023).

Die Situation an den Verwaltungsgrenzen zwischen Georgien und den Regionen Abchasien und Südossetien, welche sich nicht unter der Kontrolle der georgischen Regierung befinden, ist stabil (AA 10.8.2023). Die Beobachtungsmission der Europäischen Union in Georgien, die in erster Linie darauf abzielt, die Lage vor Ort zu beobachten, über Zwischenfälle zu berichten und generell durch ihre Präsenz in den betreffenden Gebieten zu einer Verbesserung der Sicherheitslage beizutragen (UNHRC 11.8.2023), hält die Lage hier für relativ stabil und das

Risiko von Zwischenfällen gering (EUMM o.D.). Trotz vordergründiger Ruhe kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen den beiden Regionen und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 16.5.2023; vgl. AA 10.8.2023). Die eigenen Streitkräfte der beiden Regionen

werden durch russisches Militär und russische Grenztruppen unterstützt (AA 26.5.2023; vgl. UNGA 1.5.2023). Zivilpersonen, die sich hier aufhalten, sind von Inhaftierung wegen sogenannter

„illegaler Grenzübertritte“ betroffen (UNGA 1.5.2023). Menschen, die in der Nähe der Besatzungslinie zu Südossetien und Abchasien leben, spüren täglich die Gefahr. Dort werden zum Teil Zivilisten entführt und erleben Gewalt. Die de-facto-Grenzlinien werden von russischer Seite verschoben und willkürlich durchgesetzt (NTV 18.6.2022; vgl. NZZ 25.8.2022).

Über seine militärische Präsenz und Sicherheitsmaßnahmen entlang der Grenzen zu Georgien hinaus hat Russland mit Abchasien einen Vertrag über eine strategische Partnerschaft

(24. November 2014) sowie mit Südossetien einen Bündnis- und Integrationsvertrag (18. März 2015) geschlossen, welche deren Einbindung in einen gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungsraum bestätigen (BS 23.2.2022). Seinerseits thematisiert Georgien die eigene territoriale Integrität, insbesondere in den Gebieten Südossetien undAbchasien, auf der politischen europäischen Ebene (LS 13.6.2023; vgl. PÖ 7.6.2023), wobei die Hoffnung auf eine engere Anbindung an die EU und die NATO gesetzt wird (EP 4.2023). Kraft des georgischen Gesetzes gelten die Gebiete der Autonomen Republik Abchasien und die Region Zchinwali (Südossetien) als besetzt (PoG 15.7.2020a). Auch das Europäische Parlament erkennt sie als besetzte georgische Gebiete an (UNSC 9.8.2023).

Die EU setzt sich entschieden für die Souveränität und territoriale Integrität Georgiens innerhalb international anerkannter Grenzen ein, indem sie unter anderem eine aktive Rolle bei Konfliktmanagement und -lösung spielt. Die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien, dieArbeit der Beobachtungsmission der Europäischen Union (EUMM) und eine breite Palette von Projektaktivitäten über die Verwaltungsgrenzen hinweg (ABLs) gehören zu den wichtigsten Aspekten dieser Unterstützung (EC 10.8.2022).

Der Beitritt zur EU und NATO zählt zu den wichtigsten außenpolitischen Zielen Georgiens. Im März 2022 stellte Georgien einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft (CIA 25.9.2023). 1994 trat Georgien dem Programm „Partnership for Peace“ der NATO bei. Seit 2010 befindet sich ein Verbindungsbüro der NATO in Georgien (NATO 12.4.2023). Georgien ist einer der Teilnehmerstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSCE o.D.).

 

2 Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung 2023-10-03 08:40

Die Reform der Justiz ist seit Regierungsbeginn eines der wichtigsten Vorhaben der Partei

’Georgischer Traum’. Im Vergleich zur Vorgängerregierung hat die Unabhängigkeit der Justiz große Fortschritte gemacht. In der Regel ist davon auszugehen, dass die Justiz unabhängig und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen entscheidet. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wenig ausgeprägt. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis [zum Regierungswechsel] 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. NGOs äußern immer wieder Zweifel an der Unabhängigkeit von Gerichten und Staatsanwaltschaft. Sie kritisieren, dass die Selbstverwaltung der Justiz von einer engen Machtgruppe beherrscht werde, die auch die Ernennungen der obersten Richter kontrolliere (AA 26.5.2023).

Trotz laufender Justizreformen beeinflussen Exekutive und Legislative die Justiz. Auch die mangelnde Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren stellen ein Problem dar (ADA 2.2022; vgl. FH 2023a). Richter des Obersten Gerichtshofs werden vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein Selbstverwaltungsorgan der Justiz wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 2023a).

Das Gesetz garantiert ein ordnungsgemäßes Verfahren, aber die damit verbundenen Vorschriften werden nicht immer respektiert. Urteile des Verfassungsgerichts in Bezug auf ordnungsgemäße Verfahren werden mangelhaft umgesetzt. Es kommt zu administrativen Verzögerungen bei Gerichtsverfahren, zu Verletzungen der Unschuldsvermutung, Nichteinhaltung von Vorschriften in Bezug auf Inhaftierung und Verhöre sowie Verweigerung des Zugangs zu einem Anwalt bei Festnahme (FH 2023a).

Obwohl sich die regierende georgische Partei dazu verpflichtet hat, eine ehrgeizige Justizreform umzusetzen, wurden die Postenbesetzungsverfahren im Justizwesen dennoch auch im Jahr 2021 ohne umfassende Reformen fortgesetzt. Die Reformen im Justizwesen sind ins Stocken geraten und haben in wichtigen Bereichen Rückschritte gemacht. In der Phase von Ernennungsverfahren durch das Parlament fehlt es an angemessenen Schutzgarantien, was die Integrität des gesamten Prozesses untergräbt (EC 10.8.2022). Das Büro der Ombudsperson hat in einer Einreichung an das georgische Parlament im Oktober 2022 eine Reihe von Vorschlägen für eine Justizreform gemacht. Keiner dieser Vorschläge wurde angenommen (UNHRC 17.7.2023).

 

3 Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung 2023-10-03 08:52

Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter von Regeln werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch oft als untätig oder wenig effektiv wahrgenommen. Der Staatssicherheitsdienst tritt nicht als Repressionsinstrument auf, hat jedoch weitreichende Kompetenzen und ist in seiner Tätigkeit nur eingeschränkt transparent. Staatliche Stellen haben auch weitreichenden Zugang zu elektronischer Kommunikation der Bevölkerung und zu den persönlichen Daten, die bei privaten Netzbetreibern hinterlegt sind (AA 26.5.2023).

Das Innenministerium und der Staatssicherheitsdienst (SSSG) tragen die Hauptverantwortung für den Gesetzesvollzug und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Das Ministerium ist die primäre Organisation für die Vollziehung von Gesetzen und umfasst die nationale Polizei, die Grenzsicherheitskräfte und die georgische Küstenwache. Der SSSG ist der Inlandsnachrichtendienst, welcher für Spionageabwehr, Terrorismusbekämpfung und Korruptionsbekämpfung zuständig ist. Es gibt Anzeichen dafür, dass Regierungsbeamte zeitweise nicht die alleinige Kontrolle über die inländischen Sicherheitskräfte ausüben(USDOS 20.3.2023).

Im Jahr 2021 stimmten die Abgeordneten des georgischen Parlaments für die Abschaffung des SIS (State Inspector’s Service) (Agenda.ge 31.12.2021; vgl. USDOS 20.3.2023), einer Behörde, die mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen durch Strafverfolgungsbeamte untersuchte und mit der Aufsicht zum Schutz personenbezogener Daten betraut war. Mit dem neuen Gesetz sind zwei separate Institutionen (Special Investigative Service; Personal Data Protection Service) gegründet worden (UN Georgia 14.1.2022). Im Gegensatz zum bisherigen Aufgabenbereich, in allen Bereichen des Gesetzesvollzugs gleichermaßen zu ermitteln, ermächtigt das Gesetz die neue Ermittlungsbehörde nicht, bestimmte von Staatsanwälten begangene Straftaten wie Mord und Körperverletzung zu untersuchen (USDOS 20.3.2023).

Eine laufende Polizeireform zielt auf die Trennung der Rollen zwischen Staatsanwälten und

Ermittlern sowie zwischen operativen und investigativen Funktionen von Polizeibeamten ab. Bürgernahe und nachrichtendienstlich geführte Polizeiarbeit soll ausgeweitet, die zentralisierte analytische Arbeit verbessert, der Kampf gegen Computerkriminalität und Organisierte Kriminalität intensiviert sowie die internationale Zusammenarbeit ausgebaut werden (EC 10.8.2022).

Mit Stand Oktober 2022 waren an das Büro der Ombudsperson 70 Beschwerden über Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder Polizei herangetragen worden (HRW 12.1.2023).

 

4 Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung 2023-10-03 08:55

Georgien ist dem UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (einschließlich der Zusatzprotokolle) beigetreten (OHCHR o.D.a). Die Verfassung Georgiens sowie gesetzliche Vorgaben verbieten Folter und unmenschliche Behandlung, dennoch wenden Berichten zufolge Staatsbedienstete solche Methoden in der Praxis an (USDOS 20.3.2023). Vorfälle von Gewaltanwendung scheinen auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar (AA 26.5.2023). Mit Stand Oktober 2022 waren an die Ombudsperson 70 Beschwerden in Bezug auf Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder Polizei herangetragen worden. Straffreiheit in Fällen missbräuchlicher Handlungen durch Gesetzesvollzugsorgane hält an (HRW 12.1.2023).

Die Vereinten Nationen und die EU zeigen sich besorgt über die Zerschlagung des georgischen Staatlichen Inspektionsdienstes (State Inspector’s Service) im Jahr 2022. Der Staatliche Inspektionsdienst untersuchte als unabhängige Einrichtung behauptete Menschenrechtsverletzungen, welche von Gesetzesvollzugsorganen begangen wurden. Anstatt des Staatlichen Inspektionsdienstes entstanden nun zwei separate Institutionen: der Spezielle Ermittlungsdienst

(Special Investigative Service) und der Dienst zum Schutz persönlicher Daten (Personal Data

Protection Service) (UN Georgia 14.1.2022). Der Spezielle Ermittlungsdienst hat den Auftrag,

Vorwürfe von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung durch Strafverfolgungsbeamte zu untersuchen. Das Büro der Ombudsperson stellte fest, dass sich die Zuständigkeit des speziellen Ermittlungsdienstes nicht auf mutmaßlich begangene Straftaten des Generalstaatsanwalts, des Innenministers oder des Leiters des Sicherheitsdienstes erstreckt (UNHRC17.7.2023).

Die Regierung erlaubt ein unabhängiges Monitoring der Lage in den Gefängnissen durch Organisationen wie das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) (USDOS 20.3.2023). Die Ombudsperson ist der Ansicht, dass sich die Situation in Bezug auf die Behandlung von festgenommenen Personen durch die Polizei im Jahr 2022 im Vergleich zu den Vorjahren nicht

wesentlich verändert hat (PDG 3.4.2023). Im März 2023 stattete das CPT Georgien einenAd-hocBesuch ab und untersuchte die Situation im Bereich der Gesundheitsfürsorge im Strafvollzug in der Klinik „VivaMedi“(CoE 29.3.2023). Ärztliche Untersuchungen in Haftanstalten finden in keinem vertraulichen Rahmen statt. Dies erschwert die Identifizierung und Dokumentierung von Gewaltvorfällen (PDG 3.4.2023).

 

5 Korruption

Letzte Änderung 2023-10-03 08:57

Georgien hat seit 2012 keine großen Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung gemacht (Jam News 31.1.2023; vgl. EC 10.8.2022). Während das Land bei der Bekämpfung der Kleinkorruption Fortschritte gemacht hat, bleibt Korruption auf höheren Ebenen ein Problem. Es existiert keine unabhängige Behörde zur Bekämpfung von Korruption auf höheren Ebenen (USDOS 20.3.2023). Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen (AA

26.5.2023).

Die Regierungspartei Georgischer Traum kontrolliert die wichtigsten staatlichen Institutionen, die Justiz und die Strafverfolgungsbehörden, sodass Machtmissbrauch auf höchster Ebene weitgehend ungestraft bleibt (TI 31.1.2023). Korruption hat bei der staatlichen Postenbesetzung und bei der öffentlichen Beschaffung die Form von Vettern- und Günstlingswirtschaft angenommen. Die mangelnde Unabhängigkeit sowohl der Gesetzesvollzugsbehörden als auch der Justiz behindert die wirksame Anwendung von Antikorruptionsgesetzen. Erfolgreiche Klagen gegen hochrangige Beamte sowie gegen Personen, welche solchen Beamten nahestehen, sind selten (FH 2023a).

Die Verlegung des Sekretariats des Anti-Korruptionsrates von der analytischen Abteilung des

Justizministeriums in die Verwaltung der Regierung wurde in der Praxis noch nicht vollständig umgesetzt. Infolgedessen wurden dieAusarbeitung undAnnahme der neuen nationalen Korruptionsbekämpfungsstrategie und die Umsetzung der Methodologie zur Korruptionsrisikobewertung verzögert (EC 10.8.2022).

Gemäß dem Corruption Perceptions Index 2022 von Transparency International wird Georgien mit 56 von 100 Punkten bewertet (0=sehr korrupt, 100=sehr wenig korrupt). Georgien liegt gleichauf mit Tschechien, Italien und Slowenien. (Der Corruption Perceptions Index misst das von Experten und Geschäftsleuten wahrgenommene Korruptionsniveau im öffentlichen Sektor) (TI 1.2023).

 

6 NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Letzte Änderung 2023-10-03 09:15

Menschenrechtsorganisationen und andere NGOs können sich ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit durchführen. Sie werden in der Öffentlichkeit gut wahrgenommen und können auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben (AA 26.5.2023). In den meisten Fällen werden die Tätigkeiten von Menschenrechtsorganisationen durch die Regierung nicht eingeschränkt. Menschenrechtsorganisationen dürfen frei ermitteln und die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlichen (USDOS 20.3.2023). Während manche NGOs in die politischen Diskussionen einbezogen werden (FH 2023a; vgl. AA 26.5.2023), berichten andere, dass sie politischem Druck ausgesetzt sind, vor allem in Form von Kritik und Ausschluss vom politischen Dialog (FH 2023a).

Da NGOs in der Gesellschaft relativ schwach verankert sind, können sie leicht ins Visier populistischer Politiker geraten. Trotzdem erlegt der Staat den NGOs keine formellen Beschränkungen auf, und sie können finanzielle Zuwendungen aus dem Ausland erhalten. Ihre Einflussnahme auf die demokratische Regierungsführung bleibt begrenzt. Sie können jedoch Einfluss auf die politische Agenda nehmen, indem sie kritische Argumente für öffentliche Debatten liefern. Über die von der EU unterstützte Nationale Plattform des Forums der Zivilgesellschaft hat Letztere die Möglichkeit, ihre Anliegen auf internationaler Ebene kundzutun (BS 23.2.2022). Die Zivilgesellschaft ist weiterhin sehr aktiv, wenn es z. B. darum geht, öffentliche Institutionen, auch bis zu einem gewissen Grad auf lokaler Ebene, zur Rechenschaft zu ziehen (EC 10.8.2022).

 

7 Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung 2023-10-03 09:24

Gemäß Artikel 4 der georgischen Verfassung schützt und anerkennt der Staat die universell anerkannten Menschenrechte und Freiheiten als ewige und höchste menschliche Werte. Bei der Ausübung der Staatsgewalt sind das Volk und der Staat an diese Rechte und Freiheiten als unmittelbar anwendbares Recht gebunden. Die einzelnen fundamentalen Menschenrechte sind explizit im Kapitel 2 der Verfassung aufgeführt. Die Verfassung leugnet nicht andere allgemein anerkannte Menschenrechte und Freiheiten, die hier nicht ausdrücklich erwähnt werden, die sich aber aus den Grundsätzen der Verfassung ergeben (Artikel 4) (PoG 29.6.2020).

