AVG §68
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:L504.1404351.5.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
I.1. Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte nach illegaler Einreise am 03.08.2007 in Österreich den ersten Antrag auf internationalen Schutz.
Es handelt sich bei der bP um einen Mann, welcher seinen Angaben nach staatenloser Palästinenser aus dem Gaza ist.
Als Ausreisegrund brachte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen vor, dass sie von der Hamas verfolgt werde. Sie habe im April 2007 unter einer Moschee eine Waffenfabrik der Hamas entdeckt, weswegen sie angehalten worden wäre. In weiterer Folge sei sie von der Hamas gegen ihren Willen einer Ausbildung unterzogen worden und sei sie zu einem Selbstmordattentat in Deutschland aufgefordert worden, wozu sie auch ihr Einverständnis gegeben habe, da ein anderer Mann, der diese Aufforderung abgelehnt hätte, erschossen worden sei.
Die bP legte neben Personaldokumenten eine UNRWA Family Registration Card vom 19.12.2004 (AS 147 im Akt zum ersten Asylantrag) vor. In Entsprechung des Erhebungsersuchens der belangten Behörde (idF bB) vom 06.11.2008 wurde seitens der Staatendokumentation im Rahmen der Anfragebeantwortung vom 02.01.2009 mitgeteilt, dass die bP als lediger Sohn auf der Karte ihres Vaters als UNRWA-Flüchtling registriert sei.
Der erste Antrag wurde mit Entscheidung der bB vom 02.02.2009 gemäß §§ 3 und 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen und wurde die Ausweisung aus Österreich nach Gaza gemäß § 10 AsylG für zulässig erklärt. Die bB schenkte den Angaben der bP keinen Glauben und führte aus, dass nach Recherchen der Behörde (Anfragebeantwortung zu Rekrutierungen) es keine wie von der bP behaupteten Zwangsrekrutierungen durch die Hamas gäbe und sich die bP zudem in diverse Widersprüche verwickelte.
Hinsichtlich des in Österreich lebenden Bruders der bP wurde vom AsylGH mit Entscheidung vom 13.08.2009 die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz bestätigt, jedoch aufgrund dessen Privat- und Familienleben in Österreich die Ausweisung ersatzlos behoben.
Am 19.10.2010 heiratete die bP in Österreich eine in Deutschland lebende Frau ( XXXX ) und begründete im Anschluss einen Wohnsitz in Deutschland. 2011 gab die bP bekannt, dass sie sich von der Gattin getrennt habe und nicht mehr in Deutschland lebe.
Am 07.07.2011 wurde die bP erstmalig in Österreich strafgerichtlich verurteilt.
Die gegen den Bescheid vom 02.02.2009 erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 05.03.2012, Zl.: E3 404.351-1/209-30E gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass das Vorbringen nicht glaubwürdig sei und wurden zahlreiche Widersprüche sowie unplausible Angaben der bP angeführt. Auch entsprachen demnach die Angaben der bP zur Rekrutierung nicht einmal Ansatzweise den zur Sache ermittelten Fakten.
Das Erkenntnis erwuchs mit 12.03.2012 in Rechtskraft.
Nach Abschluss des ersten Asylverfahrens hat die bP Österreich verlassen.
I.2. Die bP wurde am 26.07.2012 aus Norwegen in das Bundesgebiet rücküberstellt und brachte am 26.07.2012 bei der bB einen Folgeantrag auf internationalen Schutz ein.
Im Rahmen der Erstbefragung gab die bP an, dass das vormals angegebene Problem nicht stimmen würde. Sie hätte vielmehr Probleme mit der Familie eines Mädchens gehabt, mit welchem sie Geschlechtsverkehr gehabt hätte. Diese Gründe bestünden schon immer und hätten aber „die Leute“ gesagt, sie solle über die Fatah und Hamas erzählen, was ein Fehler gewesen wäre. In späteren Befragungen gab die bP dann an, dass ihre Angaben im ersten Asylverfahren auch aufrecht bleiben würden und sich nicht geändert hätten. Sie habe im ersten Verfahren nur nicht erwähnt, dass sie auch Probleme wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs mit einer Frau gehabt habe. Sie habe nicht gewusst, dass sie auch private Probleme geltend machen könne. Sie sei auch krank und leide unter verschiedenen Krankheiten.
Von 27.07.2012 – 07.08.2012 und 13.08.2012 – 15.08.2012 befand sich die bP im Krankenhaus wegen Trance- und Besessenheitszuständen. Es folgten zwei Begutachtungen (18.10. und 14.11.2012) der bP zur gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren, welche ergab, dass bei der bP am ehesten eine dissoziative Störung, am ehesten Krampfanfällen entsprechend, aber auch Bewegungsstörungen oder nicht näher bezeichnete dissoziative Störung vorliegen. Aufgrund der kulturspezifischen Prägung könne keine genaue Zuordnung erfolgen. Am 30.07.2012 erfolgte ein Suizidversuch der bP im Krankenhaus (Erhängen mit Handtuch am Bett).
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.11.2012, Zl.: 12 09.584 EAST Ost, wurde der Antrag gem. § 68 AVG zurückgewiesen und die bP wurde aus Österreich nach Gaza ausgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die bP Beschwerde. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 07.01.2013, Zl.: E3 404.351-2/2012-6E wurde der Beschwerde – nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
Begründend wurde ausgeführt:
3.1.1. Zunächst ist festzuhalten, dass außer Zweifel steht, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht glaubhaft ist und wird hierzu vollinhaltlich auf die Beweiswürdigung und rechtliche Würdigung im Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 05.03.2012, Zl. E3 404.351-1/2009-30E verwiesen. Der Beschwerdeführer hat auch in seinem nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz nichts vorgebracht, was für eine Asylgewährung sprechen würde, sondern war Grund für die neuerlichen Asylantragstellung die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, die mangelnde Behandlungsmöglichkeit seiner Erkrankung sowie die Verschlechterung der Lage in Palästina/Gazastreifen.
3.1.1.1. Was das Vorbringen hinsichtlich seiner privaten Probleme wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs betrifft, so ist festzuhalten, dass sich dieser nunmehr im entscheidungsgegenständlichen Asylantrag vorgebrachte Sachverhalt bereits vor Rechtskraft der den ersten Asylantrag abweisenden Entscheidung ereignete. Der Beschwerdeführer war gehalten, sämtliche asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen bzw. Beweismittel bereits im ersten Asylverfahren wahrheitsgemäß vorzubringen. Demnach hätte er den nunmehr behaupteten Sachverhalt bereits im rechtskräftig abgeschlossenen ersten Verfahren vorzubringen gehabt, hat dies jedoch, obwohl er in der damaligen Einvernahme vor dem Bundesasylamt und in der Berufungsschrift hinreichend Gelegenheit gehabt hätte, unterlassen. Da sich der nunmehr vorgebrachte Sachverhalt vor Rechtskraft der (ersten) abweisenden Asylentscheidung ereignet hat und im abgeschlossenen Verfahren vorzubringen gewesen wäre, liegt keine nachträgliche Sachverhaltsänderung (nova producta) vor, sondern ist davon auszugehen, dass auch der nunmehr vorgebrachte Sachverhalt von der Rechtskraftwirkung des ersten abweisenden Asylbescheides erfasst ist. Die im ersten Asylverfahren nicht vorgebrachten Fluchtgründe können somit zu keiner neuerlichen Sachentscheidung führen. Vielmehr wurde über alle bis zur Rechtskraft des (ersten) Asylbescheides angeblich entstandenen Fluchtgründe bereits im ersten Asylverfahren, und zwar mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 05.03.2012, Zl. E3 404.351-1/2009-30E rechtskräftig abgesprochen. Im gegenständlichen Asylverfahren wurde somit mit diesem Vorbringen kein entscheidungsrelevanter neuer Sachverhalt im Sinne eines "novum productum" behauptet.
3.1.1.2. Festzuhalten ist, dass auch für den Fall dass ein subsidiärer Schutzgrund neu entsteht, dies nach dem AsylG 2005 die Durchführung eines neuerlichen Asylverfahrens rechtfertigen kann. Die Rechtsprechung zum AsylG 1997, wonach nur neue Asylgründe die Durchführung eines weiteren inhaltlichen Verfahrens rechtfertigen, kann in dieser allgemeinen Form nicht aufrechterhalten werden.
3.1.1.2.1. Feststeht, dass sich die Sicherheitslage im Gaza-Streifen seit dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren verändert hat und dass sich die Länderberichte der belangten Behörde als nicht aktuell erweisen. Die im Bescheid zitierten und gewürdigten Länderberichte sind nicht aktuell und beziehen sich nicht auf die aktuellen Ereignisse im Gebiet des Gaza-Streifens. Die Länderberichte sind aus den Jahren 2008 bis 2011, sie sind mangels Aktualität nicht geeignet das Risiko einer Artikel 3 EMRK Verletzung im Falle einer Rückkehr auszuschließen.
3.1.1.2.2. Feststeht ferner auch, dass der Beschwerdeführer, anders als im Vorverfahren, nunmehr laut gutachterlicher Stellungnahme im Zulassungsverfahren gemäß § 10 AsylG an einer dissoziativen Störung und einer Bewegungsstörung leidet und das therapeutische und medizinische Maßnahmen notwendig sind. Ferner sei eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Falle der Abschiebung nicht auszuschließen. Wenn die belangte Behörde vermeint, dass eine Behandlung im Gebiet des Gaza-Streifens möglich sei und hierzu auf die getroffenen Länderfeststellungen verweist, so ist nicht ersichtlich wie diese gewürdigt wurden, um zu einem derartigen Ergebnis zu gelangen, denn aus den Berichten ergibt sich eindeutig, dass die medizinische Versorgung zum überwiegenden Teil nur mangelhaft gewährleistet ist (vgl. Bescheid S19,20).
3.1.1.3. Die belangte Behörde hat es somit gänzlich unterlassen, sich mit den geänderten Tatsachen auseinander zu setzen, wodurch sie einen wesentlichen Verfahrensfehler begangen hat und das Ermittlungsverfahren daher mangelhaft ist
Aufgrund der beim Beschwerdeführer nunmehr eingetretenen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes sowie der Veränderung der Sicherheitslage im Gazastreifen, kann unter Berücksichtigung von § 8 AsylG nicht mehr davon ausgegangen werden, dass es sich um einen Anwendungsfall der entschiedenen Sache gemäß § 68 AVG handelt.
Demnach hätte das Bundesasylamt sohin über den nunmehr verfahrensgegenständlichen zweiten Asylantrag in der Sache zu entscheiden gehabt und erweist sich die Zurückweisung wegen entschiedener Sache als rechtsunrichtig.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesasylamt das Verfahren sohin inhaltlich zu entscheiden haben und wird sich hinreichend mit der Sicherheitslage in Palästina (Gazastreifen) basierend auf aktuellen Länderfeststellungen sowie mit dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, dessen Behandlungsbedürftigkeit und der Behandlungsmöglichkeiten im Gazastreifen auseinanderzusetzen haben.
3.2. Letztlich ist noch festzuhalten, dass die belangte Behörde auch auf das Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH in der Rechtssache El Kott (C-364/11) Bedacht zunehmen haben wird und wird sich das Bundeasylamt auch damit auseinanderzusetzen haben.
I.3. Die bP wurde nach Zurückverweisung noch zwei Mal vor dem Bundesasylamt am 04.04.2013 und am 22.05.2013 zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz vor einem Organwalter des Bundesasylamtes einvernommen. Am 04.04.2013 gab die bP an, dass alles, was sie über die Hamas berichtet habe, gelogen gewesen sei und sie nie Probleme mit der Hamas gehabt habe. Sie hätte nur Probleme mit der Familie eines von ihr geliebten Mädchens gehabt. Aktuell habe sie auch gesundheitliche Probleme und sei ihre nach islamischen Ritus geheiratete Ehefrau, eine kirgisische Asylwerberin schwanger. Auch am 22.05.2013 gab die bP an, dass sie nunmehr die Wahrheit sage und der Fluchtgrund die Probleme mit der Familie des Mädchens gewesen wäre. Dem in Österreich lebenden Bruder habe man von diesen Problemen zu dessen eigenen Schutz nichts erzählt.
Mit Schreiben vom 01.08.2013 wurde der bB mitgeteilt, dass weder IOM noch Medcoi die angeforderten Informationen bezüglich Verfügbarkeit von Medikamenten in Gaza zur Verfügung stellen können.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes Zl.: 12 09.584 . BAG vom 08.08.2013 wurde der Antrag der bP auf internationalen Schutz vom 26.07.2012 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBI I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.).
Gemäß § 8 Absatz 3a AsylG iVm § 9 Absatz 2 AsylG wurde der Antrag der bP auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.).
Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ghaza wurde gemäß § 8 Absatz 3a AsylG iVm § 9 Absatz 2 AsylG für unzulässig erklärt.
Im Rahmen der Beweiswürdigung wurde festgehalten, dass die ursprünglich vorgebrachten Fluchtgründe bereits vom AsylGH als nicht relevant angesehen worden wären. Der völlig neue Asylgrund im nunmehr zweiten Verfahren sei von der bP erst sehr spät vorgebracht worden, als gesteigertes Vorbringen zu beurteilen, und damit insgesamt als nicht glaubhaft anzusehen. Es hätte vom Bruder auch nicht bestätigt werden können und sei es nicht nachvollziehbar, dass die bP über Jahre hinweg über ihre Fluchtgründe (Probleme mit Familie des Mädchens) nicht mit dem Bruder gesprochen hätte.
Da aber nicht mit Sicherheit geklärt werden könne, ob die psychische Erkrankung der bP im Gaza behandelt werden könne, müsse davon ausgegangen werden, dass die bP durch eine Abschiebung nach Gaza in eine lebensbedrohliche oder zumindest menschenunwürdige Lage geraten könnte.
Rechtlich wurde ausgeführt, dass keine Gründe iSd § 3 AsylG feststellbar gewesen wären. Die bP sei von einem inländischen Gericht ua. wegen eines Verbrechens isd § 17 StGB, und zwar wegen Raubes, zu einer Haftstrafe von 30 Monaten, davon 20 Monate bedingt verurteilt worden. Damit hätte die bP einen Aberkennungsgrund verwirklicht und sei daher der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG abzuweisen gewesen. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Gaza sei jedoch gemäß § 8 Abs. 3 a AsylG iVm § 9 Abs. 2 AsylG unzulässig.
Letzteres wohl im Zusammenhang mit den von der bP vorgebrachten psychischen Problemen wie die bB zuvor in der Beweiswürdigung angeführt hat.
Die bP erhob keine Beschwerde. Dieser Bescheid erwuchs am 24.08.2013 in erster Instanz in Rechtskraft.
I.4. Mit 24.09.2013 wurde der bP erstmalig von der BH eine Karte für Geduldete gem. §46a FPG, gültig von 16.09.2013 bis 15.09.2014, ausgefolgt. Es wurden ihr in Folge mehrfach Duldungskarten ausgestellt.
I.5. Am 18.06.2014 wurde der Antrag der bP auf Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vom 12.06.2014 gem. § 57 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von der bB abgewiesen, da die bP wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist.
Mangels Beschwerdeerhebung erwuchs der Bescheid am 05.07.2014 in erster Instanz in Rechtskraft.
I.6. Am 27.10.2015 hat die bP erneut einen Antrag auf „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gestellt. Am 15.12.2015 habe die bP eine Zurückziehung des Antrags und Einstellung des Verfahrens beantragt.
I.7. Am 05.04.20218 wurde die bP in der Haftanstalt einer Einvernahme unterzogen. Dies da die bB beabsichtigte, eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot gegen die bP wegen ihrer Straftaten zu erlassen. Die bP gab an, sie befände sich in Untersuchungshaft wegen Falschaussage bzw. sei sie bereits zu einer 2,5 jährigen Haftstrafe verurteilt worden. Sie könne nicht zurückkehren, da sie sich nur im Gaza aufhalten könne und dort mit einer Verfolgung durch die Hamas zu rechnen habe. Die Anzeige gegen einen Terroristen der Hamas in Österreich habe sie zurückziehen müssen, da ihre Familie im Gaza deswegen bedroht worden sei. Sie sei gesund und in keiner ärztlichen Behandlung. Sie nehme keine Medikamente und sei die psychische Erkrankung aus 2012 überstanden. Sie stellte einen Antrag auf internationalen Schutz und gab an, dass sie die Haftstrafe wegen der Falschaussage nicht verstehe.
Die bP hat am 06.04.2018 den dritten, gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG eingebracht.
Ihren nunmehrigen Antrag begründete die bP erstbefragt damit, dass sie, abgesehen von den bereits beim ersten Asylantrag geschilderten Probleme jetzt ein weiteres habe. Sie hätte in Österreich eine Anzeige gegen ein radikales, mit der Hamas in der Heimat in Kontakt stehendes Hamas-Mitglied erstattet. Diese Person habe dann veranlasst, dass die ganze Familie der bP in Palästina bedroht wird. Da Gaza unter der Kontrolle der Hamas stünde, würde die bP dort festgenommen werden. Aus Angst vor der Hamas habe sie die Anzeige zurückgezogen und müsse nun die Strafe eines österreichischen Gerichts akzeptieren. Sie akzeptiere sogar eine Abschiebung in israelische Gebiete, da sie dort besser aufgehoben sei. Sie hätte Beweismittel, dass die Hamas ihren Bruder statt ihr selbst festgenommen habe und diesen gefoltert hätte. Falls man mehr Beweismittel brauche, könne man sich mit der palästinensischen Botschaft in Wien in Verbindung setzen. Zu den Rückkehrbefürchtungen führte die bP aus, dass im Gaza alle getötet werden würden.
I.8. In der Einvernahme am 18.09.2018 gab die bP an:
L: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht? A: Ja.
L: Haben Sie Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?
A: Nein, ich habe zurzeit nichts. Alles was ich als Beweis habe liegt beim palästinensischen Konsulat.
Zur Person:
Der AW heißt XXXX und ist am XXXX geboren.
Der AW hat als angelernter Schneider gearbeitet. Der AW hat das Gymnasium abgeschlossen.
Anm: Der AW gibt an, dass er ca. 22 bis 23 Jahre alt war als der die Matura abgeschlossen hat. Der AW gibt an, dass er es nicht so genau weiß.
L: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?
A: Ich bin Palästinenser. Ich bin in Besitz einer Geburtsurkunde, eines Reisepasses, sowie eines Personalausweises.
L: Welchen Glauben haben Sie? A: Ich bin Moslem.
L: Sind Sie in Österreich einer legalen oder illegalen Beschäftigung nachgegangen oder waren Sie in Österreich berufstätig?
A: Ja, ich habe in einem Restaurant gearbeitet. Ich habe als Abwäscher legal gearbeitet. Aufgrund der begrenzten Arbeitszeiten, wegen meiner Asylkarte, durfte ich in dem Restaurant nur drei Monate arbeiten.
L: Wie viel Geld haben Sie innerhalb dieser drei Monate erhalten? A: Ich habe 600,-- Euro erhalten.
L: Innerhalb welchen Zeitraumes haben Sie bei diesem Restaurant gearbeitet? A: Von August 2013 bis Ende November 2013.
L: Wie war der Name dieses Restaurants?
A: XXXX hat das Restaurant geheißen. Im Haus XXXX , am XXXX .
L: Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt bestritten?
A: Ich bekam von der Caritas eine kleine finanzielle Unterstützung, in der Höhe von 320,-- Euro.
L: Sind Sie oder waren Sie in irgendwelchen Vereinen oder Organisationen in Österreich tätig? A: Nein.
Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der
Landespolizeidirektion Wien - scheinen folgende Verurteilungen auf:
…
Was sagen Sie dazu?
A: Ich habe aus meine ganzen Straftaten gelernt. Bis auf den Fall, wo ich diese Anzeige erstattet habe, welche ich danach wieder zurückgezogen habe. Ich wurde von den HAMAS Gruppen bedroht. Ich wollte meine Familie und mich schützen. Ich nahm deshalb auf mich die Haftstrafe. Nachgefragt, ich habe vor Gericht freiwillig gesagt, dass ich gelogen habe um meine Familie zu schützen
L: Wie gut sprechen Sie Deutsch?
A: Bis zu ca. 40 %. Ich habe einen Deutschkurs absolviert. A2.
L: Welche Sprachen sprechen Sie?
A: Hebräisch, Arabisch und Russisch.
L: Welche Sprache sprechen Sie am besten? A: Arabisch
L: Können Sie einen durchschnittlichen Tagesablauf auf Deutsch nenne?
A: Ich bin hier in Gefängnis, weil ich habe einen Mann angezeigt, bei der Polizei. Und er hat das schon gewusst, dass ich ihn habe angezeigt. Er hat meine Familie in Palästina bedroht. Meine
Familie hat mich angerufen und gesagt, dass ich die Anzeige zurückziehen muss
Anm.: Dem AW wird die Frage übersetzt. Der AW spricht Deutsch und versteht die Frage. Aufgrund der Sprachbarriere wird die Einvernahme in Arabisch durch den Dolmetscher weitergeführt.
L: Welche Angehörigen befinden sich in Ihrem Heimatland?
A: 10 Personen und Vater und Mutter. Ich habe 5 Schwestern und 5 Brüder. Alle leben in meinem Heimatland.
L: Haben Sie noch Kontakt zu ihren Familienangehörigen in Ihrem Heimatland?
A: Ja.
L: Wie geht es Ihren Familienangehörigen?
A: Wir haben Probleme mit Israel. Es geht ihnen den Umständen entsprechen.
L: Wie oft haben Sie Kontakt zu Ihren Familienangehörigen?
A: Einmal im Monat seit ich im Gefängnis bin. Ansonsten hatten wir täglich Kontakt.
L: Haben Sie in Österreich aufhältige Eltern, Kinder oder sonstige Verwandte?
A: Einen Bruder. Ich bin verheiratet und meine Familie lebt in Graz. Ich habe zwei Kinder.
L: Können Sie zu Ihrem Bruder Angaben tätigen?
A: Mein Bruder heißt XXXX (phonetisch). Er ist mit einer Österreicherin verheiratet und hat die österreichische Staatsbürgerschaft. Er hat einen Sohn. Er ist 36 Jahre alt und sein Sohn ist 7 Jahre alt. Mein Bruder wohnt in XXXX . Das genaue Geburtsdatum meines Bruders kenne ich nicht.
L: Können Sie Angaben über Ihre Ehefrau und Kinder tätigen?
A: XXXX und ist aus Russland. Meine Kinder heißen XXXX und XXXX . Meine Ehefrau ist seit dem Jahr 2009 in Österreich und meine Kinder sind hier in Österreich geboren. Nachgefragt, XXXX .
L: Leben Sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft, wenn ja, beschreiben Sie diese Gemeinschaft? A: Nein.
L: Wann sind Sie in Österreich eingereist?
A: Ich bin am 28.08.2007 in Österreich eingereist.
L: Sind Sie seither durchgehend in Österreich aufhältig?
A: Im Jahr 2010 lernte ich eine Berlinerin in XXXX kennen. Ich lebte damals in XXXX . Wir haben geheiratet und ich bekam eine Einreisegenehmigung für Deutschland. Ich erhielt eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland für drei Monate. Nach drei Monaten hat es zwischen uns nicht mehr funktioniert, danach haben wir uns scheiden lassen und ich kehrte wieder nach XXXX zurück. Wir haben im September 2010 geheiratet und drei Monate später haben wir uns scheiden lassen, danach kehrte ich zurück. Ich war danach im Jahr 2012 für zwei Monate in XXXX . Das war im Juni und Juli 2012. Dort besuchte ich meine Schwester. Danach kam ich wieder zurück und seitdem bin ich in Österreich. Ich bin im Jahr 2012 nach Traiskirchen gegangen und habe meinen zweiten Asylantrag gestellt.