Georgien verfügt über starke nationale und verfassungsrechtlich garantierte Menschenrechtsinstitutionen, wie z. B. das Amt der Ombudsperson (Public Defender), welches Einzelfälle aufgreift und Missstände aller Art regelmäßig öffentlich anspricht. Der vom georgischen Parlament ernannte unabhängige Public Defender beobachtet mit einem Stab von rund 140 Mitarbeitern und zehn Regionalbüros die Wahrung der Menschenrechte im Land und klärt problematische Vorfälle auf (AA 26.5.2023). Die Ombudsperson (Public Defender) berät die Regierung in Menschenrechtsfragen und analysiert außerdem die Gesetze, Strategien und Praktiken des Staates in Übereinstimmung mit den internationalen Standards und gibt entsprechende Empfehlungen ab. Basierend auf dem Gesetz zur „Beseitigung aller Formen von Diskriminierung“ wird die Ombudsperson als Gleichbehandlungsstelle definiert. Eine von deren Hauptfunktionen ist es, die Umsetzung des Gesetzes zu überwachen. Das Büro der Ombudsperson führt zudem Bildungsaktivitäten im Bereich der Menschenrechte und Freiheiten durch und reicht beim Verfassungsgericht Beschwerden ein, wenn die Menschenrechte und Freiheiten durch einen normativen Akt verletzt werden (ENNHRI o.D.).Am 7. März 2023 wurde Lewan Ioseliani, Rechtsanwalt und bis zu seiner Wahl Parlamentsabgeordneter für die Oppositionspartei „Bürger“, als Ombudsperson vom Parlament gewählt (AA 26.5.2023). NGOs betrachten das Amt der Ombudsperson, das sich mit Menschenrechten befasst und Anschuldigungen über Missbrauch und Diskriminierung prüft, als die objektivste Menschenrechtseinrichtung des Landes (USDOS 20.3.2023).

NGOs äußern immer wieder Zweifel an der Unabhängigkeit von Gerichten und Staatsanwaltschaft. Sie kritisieren, dass die Selbstverwaltung der Justiz von einer engen Machtgruppe beherrscht wird, die auch die Ernennungen der obersten Richter kontrolliert. Im Vergleich zur Vorgängerregierung hat die Unabhängigkeit der Justiz große Fortschritte gemacht. Im Justizwesen und Strafvollzug kann eine menschenrechtswidrige Behandlung, die bis 2012 systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden. Menschenrechtsorganisationen können sich ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit durchführen. Die Lage der Menschenrechte hat in vielen Bereichen einen guten Stand erreicht. Problematisch bleibt die mangelnde politische, soziale und wirtschaftliche Teilhabe Angehöriger ethnischer Minderheiten sowie insbesondere die ablehnende Einstellung der Gesellschaft gegenüber sexuellen Minderheiten (AA 26.5.2023).

 

8 Meinungs- und Pressefreiheit

Letzte Änderung 2023-10-03 09:33

Die Verfassung und die Gesetze sehen Meinungs- und Pressefreiheit vor. Die Bürger dürfen dieses Recht im Allgemeinen frei ausüben, obwohl die Regierung diese Freiheiten nicht ausreichend schützt. Im Laufe des Jahres 2022 äußerten Journalisten, NGOs und die internationale Gemeinschaft Bedenken hinsichtlich des Umfelds für den Medienpluralismus. Einige Medien und NGOs äußern weiterhin ihre Besorgnis über politische Einflüsse auf die Medienlandschaft. NGOs berichten von Angriffen auf Journalisten (USDOS 20.3.2023).

Die Bürger genießen im Allgemeinen Meinungsfreiheit, auch in ihrer Online-Kommunikation. Allerdings äußern Watchdog-Gruppen Bedenken, dass staatliche Behörden Überwachung und Datensammlung ohne eine angemessene Aufsicht betreiben dürfen (FH 2023a; vgl. AA 26.5.2023). Im Jahr 2022 wurden die Überwachungsbefugnisse der Sicherheitsdienste ausgeweitet, während die Kontrollen der Überwachung durch die Bestimmungen eines umstrittenen Überwachungsgesetzes geschwächt wurden (FH 2023a).

Die georgische Presselandschaft ist stark politisiert und neigt schnell zu Übertreibungen (AA 26.5.2023). Trotzdem sind die Medien durchaus vielfältig. Der Staat versucht, die Medien zu kontrollieren, und auf der anderen Seite respektieren die Medienorganisationen nicht immer die journalistischen ethischen Standards (HRC 2023). Manipulation, Hassreden und Desinformation sind in den Medien weit verbreitet, insbesondere im Fernsehen, der wichtigsten Informationsquelle. Die Eigentümer der Medien kontrollieren häufig die redaktionellen Inhalte. Verbale und körperliche Angriffe auf Journalisten sind häufig, auch durch hohe Regierungsbeamte, insbesondere während Wahlkämpfen. Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit 2023 von Reporter ohne Grenzen rangiert Georgien gegenwärtig auf Platz 77 von insgesamt 180 Plätzen (RSF o.D.).

 

9 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Letzte Änderung 2023-10-03 09:35

Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die Verfassung und die Gesetze Georgiens garantiert (AA 26.5.2023). Menschenrechtsorganisationen äußern sich besorgt über die gesetzlichen Bestimmungen, darunter die Verpflichtung, dass politische Parteien und andere Organisationen den lokalen Behörden fünf Tage im Voraus mitteilen müssen, wenn sie sich in einem öffentlichen Bereich versammeln wollen, wodurch spontane Demonstrationen ausgeschlossen werden (USDOS 20.3.2023).

Es kam zu einer Reihe von Fällen außergewöhnlicher Einschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Georgien. Bei Versammlungen und Demonstrationen greifen Polizeikräfte für gewöhnlich ein (Eurasianet 5.6.2023) und lösen diese gelegentlich auch durch exzessive Polizeigewalt auf (FH 2023a). Versammlungen finden vor dem Hintergrund einer angespannten politischen Situation statt (BS 23.2.2022).

Die Regierung vollzieht die Gesetze, welche die Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer schützen oder gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung verbieten, nicht wirksam. Rechtsmittel, um gegen willkürliche Entlassungen anzukämpfen, und Rechtsstreitigkeiten über Arbeitsrechte sind mit langen Verzögerungen verbunden (USDOS 20.3.2023).

Im März 2023 kam es zu Demonstrationen gegen das von der Regierung geplante Gesetz

„ausländischer Agent“. Hierbei handelt es sich um einen Gesetzesentwurf, der NGOs und Medienunternehmen dazu verpflichten würde, sich als „ausländischer Agent“ zu registrieren, wenn sie mindestens 20 % ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten. Während der Demonstrationen nahm die Polizei mehrere Personen fest. Am 9. März 2023 kündigte schlussendlich die Regierungspartei an, die Gesetzesentwürfe zurückzuziehen (HRW 8.3.2023).

Das Versammlungsrecht sexueller Minderheiten wird selten geschützt (FH 2023a), die Versammlungsfreiheit für diese Gemeinschaft ist nicht gewährleistet (AA 26.5.2023).

 

9.1 Opposition

Letzte Änderung 2023-10-03 09:36

Die politischen Freiheiten sind verfassungsrechtlich verankert. Die politische Opposition kann ungehindert agieren und die bestehende Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen (AA 26.5.2023).

Der politische Lernprozess wurde seit der Unabhängigkeit durch die anhaltende tiefe Spaltung in der georgischen Politik beeinträchtigt (BS 23.2.2022). Die geringe politische Erfahrung vieler Abgeordneter sowie hierarchische Traditionen und Klientelstrukturen in der Gesellschaft erschweren die Festigung demokratischer Strukturen, auch wenn Recht und Institutionen in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit seit 2012 kontinuierlich an internationale Standards angepasst wurden (AA 26.5.2023).

Die Opposition ist in Georgien nicht sehr beliebt. Sie ist gespalten, an den Rand gedrängt und bedient sich seit Jahren der gleichen Slogans (CEIP 2.5.2023). In der georgischen Gesellschaft herrscht eine tiefe politische Polarisierung. Die politischen Akteure räumen der Zivilgesellschaft

wenig Raum ein und verfolgen losgelöst von ihr die eigene Agenda. Dies erschüttert das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen (Böll 21.7.2023).

Das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition bleibt konfrontativ und kontraproduktiv. Nur in seltenen Fällen gelingt es beiden politischen Lagern, ihre erheblichen Differenzen zu überbrücken. Zivilgesellschaftliche Akteure sind bei der Konfliktbewältigung und dem Aushandeln von Kompromissen (mit der Hilfe vom Westen) verstärkt aktiv und kompensieren so eine schwache politische Opposition (BS 23.2.2022).

Kritiker werfen der Regierungspartei „Georgischer Traum“ vor, die Kontrolle über die staatlichen Institutionen und die Sicherheitskräfte auszuweiten (CFR 21.6.2023). Im September 2022 veröffentlichte der oppositionsnahe Fernsehsender TV Pirveli durchgesickertes Material, das angeblich die massive Überwachung von Oppositionsparteien durch den Staatssicherheitsdienst zugunsten der Regierungspartei dokumentiert. Das Material zeigt die Überwachung führender Politiker im öffentlichen und privaten Bereich (HRW 12.1.2023).

2019/2020 kam es zu einer Reihe von Strafverfahren und Verurteilungen von Oppositionspolitikern und der Opposition nahestehenden Personen wegen unterschiedlicher Delikte (AA 26.5.2023).

 

10 Todesstrafe

Letzte Änderung 2023-10-03 09:39

In Georgien wurde 1997 die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft (AA 26.5.2023; vgl. AI

16.5.2023). Dieses Verbot ist auch in Artikel 10 der Verfassung verankert (PoG 29.6.2020). Das zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe hat Georgien ratifiziert (AI 16.5.2023).

 

11 Religionsfreiheit

Letzte Änderung 2023-10-03 09:45

Gemäß der Volkszählung von 2014 sind ca. 83 % der Bevölkerung griechisch-orthodox, ca. 11

% Muslime und rund 3 % Anhänger der armenisch-apostolischen Kirche. Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Ethnie, Religionszugehörigkeit und Heimatregion. Die meisten ethnischen Georgier gehören der georgisch-orthodoxen Kirche an. Eine geringe Anzahl an Personen, hauptsächlich ethnische Russen, ist anderen orthodoxen Gruppen zugehörig. Ethnische Aseris

– überwiegend schiitische Muslime – bilden eine Bevölkerungsmehrheit in der südöstlichen Region Kvemo-Kartli. Weitere muslimische Gruppen sind u. a. die ethnisch georgischen Muslime in Adscharien und die tschetschenischen Kisten im Nordosten. Ethnische Armenier gehören hauptsächlich der armenisch-apostolischen Kirche an und bilden eine Bevölkerungsmehrheit in der südlichen Region Samtskhe-Javakheti. Katholiken, Jesiden, Griechisch-Orthodoxe, Menschen jüdischen Glaubens, nicht-traditionelle religiöse Gruppen wie z. B. Baptisten, Zeugen Jehovas, Pfingstbewegung, Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein und Menschen ohne Bekenntnis machen 3 % aus (USDOS 15.5.2023; vgl. BAMF 10.2020).

Die Verfassung sieht Religionsfreiheit sowie Trennung von Kirche und Staat vor. Die Verfassung verbietet religiöse Verfolgung und erkennt die Gleichheit für alle ungeachtet der Religion an, vorbehaltlich von Erwägungen der öffentlichen Sicherheit oder Gesundheit oder der Rechte anderer (PoG 29.6.2020). Diskriminierung aufgrund des religiösen Bekenntnisses oder die Behinderung der Religionsausübung sind unter Strafe gestellt (AA 26.5.2023). Gesetze und politische Strategien gewähren der georgisch-orthodoxen Kirche jedoch Privilegien, die keiner anderen religiösen Gruppe gewährt werden (USDOS 15.5.2023; vgl. AA 26.5.2023). Die Rechte nicht dominanter religiöser Gruppen werden in Georgien auf Gesetzesebene sowie durch die lokalen und zentralen Regierungen verletzt (HRC 2023).

Ein Religionsrat beim Büro des Public Defender (Ombudsperson) mit Vertretern von 12 religiösen Organisationen soll den Austausch, Aktivitäten und Integration der verschiedenen Glaubensgemeinschaften fördern, konnte aber noch keine große Wirkung entfalten. Angehörige religiöser Minderheiten müssen mit Intoleranz und Nachteilen im gesellschaftlichen und beruflichen Leben rechnen, z. B. bei der Besetzung öffentlicher Ämter in verschiedenen Regionen (AA 26.5.2023). Nach Angaben der Ombudsperson gibt es eine verbesserte Tendenz zur Identifizierung von Hassmotiven, jedoch ist die Durchführung effektiver Ermittlungen durch die zuständigen Behörden bei dieser Art von Straftaten eine Herausforderung (PDG 3.4.2023).

Religiöse Minderheitengruppen berichten über Widerstand von Ortsgemeinden gegen die Errichtung von Andachtsstätten und gegen Errichtung religiöser Schulen für religiöse Minderheiten. Die Ombudsperson und religiöse Minderheitengruppen berichten über die weitverbreitete gesellschaftliche Meinung, dass religiöse Minderheiten eine Bedrohung für die Georgisch-Orthodoxe Kirche und die kulturellen Werte des Landes darstellen. Die NGO Media Development Foundation dokumentierte im Jahr 2022 98 Fälle religiös intoleranter Äußerungen in nationalen Medien, gegenüber 117 im Jahr zuvor (USDOS 15.5.2023). Religiöse Minderheiten - darunter Zeugen Jehovas und Muslime - berichten von Diskriminierung und Feindseligkeit, auch seitens georgisch-orthodoxer Priester und Anhänger (FH 2023a).

 

12 Relevante Bevölkerungsgruppen

12.1 Frauen

Letzte Änderung 2023-10-03 09:54

Die Istanbul-Konvention des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt wurde von Georgien im Jahr 2017 ratifiziert und trat im selben Jahr in Kraft (CoE o.D.). Georgien hat außerdem die Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frauen (CEDAW) - im Jahr 1994 - ratifiziert (OHCHR o.D.b). Gesetzlich sind Frauen den Männern gleichgestellt und genießen auch im öffentlichen Leben die gleichen Rechte, welche sie aber aufgrund gesellschaftlicher Traditionen und Konventionen, ungeachtet gleich hohen Bildungsstandes, nicht immer ausüben können (AA 26.5.2023; vgl. FH 2023a). Um Frauen eine aktivere Rolle in der Politik zu ermöglichen (UNDP o.D.), müssen in Georgien mindestens 25 % der Kandidaten auf den Parteilisten weiblichen Geschlechts sein

(FH 2023a). Trotzdem ist die politische Beteiligung von Frauen nach wie vor gering (UNDP o.D.). Das liegt u. a. an den Geschlechterstereotypen, die sich in den Köpfen der Öffentlichkeit festgesetzt haben, und an der nicht ernsthaften Wahrnehmung des Themas der Gleichstellung der Geschlechter durch männliche Politiker (GIP 5.5.2023). Obwohl eine kontinuierliche Verbesserung des Zugangs von Frauen zum Arbeitsmarkt festzustellen ist, sind Frauen unabhängig von ihren beruflichen und akademischen Qualifikationen in schlecht bezahlten, gering qualifizierten Positionen überrepräsentiert (USDOS 20.3.2023).

Gewalt gegen Frauen ist weiterhin ein ernstes Problem. Fälle häuslicher Gewalt werden von der Gesellschaft und den Behörden meist als interne Familienangelegenheit betrachtet. Die Bereitschaft, dagegen Maßnahmen zu ergreifen, nimmt jedoch weiterhin zu (AA 26.5.2023; vgl.

HRC 2023). Es bestehen Fortschritte bei der Entwicklung der staatlichen Politik und bei der

Reaktion auf Fälle häuslicher Gewalt durch Vollzugsbeamte. Dennoch ist es für die Strafverfolgungsbehörden problematisch, Fälle von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt als eine einzige Straftat zu erkennen und zu systematisieren (HRC 2023).

Vergewaltigung ist gesetzeswidrig. Ersttäter können mit einer Haftstrafe von bis zu acht Jahren belangt werden. Die Regierung setzt das Gesetz nicht wirksam um. Den Ermittlungsbehörden fehlt es an Schulungen bzgl. wirksamer Abläufe für Fallbearbeitung und Beweissammlung

(USDOS 20.3.2023). Die Vergewaltigung in der Ehe ist nicht ausdrücklich strafbar (FH 2023a). Gemäß der Ombudsperson wurden im Jahr 2022 25 Morde und 37 Mordversuche an Frauen gemeldet. Hier ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg zu verzeichnen [2021: 22 Morde; 31 Mordversuche] (PDG 3.4.2023).

Schutz vor häuslicher Gewalt kann in Frauenhäusern oder Einrichtungen für Mütter und Kinder geboten werden (AA 26.5.2023). Der georgische Staat finanziert neben fünf Frauenhäusern auch fünf Krisenzentren, in denen Frauen eine Unterkunft beziehen können. Darüber hinaus gibt es eine staatliche Notrufnummer, die Informationen und Hilfe für Gewaltopfer bereitstellt. Der Staat bietet Frauen derzeit auch die Möglichkeit, einen neuen Beruf zu erlernen, jedoch reicht diese Unterstützung oftmals nicht aus, da viele Frauen ein Einkommen sofort benötigen (Chaikhana 27.12.2022).

Sexuelle Belästigung wird als eine Verwaltungsübertretung behandelt und hat strafrechtlich keine Folgen. Vor allem am Arbeitsplatz stellt sexuelle Belästigung ein Problem dar (USDOS 20.3.2023). Es kommt zu sehr wenigen Anzeigen und Fällen, die vor Gericht landen. Die anhaltenden patriarchalischen Normen und tief verwurzelten Stereotypen in der georgischen Gesellschaft neigen dazu, die Opfer zu beschuldigen und Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu dulden (UN Women 25.11.2022).

Gemäß dem Global Gender Gap Index 2023 des Weltwirtschaftsforums nimmt Georgien Rang 76 [55 im Jahr 2022] von insgesamt 146 Ländern ein. Rangmäßig befindet sich Georgien zwischen Äthiopien und Kenia. [Der Global Gender Gap Index misst die Entwicklung der Gesamtsituation für Frauen in Bezug auf folgende Aspekte: Teilnahme am Wirtschaftsleben; Bildungschancen; Gesundheit und politische Rechte.] (WEF 20.6.2023).

 

12.2 Kinder

Letzte Änderung 2023-10-03 10:01

Die UN-Kinderrechtskonvention wurde von Georgien im Jahr 1994 ratifiziert (OHCHR o.D.a.). Staatliche repressive Handlungen gegen Kinder gibt es in Georgien nicht. Jedoch ist die staatliche Unterstützung von Kindern – ob bei Bildung oder Sozialhilfe – gering. Der Erwerb des Familieneinkommens mithilfe von Kindern und die frühe Verheiratung von Mädchen sind insbesondere bei ethnischen Minderheiten verbreitet und akzeptiert mit der Folge, dass die Schulpflicht vernachlässigt wird (AA 26.5.2023). Gewalt gegen Kinder im familiären Umfeld, in Heimen, Pflegefamilien und Bildungseinrichtungen stellt ebenfalls ein erhebliches Problem dar (EC 10.8.2022; vgl. AA 26.5.2023). In allgemeinen Bildungseinrichtungen und Vorschulen fehlen qualifizierte Fachkräfte, die Anzeichen von Gewalt gegen Kinder rechtzeitig erkennen und darauf reagieren könnten (USDOS 20.3.2023). Die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren betrug im Jahr 2022 ca. 1 %(GHI o.D.).

Die Prävention von Straftaten sexueller Gewalt gegen Kinder, die rechtzeitige Aufdeckung und die wirksame Umsetzung der Strafverfolgung bleiben eine Herausforderung. Die nationale Gesetzgebung zu sexueller Gewalt gegen Kinder steht nicht im Einklang mit den verbindlichen Menschenrechtskonventionen, denen Georgien beigetreten ist.Allerdings ist die Strafverfolgungsrate bei Verbrechen sexueller Gewalt gegen Kinder gestiegen. Ein „Psychosoziales Servicezentrum“ (Barnahus) ermöglicht die Einführung eines kindgerechten Ansatzes in den Justizprozess und die Rehabilitierung von Kindern, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind (PDG 3.4.2023).

Die Regierung hat die Ersetzung der Großwaisenhäuser durch alternative Einrichtungen weitgehend abgeschlossen (USDOS 20.3.2023; vgl. PDG 3.4.2023). Es wurden auch weiterhin Kinder ohne elterliche Fürsorge sowie Kinder mit Behinderungen, die in großen Waisenhäusern untergebracht waren, an Familien und familienähnliche Einrichtungen vermittelt. Die Regierung hat den Pool von Pflegeeltern aufgestockt, um Kinder aus Waisenhäusern aufzunehmen und einen Zustrom neuer Fälle in Waisenhäuser zu vermeiden (USDOS 20.3.2023). Trotz einiger positiver

Schritte verzögert sich die Festlegung der weiteren Betreuungsformen für die noch in Waisenhäusern untergebrachten Kinder. Der Staat hat wie in den Vorjahren noch keine einheitliche Strategie zur Deinstitutionalisierung der Waisenhäuser entwickelt (PDG 3.4.2023).

Der Unterricht an öffentlichen Schulen ist kostenlos (IOM 12.2022). Die Schulbeteiligung von Kindern aus benachteiligten und marginalisierten Gruppen wie Straßenkindern, Kindern mit Behinderungen und Kindern in Pflegeheimen ist gering (USDOS 20.3.2023). Angesichts der unzureichenden Zahl an Hilfsangeboten und der Schwierigkeiten bei der Identifizierung von Betroffenen ist die Zahl der auf der Straße lebenden und/oder arbeitenden Kinder weiterhin hoch. In einigen Fällen müssen Kinder verschiedene schwere Arbeiten ausführen, die ihr Leben und ihre Gesundheit gefährden (PDG 3.4.2023). Die Regierung hat Gesetze und Vorschriften zum Thema Kinderarbeit erlassen. Allerdings gibt es Lücken im georgischen Rechtsrahmen, um Kinder angemessen vor den schlimmsten Formen von Kinderarbeit zu schützen, einschließlich des Mindestarbeitsalters. Gesetzlich ist Erwerbstätigkeit ab einem Alter von 16 Jahren erlaubt. Trotz der Bemühungen der Regierung, die schlimmste Form der Kinderarbeit zu bekämpfen, entspricht das Mindestarbeitsalter in Georgien nicht den internationalen Standards, da es nicht für den informellen Sektor gilt. Darüber hinaus verbietet das Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich den Einsatz von Kindern für illegale Tätigkeiten. Kinder im Alter von 15 Jahren sind anfällig für die schlimmsten Formen von Kinderarbeit, da sie zwar nicht mehr schulpflichtig sind, aber auch keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen dürfen (USDOL 28.9.2022).

Eine der größten Herausforderungen für das Land bleibt die wachsende Kinderarmut. So ist die Zahl der Familien mit Kindern in der einheitlichen Datenbank für sozial schwache Familien im Vergleich zum Vorjahr um 28 % gestiegen, und die Zahl der Minderjährigen, die an dem Programm teilnehmen, erreichte 235.252. Die bestehenden Programme sind jedoch nicht in der Lage, die in Armut lebenden Familien langfristig zu unterstützen und ihre soziale Funktion zu verbessern (HRC 2023). Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurde die finanzielle Unterstützung für hilfsbedürftige Kinder im Jahr 2022 um GEL 50 [ca. EUR 17] erhöht, sodass seit Juli 2023 etwa 232.000 Kinder die erhöhte Unterstützung von GEL 200 [ca. EUR 70] erhalten. Die Sozialhilfe für Kinder mit Behinderungen wurde im Jahr 2022 zunächst auf GEL 275 [ca. EUR 96] und mit 2023 auf GEL 340 [ca. EUR 119] angehoben (Agenda.ge 20.4.2023).

Das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung beträgt für Männer und Frauen 18 Jahre. Die Zwangsverheiratung von Personen unter 18 Jahren wird mit zwei bis vier Jahren Freiheitsstrafe geahndet (USDOS 20.3.2023). Die Praxis der frühen Verheiratung und Verlobung stellt nach wie vor ein Problem dar (USDOS 20.3.2023; vgl. PDG 3.4.2023, Humanium o.D.). Im Jahr 2022 ist die Zahl der Fälle von Frühverheiratung (400 Fälle), die von der staatlichen Betreuungsund Unterstützungsbehörde für Opfer von Menschenhandel untersucht wurden, deutlich höher als die Zahl der in den Vorjahren untersuchten Fälle. Nach wie vor ist es problematisch, dass minderjährige Mädchen aufgrund von Frühverheiratung keine Schulbildung mehr erhalten (PDG 3.4.2023).

Gemäß dem Index der Umsetzung von Kinderrechten erreicht Georgien 7,79 von insgesamt 10 Punkten, was „wahrnehmbare Probleme“ bedeutet (orange Stufe) (Humanium o.D.).

 

13 Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung 2023-10-03 10:17

Georgier dürfen frei reisen, im Inland innerhalb des von der Regierung kontrollierten Territoriums sowie ins Ausland. Sie dürfen ihren Wohnsitz, ihre Beschäftigung und ihre Ausbildung ohne unangemessene Einmischung wechseln (FH 2023a).

Es ist nach georgischem Recht illegal, von Russland aus über Südossetien oder Abchasien nach Georgien einzureisen, da es keine offiziellen Grenzkontrollen gibt. Wer auf diesem Weg nach Georgien gelangt, muss mit Strafverfolgung rechnen (DFA 17.4.2023; vgl. FCDO o.D.), welche mit potenziell hohen Geldstrafen und/oder einer Haftstrafe von bis zu vier Jahren verbunden ist. Wenn der Reisepass mit Ein-/Ausreisestempeln der separatistischen „Behörden“ versehen ist, können die georgischen Behörden dies als illegale Einreise über einen nicht anerkannten Grenzübergang werten (FCDO o.D.).

Bei der Ausreise aus Georgien erfolgt eine Pass- und Identitätskontrolle unter Nutzung eines EDV-basierten zuverlässigen Systems. Es überprüft die Personalien des Reisedokuments mit der im System hinterlegten Datenbank mit durch Georgien gesuchten Personen und gibt Hilfestellung bei der Echtheitsprüfung des Dokuments. Ziel ist es, aufenthaltsrechtliche Verstöße, insbesondere aber mit Haftbefehl gesuchte Straftäter und irreguläre Migranten, zu identifizieren (AA 26.5.2023).

Georgische Staatsbürger dürfen visafrei in den Schengen-Raum einreisen (EC 10.8.2022; vgl. SVI o.D.). Zur Unterstützung und Gewährleistung der wirksamen Umsetzung der visafreien Regelung wurde unter Mitwirkung von EU-Experten das „Gesetz über die Regeln und Verfahren für georgische Staatsbürger bei der Aus- und Einreise nach Georgien“ geändert. Gemäß der neuen Verordnung werden die Dokumente von Bürgern, die in die EU/Schengen-Mitgliedstaaten reisen, auch an den Grenzübergängen Georgiens nach den Schengen-Kriterien geprüft. Bei Einreisebeschränkungen in einen EU/Schengen-Mitgliedstaat oder bei Fehlen der entsprechenden Dokumente kann dem Bürger der Grenzübertritt verweigert werden (MFAG o.D.; vgl. Agenda.ge 1.1.2021).

Die De-facto-Behörden und russische Streitkräfte in den von Russland besetzten Gebieten

Abchasien und Südossetien schränken die Bewegungsfreiheit der lokalen Bevölkerung beim Passieren der administrativen Grenze ein, gleichwohl sie Flexibilität bei Reisen nach Georgien aus medizinischen Gründen, zwecks Pensionsleistungen, Bildung usw. zeigen. Personen, die sich der administrativen Grenze nähern, riskieren die Inhaftierung durch den Grenzschutz der Russischen Föderation (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 28.2.2022).

In Georgien gibt es kein zentrales Melderegister. Jedoch existiert ein auskunftsfähiges, zentrales Personenregister, da jedem georgischen Staatsbürger von Geburt an eine persönliche Identitätsnummer zugeteilt wird(AA 26.5.2023; vgl. VB Tiflis 10.8.2022). Adressanmeldungen werden durchgeführt. Diese werden in den sogenannten „Public Halls“ administriert, welche vom Justizministerium verwaltet werden (VB Tiflis 10.8.2022).

 

14 Grundversorgung und Wirtschaft

Letzte Änderung 2023-10-03 10:24

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die staatliche Sozialhilfe liegt bei bis zu GEL 220 [ca. EUR 80] im Monat. Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband (AA 26.5.2023). Mit 1.1.2023 stieg die Alterspension auf GEL 300 [ca. EUR 107] für Personen unter 70 Jahre und auf GEL 365 [ca. EUR 130] für Personen über 70 Jahre. Es gibt Zuschläge für Pensionisten, die in Hochgebirgssiedlungen leben (Jam News 3.1.2023).

Große Teile der georgischen Bevölkerung sind unterbeschäftigt oder arbeitslos (ADA 2.2022). Das nationale Statistikbüro Georgiens gibt die Arbeitslosenrate für das Jahr 2022 mit 17,3 % an(Geo Stat o.D.a). Etwa 15,6 % der Georgier leben in Armut (Agenda.ge 29.5.2023). Vor allem die Bewohner der ländlichen Bergregionen sind betroffen, aber auch besonders gefährdete Gruppen in Städten, wie Binnenvertriebene und Alleinerziehende. Ländliche Armut führt häufig zu Landflucht oder Emigration (ADA 2.2022).

Die meisten Personen sind in der Landwirtschaft, Jagd und Forstwirtschaft tätig. Die größte Nachfrage nach Arbeitsplätzen besteht im Dienstleistungssektor (IOM 12.2022). Der Industriesektor ist gering ausgeprägt (WKO 5.2023). Die meisten Erwerbstätigen sind zwischen 30 und 55 Jahre alt (IOM 12.2022). Das monatliche Durchschnittseinkommen (nominal) der unselbstständig Beschäftigten lag im vierten Quartal 2022 bei den Männern bei ca. GEL 2.123 [ca. EUR 757] und bei den Frauen bei GEL 1.412 [ca. EUR 504](Geo Stat o.D.b).

Das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betrug im Jahr 2022 10,1 % (Geo Stat o.D.c). Der georgische Lari wertete 2022 ab, und das Leistungsbilanzdefizit bleibt hoch. Eine hohe Energie- und Rohstoffabhängigkeit sowie der herrschende Fachkräftemangel bilden eine schlechte Grundlage, um das bestehende Außenhandelsdefizit zu verringern. Im Jahr 2022 betrug die Inflation durchschnittlich 11,9 % (WKO 5.2023). Im Bankensektor hat sich der Zugang zu Finanzmitteln verbessert (THF 2023). Der starke Anstieg von internationalen Besuchern in Georgien trug im ersten Halbjahr 2022 rund 3,7 Milliarden GEL [ca. EUR 1,3 Milliarden] zur Wirtschaft bei. Der Hauptgrund für den Anstieg sind Ankünfte aus Russland, die in dem genannten Zeitraum um das Sechsfache gestiegen sind (GIP 1.2.2023).

Hauptexportgüter sind neben landwirtschaftlichen Produkten vor allem Rohstoffe mit geringer Wertschöpfung: Kupfer, Metalle bzw. gebrauchte Autos, zunehmend auch Textilien. Hauptzielländer der georgischen Exporte waren 2022 die Mitgliedsländer der EU mit einem Anteil von 15,4 %. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind auch die „Gastarbeiterüberweisungen“ aus dem Ausland. Im Jahr 2022 betrugen diese Überweisungen insgesamt USD 4,4 Mrd.; 86 % mehr als im Vorjahr (WKO 5.2023).

 

14.1 Sozialbeihilfen

Letzte Änderung 2023-10-03 10:24

Es gibt ein staatliches Sozialprogramm für Unterhaltsbeihilfen. Familien unterhalb der Armutsgrenze können mit einer Unterstützung von GEL 30-60 [ca. EUR 11-22] pro Familienmitglied rechnen (IOM 12.2022). Um Sozialhilfe zu erhalten, muss ein Antrag bei der für den Wohnort zuständigen Gebietseinheit des Sozialamtes gestellt und das vorgeschriebene Antragsformular zur Registrierung in der Datenbank ausgefüllt werden. Danach besucht ein Vertreter der Social Service Agency die Familie vor Ort, wobei die „Familiendeklaration“ den sozio-ökonomischen Status der Familie festhält. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: GEL 60 [ca. EUR 17] für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied GEL 60 und alle anderen Familienmitglieder GEL 48 [ca. EUR 14] pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere Gefängnishaft, Militärdienst oder beispielsweise ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten (GYLA o.D.).