L: Sie haben bereits am 26.07.2012, unter der Zahl 1520363, einen zweiten Asylantrag gestellt, der rechtskräftig in erster Instanz am 24.08.2013 abgewiesen wurde. Warum stellen Sie neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz?
A: Ich habe damals eine Duldung erhalten. Aufgrund meiner lebensbedrohlichen Situation in meinem Heimatland.
L: Bestehen Ihre alten Fluchtgründe noch? A: Ja, die bestehen nach wie vor.
L: Was hat sich verändert?
A: Aufgrund meiner Geschichte. Ich habe einen Mann angezeigt wegen Terrorismus, weil er einen Terroranschlag geplant hatte. Meine Familie wurde aufgrunddessen mit Mord bedroht, sogar mein Bruder. Er wurde aufgrunddessen verhaftet. Von der Gruppe HAMAS. Das Haus von meiner Familie wurde in Brand gesteckt. Es wurde Brandstiftung begangen. Auch unser Botschafter wurde darüber auch informiert und er hatte auch schon diese Informationen. Ich nahm die Haftstrafe in Kauf um meine Familie zu schützen und um zu vermeiden, dass meine eigene Familie auch in Österreich in Gefahr ist.
L: Gibt es dafür Beweismittel?
A: Das einzige Beweismittel liegt bei der palästinensischen Botschaft. Ich habe persönlich mit dem Botschafter darüber gesprochen und wurde von ihm beraten. Er riet mir, dass ich nicht mehr in meine Heimat zurückkehren sollte, da der Botschafter keine Verantwortung dafür übernehmen kann, weil er über den Fall Bescheid wüsste, dass HAMAS auf ihn warten würden.
L: Gibt es darüber Aufzeichnungen?
A: Nein, es gibt nur mündliche Beweise.
L: Wann haben Sie mit diesem Botschafter gesprochen?
A: Bevor ich inhaftiert wurde. Ich bin jetzt seit 14 Monaten im Gefängnis. Das war im August 2017. Am XXXX kam ich ins Gefängnis und eine Woche davor habe ich mit dem Botschafter gesprochen.
L: Ihr Vorbringen ist ein gesteigertes Vorbringen. Was sagen Sie dazu?
A: Falls ich dieses Problem nicht hätte, wäre mir eine Heimreise lieber als in einer Stadt zu leben in der ich um Asyl ansuchen muss. Es geht hier nicht nur um meine Familie, es geht hier auch um mein eigenes Leben. Mein Bruder wurde quasi als Erpressung verhaftet.
L: Sie haben am 11.04.2018 eine Verfahrensanordnung des Bundesamtes gem. §29/3/4 AsylG
2005 übernommen, in welcher Ihnen mitgeteilt wurde, dass, seitens des Bundesamtes die Absicht besteht, Ihren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, nachdem sich im Vergleich zu Ihrem Erstverfahren kein neuer und wesentlich geänderter Sachverhalt ergibt. Sie haben nunmehr Gelegenheit, zur geplanten Vorgehensweise des Bundesamtes Stellung zu beziehen. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben? A: Ich kann nicht mehr sagen als das was ich bis jetzt erwähnt habe. Ich kann auch nachweisen wann mein Bruder von HAMAS festgenommen wurde und warum er verhaftet wurde.
L: Seit wann wissen Sie darüber Bescheid?
A: Durch zwei Personen und zwar mein Nachbar in Palästina, der in XXXX bereits lebte, sowie von meinem eigenen Bruder. Das war am XXXX 2017. Das war in der Zeit als ich die Anzeige zurückgezogen habe. Ich konnte die Anzeige nicht zurückziehen, da das Verfahren in Österreich bereits eingeleitet wurde. Es war damals zu spät die Anzeige zurückzuziehen. Im Gericht wurde ich gefragt, ob ich eine Aussage tätigen möchte bzw. den Namen nennen möchte, aber ich konnte leider nicht, da die Gefahr bestand, trotz der Unterstützung der Behörde. Der Richter versprach mir Unterstützung, aber ich konnte den Namen nicht nennen. Ich wollte schon, konnte aber nicht. Ich wurde vor die Wahl gestellt, dass ich entweder eine Aussage tätigen würde, oder eine Haftstrafe bekommen würde. Ich nahm die Haftstrafe in Kauf, damit meiner Familie nichts passiert, weil ich mich nicht als Krimineller bezeichne, sondern als das Gegenteil. Ich wollte einen Terroranschlag vermeiden, aber die Bedrohung war viel intensiver, als was in meiner Macht stand.
L: Was wäre mit Ihrer Familie passiert und auch mit Ihnen, hätten Sie diesen Namen bei Gericht genannt?
A: Ich würde umgebracht werden, da ich für die HAMAS als Verräter gelte. Meine Familie würde, wie vorhin erwähnt, bedroht werden. Mein Bruder wurde deshalb in Haft genommen. Ich kann auch Beweise einbringen. Die Informationen bekam die palästinensische Botschaft aufgrund Ihrer Befugnisse, dass mein Bruder aufgrund dessen inhaftiert wurde.
L: Warum haben Sie das nicht alles schon früher beweisen wollen. Warum wollen Sie erst jetzt Beweismittel vorlegen? Sie hatten ausreichend Zeit dafür Beweismittel einzubringen. A: Ich konnte damals nichts sagen, weil die Situation sich bereist zugespitzt hatte, weil mein Bruder inhaftiert wurde.
L: und jetzt nicht mehr?
A: Sie glauben nach wie vor, dass ich ein Verräter bin und dass ich den Namen des Beschuldigten erwähnt habe. Ich will, dass das jetzt herauskommt. Ich kann jetzt erst, nachdem eine Zeit vergangen ist, Beweise einbringen. Die Lage ist nicht mehr so zugespitzt wie im Jahr 2017. Derjenige will aufgrunddessen nicht mehr einreisen, weil er glaubt, dass ich seinen Namen genannt hätte.
Anmerkung: Dem Bundesamt liegen schriftliche Feststellungen (Allgemeine Lage,
Rückkehrfragen, Rechtsschutz) zur Lage in palästinensischen Gebieten - Gaza vor. Wollen Sie in die schriftlichen Feststellungen zu palästinensischen Gebieten - Gaza Einsicht nehmen, Kopien davon ausgefolgt bekommen, diese teilweise oder zur Gänze übersetzt bekommen? A: Nein, ich habe so eine Länderfeststellung schon einmal bekommen.
L: Möchten Sie zur Lage in palästinensischen Gebieten - Gaza eine Stellungnahme abgeben? A: Die politische Lage in Palästina ist zurzeit schlechter geworden. Durch die Nachrichten habe ich das mitbekommen. Früher hat man eine Unterstützung von Amerika, diese wurde aber jetzt durch Trump gestrichen. Leute sterben an der Grenze und andere verhungern. Kinder werden missbraucht.
L: Woher haben Sie diese Informationen?
A: Vom Fernseher wie wir alle. ALJAZIRA, Euronews.
L: Wann waren diese Beiträge? A: Vor 5 Tage.
L: Was werden Sie tun, wenn Ihr Asylantrag negativ beschieden wird?
A: Das wäre für mich ein großes Problem. Für meine Familie in Österreich und meine Familie in meinem Heimatland.
L: Inwieweit würden aufenthaltsbeendende Maßnahmen in Ihr Familien- und Privatleben eingreifen?
Anmerkung: Dem AW wird die Fragestellung näher erläutert, insbesondere dass im Rahmen einer Ausweisungsprüfung verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich,
Aufenthaltsberechtigungen in Österreich, gewichtige private Interessen an einem Verbleib in Österreich, udgl. berücksichtigt werden.
A: Ich würde von meinen Kindern getrennt werden, was ich nicht als menschlich betrachten würde. Falls ich abgeschoben werden würde, nach meiner Haftstrafe. Ich kann auch schwören, dass ich von den HAMAS festgenommen und getötet werden würde.
L: Wie oft werden Sie von Ihrer Familie besucht?
A: Ich werde von meiner Familie zwei Mal in der Woche besucht.
L: Seit wann sind Sie mit Ihrer Frau verheiratet?
A: Seit dem Jahr 2013. Ich bin traditionell und standesamtlich verheiratet.
Anmerkung: Dem/der RB wird die Möglichkeit eingeräumt, Fragen anzuregen oder eine Stellungnahme abzugeben, wovon Gebrauch gemacht wird.
RB: Der Antragsteller verfügt über ein Privat- und Familienleben und ist seit dem Jahr 2013 verheiratet. Die Familie verfügt über die Rot-Weiß-Rot Plus Karte und der AW müsste als begünstigter Drittstaatsangehöriger angesehen werden. Der Antragsteller hat seinen Lebensmittelpunkt eindeutig in Österreich und es muss bei ihm auch ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründe in Frage kommen, weil er so lange in Österreich ist und Frau und Kinder in Österreich hat.
L: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?
A: Ich will nur, das man mir hilft.
L: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen? A: Ja…“.
I.9. Mit Schreiben, zugestellt am 23.04.2019 wurde die bP von der bB zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert. Die Stellungnahme langte am 25.04.2019 ein und wurde eine Schwangerschaftsbestätigung der Ehefrau der bP vorgelegt. In der Stellungnahme wurde ausgeführt, dass die bP in den vorangegangenen Einvernahmen alle Fluchtgründe (aufgezählt wurden Hamas Terror / Erpressung; weil sie nicht bereit gewesen sei, für die Hamas zu arbeiten sei ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt worden; sie hätte einen Selbstmordanschlag in Israel verüben sollen; Bedrohung, weil sie wichtige Informationen gekannt hätte über die Hamas und wäre ihr Elternhaus abgebrannt worden, als sie geflohen sei; Frau in Palästina sei von ihr vor der Hochzeit schwanger gewesen und hätte die bP mit deren Familie Probleme) angegeben habe. Die Familie der bP lebe in Österreich und hätte sie eine Einstellungszusage, weshalb sie einen Antrag auf vorzeitige Entlassung / Fußfessel gestellt habe.
I.10. Mit Bescheid vom 06.09.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (I.).
Gemäß § 68 Abs. 1 wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (II.).
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (III.).
Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet wurde gemäß § 8 Absatz 3a AsylG iVm § 9 Absatz 2 AsylG und § 52 Absatz 9 FPG für unzulässig erklärt (IV).
Gegen die Spruchpunkte I. bis III. wurde von der bP innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Die Ausführungen in der Beschwerde würden nicht dem Neuerungsverbot unterliegen. Das Bundesamt habe Ermittlungen hinsichtlich der vorgebrachten Anzeige in Österreich gegen ein Hamas Mitglied unterlassen. Ebensowenig wurden Ermittlungen angestellt, ob sich die Lage der Menschen unter dem Schutz des UNRWA im Gazastreifen seit der letzten Entscheidung geändert habe. Die bP sei zwar bei der UNRWA registriert (vorgelegt wurde ua. eine Bestätigung mit grundsätzlich derselben Registrierungsnummer, wie schon im ersten Asylverfahren, jedoch in einer anderen Form und mit nicht lesbarem Ausstellungsdatum – vgl. zweiter Aktenteil der bP AS 286), doch könne sie den Schutz der UNRWA wegen der Verfolgung durch die Hamas nicht mehr in Anspruch nehmen. Aktuelle Länderberichte würden die schlechte Sicherheits- und Versorgungslage im Gazastreifen angesichts der massiven Einschränkung finanzieller Unterstützung der Amerikaner widerspiegeln. Im Gazastreifen würden angesichts der aktuellen Verhältnisse keine der bP zumutbaren Lebensbedingungen herrschen.