Eine Arbeitslosenunterstützung existiert nicht. Es gibt ein staatliches Pensionssystem. Bezugsberechtigt sind Männer ab 65 und Frauen ab 60 Jahre. Der Pensionsantrag ist bei der nächstgelegenen Sozialdienststelle einzureichen. Die Entscheidung fällt innerhalb von zehn Tagen (IOM 12.2022). Die Höhe der Pension wird jährlich gemäß Inflationsrate und Wirtschaftswachstumsdaten angeglichen (Agenda.ge 5.1.2021). Mit 1.1.2023 stieg die Alterspension auf GEL 300 [ca. EUR 107] für Personen unter 70 Jahre und auf GEL 365 [ca. EUR 130] für Personen über 70 Jahre. Es gibt Zuschläge für Pensionisten, die in Hochgebirgssiedlungen leben (Jam News 3.1.2023). Seit 2019 ist ein kumulatives Pensionssystem eingeführt worden, welches für

Selbstständige freiwillig ist, auch für Arbeitnehmer über 40 Jahre. Die Teilnahme an diesem System ist für georgische Staatsbürger unter 40 Jahren, die angestellt und/oder selbstständig erwerbstätig sind, sowie für Ausländer, die im Besitz einer Daueraufenthaltsgenehmigung sind, verpflichtend. 2 % des Gehalts des Beitragszahlers gehen auf dessen persönliches Pensionskonto. Darüber hinaus überweisen die Regierung und der Arbeitgeber 2 % auf das Konto des Beitragszahlers. Bei Erreichen des Pensionsalters hat der Beitragszahler Anspruch auf eine Pension auf monatlicher Basis (IOM 12.2022).

Im Gesetz ist ein bezahlter Mutterschaftsurlaub von 126 Kalendertagen und im Falle von Komplikationen während der Geburt oder bei der Geburt von Zwillingen ein Mutterschaftsurlaub von 143 Kalendertagen festgelegt (LHG 17.5.2023). Die georgische Regierung hat mit Anfang 2023 die einmalige staatliche Finanzhilfe für den Mutterschaftsurlaub im ganzen Land von GEL 1.000 [ca. EUR 349] auf GEL 2.000 [ca. EUR 697] erhöht (Agenda.ge 23.1.2023).

Der Staatliche Fonds zum Schutz und Unterstützung für Opfer von Menschenhandel verfügt über zwei Unterkünfte in Tiflis und Batumi für Opfer von Menschenhandel und häuslicher Ge-

walt. Betroffene können außerdem in einem Krisenzentrum in Tiflis untergebracht werden und erhalten u. a. folgende Dienstleistungen: psychologische Unterstützung, medizinische Hilfe, Rechtsbeistand und Übersetzungsdienst (IOM 12.2022).

 

15 Rückkehr

Letzte Änderung 2023-10-03 10:38

Georgische Rückkehrer/Rückgeführte können die allgemeinen, wenn auch in der Regel insgesamt unzureichenden Sozialleistungen in Anspruch nehmen, darunter eine kostenlose medizinische Grundversorgung. Traditionell bietet der Familienverband eine soziale Absicherung. Internationale Organisationen, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das International Centre for Migration Policy Development (ICMPD), bieten Beratung und finanzielle Unterstützung für Rückkehrer an. Das Ministerium für Binnenvertriebene, Arbeit, Gesundheit und Soziales koordiniert das staatliche Reintegrationsprogramm (State Reintegration Programme). Hier wird Beratung und auch finanzielle Hilfe zur Reintegration in den Arbeitsmarkt (auch Hilfe zur Selbstständigkeit) und bei Bedarf auch Erst- bzw. Zwischenunterkunft zur Verfügung gestellt. Staatliche Repressalien gegen Rückkehrer sind nicht bekannt. Auch die Tatsache einer

Asylantragstellung im Ausland ist für die Behandlung durch staatliche Stellen ohne Bedeutung. Georgien hat Rückübernahme-Abkommen mit der EU und weiteren europäischen Ländern geschlossen. Die georgische Regierung stellt sich zunehmend den Problemen von Rückkehrern (AA 26.5.2023).

Das staatliche Programm zur Reintegration von Rückkehrern sieht die Unterstützung des Reintegrationsprozesses georgischer Staatsbürger, die aus der Emigration zurückkehren, vor. Das Programm sieht die Bereitstellung von Zuschüssen, Berufsausbildung, medizinischer Hilfe und vorübergehendem Wohnraum zur Schaffung einer Einkommensquelle und zur Förderung der Selbstständigkeit vor. Teilnahmeberechtigt sind georgische Staatsbürger (oder staatenlose Personen, die dauerhaft in Georgien leben), welche sich seit mehr als 12 Monaten unrechtmäßig im Ausland aufhalten oder im Ausland Asyl beantragt oder erhalten haben (GDA n.d).

IOM bietet Rückkehrern Unterstützung im Rahmen des AVRR-Programms an (Assisted Voluntary Return and Reintegration). Im Rahmen von Programmen zur unterstützten Rückkehr erhalten Migranten administrative, logistische und finanzielle Unterstützung (IOM o.D.).

 

16 Dokumente

Letzte Änderung 2023-10-03 10:58

Die Echtheit behördlich ausgestellter Dokumente steht in der Regel außer Zweifel. Problematisch sind privatrechtliche Bescheinigungen zum Nachweis von tatsächlich vorhandenen Eigenschaften/Qualifikationen (AA 26.5.2023). Gemäß Experten sind Dokumentenvermittler, die gegen Bezahlung gefälschte Dokumente wie Arbeitsbescheinigungen oder Dokumente zur Untermauerung von Asylanträgen ausstellen, in Georgien sehr gefragt. Trotz der angeblich hohen Nachfrage nach diesen Diensten ist die Verwendung gefälschter Dokumente für Reisen von Georgien in die EU-Mitgliedstaaten relativ selten (EUAA 18.8.2022).

Im Rahmen des IOM-Projekts „Unterstützung der integrierten Grenzverwaltung in Georgien“ wurde eine Schulung zur Überprüfung von Dokumenten und zur Aufdeckung von Betrug für die Grenzkontrollbeamten der Polizeipatrouille des Innenministeriums und die Zollbeamten der Steuerbehörde initiiert. Ziel ist es, die Fähigkeiten der Mitarbeiter verschiedener Grenzübergangsstellen in ganz Georgien im Bereich der Erkennung betrügerischer und gefälschter Dokumente zu verbessern (IOM 22.7.2022).

Eine Identitätsfeststellung georgischer Staatsangehöriger, die ohne Reisedokumente in Georgien eintreffen, ist in der Regel zügig möglich, da umfangreiche Datensätze – inklusive einer unveränderbaren persönlichen Identifikationsnummer von Geburt an – bestehen. Personenstandsurkunden verfügen seit geraumer Zeit nicht mehr über klassische Sicherheitsmerkmale wie Unterschrift oder Siegel; ihre Echtheit lässt sich aber online über ein Portal der Bürgerämter anhand einer Dokumentennummer prüfen. Erkenntnisse über gefälschte Haftbefehle gibt es nicht. Das Einspeisen von falschen oder zumindest übertriebenen Informationen in die Presse zur Dokumentation staatlicher Repressionsmaßnahmen ist durchaus möglich: Die Presselandschaft ist stark politisiert und neigt schnell zu Übertreibungen (AA 26.5.2023).

 

II.2. Beweiswürdigung:

 

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

 

II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der BF ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben, den Sprach- und Ortskenntnissen und dem Vorverfahren.

 

II.2.3. Die Feststellungen betreffend die von den BF in Anspruch genommenen Leistungen der Grundversorgung ergeben sich zweifelsfrei aus dem amtswegig angefertigten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich.

 

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit der BF ergeben sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich.

 

Den Daten des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister kann schließlich entnommen werden, dass der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG 2005 geduldet war. Hinweise darauf, dass ihr weiterer Aufenthalt zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig wäre oder die BF im Bundesgebiet Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO wurden, kamen im Verfahren nicht hervor und es wurde auch kein dahingehendes Vorbringen erstattet, sodass keine dahingehenden positiven Feststellungen getroffen werden können.

 

II.2.4. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.

 

Die BF traten auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen und wird neuerlich darauf hingewiesen, dass die Republik Österreich die Republik Georgien als sicheren Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG betrachtet und daher von der normativen Vergewisserung der Sicherheit Georgiens auszugehen ist.

 

II.2.5. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene freie Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Wesentlichen von ihrem objektiven Aussagekern her in sich schlüssig und stimmig ist.

 

Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten -–z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

 

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

 

II.2.6. Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte vor Ort zu verifizieren, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrages auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153; 15.03.2016, Ra 2015/01/0069).

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt dabei positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

 

Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht (VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).

 

Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Vorbringen im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden kann, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650).

 

II.2.7. Unter Berücksichtigung der vorstehend angeführten Rechtsprechung ist es den BF nicht gelungen, ein asylrelevantes Vorbringen darzulegen. Darüber hinaus geht das BVwG aus nachfolgenden Erwägungen (II.2.7.1. ff) von der Unglaubwürdigkeit der Angaben der BF zum Ausreisegrund aus.

 

Bezüglich der BF2 und ihrer Kinder (BF3 und BF4):

Hinsichtlich der BF2, BF3 und BF4 ist festzuhalten, dass diese bereits im Zuge der Erstbefragungen und der Einvernahme vor der belangten Behörde im Ergebnis keine eigenen Fluchtgründe vorbrachten. Stattdessen bezogen sie sich im Wesentlichen auf das Fluchtvorbringen des BF1 (AS 25, Akt 2286723-1). Im Rahmen der Einvernahmen vor der belangten Behörde am 04.01.2024 gab die BF2 dementsprechend zu Protokoll, „Der Grund meiner Ausreise ist meine Beziehung zu XXXX . Ich bin sicher, dass unsere Beziehung in Georgien keine Zukunft hat und dass mein Freund wegen seines kirchlichen Amtes keine Arbeit bekommt. XXXX hat keine Wohnung. Die Gesellschaft würde uns diesen Schritt nie verzeihen. Ich habe auch an meine Kinder gedacht. Ich wollte meine Kinder schonen, dass sie in der Schule nicht gehänselt werden. Dass wir in Georgien ein gemeinsames Leben führen, ist ausgeschlossen, eine Fernbeziehung wollte ich nicht. Nach langen Überlegen entschloss ich mich für eine Ausreise gemeinsam mit meinen Kindern.“ (AS 103 im Akt 2286723-1). Andere Fluchtgründe führte die BF2 auch in der gegenständlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht an („Der Grund war, weil ich mit XXXX zusammenlebe.“ OZ 7, S. 12), auch würde sie keiner sonstigen Gewalt im Herkunftsstaat zum Opfer fallen (Oz 7, S. 13). Die beiden minderjährigen Kinder der BF2 würden keine eigenen Fluchtgründe besitzen (AS 94 im Akt 2286723-1).

Mit diesen Ausführungen wurden daher in keiner Weise und schon gar nicht mit geeigneten Beweisen (gewichtige) Gründe für die Annahme eines Risikos einer asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen Bedrohung oder Gefährdung glaubhaft gemacht.

 

Bezüglich der minderjährigen Kinder BF3 und BF4:

Hinsichtlich der minderjährigen BF3 und des minderjährigen BF4 brachte die BF2 bereits im Zuge der Antragstellung keine eigenen Fluchtgründe vor. Stattdessen führte die BF2 in der Einvernahme vor der belangten Behörde wörtlich aus: „Nein, meine Kinder haben dieselben Gründe wie ich“ (AS 94 im Akt 2286723-1). In der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wird hinsichtlich der Kinder ebenso wenig ein individuelles, der BF3 und BF4 betreffendes Vorbringen erstattet. Eigene Fluchtgründe für die Kinder nannte die BF2, als gesetzliche Vertreterin ihrer Kinder, somit nicht. Mit diesen Ausführungen wurden in keiner Weise und schon gar nicht mit geeigneten Beweisen (gewichtige) Gründe für die Annahme eines Risikos einer asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen Bedrohung oder Gefährdung glaubhaft gemacht.

 

II.2.7.1. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt führte der BF1 im Rahmen der freien Erzählung zum Ausreisegrund detaillierter an: „Im Alter von 24 Jahren bin ich ein Mönch geworden. Ich glaube an Gott und verstehe einige Einzelheiten innerhalb meiner Glaubensrichtung nicht. Es bestehen meinerseits Widersprüche zwischen meinem Glauben und dem, was innerhalb der Kirche passiert. Die Kirche hat großen Einfluss auf das zivile Leben. Die Kirche genießt ein hohes Ansehen. Die Regierung nützt das aus und verlangt, dass die Menschen durch die Kirche manipuliert werden. Die freie Meinung wird somit unterdrückt. Ich war auch ein Teil dieses Regelwerkes. Mit dem bin ich persönlich nicht einverstanden. Ein Priester namens XXXX ist im Glauben, dass ich über Informationen über geheime Absprachen und Videoaufzeichnungen verfüge, welche ihn belasten könnten. Das stimmt jedoch nicht. Ich habe keinerlei Belege über solche Absprachen.

Als Mönch sollte ich eigentlich ehelos bleiben. XXXX weiß, dass ich ausgereist bin und vermutet, dass ich eine Beziehung mit einer Frau habe. Das gilt als „Brechen des Mönchsgelöbnisses“ und stellt meiner Meinung nach einen unverzeihlichen Fehler für XXXX dar. XXXX und seine geistlichen Kollegen sind Fanatiker. Im Jahr 2019 hat XXXX auf den geistlichen Würdenträger namens XXXX geschossen. Er wurde auch inhaftiert und nach drei Jahren freigelassen. Zwei Monate nach seiner Freilassung verstarb XXXX plötzlich, weshalb der Verdacht besteht, dass XXXX ihn umgebracht hat. Der Grund ist, dass XXXX am meisten vom Tod XXXX aufgrund der Stellung in der Diözöse profitiert. Das alles habe ich vorgebracht, um zu unterstreichen, wie gefährlich der Geistliche XXXX ist. Er hat auch Kontakte zum Geheimdienst und wurde vermutlich deshalb nach dreijähriger Haft entlassen, obwohl er zu fünfzigjähriger Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Ich erwarte aufgrund meiner Beziehung zu einer Frau gesellschaftliche Diskriminierung. In Tiflis bin ich bekannt. Ich habe 100.000 Follower auf Facebook und befürchte, dass jeder mit dem Finger auf mich zeigen wird. Meine Beziehung zu einer Frau ist moralisch in der georgischen Gesellschaft nicht vertretbar, weshalb ich befürchte, dass ich weder eine Mietwohnung, noch eine Arbeit finden werde. Auch meine Lebensgefährtin hat dieselben Probleme. Sie wird beschuldigt, eine Beziehung mit einem geistlichen Würdenträger zu führen und wird deshalb auch verachtet werden.“

 

Anhand der Ausführgen des BF1 bei der Einvernahme vor dem BFA erachtet sich dieser, sowie ausweislich seines Vorbringens in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht (OZ 7, S. 9), in seinem Herkunftsstaat als von Personen aus dem Umfeld seines ehemaligen Klerus insbesondere dem Archimandriten, XXXX , aufgrund der intimen Beziehung zu BF2, verfolgt.

 

Aus der Anfragebeantwortung des BFA vom 16.11.2023 geht hervor, dass entsprechend der kirchlichen Kanonik die intime Beziehung zu einer Frau eine Verletzung kircheninterner Regelungen darstellt und als große Sünde gilt, diese aber lediglich eine kirchliche Strafe hervorruft und im äußersten Fall zum Entzug des kirchlichen Grades und zur Ausschließung aus der Kirche führt [Anfragebeantwortung GEORGIEN Recht auf Ehe und Arbeit der kirchlichen Würdenträger der Staatendokumentation vom 16.11.2023, S. 4; dazu im Detail auf S. 5f Anfragebeantwortung GEORGIEN Recht auf Ehe und Arbeit der kirchlichen Würdenträger der Staatendokumentation vom 16.11.2023, VB – Verbindungsbeamter des BM.I für Georgien [Österreich] (15.11.2023): Auskunft des VB, per E-Mail]:

„Eine Verbindungsbeamtin des BM.I für Georgien teilt sogar mit, dass wenn ein Mönch sich dazu entscheidet zu heiraten, und somit auf das Klosterleben zu verzichten, ist dies kein Verstoß gegen die zivile Gesetzgebung des Landes und es gibt somit auch keinerlei strafrechtliche Verfolgungshandlungen. Was die kirchlichen Gesetze betrifft, gilt ein derartiges Handeln als schwere Sünde und man ruft den Sünder auf, zu bereuen. Wenn der Mönch, der gesündigt hat, das kirchliche Leben weiterführen möchte, muss er der Sünde entsagen und kann unter geistlicher Aufsicht (Hierarchische Leitung) seine Tätigkeit im Kloster fortsetzten ([Z]eigen von Reue durch verstärktes Beten, Beichte und [F]asten). Wenn der Sünder bereits einen höheren kirchlichen Grad bekleidet (Mönch-Diakon, Hegumen, Archimandrit usw.), werden zeitweilig (bis zur Besserung) seine kirchlichen Rechte eingestellt. Die kirchliche Strafe soll keine Verfolgung oder Einschränkung darstellen, sondern die Kirche fordert den sündigen Sohn auf, zu bereuen und sich zu bessern. Falls sich ein Vertreter des „schwarzen Priestertums“ dazu entscheidet, zu heiraten (oder ein Vertreter des „weißen Priestertums“ ein zweites Mal zu heiraten), kann keine kirchliche Trauung stattfinden. Die Ehe wird in solchen Fällen standesamtliche (nach Zivilrecht) registriert. […] Ein Verstoß gegen die kirchlichen Gesetze führt zu kircheninternen Regelungen: Das Recht der kirchlichen Tätigkeiten wird eingestellt, im Falle weiteren „Ungehorsams“ wird der kirchliche Grad aberkannt. Gegenüber ehemaligen (ausgeschlossenen) Geistlichen könnte ein Teil der Gesellschaft (und nicht die Kirche) in Einzelfällen möglicherweise eine diskriminierende oder negative Einstellung haben, wobei die Kirche versucht, derartige Reaktionen möglichst gering zu halten.