Mit Beschluss des BVwG vom 16.04.2020 wurde der Beschwerde gegen den Bescheid der bB vom 06.09.2019, Zl. 420358100 / 480333896 stattgegeben und der Bescheid gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG behoben.
Dies mit folgender Begründung:
Das BFA hat im angefochtenen Bescheid die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Hinblick auf die asyl- und abschiebungsrelevante Lage für staatenlose Palästinenser unterlassen und ergibt sich dies auch nicht aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Grundlegende Ermittlungsschritte sind erforderlich und wäre durch die Mangelhaftigkeit des Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim BVwG unvermeidlich.
…
Mit der bekämpften Entscheidung hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 AVG hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten zurückgewiesen, weil sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hinsichtlich des Vorbringens und der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Gaza seit Rechtskraft des Vorverfahrens aus dem Jahr 2013 im Wesentlichen nicht geändert habe. Das nunmehrige Fluchtvorbringen baue im Wesentlichen auf dem früheren, als nicht glaubhaft erachteten Fluchtvorbringen auf bzw. komme dem neuen Vorbringen kein glaubhafter Kern zu.
Die im Bescheid dargestellten Feststellungen zum Herkunftsstaat sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen demnach dem Stand vom 12.09.2018.
Das Bundesamt stützte in seiner Entscheidung vom 06.09.2019 die Beurteilung der Lage für Palästinensische Flüchtlinge im Gaza somit auf Berichte, die aus der Zeit 2017 bis August 2018 stammen und somit zum Entscheidungszeitpunkt September 2019 – insbesondere auf Grund der als notorisch bekannten fragilen Lage im Gaza - nicht hinreichend aktuell waren, um tatsächlich zum Entscheidungszeitpunkt eine Gefährdungsprognose für den Fall der gedachten Rückkehr stellen zu können.
In der Beschwerde wurde vereinzelt insbesondere auf aktuellere Berichte hingewiesen, welche die schlechte Sicherheits- und Versorgungslage im Gazastreifen angesichts der massiven Einschränkung finanzieller Unterstützung der Amerikaner widerspiegeln. Die bP sei zwar bei der UNRWA registriert, doch könne sie den Schutz der UNRWA nicht mehr in Anspruch nehmen. Im Gazastreifen würden angesichts der aktuellen Verhältnisse keine der bP zumutbaren Lebensbedingungen herrschen. Die Beschwerde rügte auch die fehlenden Ermittlungen zu dem Umstand, ob sich die Lage der Menschen unter dem Schutz des UNRWA im Gazastreifen seit der letzten Entscheidung im Jahr 2013 [!] geändert habe.
Die vom BFA verwendeten Berichte sind jedenfalls nicht geeignet zum Entscheidungszeitpunkt eine Gefährdungsprognose im Falle einer Rückkehr bzw. zur aktuellen Versorgungslage durchzuführen. Die aktuelle Versorgungs- und Sicherheitslage der staatenlosen Palästinenser im Gaza ist in diesem Verfahren aber der zentrale Punkt des Ermittlungsverfahrens.
Im gegenständlichen Fall wurde durch die Verwendung von als veraltet geltenden Berichten zum Herkunftsstaat somit der maßgebliche Sachverhalt dermaßen qualifiziert mangelhaft ermittelt, dass von einem gänzlichen Ausbleiben der zur Entscheidungsfindung notwendigen Ermittlungen im zentralen Bereich des Verfahrens iSd Erk. d. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 gesprochen werden muss. Ausgehend von der Antragsbegründung der Partei ist die Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat für die zu treffende Prognoseentscheidung, ob im Falle der Rückkehr eine relevante Gefährdung bestünde, die hier entscheidende Frage im Verfahren, ohne die diese Entscheidung gar nicht getroffen werden kann.
Nach der nunmehr stRsp des VwGH hat das BVwG auch im Falle der Einbringung neuer Berichte zur Wahrung des Parteiengehörs hier die Verpflichtung eine Verhandlung durchzuführen, dies zudem in einem Mehrparteienverfahren. Schon daraus ergibt sich ein wesentlicher Mehraufwand gegenüber einem Verfahren vor dem Bundesamt in einem Einparteienverfahren. Von der von der Rspr. verlangten Raschheit könnte diesfalls nicht gesprochen werden (VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0356).
Dem Bundesamt ist zudem als Spezialbehörde bekannt, dass nach der einhelligen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und Verfassungsgerichtshofes zwingend auch aktuelle Berichte zur Beurteilung der fallspezifischen Rückkehrsituation im Herkunftsstaat heranzuziehen sind und hätte die Behörde auch die Möglichkeit gehabt, diesen offenkundigen groben Mangel - der zudem auch in der Beschwerde moniert wird - im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung zu beheben. Davon machte sie jedoch keinen Gebrauch, wodurch sich die Absicht der Delegation dieser zentralen Ermittlungstätigkeit an das BVwG in diesem Punkt auch aufdrängt.
Anzumerken ist, dass sich das Bundesamt im fortgesetzten Verfahren auch mit den Beschwerdeangaben als Teil des zu berücksichtigenden Vorbringens auseinanderzusetzen hat.
I.11. Mit Verfahrensanordnung der bB, zugestellt am 20.04.2020 wurde der bP gem. §13 Abs 2 AsylG das Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet wegen Straffälligkeit aberkannt.
I.12. Am 12.05.2020 wurde ein Schreiben der „Bewegung zur nationalen Befreiung Palästinas“ vorgelegt. Aus diesem in arabischer Sprache verfassten Schreiben ginge hervor, dass die Nichte der bP ermordet worden wäre. Dies im Zuge eines Versuches, ihren Vater bzw. den Bruder der bP auf offener Straße anzugreifen und gefangen zu nehmen. Der Bruder habe sich geweigert, die bP an die Hamas auszuliefern und sei die Nichte im Zuge der Auseinandersetzung tödlich auf den Kopf geschlagen worden. Die bB veranlasste eine Übersetzung des Schreibens vom 18.09.2019 betreffend dem geschilderten Vorfall vom 05.09.2018.
I.13. Am 17.12.2020 langte ein Abschlussbericht über den Verdacht dazu ein, dass die bP im Zuge eines Streites mit ihrer Ehegattin dieser Urkunden entwendet habe. Es erfolgte am 28.12.2020 eine Einstellung dieses Verfahrens.
I.14. Am 08.01.2021 wurde die bP vor der bB einvernommen und folgen daraus die relevanten Auszüge:
F: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?
A: Ja, ich bin ok und gesund.
F: Wie alt sind Sie?
A: Im Juli 34.
F: Wie geht es Ihnen?
A: Es ist alles ok, danke.
F: Sind Sie aktuell in ärztlicher Behandlung?
A: Nein.
F: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein?
A: Nein.
F: Sind Sie rechtlich vertreten?
A: Nein.
F: Es wurde Ihnen im Zuge der Erstbefragung ein Info- und Belehrungsblatt zur Wohnsitzbeschränkung sowie zum Ermittlungsverfahren (Wahrheits- und Mitwirkungspflicht, vertrauliche Behandlung, Konsequenzen von Falschaussagen, Rechtsberater, Ablauf der Niederschrift, Meldepflichten, etc.) in einer verständlichen Sprache zur Kenntnis gebracht und mit Ihnen gemeinsam erläutert. Haben Sie den Inhalt verstanden und sind Ihnen die damit verbundenen Rechte und Pflichten bewusst?
A: Ja, ich habe alles verstanden. Ich bin seit 2007 hier, ich verstehe alles.
F: Haben Sie im bisherigen Verfahren bzw. in der Erstbefragung nur wahre Angaben gemacht?
A: Immer nur die Wahrheit, ja.
F: Wie verstehen Sie den/die anwesende/n Dolmetscher/in?
A: Ich verstehe alles auf Deutsch, aber falls ich etwas nicht verstehe, werde ich sie fragen, kein Problem.
Angaben zur Person, Beweismittel:
F: Wo wurden Sie geboren?
A: In Palästina, im Gazastreifen, in XXXX .
F: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie? Welcher Volksgruppe und welcher Religion gehören Sie an?
A: Ich bin Palästinenser, Araber und Sunnit.
F: Hatten Sie wegen Ihrer Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit persönlich jemals ernste Probleme?
A: Nein, nie.
F: Werden Sie von den Behörden im Heimatland gesucht?
A: Ja.
F: Welche Schulbildung haben Sie? Können Sie lesen und schreiben?
A: Ich habe die Mittelschule fertiggemacht in Palästina. Nachgefragt spreche ich Arabisch, Hebräisch und Deutsch. Und Russisch, weil meine Ehefrau ist aus Russland.
F: Haben Sie irgendwelche Dokumente oder sonstige Beweismittel, die Sie im bisherigen Verfahren noch nicht vorgelegt haben?
A: Ja, ich lege in Kopie vor:
1 UNRWA Bestätigung vom XXXX 2018 (AW als 4 Person auf Familienliste) 1 paläst. PA des AW ( XXXX ), vom XXXX 2001.
4 Ladungen der paläst. Polizei GAZA für den AW, vom XXXX
1 Ladung der Polizei in XXXX 2020.
1 Arbeitsbestätigung XXXX Gebäudereinigung vom 20.11.2020.
F: Woher haben Sie diese Dokumente?
A: Die Originale sind bei meinem Vater, er hat mir via Massenger geschickt, ich habe das dann bei der Diakonie ausgedruckt. F: Wovon leben Sie in Österreich?
A: Mein Bruder XXXX versorgt mich. Nachgefragt arbeitet er in einer Firma für Autoteile in XXXX . Nachgefragt schickt er zwischen €150,- und €200,-, je nachdem wie es sich ausgeht.
Angaben zu Wohnort und Familie:
F: Was war Ihre letzte Wohnadresse im Heimatland?
A: In XXXX .
F: Mit wem haben Sie dort an der angegebenen Adresse gelebt?
A: Mit der ganzen Familie, den Eltern, ich habe 9 Brüder und 5 Schwestern.
F: Und diese Personen wohnen noch immer an dieser Adresse?
A: Jetzt noch die Eltern, 4 Schwestern und 5 Brüder.
F: Stehen Sie mit Ihrer Familie noch in Kontakt?
A: Ja, aber nicht mit allen. Wegen meiner Probleme wollen nicht mehr alle mit mir zu tun haben, wegen der Anzeige… F: Wie geht es der Familie?
A: Es ist problematisch dort, es gibt keinen Strom, Sie wissen eh. Es ist alles gesperrt, Israel bestimmt alles, oder Ägypten.
F: Sind Sie verheiratet?
A: Ja, nach islamischen Tradition. Ich war früher schon mit einer deutschen Staatsbürgerin verheiratet, die Scheidung war 2016, aber seit 2011 waren wir schon getrennt. Meine jetzige Frau habe ich 2013 nach islamischen Tradition geheiratet, der Pfarrer kam zu uns nach Hause.
Meine Frau hießt XXXX , XXXX , sie ist aus Kirgisistan.
F: Wann und wo haben Sie geheiratet?
A: 2013, in XXXX , der Imam kam zu uns heim.
F: Haben Sie Kinder?
A: Ja, ich habe 3 Kinder mit XXXX .
F: Leben Sie mit Ihren Kindern zusammen im gemeinsamen Haushalt?
A: Ja, in der XXXX .
F: Wovon lebt Ihre Familie im Herkunftsland ?
A: Nur von der UNRWA, da bekommt man Lebensmittel alle 3 Monate, wenn man diese Karte hat.
F: Haben Sie in Österreich familiäre Beziehungen oder sonstige verwandtschaftliche Bindungen?