Für jede Sünde gibt es von der Kirche eine entsprechende Strafe und Epitimie (kirchliche Buße), aber keine Sünde und kein Verstoß gegen das kirchliche Gesetz ruft die physische Bestrafung hervor, insbesondere gerät niemand in Lebensgefahr.“

 

Das erkennende Gericht ist sich bei der derzeitig vorliegenden Sachverhaltslage im Klaren darüber, dass der BF1 durch die Ausreise in das Ausland mit seiner geschiedenen Lebensgefährtin sehr wohl dem Verdacht eines „Bruchs des Mönchsgelübdes“, als Angehöriger der „schwarzen Priesterschaft“, in kirchlichen Kreisen unterliegt, da er sich laut eigenen Angaben - mangels Austritts - unerlaubt als Mönch vom Kloster entfernt hat.

Festzuhalten ist, anhand der vorliegender Anfragebeantwortung, dass im Falle der Rückkehr des BF1 und eines allfälligen Austritts aus der Kirche dies lediglich für den BF1 bedeuten würde, dass er seines kirchlichen Grades entzogen und aus der Kirche ausgeschlossen werden würde. Auch der „Bruch des Mönchgelübdes“ durch eine intime Beziehung zu einer Frau stellt zwar eine Sünde und einen Verstoß gegen das kirchliche Gesetz dar, ruft aber keine physische Bestrafung hervor, insbesondere würde er nicht in Lebensgefahr geraten.

 

II.2.7.2. Betreffend des Vorbringens des BF1 wird die Unglaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte dadurch demonstriert, dass sich die Aussagen des BF1 und der BF2 schon in der Erstbefragung wesentlich in der Intensität der ins Treffen geführten Handlungen seitens Dritter, welche sie bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchten, unterscheiden. So äußert BF2 lediglich Bedenken, dass ihr Lebensgefährte BF1 aus der Kirche verbannt bzw. verdammt werden würde, führt aber entgegen den Ausführungen des BF1 in der Erstbefragung keine Befürchtungen betreffend eine Lebensgefahr durch eine allfällige kircheninterne Sanktionierung des BF1 an:

 

In der Erstbefragung führt BF1 an „ich werde in Georgien diskriminiert. Und mein Leben ist in Gefahr- ich bin in Lebensgefahr, weil ich ein Mönch bin und mich verliebt habe.“ Im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchte BF1, dass „ich umgebracht werde. Meine Liebsten würde ich mit Sicherheit verlieren. Ich habe keine Wohnung, ich habe nichts und würde somit diskriminiert werden. Ich würde auch keine Arbeit bekommen.“

 

BF2 führt hierzu an, „wenn wir zurückkehren würden, würde mein Lebensgefährte von der Kirche verbannt und verdammt werden und ich würde sogar von der eigenen Familie gemobbt werden und ausgestoßen werden.“

 

Feststeht, dass BF2 nur moralische aber keine strafrechtlichen Bedenken bei einer Rückkehr von ihr und ihrem Lebensgefährten aufgrund der Beziehung zwischen den beiden äußert. Entgegen der Ausführungen ihres Lebensgefährten BF1 („mein Leben ist in Gefahr“), führt die BF2 auch in der Erstbefragung keine Bedenken an, dass BF1 Opfer von Gewalt bei einer Rückkehr werden könnte.

 

II.2.7.3. Zum eigentlichen Fluchtgrund des BF1, auf den sich auch die BF2 (und diese auch für die minderjährigen BF3 und BF4) mangels eigener Gründe bezog, ergaben sich sogleich weitere Unplausibilitäten bei der Einvernahme vor dem BFA und in der gegenständlich mündlichen Beschwerdeverhandlung:

 

Wie in der Beschwerdeschrift und in der gegenständlich mündlichen Verhandlung vom BF1 vorgebracht, sei er für den Archimandriten XXXX insbesondere von hohem Interesse, da ihm dieser unterstelle, dass er Beweismittel bzw. einen Speicher besitze, der geheime Informationen beinhalte, die die Kirche und den Staat belasten könnten; eine Begründung wie die Ordensmänner auf den Verdacht des Besitzes des Datenspeichers durch den BF1 und der vertraulich belastenden Informationen im Hinblick auf seine Person kämen, schildert der BF1 weder vor dem BFA noch in der gegenständlichen Verhandlung. Hierzu werden in der Beschwerde lediglich Links zu Videos einer allgemeinen Dokumentarreihe vorgebracht, die die Missbrauchsfälle der georgischen Kirche dokumentieren. Festzuhalten bleibt, dass der BF1 weder in der Beschwerde noch in der gegenständlichen mündlichen Verhandlung vorbringt, dass er konkret in diesen Beiträgen erwähnt oder gezeigt wird.

 

BF2 gibt wiederum in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, dass sie seitens des Klerus bzw. anderer Personen während ihres Aufenthaltes in Georgien keine Drohungen oder Tätigkeiten gegen ihren Lebensgefährten wahrgenommen hätte (OZ 7 S. 13).

Das Vorbringen des BF1 scheint insgesamt in Bezug auf die Unterstellung des Besitzes von Missbrauchsdatenmaterials nicht glaubhaft, da BF2 explizit angibt, dass es während des Aufenthaltes des Lebensgefährten im Herkunftsstaat zu keiner Situation kam, in welcher der BF1 seitens des Klerus mit derartigen Unterstellungen oder Drohungen konfrontiert gewesen ist.

 

Die Unglaubwürdigkeit der BF wird letztlich noch dadurch demonstriert, dass BF2 in der mündlichen Beschwerdeverhandlung kein einziges Mal anführt, dass ihr Lebensgefährte mit einer Lebensgefahr bei einer Rückkehr rechnen müsste oder einer unmenschlichen Behandlung seitens der Kirche ausgesetzt sei. Ihre Aussagen in der gegenständlichen mündlichen Verhandlung stützen sich lediglich auf gesellschaftliche Ächtungen betreffend die Beziehung zwischen den beiden, jedoch nicht auf eine konkrete Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit oder des Lebens ihres Lebensgefährten. Dezidiert befragt vom erkennenden Richter, was geschehen würde, wenn sie in ihr Heimatland zurückkehren müsste, lautete ihre Antwort „Meine Familie würde das zweite Mal zerfallen. Es gibt in Georgien keine gemeinsame Zukunft für uns.“.

 

II.2.7.4. Hinsichtlich der Verfolgung des BF1 durch den Archimandriten XXXX im Herkunftsstaat weist das Vorbringen des BF1 sogleich mehrere Widersprüche auf:

 

So gibt der BF1 in seiner Einvernahme und in der gegenständlichen mündlichen Verhandlung an, sich bis 2020 im Ausland befunden zu haben. Das Schussattentat des Archimandriten XXXX auf den Geistlichen XXXX fand im Jahr 2019 statt, demnach konnte der BF1 den Vorfall der Straftat des versuchten Mordes durch XXXX nur medial bzw. von Aussagen anderer Personen und nicht unmittelbar wahrnehmen. Festzuhalten bleibt, dass der BF1 kein unmittelbarer Zeuge der Straftat ist. Er konnte somit gar nicht persönlich in das Visier des Archimandriten vor dessen Inhaftierung geraten.

Auf die Nachfrage, ob Beweise vorliegen, dass XXXX tatsächlich nach seiner Haftentlassung einen Mord an XXXX begangen habe, antwortete der BF1 mit „nein, nur, dass er auf ihn geschossen hat und auch verurteilt wurde“. Schon die vermutete Verbindung zwischen dem Archimandriten und dem Mord an XXXX und dessen Motiv für die Tötung von XXXX nach seiner Haftentlassung konnte der BF1 selbst nicht schlüssig darlegen; hierzu wurden nur allgemeine Medienberichtserstattungen vorgelegt und stütz sich auch die Aussage des BF1 auf diesen Inhalt.

Feststeht, dass der BF1 einen persönlichen Bezug zu dieser Straftat bzw. dieser kircheninternen Intrige nicht vorweist, da er zu dieser Zeit in Israel aufhältig war und einen anderweitigen Bezug nach der Haftentlassung des Archimandriten auch nicht entsprechend nachweisen konnte.

 

Eine – vergangene, aus dem Jahr 2016, bevor der BF1 sich im Ausland aufhielt - persönliche Verbindung führt er zu keinem Zeitpunkt mit XXXX an und erscheint dies dem erkennenden Gericht auch nicht plausibel.

 

Weiters geht aus der Aussage des BF1 hervor, dass XXXX vom Mord an XXXX profitiert habe, wodurch die Annahme naheliegt, dass beide in der kircheninternen Hierarchie einen konkurrierenden Amtsgrad vorweisen mussten. Zwar führte der BF1 in der gegenständlichen Beschwerdeverhandlung an, dass XXXX nun das Kloster leite, welches er zuvor geleitet habe. Tatsache ist, dass der BF1 lediglich eine Bestätigung der Tätigkeit eines XXXX beim BFA vorlegt, jedoch keine Bestätigung eines Leitungsorganes des Klosters. Denn aus der vom BFA veranlassten Übersetzung der vorgelegten Bestätigung in die deutsche Sprache lässt sich lediglich feststellen, dass der BF1 als Mönch in der Diözese in den Klerus eingegliedert war und sein Amt als XXXX ablegte.

Selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung der Klosterleitung durch den BF1 würde durch eine Rückkehr des BF1 und dessen begangener Sünde - der intimen Beziehung zu einer Frau – dieser Buße ableisten müssen und würde - auch im Hinblick auf die herrschende Hierarchie bei geistlichen Würdenträgern und durch seine unerlaubte Abwesenheit bzw. dem eigenwilligen Entfernen aus dem Kloster - dem derzeitigen Leiter und Archimandriten XXXX sein Amt als Leitungsorgan nicht streitig machen. Eine Auseinandersetzung betreffend einen internen hierarchischen Konkurrenzkampf zwischen dem Archimandriten und dem BF1, wie beim Geistlichen XXXX , kann deshalb bei Rückkehr des BF1 in den Herkunftsstaat ebenso ausgeschlossen werden.

 

Vor dem BFA führt der BF1 weiters aus, dass das Brechen des Mönchgelübdes ein seines Erachtens unverzeihlicher Fehler für den Archimandriten und seine Kollegen sei, da diese alle Fanatiker wären. Der BF1 gab in der gegenständlichen Beschwerdeverhandlung an, dass es für ihn bei Rückkehr nur jene Option gäbe in den Mönchstand zurückzukehren oder dass XXXX und seine Ordensbrüder dies „auf ihre Art“ regeln würden. Bezüglich der Art der Sanktion, wie sich diese im Detail äußern könnte, bringt der BF nur vage vor, um sein Leben zu fürchten und Angst zu haben bei einer Rückkehr festgenommen zu werden. Den Ausführungen in der gegenständlichen Beschwerdeverhandlung, dass ein in Georgien ansässiger Pfarrer Tischgespräche mitbekommen habe, dass der BF1 entweder in das Kloster zurückzukehren habe oder diese dies auf „ihre Art“ klären würden, scheint wenig überzeugend, zumal der BF1 dies erst vor der mündlichen Beschwerdeverhandlung erstmals um den 05.02.2024 erfahren habe, der BF1 die maßgebliche Tatsache einer direkt gegen ihn gerichteten Drohgebärde damit erst sehr spät im Verfahren vorbringt und der BF1 hierzu nur vage Aussagen in Bezug auf die bevorstehende Sanktion äußert.

Bis auf diesen einen Vorfall äußerte der BF1 ansonsten keine weiteren Sachverhalte, von konkreten Drohungen gegen seine Person oder gar gegen BF2, BF3 oder BF4 seitens des Klerus.

 

Eine konkrete Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit des BF1 durch einen kircheninternen Fanatismus des Archimandriten kann das erkennende Gericht bei einer Rückkehr des BF1 in den Herkunftsstaat aufgrund des vagen und widersprüchlichen Vorbringens insbesondere in Bezug auf die vorliegende Anfragebeantwortung vom 16.11.2023 nicht erblicken. Feststeht für das erkennende Gericht, dass hinsichtlich eines Austrittes bzw. des Bruchs des Zölibats auf die Ausführungen unter Punkt II.2.7.1. zu verweisen ist, demnach eine Sünde keine physische Bestrafung oder gar die Gefährdung des Lebens nach kircheninternen Vorschriften oder eine strafrechtliche Verfolgung nach zivilen Gesetzen im Herkunftsstaat nach sich zieht und der BF1 dies mit seinen vagen Ausführungen im Zuge des Verfahrens auch nicht konkret darlegen konnte. Es ist für das erkennende Gericht unplausibel und nicht nachvollziehbar, dass der BF1 bei einer kircheninternen Bestrafung ein Opfer von Gewalt werden würde.

 

II.2.7.5. Die Unglaubwürdigkeit des BF1 wird letztlich noch dadurch demonstriert, dass er angibt, dass er sich vor seiner Ausreise weder an eine Polizeidienststelle, die StA, das Gericht, noch an eine NGO oder den Ombudsmann hätte wenden können, da XXXX im Herkunftsstaat außergewöhnlich gut vernetzt sei (OZ 7, S. 10). Laut Angaben des BF1 pflege XXXX Kontakte zu Sicherheitsbehörden, da dieser nach seiner Inhaftierung und der begangenen Straftat 2019 nach dreijähriger Haft, frühzeitig aufgrund seiner Beziehungen zu Sicherheitsdiensten entlassen worden wäre. Bei hypothetischer Wahrunterstellung des Vorbringens des BF1, dass XXXX Kontakte zu den Sicherheitsbehörden habe und von ihm ein Gefährdungspotenzial ausgehe, erschließt sich dem erkennenden Gericht aus dem nachstehend Dargelegtem eine persönliche Verfolgung durch den Archimandriten aufgrund des widersprüchlichen Vorbringens des BF1 dennoch nicht:

 

Ein Indiz, das gegen eine Verfolgung der BF im Herkunftsstaat durch XXXX spricht, ist unter anderem, der Umstand, dass der BF1 legal unter Verwendung des eigenen Reisepasses von Georgien mit dem Auto nach Polen und BF2, BF3 und BF4 unter Verwendung der eigenen Reisepässe auf dem Luftweg nach Krakau ausgereist sind. Würden die BF, insbesondere der BF1, tatsächlich eine Verfolgung von staatlichen Stellen, dem Geheimdienst oder Sicherheitsbehörden aufgrund der Kontakte von XXXX ausgesetzt sein, wäre eine Ausreise auf legalem Weg wohl nicht möglich gewesen. Selbst wenn die Beziehung zur BF2 bis zu ihrer Ausreise nach Polen noch geheim geblieben wäre, wäre die Annahme schlüssig, dass zumindest der BF1 auf einer Fahndungsliste erfasst gewesen wäre – vor allem im Hinblick auf den unterstellten Besitz des Datenspeichers der die Missbräuche innerhalb der Kirche belege.