A: Nur meine Familie und meinen Bruder XXXX .
Angaben zum Fluchtgrund:
F: Aus welchem Grund suchen Sie in Österreich zum 4. Mal um Asyl an? Schildern Sie möglichst ausführlich und konkret Ihre Flucht- und mögliche Asylgründe! Bitte machen Sie möglichst detaillierte und chronologische Angaben sowie konkrete Zeitangaben (Freie Erzählung). A: In der XXXX habe ich zuerst gewohnt, ich hatte dort Kontakt zu einem Hamas Mitglied. Wir waren zu dritt, er, 2 Tschetschenen und ich, er hat von einem Sprengstoffanschlag auf den Bahnhof erzählt. Ich habe die Polizei kontaktiert und wollte mit ihr reden. Die Polizei kam, ich habe ihnen alles gesagt. Die Polizei hat mir Schutz zugesichert, ich solle keine Angst haben, ich solle ihnen alles sagen. Aber trotzdem kam raus, dass ich Anzeigen gegen einen erstattet hatte. Es war klar, dass ich es war, wir waren ja nur zu viert dort, die anderen 3 konnten auf mich schließen. Die Anzeige habe ich am 17.08.2017 gemacht, am 23.08 kam die Polizei nochmals und wollte mehr Details wissen, da kam auch die Cobra. Ich weiß nicht, wie der junge Mann fliehen konnte, am 25. oder 26. Hat mich die Familie aus Palästina kontaktiert, die Polizei der Hamas kam zum Haus und hat alles angezündet. Sie haben meinen Bruder mitgenommen und mich zwingen, die Anzeige zurückzuziehen. Ich habe die Anzeige zurückgezogen, aber damit machte ich mich strafbar, ich war dann 2,5 Jahre in Haft. Niemand weiß jetzt, wo diese Person ist, ob hier oder in Palästina. Ich habe die Strafe auf mich genommen, damit mir und meiner Familie nichts passiert. Aber ich kann der Polizei jetzt nicht mehr helfen, ich weiß nicht, wo er jetzt ist. Es war damals auch mein Anwalt dort, auch beim Staatsanwalt.
F: Sind das im Wesentlichen die Gründe für Ihren neuen Asylantrag, oder gibt es noch etwas Wichtiges?
A: Obwohl ich die Anzeige zurückgezogen habe, wurde mein Bruder verfolgt, dabei wurde seine Tochter getötet, das Dokument dazu habe ich über die Diakonie herschicken lassen.
F: Wann haben Sie die Anzeige zurückgezogen?
A: Bei der Hauptverhandlung nach 6 Monaten Haft, ich kam am 23.08.2017 ins Gefängnis.
F: Haben Sie der Polizei gegenüber den Namen des Hamas Mitglieds genannt?
A: Ja, natürlich, ich habe ihnen alles gegeben.
F: Welche konkrete Bedrohungen durch die Hamas gab es jetzt Ihnen persönlich gegenüber? A: sie haben mich über meine Familie bedroht, sie habe den Tod meiner Nicht zu verantworten, und den Brand unseres Hauses. Fragen Sie bei der palästinensischen Botschaft nach, die Geschichte ist dort bekannt.
F: Wann starb die Tochter Ihres Bruders?
A: Genau weiß ich es nicht, rund einen Monat, nachdem ich ins Gefängnis gekommen bin. Ich wollte nichts Schlechtes machen, ich hatte viel Stress deswegen, ich hatte Probleme mit meiner Frau deswegen. Wenn ich sterbe macht das nichts, aber meinen Kindern darf nichts passieren. F: Wie sind Sie zu dem Bestätigungsschreiben der Paläst. Nationalen Befreiungsorganisation vom XXXX 2019 gekommen?
A: Das hat mir die Frau meines Bruders bei der Polizei geholt, das ist ein offizielles Dokument.
Darin steht genau, wie sie gestorben ist.
F: Warum haben Sie bis dato keine Bestätigung der paläst. Botschaft zum Sachverhalt erhalten? Es ist doch nicht logisch, sich aus Palästina etwas von der Schwägerin schicken zu lassen, wenn doch der Sachverhalt auch bei der Botschaft bekannt ist.
A: Die Botschaft macht gar nichts, die sind nur wegen des Scheins hier. Die hilft nichts, man bekommt nicht mal einen Reisepass.
F: Wann sind Sie aus Palästina ausgereist?
A: 2007.
F: Seit wann sind Sie anerkannter Flüchtling beim UNRWA?
A: Seit dem Tag meiner Geburt, meine Familie war schon vorher anerkannt. Unsere Heimatstadt ist eigentlich in Israel, dann musste die Familie weg von dort.
F: Weshalb haben Sie in keinem der bisherigen Verfahren diese UNRWA Bestätigung vorgelegt?
A: Ich habe nicht gewusst, dass ich das brauche. Die Diakonie hat gesagt, ich solle diese Karte vorlegen.
F: Welche Gründe führen Sie an, die gegen Ihre Rückkehr ins Herkunftsland sprechen? A: Ich habe nur diesen Grund. Ich habe jemand von Hamas angezeigt, die Hamas hat deswegen unser Haus angezündet, meine Nichte getötet und meinen Bruder festgenommen. Ich kann nur nach Israel gehen, auch das Westjordanland würde gehen. Aber das geht nicht wegen der Israelis. Nur Gaza geht nicht, wegen der Hamas. Meine Kinder leben hier, sie haben hier eine Zukunft. Ich habe hier etwas falsch gemacht, das tut mir leid. Österreich hat mir bis zu dieser Sache jetzt immer geholfen. Aber jetzt kriege ich nichts mehr.
F: Möchten Sie, dass die aktuellen Länderfeststellungen zu Ihrem Herkunftsland mit Ihnen erörtert werden um eine Stellungnahme dazu abgeben zu können?
A: Ich kenne mich dort sehr gut aus, ich habe ja jetzt noch meine Kontakte dort. Ich brauche das nicht.
Rückübersetzung, ergänzende Fragen, Neuerungsverbot, weiterer Ablauf: Nach vollständiger Rückübersetzung durch den Dolmetscher:
F: Möchten Sie etwas korrigieren oder ergänzen?
A: Ich gebe an, wir waren insgesamt zu viert: Der Hamasmann, 2 Tschetschenen und ich (s.4 unten).
F: Wurde alles richtig aufgenommen?
A: Es stimmt alles.
F: Dem polizeilichen Abschlussbericht vom 25.08.2018 ist ein ganz anderer Sachverhalt zu entnehmen, wonach Sie aus ganz anderen Gründen die Geschichte mit dem Bombenanschlag erfunden und einen gewaltigen Polizeieinsatz ausgelöst hätten. Was sagen Sie dazu? A: Das stimmt schon zusammen, ich habe ja meine Anzeige zurückgezogen. Ich habe zugegeben, dass ich gelogen habe, um meine Familie zu schützen.
F: Was sagen Sie dazu, dass Sie laut diesem Polizeibericht schon 2015 Ihren Schwager als Terrorist verleumdet haben?
A: Nein, ich hatte mit ihm keine Probleme, meine Frau sagte damals etwas, weil sie mit ihrer Schwester Probleme hatte. Ich habe jetzt ganz normalen Kontakt zu ihm, das war alles ein Missverständnis.
F: Was war 2016 mit einem Freund, den Sie der Kindesentziehung bezichtigt haben? A: In dieser Sache wurde ich freigesprochen, das war ein Iraner, der seinen Sohn in den Iran mitnehmen wollte, das hat er mir gesagt. Ich sagte das dann seiner Frau, sie hat dann die Anzeige gemacht. Das Urteil, also meinen Freispruch, habe ich zuhause. Ich kann das vorlegen, wenn Sie wollen.
F: Ich beende jetzt die Befragung. Konnten Sie zum Verfahren alles vorbringen was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?
A: Ich wollte nur noch einmal Danke sagen, ich hatte nie vor, etwas falsch zu machen. Ich habe durch diese Sache viele Probleme mit der Familie in Palästina und hier, das hat mich psychisch sehr angeschlagen. Aber ohne KV kann ich nicht ins Krankenhaus gehen. Ich bitte um ihre Unterstützung. Die Rettung hat mich 2 Mal ins Krankenhaus gebracht, dann bekam ich Rechnungen über €700,-, weil ich keine KV habe. Ich möchte hier normal arbeiten und für meine Kinder sorgen. Ich habe Erfahrung in der Gastronomie und als Schneider.
F: Ich möchte Sie nochmals an das Neuerungsverbot (Anm.: Der Begriff wird dem AW erklärt) erinnern. Ich frage Sie daher jetzt nochmals ob Sie noch etwas Asylrelevantes oder für Sie Bedeutsames angeben möchten, das Ihnen wichtig erscheint, jedoch bislang nicht gefragt wurde?
A: Ja, ich habe alles gesagt.
F: Wie haben Sie den/die Dolmetscher/in verstanden? A: Ich habe alles gut verstanden…“.
Vorgelegt in der Einvernahme wurde eine UNRWA Familienregistrierungskarte, Ausdrucksdatum 15.02.2018 wiederum mit der schon bisher angeführten Registrierungsnummer der Familie sowie arabische Schreiben der „palästinian Police“ und eine Einstellungszusage.
I.13. Am 01.02.2021 wurde die UNRWA Flüchtlingsregistrierung durch eine von der bB veranlasste Anfragebeantwortung der Staatendokumentation bestätigt.
I.14. Am 26.02.2021 ging beim BFA nach Anfrage das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen, XXXX , vom 01.03.2018, ein.
Demnach wurde die bP wegen Verleumdung, Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung, Betrug und falscher Beweisaussage zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 ½ Jahren verurteilt. Demnach habe die bP einen Beamten wegen Amtsmissbrauch und andere Personen wegen des Verbrechens der Vorbereitung eines Anschlags falsch verdächtigt sowie eine weitere Person durch Herausgabe von Geld ohne entsprechenden Rückzahlungswillen betrogen.
I.15. Am 12.08.2021 langte die Antwort des LVT zur Anfrage der bB betreffend den Hamas Bezug der im Gerichtsurteil angeführten Person, auf die sich die angebliche Verfolgung der bP in Gaza stützt, bei der bB per Mail ein. Demnach würden letztlich keine Verdachtsmomente gegen die von der bP eines Terroranschlages verdächtige Person bestehen.
I.16. Der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich von der bB mit im Spruch genannten Bescheid gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.). sowie hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) zurückgewiesen.
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (III.).
Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung os dem österreichischen Bundesgebiet wurde gemäß § 8 Abs. 3a AsylG iVm § 9 Abs. 2 AsylG und § 52 Abs. 9 FPG für unzulässig erklärt (IV.).
Die bB stellte im gegenständlich bekämpften Bescheid fest, dass die seit 2007 in Österreich aufhältige bP staatenlos und durch UNRAWA anerkannter Fluchtling in Gaza sei. Die Identität stehe fest, sie bekenne sich zum moslemischen Glauben und sei in Österreich mehrfach vorbestraft. Die gesunde und arbeitsfähige bP lebe in Österreich gemeinsam mit der Ehefrau (Trauung nach islamischen Ritus) und den gemeinsamen 3 Kindern in einem Haushalt. Neben den einzelnen Verurteilungen wurde festgestellt, dass keine wesentliche Integrationsverfestigung im Bundesgebiet festgestellt werden könne, aber im Jahr 2013 die Abschiebung in das Herkunftsland für zulässig erklärt worden sei. Sie sei „unglaubwürdig“.