Das vorgebrachte Ausreisevorgehen des BF1 erweist sich jedenfalls bei einer präventiven Flucht vor dem Archimandriten für das erkennende Gericht als unplausibel: So untermauert der BF1 in der gegenständlichen Beschwerdeverhandlung noch, in Bekleidung eines Geistlichen gereist zu sein, vorgegeben zu haben sich in Griechenland medizinisch behandeln zu lassen und so tätlichen Angriffen im Herkunftsstaat entgangen zu sein (OZ 7, S. 10). Dazu ist anzumerken, dass die Ausreisemodalitäten des BF1 nicht nachvollziehbar erscheinen, da von einer flüchtigen bzw. gefährdeten Person ausgegangen werden kann, dass diese gerade nicht in jener Bekleidung ausreist, die ihre Identität wiedergibt und sich mit einem potenziellen Fahndungsprofil als identisch erweisen könnte. Denn durch die Ausreise in einer geistlichen Robe hätten die Behörden - bei tatsächlich vorliegenden Kontakten des Archimandriten zu den Sicherheitsbehörden oder zum Geheimdienst - den BF1 als flüchtigen Mönch unmittelbar ausgekundschaftet und identifiziert.

 

II.2.7.6. In der Beschwerdeschrift und in der gegenständlichen Beschwerdeverhandlung wird weiters vorgebracht, dass die georgisch-orthodoxe Kirche im Besitz von Waffen sei:

In Vorlage wird vom BF1 ein Foto von seiner Person in einer schwarzen Bekleidung posierend mit einer Kalaschnikow gebracht. Anhand des vorgelegten Bildmaterials lässt sich für das erkennende Gericht weder ein konkreter Zeitpunkt der Aufnahme - mangels Angabe eines Datums – ableiten, noch eine konkrete für den Sachverhalt relevante Gefährdungssituation erblicken und unterlässt der BF1 in der gegenständlichen Beschwerdeverhandlung eine Erläuterung, warum die zweite Person neben dem BF1 hier situativ eine Kalaschnikow hält. Generell kann in Ermangelung konkreter Ausführungen des BF1 zum situativem Verwendungszweck der Waffe überhaupt nichts aus dem Bildmaterial für das erkennende Gericht gewonnen werden.

Einen Nachweis, dass es zum Tagesgeschäft in Georgien gehöre, dass unter Ordensmänner Waffen zum Einsatz kämen oder das geistliche Würdenträger Waffengewalt auch gegen Personen richten würden, erbringt der BF1 mangels detailreicher Ausführungen nicht.

Weder den vorliegenden Länderfeststellungen noch der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 16.11.2023 lässt sich entnehmen, dass es im Herkunftsstaat des BF1 Gebrauch ist, dass Geistliche Waffengewalt anwenden.

 

Resümierend erweist sich für das erkennende Gericht das Fluchtvorbringen des BF1 als nicht glaubhaft. Die ins Treffen geführten Befürchtungen des BF1 von Ordensmänner wegen der intimen Beziehung zu einer Frau und des „Bruchs des Mönchsgelübdes“ getötet zu werden oder anderen physischen Bestrafungen ausgesetzt zu sein, gehen auch aus der Anfragebeantwortung und der Stellungnahme eines Verbindungsbeamten des BM.I Georgien – unter Punkt II.2.7.1. - dezidiert nicht hervor. Demnach gebe es für jede Sünde von der Kirche zwar eine entsprechende Strafe und Epitimie (kirchliche Buße), aber rufe keine Sünde – somit auch die intime Beziehung zwischen einer Frau und einem geistlichen Würdenträger – eine physische Bestrafung hervor oder würde dadurch gar der Sünder in Lebensgefahr geraten.

Auch die vorgelegten Links zu Berichten und Videomaterial aus dem Internet (YouTube), welche in der Beschwerdeschrift angeführt werden, sind jedenfalls nicht geeignet, eine asylrelevante Verfolgung des BF1 zu begründen. Das es vereinzelte Übergriffe auf Ordensmänner im Herkunftsstaat gibt, vermag nichts an der Unglaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte der BF zu ändern. Die Videos vermögen eine persönliche Betroffenheit des BF1 jedenfalls nicht zu dokumentieren.

 

Selbst wenn gerichtlich strafbare Handlungen durch einzelne fehlgeleitete Ordensmänner verübt werden würden, sind hinsichtlich des Herkunftsstaates Georgien die Polizei bzw. staatlichen Behörden schutzfähig und schutzwillig. Auch wenn ein solcher Schutz nicht lückenlos (so wie in keinem Staat auf der Erde) möglich ist, stellen die geschilderten Drohungen in ihrem Herkunftsstaat offensichtlich amtswegig zu verfolgende strafbare Handlungen dar und existieren andererseits im Herkunftsstaat Behörden, welche zur Strafrechtspflege bzw. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit berufen und auch effektiv tätig sind. Die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Behörden ist somit gegeben. Zudem unterließen es die BF, sich an den Ombudsmann oder eine NGO im Herkunftsstaat zu wenden.

 

II.2.7.7. Unabhängig davon tragen auch noch zusätzliche Widersprüche im Verfahren zum Zweifel an der Glaubwürdigkeit des BF1 und der BF2 bei:

 

Die BF durchreisten auf ihrem Weg nach Österreich mehrere als sicher geltende Staaten. In diesen suchte sie nicht um Schutz an. Es wurde nicht dargelegt, dass ihnen dort die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nicht auch möglich gewesen wäre oder, dass Flüchtlinge dort keinen Schutz erlangen könnten. Dies zeigt sich im Allgemeinen etwa durch die Angaben des BF1 und der BF2 in der Einvernahme vor der belangten Behörde, indem sie ausführten, dass sie weder während ihres Aufenthaltes in Polen noch der Slowakei einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.

In der gegenständlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung führte der BF1 befragt vom erkennendem Richter, weshalb er nicht schon in anderen Ländern, in welchen er in Sicherheit gewesen wäre, einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, zudem aus: „Dort habe ich gearbeitet. In der Slowakei hatte ich ein einjähriges Arbeitsvisum. (…)“. Auch gab der BF1 an, lediglich der Arbeit wegen dort vorerst verblieben zu sein: „Ich habe zwei Monate als UBER-Fahrer gearbeitet, dann habe ich diese Arbeitsmöglichkeit in der Slowakei gefunden. Einen Monat brauchte ich, meine Unterlagen zu besorgen. Ich musste mich auch erkennungsdienstlich behandeln lassen und erhielt eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung. Der erwartete Lohn von € 1.250.- wurde nicht ausbezahlt. Bekommen habe ich € 850,-. Davon musste ich € 550.- für die Unterkunft bezahlen. Aus diesem Grund entschlossen wir uns, nach Valencia zu reisen und uns dort nieder zu lassen.“ (OZ 7, S. 6 f).

 

Dafür, dass der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag nicht deshalb stellte, um Schutz vor einer Verfolgung im oben genannten Sinne zu erlangen, entspricht es auch den Angaben, welche der BF1 und die BF2 im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde tätigten, indem sie Spanien als Zielland angaben und, dies damit begründeten, dass dort Freunde und Bekannte leben würden.

Fakt ist, und wird dies auch in der Beschwerdeschrift vorgebracht, dass diesen Bekannten in Spanien der Asylstatus als laisierte Mönche mit Familie zuerkannt worden ist.

Befragt in der Einvernahme vom BFA, ob der BF1 Österreich vor seiner ersten Einreise kannte, antwortete er lediglich „Nein. Ich hörte von Österreich und hörte auch, dass das Asyl-Regelwerk sehr streng ist“.

Jegliche Intention einen Asylantrag aufgrund einer Verfolgung zu stellen, dürfte der BF1 somit erst im Zuge der Anhaltung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des bewussten illegalen Aufenthaltes im EWR-Raum und einer potenziellen Verbringung in den Herkunftsstaat in Österreich in Erwägung gezogen haben.

Dem BF1 war demnach – aufgrund der oben dargelegten Ausführungen im Verfahren - sehr wohl bewusst, in welchem Land und unter welchen Voraussetzungen beziehungsweise mit welchem Vorbringen er einen Status als Asylberechtigter zuerkannt bekommen würde. Aus den oben dargelegten Ausführungen des BF1 kann somit insgesamt auch für das erkennende Gericht geschlossen werden, dass der BF1 sich über die asylrelevanten Regelwerke und deren länderspezifische Restriktion bewusst war. Bezugnehmend auf das soeben Dargelegte ist hier durchaus ein Motiv für die persönliche Tendenz zur Unwahrheit (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage, Rz 246ff) in jenen Bereichen, die der zentralen Antragsbegründung im Verfahren über internationalen Schutz dienen, erkennbar.

 

Im Generellen sei angeführt, dass es der allgemeinen Lebenserfahrung oftmals im Wunsch der Erlangung eines Aufenthaltsrechtes und/oder wirtschaftlichen Verbesserung begründet ist, sodass Antragsteller geneigt sind, ihre persönliche Ausreisemotivation bzw. Rückkehrbefürchtung nicht den realen Tatsachen entsprechend darzustellen, zuweilen ist der äußere Einfluss im Asylverfahren erfahrungsgemäß durch Schlepper, gesetzliche Belehrungen über Tatbestandsvoraussetzungen zur Erlangung eines Status und (Rechts)Beratungssysteme in notorisch bekannter Weise derart auch ausgeprägt.

Zudem besteht idR auch keine Gefahr, dass sich die BF wegen einer derartigen, wissentlichen Falschaussage im Asylverfahren vor der Polizei, dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht strafbar machen.

 

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass es den BF jederzeit offensteht, wieder nach Österreich oder einem anderen EWR-Staat einzureisen und sie sich auf legalem Wege um ein Aufenthaltsrecht für Österreich zu bemühen, sowie dies der BF1 in der Slowakei nach eigenen Angaben bereits initiierte.

 

II.2.8. Für die minderjährigen BF3 und BF4 wurden von der BF2 keine anderen Gründe vorgebracht. Festgehalten wird abschließend, dass die BF2 in der mündlichen Verhandlung dezidiert befragt wurde, ob sie persönlich jemals Tätlichkeiten oder Bedrohungen ausgesetzt gewesen wäre. Ihre Antwort lautete unmissverständlich Nein (Oz 7, S. 13).

 

Für das Bundesverwaltungsgericht steht deswegen zweifelsfrei fest, dass die BF aus rein wirtschaftlichen Gründen in das Gebiet der Europäischen Union und im Zuge der Reiseroute nach Österreich geflüchtet sind und es sich bei den Ausreisegründen lediglich um ein konstruiertes Vorbringen handelt. Die BF können somit jedenfalls nach Georgien zurückkehren, wo noch die gesamte Verwandtschaft der BF2 und die Tochter des BF1 ihren Lebensmittelpunkt begründen. Zusammenfassend ist zum Vorbringen auszuführen, dass das erkennende Gericht zur Überzeugung gelangte, dass in den Angaben der BF glaubwürdige Anknüpfungspunkte oder Hinweise für eine individuelle Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention nicht erkennbar waren.

 

Dazu ist grundsätzlich in diesem Zusammenhang auszuführen, dass etwaige wirtschaftliche oder private Schwierigkeiten objektiv nicht dazu geeignet sind, die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zu begründen. Der bloße Wunsch in Österreich ein besseres Leben aufgrund eines erhofften leichteren Zugangs zum Arbeitsmarkt zu haben, vermag die Gewährung von Asyl jedenfalls nicht zu rechtfertigen.

 

II.2.9. Schließlich ist im vorliegenden Beschwerdefall zu beachten, dass es sich bei den beschwerdeführenden Parteien, BF2, BF3 und BF4 um eine Familie mit zwei minderjährigen Kindern und damit um besonders vulnerable und besonders schutzbedürftige Personen handelt. Diese besondere Vulnerabilität ist bei der Beurteilung, ob den beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung ihrer durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung damit, welche Rückkehrsituation die BF tatsächlich vorfinden (siehe dazu statt aller VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336 mwN; VfGH 11.12.2018, E 2025/2018).

 

In der Beschwerdeschrift wird ausgeführt, dass Diskriminierungen und Stigmatisierungen, welche aus der Beziehung von BF1 und BF2 gesellschaftlich resultieren, sich auf die beiden minderjährigen Kinder BF3 und BF4 niederschlagen würden.

 

Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass die minderjährigen BF keiner besonders gefährdeten Gruppe angehören und ist auch von einer Rückkehr der minderjährigen BF gemeinsam mit ihrer Mutter davon auszugehen, dass die Betreuung, Erziehung und Beaufsichtigung der Minderjährigen sichergestellt ist.

 

Das Bundesverwaltungsgericht kann außerdem in Ansehung der minderjährigen BF nicht die reale Gefahr erkennen, im Rückkehrfall von häuslicher Gewalt betroffen zu sein. Die Mutter vermitteln den Eindruck, am Wohlergehen ihrer beiden Kinder sehr interessiert zu sein. Ergänzend sei angeführt, dass der Kindesvater sich laut den Ausführungen der BF2 derzeit in der Slowakei aufhält (AS 98, Akt 2286723-1). Hinweise auf gewalttätige Übergriffe auf die Minderjährigen im Bundesgebiet liegen nicht vor. Ausgehend davon ist auch nicht zu besorgen, dass die minderjährigen BF im Rückkehrfall einem davon abgeleiteten Risiko ausgesetzt würden oder sie sonst von häuslicher Gewalt betroffen wären.

In Georgien ist die Grundversorgung mit Nahrung und medizinische Versorgung gegeben und steht den schulpflichtigen Kindern auch ein Zugang zum Schulsystem offen. Ob der obenstehenden Erwägungen und den getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsregion der BF ist nicht zu besorgen, dass die minderjährigen BF als besonders vulnerable Personen im Rückkehrfall von terroristischen oder kriminellen Aktivtäten betroffen wären. Aufgrund der Verfahrensergebnisse ist auch nicht davon auszugehen, dass sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit sonstiger Gewalt zum Opfer fallen würden. Ein dahingehendes Vorbringen wurde im Verfahren nicht erstattet und es kann das Bundesverwaltungsgericht in Ansehung der persönlichen Profile der BF auch kein amtswegig wahrzunehmendes besonderes Gefährdungsmoment erkennen.

 

Aufgrund der oben dargelegten Erwägungen zur sozioökonomischen Lage kann schließlich nicht die reale Gefahr erkannt werden, dass die BF im Rückkehrfall von einer unzureichenden Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern oder von Unterernährung betroffen wären. Hinweise auf Versorgungsengpässe bzw. Engpässe bei der Versorgung mit Gütern, die Kinder für ihre Bedürfnisse benötigen, liegen ausweislich der Feststellungen nicht vor.

 

Ausgehend von den persönlichen Profilen der BF und den Erwägungen zur Lebensgrundlage im Herkunftsstaat geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass den minderjährigen BF im Wege der Versorgung durch ihre Mutter und den zahlreichen Verwandten in Georgien nicht nur eine hinreichende Absicherung im Hinblick auf die Güter des täglichen Bedarfs, sondern insbesondere auch im Hinblick auf ihre altersgerechten Bedürfnisse erfahren werden.

 

II.2.10. Die wirtschaftliche Lage stellt sich für die BF bei einer Rückkehr nach Georgien ausreichend gesichert dar. Die Feststellungen zu den Familienangehörigen und deren Aufenthalt ergeben sich aus den Angaben der BF im Asylverfahren.

 

Für den Fall einer Rückkehr ist demnach nicht davon auszugehen, dass den BF ihre Lebensgrundlage entzogen wäre. Laut Länderinformationen gibt es in Georgien zudem für Familien, welche unter der Armutsgrenze leben, die Möglichkeit, um Sozialhilfe anzusuchen bzw. Wohnmöglichkeit zu erhalten.

 

Gemäß § 52a BFA-VG kann auch eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für den Neubeginn in der Republik Georgien gewährt werden. Rückkehrerinnen werden auf Basis dieser gesetzlichen Grundlage vom ersten Informationsgespräch bis zur tatsächlichen Rückreise in einer Einrichtung beraten, begleitet und umfassend unterstützt. Die Bereitschaft zur Rückkehr ist darüber hinaus eng verbunden mit der Schaffung von Überlebensgrundlagen im Herkunftsstaat. Abgestimmt auf die individuelle Situation der Rückkehrenden sind verschiedene Formen der Unterstützung notwendig bzw. möglich:

 

Schaffung des Zugangs zu Wohn-, Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeiten; Beschaffung von Arbeitsgeräten; Vermittlung zu den Hilfsorganisationen im Heimatland; finanzielle Unterstützung. Durch den Aufbau eines Netzwerkes von Kontakten zu Hilfsorganisationen in den jeweiligen Rückkehrländern soll der Neubeginn der rückkehrenden, in der Regel entwurzelten Menschen während der Anfangsphase erleichtert werden (vgl. hierzu www.verein-menschenrechte.at und www.caritas.at/return ).