Zu den Gründen für den neuen Antrag auf internationalen Schutz stellte die bB fest, dass die bP im gegenständlichen Verfahren keinen glaubhaften Sachverhalt vorgebracht habe, welcher nach rechtskräftigem Abschluss des letzten Verfahrens mit Bescheid vom 08.08.2013 entstanden wäre. Sie selbst habe angegeben, dass die alten Fluchtgründe noch aufrecht wären, das neue Fluchtvorbringen sei auf das der Vorverfahren aufgebaut gewesen. Zudem habe sie die neuen Fluchtgründe nicht glaubhaft gemacht. Die bP habe in der letzten Einvernahme im Jänner 2021 erneut angegeben, wegen der von ihr erstatteten Anzeige gegen ein Mitglied der Hamas bedroht worden zu sein. In diesem Zusammenhang wäre auch die minderjährige Nichte in der Heimat getötet worden, wozu die bP entgegen ihrer eigenen Angaben vom 18.09.2018 nunmehr neue und schriftliche Beweismittel vorgelegt habe. Diese Beweismittel könnten jedoch zu keinem glaubhaften Fluchtvorbringen führen.
Die Registrierung als UNRWA Flüchtling führe nicht automatisch zur Zuerkennung des Asylstatus, da die bP ihr Herkunftsland freiwillig und ohne zwingenden Grund verlassen habe und sie selbst damit wie ihre Familie im Gaza daher noch unter dem Schutz des UNRWA stünde. In Hinblick auf die allgemeine Versorgung- und Sicherheitslage in Gaza habe sie keine neuen Umstände vorgebracht, und wären solche auch nicht amtswegig hervorgetreten, welche in Hinblick auf die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine andere als die bereits erlassene rechtskräftige Entscheidung begründen könnten. Von der bB könne daher insgesamt kein neuer - und in Hinblick auf das frühere Vorbringen wesentlich geänderter -entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden, da den Angaben die Glaubhaftigkeit abzusprechen sei.
Im Rahmen der Beweiswürdigung hielt die bB fest, dass sich die Feststellung des Gesundheitszustandes sowie der Arbeitsfähigkeit aus den Angaben in der Einvernahme vor der bB vom 08.01.2021 ergäbe, wonach die bP in keiner ärztlichen Behandlung stünde und auch keine Medikamente einnehmen müsste, in Verbindung mit dem gänzlichen Fehlen diesbezüglicher aktueller medizinischer Unterlagen sowie der vorgelegten Arbeitsbestätigung der Fa. XXXX Gebäudereinigung.
Zudem hielt die bB beweiswürdigend ua. fest, dass sich die Feststellung der von UNRAWA anerkannten Flüchtlingseigenschaft aus der vorgelegten Bestätigung ergäbe, welche über die Staatendokumentation einer Überprüfung zugeführt worden sei. Die bP habe Gaza im Jahr 2007 zwar freiwillig verlassen, weswegen ihr jedoch nicht der UNRWA Beistand entzogen worden wäre. Daher könne ihr kein Asylstatus „ipso facto“ zuerkannt werden, sondern müsse sie dazu einen glaubhaften Fluchtgrund vorbringen. Dies sei ihr jedoch nicht gelungen. Konkret hielt die bP in Folge dazu fest:
Die Feststellung Ihrer persönlichen Unglaubwürdigkeit ergibt sich aus der Zusammenschau ihrer bisherigen und als unglaubhaft festgestellten Angaben in den vorigen Asylverfahren, in Verbindung mit Ihren rechtskräftigen Verurteilungen wegen falscher Beweisaussage, Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung, Betrug sowie Verleumdung. Sie haben somit bereits mehrfach gezeigt, dass Sie keine Bedenken haben, gegenüber Behörden und Gerichten unwahre Angaben zu machen.
Auch im ggstdl. Verfahren ergaben die Ermittlungen des BFA, dass Ihre Angaben, wonach ein angebliches Mitglied der Hamas Sie bzw. Ihre Familie bedrohen würde, unwahr sind. So wurde auf Anfrage des BFA vom LVT XXXX festgestellt, dass keine einzige der in
Ihrem Gerichtsverfahren von 2017 beteiligten Personen in irgendeiner Verbindung zur Hamas stehen würde, weswegen Ihre Behauptungen sämtlich als unwahr festgestellt werden.
…
Im Wesentlichen begründen Sie den Antrag zum ggstdl. Asylverfahren damit, dass Sie aufgrund der von Ihnen erstatteten, jedoch später wieder zurückgezogenen Anzeige gegen ein angebliches Hamas-Mitglied in XXXX , von der Hamas bedroht worden wären.
Zudem hätte die Hamas aus diesem Grund auch Ihre Familie bedroht, und wäre Ihre Nichte in diesem Zusammenhang ums Leben gekommen.
Wie bereits vorhin angeführt und erläutert wurde, sind Sie als Person unglaubwürdig. Allein aus diesem Grund erscheinen Ihre Angaben zum Grund Ihrer Bedrohung nur als wenig glaubhaft.
Im Zuge der Ermittlungen des BFA zum vorgebrachten Sachverhalt teilte das LVT XXXX mit, dass über keine der in Ihrem Gerichtsverfahren beteiligten Personen Informationen betreffend eine Verbindung zur Hamas vorliegen würden. Das BFA geht davon aus, dass die diesbezüglichen Ermittlungen des LVT, als Spezialbehörde im Zusammenhang mit Terrorbekämpfung, in Ihrem Ergebnis keinen Zweifel offen lassen. Daraus ergibt sich der logische Schluss, dass Ihre Angaben gegenüber dem BFA, wie schon zuvor auch gegenüber anderen Behörden, unwahr sind.
Die von Ihnen vorgelegten Beweismittel könnten zwar den Umstand des Todes Ihrer Nichte glaubhaft belegen, jedoch ließe sich daraus nicht automatisch eine glaubhafte Verbindung zu den von Ihnen vorgebrachten Angaben herstellen. So wäre es ebenfalls denkbar, dass Ihre Nicht tatsächlich einem „normalen“ Überfall zum Opfer gefallen sein könnte, zumal sich Ihre Angaben, wonach Ihre Familie in Gaza aufgrund Ihres Verhaltens in Österreich bedroht worden wäre, bereits als unwahr festgestellt wurden. Ebenso darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich dergleichen Schriftstücke in Gaza gegen Entgelt als Gefälligkeitsarbeit leicht ausstellen ließen, um ein fiktives Vorbringen untermauern zu können.
Daher kann dem ggstdl. Verfahren kein glaubhafter neuer Flucht- bzw. Verfolgungsgrund zugrunde gelegt werden. welcher nach dem rechtskräftigen Abschluss des letzten Verfahrens zur Zahl 3106045 (Bescheid Zahl: 12 09.584. BAG) entstanden wäre.
In Hinblick auf Ihren durch die Staatendokumentation des BFA nachgewiesenen UNRWA Flüchtlingsstatus ist anzuführen, dass dieser nach wie vor aufrecht ist. Wie bereits in den Vorverfahren festgestellt wurde, haben Sie zu keinem Zeitpunkt einen glaubhaften Fluchtgrund vorgebracht, der Ihre zwingende Ausreise aus Gaza erforderlich gemacht hätte. Auch im ggstdl. Verfahren wurde Ihr Flucht- bzw. Verfolgungsgrund in Hinblick auf Gaza als nicht glaubhaft festgestellt. Da Sie Gaza nicht durch Umstände, die außerhalb Ihrer Person zu finden waren, also freiwillig und ohne zwingenden Grund, verlassen haben, stehen Sie als registrierter Flüchtling noch immer unter dem Schutz des UNRWA.
Auch wenn den Länderinformationen im Zuge von palästinensischen Demonstrationen gegen die israelischen Maßnahmen immer wieder Todesopfer zu entnehmen sind, kann daraus nicht automatisch eine tatsächliche Gefährdung für Nicht-Teilnehmer abgeleitet werden. Die entscheidende Behörde verkennt in keiner Weise die fragile Sicherheitslage in Gaza, jedoch stellt sich die Lage nicht dermaßen schlecht dar, dass die Zuerkennung von subsidiärem Schutz gerechtfertigt wäre. Abgesehen von Ihrem nicht glaubhaften Vorbringen, dass die Hamas Ihre Familie verfolgen würde, haben auch Sie von keinen Sicherheitsproblemen für Ihre Familie oder die Bevölkerung allgemein, bedingt durch Demonstrationen oder Unruhen, berichtet, noch ergeben sich solche aus den Länderinformationen.
Zudem ist das UNRWA bemüht, den in Gaza registrierten palästinensischen Flüchtlingen, wie auch Sie einer sind, Wasser, Nahrung und die notwendigen Versorgungsgüter des täglichen Lebens zur Verfügung zu stellen. Wie Sie am 08.01.2021 beim BFA selbst angegeben haben, lebt Ihre Familie, wenn auch teilweise ohne Strom, nach wie vor mit UNRWA Unterstützung in XXXX , Gaza.
Daher kann dem ggstdl. Verfahren auch kein glaubhafter neuer Grund in Hinblick auf subsidiären Schutz zugrunde gelegt werden. welcher nach dem rechtskräftigen Abschluss des letzten Verfahrens zur Zahl 3106045 (Bescheid Zahl: 12 09.584. BAG) entstanden wäre.
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die bP aus, dass auch der neu hervorgekommene Umstand der UNRWA Flüchtlingsregistrierung nicht zur Asylzuerkennung führen könne, da die bP eben Gaza freiwillig und ohne zwingenden Grund verlassen hätte und daher noch unter dem Schutz von UNRWA stünde. Es hätte sich keine maßgebliche Änderung seit der Erlassung des Bescheides vom 08.08.2013 ergeben, weshalb die bB zur Zurückweisung des Antrags hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl verpflichtet sei.
Die bP habe keinen glaubhaften neuen Flucht- oder Verfolgungsgrund seit Rechtskraft der letzten Asylentscheidung vorgebracht und liege keine glaubhafte Verfolgung oder Bedrohung durch die Hamas vor. Im Hinblick auf die Lage in Gaza hätten sich zudem keine Hinweise dafür ergeben, dass die Zuerkennung von subsidiären Schutz gerechtfertigt wäre.
Konkret wurde zu diesem Umstand ausgeführt:
Auch wenn die Versorgungs- und Sicherheitslage in Gaza prekär ist, ist das UNHCR nach wie vor bemüht, den in Gaza als Flüchtling lebenden Palästinensern Wasser, Nahrung und andere Grundgüter zur Verfügung zu stellen. Da Sie anerkannter UNHCR Flüchtling sind, haben auch Sie Anspruch auf diese Unterstützung. Auch Ihre Familie lebt, wenn auch teilweise ohne Strom, mit der Unterstützung des UNHCR nach wie vor in XXXX , Gaza.
Da weder in der maßgeblichen Sachlage – und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in Ihrer Sphäre gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist – noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheides vom 08.08.2013, Zahl: 12 09.584 BAG, Ihrem neuerlichen Antrag auch hinsichtlich des Status subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 AsylG entgegen, weswegen das Bundesamt zu seiner Zurückweisung verpflichtet ist.
Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG sei nicht zu erteilen und sei gemäß § 10 Abs. 1 letzter Halbsatz AsylG eine Entscheidung nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 nicht mit einer Ausweisung zu verbinden.
Mit Bescheid vom 08.08.2013 sei die Unzulässigkeit der Abschiebung ausgesprochen worden. Dieser Bescheid sei am 24.08.2013 in erster Instanz in Rechtskraft erwachsen und sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., und III. erhoben und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Nach Behebung der Entscheidung der bB zum gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz durch Beschluss des BVwG sei die bP neuerlich von der bB einvernommen worden. Es wären auch weitere Ermittlungsschritte, wie die Überprüfung der UNRAWA Flüchtlingsregistrierung erfolgt, wobei der bP hierzu kein Parteiengehör gewährt worden sei. Die Sicherheitslage habe sich seit Abschluss des zweiten Asylverfahrens im Jahr 2013 entscheidungserheblich verschlechtert. Auch aufgrund der drohenden Verfolgung durch die Hamas sei es der bP nicht möglich, nach Gaza trotz Registrierung bei UNRWA zurückzukehren. Erwähnenswert sie auch, dass eine Schwester und ein Bruder der bP in Europa als Asylberechtigte leben würden, was bei der Frage, ob auch der bP die Flüchtlingseigenschaft zukommt, berücksichtigt werden müsse. Es liege keine entschiedene Sache und ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vor. Der Bescheid sei erst über ein halbes Jahr nach der letzten Einvernahme erlassen worden und wäre der bP auch zur Auskunft des LVT keine Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt worden. Erneut habe die bP es unterlassen, Ermittlungen zur Situation von Personen im Schutzgebiet der UNRWA einzuholen und sich mit aktuellen Länderberichten auseinander zu setzen.