Rückkehrerinnen, die Unterstützung benötigen, sind bislang vor allem auf Familie und Freunde angewiesen. Internationale Organisationen – wie IOM, ICMPD –bieten ebenfalls Unterstützung an.

Um die Reintegration der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, wurden 650.000 Lari (ca. 216.460 Euro) aus dem Staatshaushalt 2018 bereitgestellt, die an förderungswürdige NGOs verteilt werden:

- Öffentliche Fürsprache" - Tiflis, Kvemo Kartli, Mtskheta-Mtianeti

- Samtskhe-Javakheti Regionalverband "Toleranti" - Samtskhe-Javakheti, Shida Kartli

- Stiftung "AbkhazInterncont"(AIC) - Samegrelo-Zemo Svaneti

- Vereinigung junger Wissenschaftler "Intellekt" - Adjara, Guria

- Fonds "AbkhazInterncont"(AIC) - Racha-Lechkhumi, Kvemo Svaneti

- Kakheti Regional Development Foundation (KRDF) – Kakheti

 

Um den Wiedereingliederungsprozess der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, werden die NGOs die folgenden Dienstleistungen für die Begünstigten erbringen – gültig für das gesamte Staatsgebiet:

- Bereitstellung von medizinischer Behandlung und Medikamenten

- Finanzierung einkommensschaffender Projekte

- Unterstützung der beruflichen Weiterbildung/Umschulung und Qualifizierung der

Begünstigten

- Bereitstellung von temporären Unterkünften (SCMI 9.3.2018).

 

Im staatlichen Programm sind jene teilnahmeberechtigt, die georgische Bürger oder staatenlos sind und über eine Aufenthaltsbewilligung verfügen; sich mehr als ein Jahr illegal im Ausland aufgehalten haben oder im Ausland um Asyl angesucht haben, und seit weniger als einem Jahr in Georgien sind (MRA o.D.). Der BF erfüllen somit die Voraussetzungen für die Teilnahme an diesem staatlichen Programm.

 

In diesem Zusammenhang darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die rechtsfreundlich bzw. durch eine im Asyl- und Fremdenwesen versierte Organisation vertretenen BF im Rahmen der ihnen bekannten Obliegenheit zur Bescheinigung ihres Vorbringens keinen einzigen Beleg über das Nichtvorhandensein von Wohnmöglichkeiten in Georgien vorlegten.

Auch aufgrund des ergänzendem Ermittlungsverfahren und im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergab sich keine andere Einschätzung des Sachverhaltes, wie dies bereits vom Bundesamt aufgezeigt wurde.

 

Die BF verfügen über ein verwandtschaftliches und soziales Netz, welches sie bei der Existenzsicherung unterstützten kann. BF2 führt in der gegenständlichen Beschwerdeverhandlung sogar an Kontakt zu den nächsten Verwandten, vor allem ihrer Mutter, welche in Georgien als XXXX berufstätig ist, zu haben.

 

Neben der staatlichen Sozialhilfe kann auch vom österreichischen Staat Rückkehrhilfe, insbesondere für BF1, gewährt werden. Auch internationale Organisationen bieten für Rückkehrer Unterstützung an.

 

II.2.11. Die Monierungen in der Beschwerde sind unbeachtlich, weil das Bundesamt das Vorbringen der BF ausreichend und umfangreich gewürdigt und abgeklärt und somit die gebotene Tiefe mehr als erfüllt hat. Jede Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stellt zudem eine Einzelfallentscheidung mit Prüfung des konkreten Sachverhalts dar, sodass keine Bindungswirkungen zu anderen Entscheidungen bestehen, weshalb die in der Beschwerde zitierten Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte nicht zu einer anderen Beurteilung führen können. Derartige Umstände wären weder belegt, noch auf den jeweiligen Einzelfall zu übertragen.

 

Die BF verließen Georgien aus rein wirtschaftlichen Gründen, ohne jedoch einer asylrelevanten individuellen Gefährdung ausgesetzt gewesen zu sein.

 

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372 mwN).

 

II.2.12. Zur Lebenspartnerschaft zwischen BF1 und BF2 führen beide in der gegenständlichen Beschwerdeverhandlung und in der Beschwerdeschrift aus, dass eine öffentlich gelebte Beziehung von laisierten Mönchen zu massiven Diskriminierungen im Herkunftsstaat führe und BF1 mit einer Verbannung aus der Kirche zu rechnen habe. Arbeitsmöglichkeiten und die Suche nach einer Unterkunft würden sich demnach bei einer Rückkehr als Herausforderung gestalten.

 

Im Lichte der vorliegenden Länderfeststellungen (Abschnitt Religionsfreiheit) sieht die Verfassung Religionsfreiheit sowie eine Trennung von Kirche und Staat vor. Die Verfassung verbietet religiöse Verfolgung und erkennt die Gleichheit für alle ungeachtet der Religion an, vorbehaltlich von Erwägungen der öffentlichen Sicherheit oder Gesundheit oder der Rechte anderer.

 

Aus der Anfragebeantwortung GEORGIEN Recht auf Ehe und Arbeit der kirchlichen Würdenträger der Staatendokumentation auf die Beantwortung der Frage „Wenn ein Mönch oder ein Diakon sich vom Zölibat abwendet, erlebt er Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt? Stehen ihm als einem ehemaligen Mönch/Diakon bei der Wahl des weiteren Berufs (wie beispielsweise „Mechatroniker“) Hindernisse im Wege?“ vom 16.11.2023 geht hervor (S. 6f) weiters hervor:

 

„Von der Kirche gibt es keinerlei Hindernisse diesbezüglich. Im Gegenteil, einige dieser Personen werden sogar von der Kirche beschäftigt. Allerdings kann es in Einzelfällen vorkommen, dass private Arbeitgeber, Personen, die vom Kloster ausgewiesen wurden und verheiratete Geistliche in ihren Firmen nicht beschäftigen wollen.“

 

Aus der vorliegenden Anfragebeantwortung geht hervor, dass es vereinzelt zu Diskriminierungen bei der Arbeitssuche kommen könnte, die Kirche aber sogar einige dieser Personen weiterhin als Arbeitnehmer beschäftigt. Eine Eingliederung in das Zivilleben ist nach Austritt als geistlicher Würdenträger demnach möglich. Auch ist es für das erkennenden Gericht - entgegen den Ausführungen der BF vor der belangten Behörde - nicht plausibel im Lichte der Anfragebeantwortung vom 16.11.2023, dass der BF1 im gesamten Staatsgebiet keine Beschäftigung erlangen könnte, zumal es BF1 nach dem Verlassen der Diözese am 28.12.2022, bis zur Ausreise am 05.05.2023, in Georgien, Tiflis, weiterhin möglich war, zu leben und sich zu versorgen. Es wurde diesbezüglich keine Angaben hinsichtlich einer Notlage seitens des BF1 geäußert. Zudem gibt der BF1, befragt zu seiner finanziellen Situation im Herkunftsstaat, an, dass seine finanzielle Situation besser als mittelmäßig gewesen sei (AS 76, Akt 228676-1).

 

Auf Nachfrage der Behörde, ob es für BF1 und BF2 nicht auch möglich sei, in eine andere Region des Herkunftsstaates wie etwa Batumi oder Rustavi sich niederzulassen (AS 81, Akt 228676-1), antworte der BF1 nur, dass Georgien klein sei und er in Tiflis bekannt sei. Es handelt sich nach eigenen Angaben beim BF1 um einen Mönch und keinen exponierten Amtsträger in der georgisch-orthodoxen Kirche. Fakt ist, dass eine Nachschau in Google ergibt, dass Georgien 3,7 Millionen Einwohner hat. Der BF1 gibt an 100.000 Follower bei seinem Facebook-Profil zu haben. In Relation zur Gesamteinwohnerzahl Georgiens erblickt das erkennende Gericht einen sehr geringen Bekanntheitsgrad im Herkunftsstaat. Eine landesweite Popularität des BF1, welche ihn aufgrund der Partnerschaft zu BF2 als kirchlicher Würdenträger in der gesamten georgischen Gesellschaft diskreditiert, kann ausgeschlossen werden und wird auch nicht substantiell behauptet. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihm im gesamten Herkunftsstaat von sämtlichen Arbeitgebern oder Vermietern aufgrund seines Bekanntheitsgrades als (einst) geistlicher Würdenträger und der augenscheinlichen Beziehung zu BF2 keine Arbeits- und Wohnmöglichkeit offensteht, kann vom erkennenden Gericht nicht erblickt werden.

 

Weiters ist der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation durch Anfrage des BFA vom 16.11.2023 sogar zu entnehmen, dass es zu vereinzelten Diskriminierungen kommen könne und es vorkommen kann, dass private Arbeitgeber, Personen, die vom Kloster ausgewiesen wurden in ihren Firmen nicht beschäftige, jedoch die Kirche sogar versuche, derartige Reaktionen gering zu halten.

 

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes sind die BF in der Lage, ihr Auskommen im Herkunftsstaat zu bestreiten. Dass die Wirtschaftslage in Georgien derzeit unzureichend sein mag, stellt aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes in Anbetracht des persönlichen Profils der BF und der bestehenden Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat keine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK dar. Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet auch nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH 17.09.2019, Ra 2019/14/0160).

 

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht, Sicherer Herkunftsstaat

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Dass Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idgF geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) zu überprüfen.

 

II.3.1.2. Familienverfahren gemäß § 34 AsylG:

 

Stellt ein Familienangehöriger von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist (Z 1); einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist (Z 2) oder einem Asylwerber (Z 3) einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt gemäß § 34 Abs. 1 AsylG dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Gemäß § 34 Abs. 5 AsylG gelten die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

 

Der BF1 und BF2 leben in einer Partnerschaft und ist BF2 die Mutter der minderjährigen BF3 und BF4. Hinsichtlich der BF2, 3 und 4 liegt daher ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

 

Zu A)

II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

II.3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

 

„§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) …

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1.

dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2.

der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

...“

 

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen war.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

II.3.2.2. Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (in etwa VwGH vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731; vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre überhaupt fraglich, ob unter solchen Umständen noch von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (vgl. VwGH vom 20.05.2015, Zl. Ra 2015/20/0030 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153).

 

Die StatusRL 2011/95/EU sieht einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0597 und vom 01.09.2005, 2005/20/0357).

 

II.3.2.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:

 

Es ist festzuhalten, dass die BF keine Fluchtgründe ins Treffen führten, die auf eine persönliche Verfolgung im Herkunftsland im Sinne der GFK, mithin aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung schließen lassen.

 

Auch eine Verfolgung durch staatliche Behörden bzw. dass eine solche Verfolgung durch staatliche Behörden drohen würde, wurde von den BF nicht in substantiierter Weise behauptet oder belegt. Aber selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens würde eine Schutzgewährung ausscheiden. Hinsichtlich Georgien ist festzuhalten, dass die Polizei bzw. staatlichen Behörden schutzfähig und schutzwillig sind. Auch wenn ein solcher Schutz nicht lückenlos, wie in keinem anderen Staat der Erde sonst auch möglich ist, stellen die geschilderten Vorfälle einzelner geistlicher Würdenträger in ihrem Herkunftsstaat offensichtlich amtswegig zu verfolgende strafbare Handlungen dar und existieren andererseits im Herkunftsstaat Behörden, welche zur Strafrechtspflege bzw. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit berufen und auch effektiv tätig sind. Die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Behörden ist somit gegeben. Zudem wäre es BF1 freigestanden, sich an eine Polizeidienststelle, eine StA ein Gericht oder einer NGO oder den Ombudsmann zu wenden. Letztgenannter unterstützt Personen auch bei rechtswidrigem Verhalten durch Privatpersonen.

 

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft, wobei als zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ erachtet wird. Diese ist dann gegeben, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist.

 

II.3.2.4. Wie im gegenständlichen Fall aber bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen der BF zum behaupteten Ausreisegrund insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr „Status eines Asylberechtigten“] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

 

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die von den BF behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Im vorliegenden Fall gelangt das Bundesverwaltungsgericht aus oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich erörterten Gründen zum Ergebnis, dass die BF keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt waren oder im Fall der Rückkehr ausgesetzt wären, sodass internationaler Schutz nicht zu gewähren ist. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

 

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

 

Bezüglich der Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, bleibt festzuhalten, dass diese keine Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes darstellen, da alle Bewohner gleichermaßen davon betroffen sind.

 

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur hinzunehmen sind, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe hat, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die etwa in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstiger Unruhen entstehen, ein Standpunkt den beispielsweise auch das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft in Punkt 164 einnimmt (VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798). Die Beschwerdeführer sind außerdem christlich-orthodoxen Glaubens, sie haben demnach im Fall einer Rückkehr insbesondere keine Schwierigkeiten aufgrund ihres Religionsbekenntnisses zu befürchten.

 

II.3.3. Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:

„§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.

der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 … zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.

…“

 

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

 

Art. 2 EMRK lautet:

„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.“

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

 

Art. 3 EMRK lautet:

„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

 

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

 

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

 

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

 

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffenen Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

 

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

 

Gem. der Judikatur des EGMR muss ein BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

 

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

 

Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinn des Art. 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solch innerstaatlich bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (VG München 13.05.2016, M 4 K 16.30558).

 

Dabei ist zu überprüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende und damit allgemeine Gefahr in der Person des Beschwerdeführers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Bedrohung darstellt. Eine allgemeine Gefahr kann sich insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH U. 17.02.2009, C-465/07). Ob eine Situation genereller Gewalt eine ausreichende Intensität erreicht, um eine reale Gefahr einer für das Leben oder die Person zu bewirken, ist insbesondere anhand folgender Kriterien zu beurteilen: ob die Konfliktparteien Methoden und Taktiken anwenden, die die Gefahr ziviler Opfer erhöhen oder direkt auf Zivilisten gerichtet sind; ob diese Taktiken und Methoden weit verbreitet sind; ob die Kampfhandlungen lokal oder verbreitet stattfinden; schließlich die Zahl der getöteten, verwundeten und vertriebenen Zivilisten (EGRM U 28.06.2011, Sufi/Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 8319/07, 11449/07).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt jedoch nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; EGMR U 20.07.2010, N. gegen Schweden, Nr. 23505/09; U 13.10.2011, Husseini gegen Schweden, Nr. 10611/09). Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, zur Lage in Bagdad). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).

 

Im Hinblick der Gefahrendichte ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die der Beschwerdeführer typischerweise zurückkehren wird. Zur Feststellung der Gefahrendichte kann auf eine annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung zurückgegriffen werden. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (dt BVerwG 17.11.2011, 10 C 13/10).

 

Dessen ungeachtet sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch dann abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (§ 8 Abs. 3 AsylG 2005).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen im Übrigen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141).

 

II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der BF scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

 

Da sich der Herkunftsstaat der BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

 

Es kann auch nicht erkannt werden, dass den BF im Falle einer Rückkehr nach Georgien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), haben doch die erwachsenen BF selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung nach Georgien jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und BF1, BF2 und die beiden minderjährigen Kinder BF3 und BF4 der BF2 in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

 

II.3.3.3. Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht über eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

 

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die BF somit nicht in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden.

 

Weder droht den BF im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten gewährleisteten Rechte, noch bestünde die Gefahr, der Todesstrafe unterzogen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen, sodass der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu Recht abgewiesen wurde.

 

II.3.4 Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

II.3.4.1. Gesetzliche Grundlagen:

 

§ 10 AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.“

 

§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG),

BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

 

§ 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln:

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.“

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.

 

§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I. Nr. 68/2017 aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt – EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

 

§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.

 

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

 

II.3.4.2. Die gegenständlich in Österreich gestellten Anträge auf internationalen Schutz wurden abgewiesen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel der drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fallen die BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

 

Es liegen keine Umstände vor, dass den BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

II.3.4.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

 

II.3.4.4. Die BF haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keinen ihnen nahestehenden Person zusammen. Die BF leben von der Grundversorgung und besuchen seit kurzer Zeit Deutschkurse. Eine Prüfung wurde bis dato nicht absolviert. Sie sind in keinen Vereinen oder Organisationen Mitglieder und BF1 leistete als Volontär vom 13.11.2023 bis 11.12.2023 beim XXXX . Es wurden für BF1 und BF2 keine Unterstützungsschreiben und keine Einstellungszusagen eingebracht. Die BF sind außerhalb der Familie für niemanden sorgepflichtig. Die BF3 besucht die Schule, die BF4 wird zu Hause von der Mutter umsorgt und besucht keinen Kindergarten. Die BF sind im Bundesgebiet strafrechtlich bislang unbescholten bzw. strafunmündig.