Entgegen der Auffassung der bB habe die bP im gegenständlichen Verfahren ganz eindeutig einen Sachverhalt vorgebracht, der erst nach rechtskräftigem Abschluss des letzten Asylverfahrens am 08.08.2013 entstanden sei. So stünden die neuen Fluchtgründe im Zusammenhang mit einer Anzeige der bP gegen ein HAMAS-Mitglied. Dies habe letztlich zu einer Verurteilung der bP geführt. Die Anzeige sei erst nach rechtskräftigem Abschluss des letzten Asylverfahrens am 08.08.2013 erstattet worden. Weiters habe die bP vorgebracht, dass ihr Bruder in Gaza anstelle von ihr von der Hamas festgenommen und gefoltert worden sei. Die bP habe auch entsprechende Beweismittel hierzu sowie zur Ermordung der Tochter ihres Bruders vorgelegt.
Erneut wurde vorgebracht, dass die bei UNRWA registrierte bP aufgrund der neuen Verfolgung durch die Hamas aufgrund der erstatteten Anzeige sowie aufgrund der prekären Sicherheits- und Versorgungslage im Schutzgebiet von UNRWA in Gaza gezwungen sei, sich außerhalb dieses Schutzgebietes aufzuhalten. Entgegen der Argumentation der bB sei nicht ersichtlich, inwiefern die Verfolgung der bP und ihrer Familie durch Hamas wegen der in Österreich erstatteten Anzeige auf die früheren Fluchtgründe aufbauen soll, zumal die neuen Gründe ja augenscheinlich erst nach Rechtskraft des im Jahr 2013 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens eingetreten wären.
Die für die Beurteilung der Sicherheitslage herangezogenen Berichte im angefochtenen Bescheid datierten spätestens aus dem ersten Quartal 2020, deutlich neuer Berichte würden jedoch die äußerst prekäre Lage bestätigen und wurde auf ausgewählte Berichte verwiesen. Die belangte Behörde hätte zum Schluss kommen müssen, dass die bP gezwungen ist, sich außerhalb des Einsatzgebietes von UNRWA im Gaza-Streifen aufzuhalten. Der bP wäre daher gemäß Art. 1 D GFK bzw. Art 12 Abs. 1 lit. a QualifikationsRichtlinie 2011/95/EU ipso facto der Flüchtlingsstatus gemäß § 3 AsylG 2005 zu gewähren gewesen. Zudem habe die bB durch die Feststellung gemäß § 8 Abs. 3 a AsylG einen Eingriff in die Rechte nach Art. 2 EMRK angenommen.
Es wurde aus der Rechtsprechung zu § 68 AVG sowie zu UNRWA Flüchtlingen zitiert und wurde auf Entscheidungen des BVwG in diesem Zusammenhang verwiesen.
Aus dem Vorbringen der bP ergäbe sich, dass es UNRWA offensichtlich nicht möglich wäre, die Familie der bP und in der Folge auch sie selbst vor Übergriffen durch die Hamas zu schützen und würden darüber hinaus aktuelle Berichte die katastrophale Sicherheits- und Versorgungslage im Gazastreifen darlegen.
Es wurde daher beantragt, der bP gemäß Art. 1 D GFK bzw. Art 12 Abs. 1 lit. a QualifikationsRichtlinie 2011/95/EU ipso facto den Flüchtlingsstatus gemäß § 3 AsylG 2005 zuzuerkennen.
Unabhängig vom ipso facto Flüchtlingsstatus wäre der bP internationaler Schutz gem. § 3 AsylG zu gewähren gewesen, da sie aufgrund der ihr seitens der Hamas unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung verfolgt werden würde und keinen ausreichenden Schutz von den staatlichen Sicherheitsbehörden vor der Verfolgung erhalten könne.
I.1. Mit Schreiben des BVwG vom 01.10.2021 wurde der bB mitgeteilt, dass die Beschwerdevorlage am 30.09.2021 beim BVwG, Außenstelle Linz eingelangt ist. Im Aktenvermerk vom 05.10.2021 wurde festgehalten, dass es sich bei gegenständlichem Verfahren um kein (wie im eVA gekennzeichnet) Eilverfahren iSd GV handelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Identität und Herkunftsstaat:
Name und Geburtsdatum (wie im Einleitungssatz des Spruches angeführt) stehen (lt. Bundesamt) fest.
Sie ist staatenloser Angehöriger der palästinensischen Volksgruppe und sunnitischer Moslem und stammt aus dem israelischen Autonomiegebiet des sog. Gaza-Streifens (im Weiteren: Gaza). Sie spricht Arabisch als Muttersprache.
1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise:
Die bP ist in XXXX geboren und absolvierte dort ihre Schulbildung.
Sie wohnte vor ihrer Ausreise XXXX .
1.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat:
Eltern und Geschwister der bP leben noch im Gaza. Die bP ist, ebenso wie ihre Familienangehörigen und die Mitglieder ihrer Herkunftsfamilie, beim Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) registriert. Diese bezogen bzw. beziehen weiterhin Sachleistungen der UNRWA und finanzielle Unterstützung der palästinensischen Autonomiebehörde.
1.4. Ausreisemodalitäten:
Sie reiste illegal in Österreich ein.
1.5. Aktueller Gesundheitszustand:
Die bP hat im Verfahren keine aktuell behandlungsbedürftige Erkrankung dargelegt.
1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich:
Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes
Die bP begab sich ohne Vorhandensein eines gültigen Einreise- bzw. Aufenthaltstitels am 26.07.2007 in das Bundesgebiet.
Mit der am selben Tag erfolgten Stellung des Antrages auf internationalen Schutz erlangte die bP eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG. Der erste Asylantrag wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 05.03.2012 vollinhaltlich rechtskräftig abgewiesen. Der zweite Antrag auf internationalen Schutz vom 26.07.2012 wurde abgewiesen. Es wurde jedoch aufgrund der Unzulässigerklärung der Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung gemäß § 8 Abs. 3 a AsylG eine Duldung ausgesprochen, welche in Folge auch mehrfach verlängert wurde. Gegenständlich stellte die bP ihren dritten Antrag auf internationalen Schutz mit 06.09.2019.
Bindungen zum Herkunftsstaat
Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort ihre Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat – im Gegensatz zu Österreich – problemlos verständigen und hat ihr überwiegendes Leben in diesem Staat verbracht. Sie wurde somit im Herkunftsstaat sozialisiert und kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens einschließlich der gegebenen sozialen Unterstützungsnetzwerke. Sie ist auch aktuell noch an der Lageentwicklung in ihrem Heimatstaat interessiert. Es leben dort auch noch insbes. Familienangehörige. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.
Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen
In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine/folgende Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.
01) LG XXXX 2011
PAR 142/1 127 StGB
Freiheitsstrafe 30 Monate, davon Freiheitsstrafe 20 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Vollzugsdatum 24.11.2011
zu LG XXXX 2011
Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 24.11.2011, bedingt, Probezeit 3 Jahre LG XXXX 2011
zu LG XXXX 2011
Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG XXXX 2013
zu LG XXXX 2011
Probezeit der bedingten Entlassung verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG XXXX .2013
zu LG XXXX 2011
Aus der Freiheitsstrafe entlassen, endgültig
Vollzugsdatum 24.11.2011
LG XXXX 2018
02) LG XXXX 2011
§ 12 2. Fall 15 StGB § 288 (4) StGB
§ 15 StGB §§ 105 (1) 106 (1) Z 1 StGB
Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG XXXX 2011
zu LG XXXX 2011 Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG XXXX 2013
zu LG XXXX 2011
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig
Vollzugsdatum 03.11.2011
LG XXXX 2017
03) LG XXXX 2013
§ 114 (1) FPG
Datum der (letzten) Tat 01.10.2012
Freiheitsstrafe 15 Monate, davon Freiheitsstrafe 12 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Vollzugsdatum 03.04.2014
zu LG XXXX 2013 Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 03.04.2014 XXXX 2014
zu LG XXXX 2013
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig
Vollzugsdatum 03.04.2014
LG XXXX 2017
04) LG XXXX 2018
§ 298 (1) StGB (Verleumdung)
§ 297 (1) 2. Fall StGB (Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung)
§ 146 StGB (Betrug)
§ 288 (1 u 4) StGB (Strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege, Falsche Beweisaussage)
Datum der (letzten) Tat 01.03.2018 Freiheitsstrafe 2 Jahre 6 Monate
Weiters scheinen im Kriminalpolizeilichen Aktenindex folgende Vormerkungen auf.
KRIMINALPOLIZEILICHER AKTENINDEX AUSKUNFT
IM KRIMINALPOLIZEILICHEN AKTENINDEX DES BUNDESMINISTERIUMS FÜR INNERES SCHEINEN FOLGENDE EINTRAGUNGEN AUF:
1. EINTRAGUNG
Behörde: Noe LPD LKA für Noe LPDSpeicherdatum: 02.04.2013Ausschreibungsdatum: 26.01.2013Geschäftszahl: B5/43640/2012/3000 OZ 1Art der Anzeige: VERBRECHEN(1) Zusatz:
DELIKTCode: 912a PAR 114 FPG - SCHLEPPEREITatzeit: 08.06.2012Tatort: PI XXXX ZCS-Zahlen: Y151917/13(N)
EINTRAGUNG
Behörde: Stmk LPD LVT für Steiermark LPD Speicherdatum: 02.10.2017Ausschreibungsdatum: 29.09.2017Geschäftszahl: B5/68831/2017/3172 OZ 1 Art der Anzeige: VERGEHEN(2) Zusatz:
DELIKTCode: 297 VERLEUMDUNGTatzeit: 23.08.2017 Tatort: XXXX .
DELIKTCode: 298 VORTAEUSCHUNG EINER M. STRAFE BEDROHTENHANDLUNGTatzeit: 19.08.2017 Tatort: XXXX .
DELIKTCode: 146 BETRUGGut: BANKNOTEN EURTatbegehung: SONSTIGER BETRUGTatörtlichkeit: SONSTIGE TATOERTLICHKEIT Tatzeit: 16.08.2017 Tatort: XXXX .
DELIKTCode: 148 GEWERBSMAESSIGER BETRUGGut: SONSTIGES GUTTatbegehung: SONSTIGER BETRUGTatörtlichkeit: GASTRONOMIEBETRIEB Tatzeit: 15.01.2015 - 19.08.2017 Tatort: XXXX . XXXX Code: 297 VERLEUMDUNGTatzeit: 26.03.2016Tatort: XXXX . ZCS-Zahlen: 373/17(N) L:
Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen wurde dem BVwG von Verwaltungsstrafbehörden bzw. der Polizei nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.
Anknüpfungspunkte in Österreich
Die bP wird von ihrem in Österreich lebenden Bruder finanziell unterstützt. Sie lebt mit XXXX und den 3 gemeinsamen Kindern in XXXX im selben Haushalt. Sie spricht alltagsfähig Deutsch.