 

Die Rückkehrentscheidung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, sondern allenfalls einen solchen in das Privatleben.

 

II.3.4.5. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

 

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

 

Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der geltenden Judikatur Folgendes:

- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Die BF sind seit 13.09.2023 in Österreich aufhältig. Sie reisten legal aus Georgien aus und in das Gebiet der EU (zuvor Polen, dann Slowakei) ein. Sie reisten spätestens am 09.09.2023 im Zuge ihrer Durchreise in das Bundesgebiet ein. Die BF konnten ihren Aufenthalt lediglich durch die Stellung der unbegründeten Anträge auf internationalen Schutz vorübergehend legalisieren. Hätten sie diese unbegründeten Asylanträge nicht gestellt, wären sie rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würden.

 

- das tatsächliche Bestehen eines Privatlebens:

Der BF verfügen über keine relevanten privaten Anknüpfungspunkte.

 

- die Schutzwürdigkeit des Privatlebens

Die BF begründeten ihr Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt lediglich durch die Stellung der unbegründeten Asylanträge vorübergehend legalisiert war. Auch war der Aufenthalt der BF zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privatlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt.

 

Letztlich ist auch festzuhalten, dass die BF nicht gezwungen sind, nach einer Ausreise allenfalls bestehende Bindungen zur Gänze abzubrechen. So stünde es ihr frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74 mwN).

 

- Grad der Integration

Die BF sind noch kein Jahr in Österreich aufhältig, haben hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und waren im Asylverfahren nicht in der Lage, ihren Antrag ohne die Beiziehung eines Dolmetschers zu begründen. Die BF leben von der Grundversorgung und besuchen seit kurzer Zeit Deutschkurse. Eine Prüfung wurde bis dato nicht absolviert. Sie sind in keinen Vereinen oder Organisationen Mitglieder. BF1 leistete als Volontär vom 13.11.2023 bis 11.12.2023 beim XXXX . Es wurden keine Unterstützungsschreiben und keine Einstellungszusagen eingebracht. Die BF sind außerhalb der Familie für niemanden sorgepflichtig. Die BF3 besucht die Schule, die BF4 wird von der Mutter zu Hause umsorgt und besucht keinen Kindergarten derzeit.

 

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die –hier bei weitem nicht vorhandenen- Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

- Bindungen zum Herkunftsstaat

Die BF verbrachten annähernd ihr gesamtes Leben in Georgien, wurden dort sozialisiert, bekennen sich zum dortigen christlich-orthodoxen Glauben und sprechen die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. In Tiflis leben noch die Eltern der BF2, ein Bruder mit Familie, sowie eine Großmutter. Die Mutter der BF2 arbeitet als XXXX

Betreffend BF1 wird auf die oben dargelegten Ausführungen unter Punkt II.2.12. verwiesen.

Es deutet daher nichts darauf hin, dass es den BF im Falle einer Rückkehr nach Georgien nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

 

Die minderjährigen BF3 und BF4 befinden sich in einem Alter erhöhter Anpassungsfähigkeit (vgl. Dr. Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74 mwN). Es kann daher angenommen werden, dass es ihr unter Nutzung dieser Fähigkeiten gelingt, sich spiegelbildlich betrachtet, ebenso wie in die österreichische auch wieder in die Gesellschaft ihres Herkunftsstaats vollständig zu integrieren.

 

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist gerade Kindern, welche noch im jungen Alter sind und die mit ihren Eltern gemeinsam ausreisen, die (Re-)Integration im Herkunftsstaat der Eltern zumutbar. So nahm der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30.08.2011, Zl. 2009/21/0015 an, dass bei einem 6 Jahre und 3 Monate dauernden Aufenthalt in Österreich erwartet werden kann, die Kinder werden sich im Rahmen des gewohnten familiären Umfeldes an die neuen Begebenheiten im Herkunftsstaat der Eltern anpassen können (vgl. auch VwGH vom 19. Mai 2011, Zlen. 2009/21/0115, 116, mwN). Selbst Schwierigkeiten bei der (Re) Integration sind in derartigen Fällen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen in Kauf zu nehmen (vgl. VwGH vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0282).

 

- strafrechtliche Unbescholtenheit

Die BF sind bislang strafrechtlich unbescholten.

Diese Feststellung stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

 

-Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Derartiges konnte nicht festgestellt werden.

 

- die Frage, ob das Privatleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Den BF musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist.

 

- mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer

Ein derartiges Verschulden kann der Aktenlage nicht entnommen werden.

 

- Kindeswohl

Allfällige ungünstigere Entwicklungsbedingungen im Ausland begründen für sich allein noch keine Gefährdung des Kindeswohls, vor allem dann, wenn die Familie von dort stammt (OGH 08.07.2003, Zl. 4Ob146/03d unter Verweis auf Coester in Staudinger, BGB13 § 1666 Rz 82 mwN). Zudem gehören die Eltern und deren sozioökonomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (ebd.).

 

Bei der Beurteilung, ob im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung von durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten droht, ist nach der Judikatur des VwGH eine eventuelle besondere Vulnerabilität der Betroffenen im Speziellen zu berücksichtigen, wobei der VwGH auch auf die Definition schutzbedürftiger Personen in Art. 21. Der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) verweist (vgl. zuletzt VwGH vom 13.12.2018, Zl. Ra 2018/18/0336 sowie vom 30.08.2017, Zl. Ra 2017/18/0089 zum Irak sowie VwGH vom 06.09.2018, Ra 2018/18/0315 und diverse andere zu Afghanistan). Art. 21 der Aufnahmerichtlinie zählt als besonders schutzbedürftige Personen unter anderem Minderjährige auf.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat - aufgrund der vom BVwG selbst herangezogenen UNHCR-Richtlinien- in seiner Entscheidung vom 12.12.2018, Zl E 667/2018 hinsichtlich einer Familie aus Kabul festgehalten, dass Familien mit besonderem Schutzbedarf - nach Ansicht des UNHCR - nur dann eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul offensteht, wenn sie Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, die Zurückkehrenden tatsächlich zu unterstützen. Die zugrundeliegende Entscheidung des BVwG wurde behoben, da vom BVwG nicht näher begründet wurde, warum es davon ausging, dass der Bruder der Erstbeschwerdeführerin eine sechsköpfige Familie ausreichend unterstützen könne bzw wolle. Es sei verabsäumt worden, die Erstbeschwerdeführerin zur konkreten Lebenssituation ihres Bruders und ihrer Schwester zu befragen.

Demnach wird von der Judikatur – zuletzt auch in einer Einzelentscheidung hinsichtlich des sicheren Herkunftsstaates Georgien (VwGH vom 07.03.2019, Ra 2018/21/0216 bis 0217-13) - eine konkrete Auseinandersetzung damit gefordert, welche Rückkehrsituation eine Familie mit minderjährigen Kindern im Herkunftsstaat tatsächlich vorfindet, insbesondere unter Berücksichtigung der dort herrschenden Sicherheitslage und Bewegungsfreiheit (VwGH 21.03.2018, Ra 2017/18/0474 bis 0479) sowie der Unterkunftsmöglichkeit (VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0315).

 

Im vorliegenden Fall ist daher insbesondere zu berücksichtigen, dass die BF3 und BF4 minderjährige Kinder – somit Angehörige einer besonders vulnerablen und besonders schutzbedürftigen Personengruppe - sind. Daher ist eine konkrete Auseinandersetzung mit der Rückkehrsituation, die die minderjährigen BF bzw. die Eltern mit ihren minderjährigen Kindern im Heimatstaat tatsächlich vorfinden würden, erforderlich.

 

Im gegenständlichen Fall sind sowohl die Mutter, BF2, als auch BF3 und BF4 georgische Staatsbürger und sind somit alle BF im selben Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen. Die minderjährigen BF teilen somit das sozioökonomische Schicksal ihrer Mutter. Den BF stehen nach der Rückkehr sowohl private, karitative als auch bei Bedarf staatliche Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie Unterkunft finden werden und wird auf die Beweiswürdigung oben verwiesen. Eine Verletzung des Kindeswohles ist daher nicht ersichtlich.

 

- Auswirkung der allgemeinen Lage in Georgien auf die BF

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass dem Art. 8 EMRK innewohnenden Recht auf das Privat- und Familienleben auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit abzuleiten ist (vgl. etwa Erk. d. VwGH vom 28.6.2016, Ra 2015/21/0199-8). Vor diesem Hintergrund ist die Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Lichte des Art. 8 EMRK auch vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat, welche die bP im Falle einer Rückkehr vorfinden, zu prüfen, wobei bereits an dieser Stelle Art. 8 EMRK –anders als Art. 3 leg. cit.- einen Eingriffsvorbehalt kennt.

 

Im Rahmen der Beurteilung der allgemeinen Lage in der der Republik Georgien ist zu berücksichtigen, dass –wie bereits mehrfach erwähnt- gem. § 1 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, die Republik Georgien als sicherer Herkunftsstaat gilt und ergaben sich im gegenständlichen Fall keine Hinweise auf einen aus diesem Blickwinkel relevanten Sachverhalt.

 

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

 

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine (damals) Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

 

Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).

 

Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

 

Gem. Art 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privat- und/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs. 2 leg. cit. genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich –abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.

 

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für einen BF grundsätzlich nicht mehr möglich, den Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass die BF gem. § 21 (2) und (3) NAG die Legalisierung ihres Aufenthaltes vom Inland aus offensteht, sodass sie mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Rückkehrentscheidung bedarf.

 

Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens sind die BF somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der (damals) Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

 

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

 

Der Rechtsprechung des EGMR folgend (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisung- bzw. Rückkehrentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Praxis hinsichtlich Rückkehrentscheidungen der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art „Handreichung des Staates“ - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.

 

Wenn man – wie die Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt – dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

 

Weiter wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:

Im gegenständlichen Fall erachtete es der EGMR nicht erforderlich, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist.

 

Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.

 

Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.

 

Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.

 

II.3.4.6. Letztlich ist festzustellen, dass eine Gegenüberstellung der von den BF in ihrem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnissen mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen der BF am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes führen würde.

 

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie die BF erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

 

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip [„no one can profit from his own wrongdoing“], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

 

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration der BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht sind nicht ansatzweise erkennbar. Die BF halten sich im Vergleich zu ihrem Lebensalter erst einen sehr kurzen Zeitraum (sieben Monate) in Österreich auf. Eine über das normale Maß hinausgehende gesellschaftliche Integration ist nicht erkennbar. Die BF haben nahezu ihr gesamtes Leben in Georgien verbracht und wurden dort sozialisiert. Es ist daher davon auszugehen, dass auf Grund dieser engen Beziehungen zum Herkunftsstaat im Vergleich mit dem bisherigen Leben in Österreich die Beziehungen zu Georgien eine – wenn überhaupt vorhandene – Integration in Österreich bei weitem überwiegen.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse der BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

II.3.5. Abschiebung

II.3.5.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

 

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

 

Im gegenständlichen Fall sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Georgien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlichen Beschwerden nicht schlüssig dargelegt und wurden bzw. werden hierzu bereits an entsprechend passenden Stellen des gegenständlichen Erkenntnisses Ausführungen getätigt, welche die in § 50 Abs. 1 und 2 FPG erforderlichen Subsumtionen bereits vorwegnehmen.

 

Eine im § 50 Abs. 3 FPG genannte Empfehlung des EGMR liegt ebenfalls nicht vor.

 

Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Georgien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlichen Beschwerden nicht schlüssig dargelegt.

 

II.3.5.2. Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG kann das BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG stammt.

 

Gemäß § 19 Abs. 5 BFA-VG kann die Bundesregierung bestimmte Staaten durch Verordnung als sichere Herkunftsstaaten definieren. Gemäß § 1 Z 12 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV) gilt Georgien als sicherer Herkunftsstaat.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hätte das Bundesverwaltungsgericht binnen einer Woche ab Beschwerdevorlage die aufschiebende Wirkung zuerkennen müssen, wenn anzunehmen gewesen wäre, dass dem BF eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3, 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention gedroht hätte oder für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich gebracht hätte.

Aus den vorangehenden Ausführungen zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zur Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung folgt, dass keine Rechtsverletzung drohte, welche die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung geboten hätte.

 

Besondere individuelle Gründe, die für die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sprechen könnten, wurden im gesamten, so auch im Beschwerdeverfahren, durch sämtliche Ausführungen ausreichend konkret und substantiiert nicht dargelegt, bzw. konnten die BF das Vorliegen von diesbezüglich besonders berücksichtigungswürdigen Gründen insgesamt nicht glaubhaft machen.

 

Wie die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden zu Recht dargelegt hat, gilt Georgien als sicherer Herkunftsstaat. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist somit zu Recht erfolgt.

 

Folglich war auch gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen.

 

II.3.5.3. Da auch alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Rückkehrentscheidungen und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, waren die Beschwerden auch gegen diese Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

 

II.3.6. Zum Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme von Herrn XXXX und Herrn XXXX

Im Hinblick auf den Beweisantrag auf zeugenschaftliche Einvernahme des Herrn XXXX und Herrn XXXX ist auszuführen, dass Beweisanträge abgelehnt werden dürfen, wenn das von der Partei genannte Beweisthema unbestimmt ist, wenn die Beweistatsache als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel untauglich ist (VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0462).

Es liegt im Wesen der freien Beweiswürdigung, dass Beweisanträge nicht mehr berücksichtigt werden müssen, wenn sich die Verwaltungsbehörde bzw. das Gericht auf Grund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltsmomente machen konnte (VwGH 22.10.2018, Ra 2018/20/0446; 14.10.2009, 2008/12/0203; 18.01.1990, 89/09/0114).

Der Antrag auf Einvernahme des in der Beschwerde beantragten Zeugen, XXXX , der Kenntnis von der aktuellen Bedrohung seitens des XXXX habe, wurde in der mündlichen Verhandlung nochmals bekräftigt.

Hierzu ist gegenständlich anzumerken, dass sich der erkennende Richter aufgrund der bisher vorliegenden Beweise – insbesondere der Einvernahme der BF in der mündlichen Verhandlung – ein klares Bild über die maßgebenden oben angeführten Sachverhaltsmomente machen konnte. Der maßgebende Sachverhalt ist genügend geklärt und konnte insofern auf die Einvernahme der beantragten Zeugen verzichtet werden.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH setzt die Beachtlichkeit eines Beweisantrages nämlich die ordnungsgemäße Angabe des Beweisthemas, das mit dem Beweismittel unter Beweis gestellt werden soll, somit jener Punkte und Tatsachen voraus, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen. Erheblich ist ein Beweisantrag dann, wenn Beweisthema eine für die Rechtsanwendung mittelbar oder unmittelbar erhebliche Tatsache ist. Beweisanträge, die nur pauschal zum Beweis für das gesamte Vorbringen gestellt werden, entsprechen nicht dem Erfordernis der konkreten Bezeichnung des Beweisthemas, das durch das Beweismittel erwiesen werden soll (VwGH 13.12.2019, Ra 2019/02/0004).

Die Beweisanträge der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers auf die angeführten zeugenschaftlichen Vernehmungen namhaft gemachter Personen waren daher mangels Erheblichkeit abzulehnen.

 

Der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass der BF1 betreffend des in Spanien lebenden Freundes (ebenfalls vor 8 Jahren aus dem Orden als Mönch ausgetreten) anführte, dass dessen Situation ähnlich gewesen sei, auch er heiraten wollte. Der Richter hat die moralische Seite mitberücksichtigt, weshalb es vor 8 Jahren zu einer positiven (Asyl-)Entscheidung kam. Ungeachtet der mangelnden Aktualität in Bezug auf den konkreten Fall, vermag auch eine Mitberücksichtigung der moralischen Seite angesichts der oben getroffenen Ausführungen nicht zu einem anderslautenden Ergebnis führen, weshalb es auch insoweit an Sachverhaltsrelevanz fehlt.

 

 

B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, der hier vertretenen Zurechnungstheorie und den Anforderungen an einen Staat und dessen Behörden, um von dessen Willen und Fähigkeit, den auf seinem Territorium aufhältigen Menschen Schutz vor Übergriffen zu gewähren ausgehen zu können, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.

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