1.7. Zur Begründung ihres 3. Antrages auf internationalen Schutzes (Folgeantrag):
Die bP stützte gegenständlichen 3. Antrag auf Zuerkennung von internationalem Schutz im Wesentlichen auf dieselben Gründe wie in den bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bzw. brachte sie keine neuen, glaubhaften und entscheidungsrelevanten Gründe vor, die zur Zuerkennung des Status eines Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten führen könnten.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP im Zusammenhang mit ihrer als nicht glaubhaft zu erachtenden Bedrohungslage im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion Gaza, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer entscheidungsrelevanten realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.
Sie ist bei einer Rückkehr nach Gaza auch aus sonstigen individuellen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort keiner maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt und findet dort eine hinreichende Existenzgrundlage vor. Sie kann sich nach einer Rückkehr neben einer eigenen Erwerbsfähigkeit auf die Unterstützung der Herkunftsfamilie stützen was die Bewerkstelligung des Lebensunterhalts angeht. Sie kann auch weiterhin den Beistand der UNRWA in Anspruch nehmen und hat das Schutzgebiet der UNRWA bei der Ausreise freiwillig und ohne Verfolgung verlassen.
1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat
Zur Lage in im Herkunftsstaat gibt die Behörde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation wieder. Das BVwG schließt sich diesen Feststellungen an:
Politische Lage
Die Palästinensischen Gebiete bestehen aus dem Westjordanland, dem Gaza-Streifen und Ost-Jerusalem (AA 6.11.2019a). Palästina hat den Status eines Völkerrechtssubjekts, wird aber von Österreich nicht als Staat im Sinne des Völkerrechts anerkannt (BMEIA 18.3.2020). 137 Staaten erkennen Palästina als unabhängigen Staat an (GIZ 3.2020a). Konkret bedeutet der Beobachter-status als Nicht-Mitgliedstaat, den etwa auch der Vatikan innehat, mehr Mitspracherechte bei den Vereinten Nationen. Künftig können die Palästinenser im Sicherheitsrat und in der Generalversam-mlung – sofern sie betroffen sind – an Diskussionen teilnehmen und Resolutionen einbringen. Ein weiterer wichtiger Zugewinn ist der Zugang zu Unterorganisationen der UN wie dem Internatio-nalen Strafgerichtshof. Dadurch hätten die Palästinenser das Recht, etwaige Militäroperationen der Israelis in den Palästinensergebieten oder die Siedlungspolitik der israelischen Regierung vor Gericht zu bringen (BPB 30.11.2012). Im Dezember 2014 stimmte das europäische Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit (498 Stimmen dafür, 88 dagegen) für die „Quasi“-Anerkennung Palästinas als Staat. Dieses Votum ist rechtlich nicht bindend, aber es sendet eine starke Botschaft an die internationale Gemeinschaft. Schweden ist einen Schritt weiter gegangen und hat Palästina offiziell als Staat anerkannt (BBC 17.12.2014).
Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO – Palestinian Liberation Organisation) wurde 1964 gegründet, 1974 als einzig legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes von der UNO anerkannt und erhielt den Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen (VP o.D.; vgl. Britannica o.D.). 1993 kam es zum Oslo-Abkommen zwischen Israel und der PLO (BPB 17.7.2011). Im Jahr 1993 folgte die Anerkennung der PLO als einzige Vertreterin der Palästinenser durch Israel (Israel MFA 10.9.1993). Die PLO ist die Dachorganisation für die verschiedenen palästinensischen Parteien und Bewegungen, darunter die Fatah, die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), die Arabische Befreiungsfront, die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP), die Palästinensische Befreiungsfront (PLF) und die Palästinensische Volkspartei (PPP). Hamas und Islamischer Dschihad sind nicht in der PLO vertreten (VP o.D.; vgl. SZ 12.1.2018).
Nach dem Erdrutschsieg der Hamas [Anm.: bei den Wahlen im Jahr 2006] begannen die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern von Hamas und Fatah, in deren Verlauf Hunderte von Menschen ums Leben kamen. Ihren Höhepunkt fanden sie im Juni 2007 im Gazastreifen als die Hamas mit Gewalt die Kontrolle über alle Sicherheitseinrichtungen und Regierungsgebäude der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA – Palestinian Authority) übernahm (GIZ 3.2020a). Zahlreiche Mitglieder und Anhänger der Fatah von Palästinenserpräsident Abbas flohen aus Gaza (Spiegel 13.6.2007; FAZ 3.8.2008). Von diesem Zeitpunkt an war Palästina zweigeteilt, in einen von Hamas kontrollierten Gazastreifen und ein von Fatah kontrolliertes Westjordanland. In beiden Gebieten wurden Aktivisten der jeweils anderen Seite inhaftiert und misshandelt, deren Einrichtungen geschlossen, ihre Medien verboten und ihre Demonstrationen aufgelöst. 2012 einigten sich Präsident Mahmoud Abbas und (damaliger) Hamas-Chef Khaled Mashaal in Katar auf die Bildung einer Übergangsregierung unter Leitung von Mahmoud Abbas (GIZ 3.2020a).
Die PA wurde 1994 nach Abschluss der Osloer Verträge zwischen Israel und der PLO gegründet. Am 13.4.2019 wurde die neue PA unter Premierminister Mohammad Shtayyeh vereidigt. Grundpfeiler des politischen Systems sind der Präsident, die Regierung unter Vorsitz eines Premierministers sowie das Parlament, der sogenannte Legislativrat (Palestinian National Council – PLC) mit 132 Sitzen. Das Wahlrecht sieht Verhältniswahl (Landesebene) und Direktwahl (Bezirksebene) vor. Letzte Wahlen in der Westbank und Gaza fanden im Januar 2006 statt; die vierjährige Legislaturperiode ist seit 2010 abgelaufen. Der Legislativrat tagt seit der Machtübernahme der Hamas in Gaza im Juni 2007 nicht mehr. Am 22.12.2018 hat Präsident Abbas den PLC für aufgelöst erklärt (AA 6.11.2019b; vgl. FH 4.2.2019). Parlamentswahlen hätten in den folgenden sechs Monaten stattfinden sollen, was nicht passierte. Die Hamas lehnte die Entscheidung über die Auflösung des PLC ab (FH 4.2.2019). Der Präsident der Palästinensischen Behörde wird vom Volk direkt gewählt. Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden im Januar 2005 statt. Die Amtszeit von Präsident Abbas ist formal seit 2009 abgelaufen (AA 6.11.2019b; vgl. FH 4.2.2019). Präsident Abbas ist auch Vorsitzender der Palästinensischen Befreiungsorganisation und Generalkommandant der Fatah-Bewegung (USDOS 11.3.2020). Der Premierminister ist laut Verfassung gegenüber dem Präsidenten und dem Legislativrat für sein Handeln und das Handeln des Kabinetts verantwortlich (GIZ 3.2020a).
Der Gazastreifen steht seit 2007 unter einer Blockade seitens Israel, was sich schwer auf die Wirtschaft auswirkt(e). Der gesamte Waren- und Personenverkehr in und aus dem Gaza-Streifen ist stark eingeschränkt. Die Bevölkerung in Gaza beläuft sich auf 1,9 bis 2 Millionen, von denen etwa 1,57 Millionen registrierte palästinensische Flüchtlinge sind (UNRWA 2019; vgl. GIZ 3.2020b).
Nach dem Wahlsieg der Hamas 2006 kam es 2007 zum Bruch zwischen der Hamas und der Fatah
von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Im Gazastreifen regiert die Hamas seitdem allein und
wird höchstens von noch radikaleren Kräften herausgefordert (DS 17.5.2018; vgl. USDOS 11.3.2020). Obwohl die Gesetze der PA in Gaza formal gültig sind, hat sie nur wenig Autorität, und die Hamas verfügt über die de facto-Kontrolle (USDOS 11.3.2020). Seit 2007 funktioniert der Gazastreifen als De-facto-Einparteienstaat unter der Herrschaft der Hamas, obwohl kleinere Parteien - darunter der Islamische Dschihad, die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), die Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) und eine von Präsident Abbas nicht unterstützte Fraktion der Fatah - in unterschiedlichem Maße toleriert werden. Einige dieser Gruppen verfügen über eigene Medien und veranstalten Kundgebungen und Versammlungen. Diejenigen, die mit Präsident Abbas und seinen Unterstützern in der Fatah verbunden sind, sind jedoch der Verfolgung ausgesetzt (FH 4.2.2019). Zivilgesellschaftliche Organisationen in Gaza geben an, dass die Hamas und andere islamistische Gruppen keinen öffentlichen Dissens, keine Opposition und keinen bürgerlichen Aktivismus tolerieren (USDOS 11.3.2020). Am 6. Mai 2017 wurde Ismail Haniyye zum neuen Vorsitzenden des Politbüros der Hamas gewählt. Er löste damit Khaled Mashaal ab, der das Amt seit 1996 innehatte (GIZ 3.2020a).
In den letzten Jahren sind mehrere Versöhnungsversuche zwischen Fatah und Hamas gescheitert (CGRS 6.3.2020). Am 12. Oktober 2017 unterzeichneten Fatah und Hamas in Kairo erneut ein Versöhnungsabkommen. Nach 2011 und 2014 ist dies der dritte Versuch, den seit mehr als zehn Jahren bestehenden Konflikt zwischen den beiden wichtigsten politischen Bewegungen in Palästina zu überwinden. Am 21. Dezember 2017 erklärte jedoch der Hamas-Chef im Gazastreifen Yahia al-Sinwar, dass das Abkommen vom 12.10.2017 dabei sei, zu scheitern (GIZ 3.2020a). Die ständige Verschiebung der Wahlen im Gaza-Streifen verhindert jede Möglichkeit für eine Änderung des politischen Status quo. Die Umsetzung des Versöhnungsabkommens von 2017, das schließlich zu Wahlen geführt hätte, scheiterte zum Teil an der Frage der Kontrolle über die innere Sicherheit des Gazastreifens, da die Hamas ihren unabhängigen bewaffneten Flügel und eine dominante Sicherheitsposition im Territorium behalten wollte (FH 4.2.2019; vgl. CGRS 6.3.2020). Die Kontrolle über die Grenzübergänge wurde von der Hamas 2017 auf die PA übertragen (CGRS 6.3.2020; vgl. DS 1.11.2017), wenngleich die Hamas trotzdem über die de facto Kontrolle in Sicherheits- und anderen Angelegenheiten hatte (USDOS 20.4.2018). Im Jänner 2019 zog die PA ihre Mitarbeiter am Grenzübergang zu Ägypten (Rafah) mit der Begründung zurück, dass die Hamas die Arbeit ihrer Mitarbeiter behindere (CGRS 6.3.2020).
Es gibt noch keinen Termin für die nächsten Präsidentschaftswahlen (FH 4.2.2019; vgl. CGRS 6.3.2020). Entscheidungen über die Durchführung von Wahlen sind stark politisiert. Die PA führte 2017 Gemeinderatswahlen im Westjordanland durch, aber die Hamas lehnte angesichts der Streitigkeiten zwischen Hamas und Fatah über die Kandidatenlisten die Teilnahme ab, und im Gazastreifen wurden keine Wahlen abgehalten. Auch bei den letzten Kommunalwahlen 2012 war der Gazastreifen von der Teilnahme ausgeschlossen. Versöhnungs- und Wiedervereinigungs-versuche zwischen Fatah und Hamas bleiben weiterhin erfolglos (FH 4.2.2019). Die Fähigkeit palästinensischer Beamter, im Gazastreifen Politik zu machen und umzusetzen, ist durch israelische und ägyptische Grenzkontrollen, israelische Militäraktionen und die anhaltende Spaltung mit der PA im Westjordanland stark eingeschränkt (FH 4.2.2019).
2005 zog Israel sein Militär und die nach 1967 angesiedelten Israelis aus dem Gazastreifen ab, behielt jedoch die Kontrolle über Außengrenzen und Luftraum unilateral bei: Daraus resultiert der Rechtsstreit, ob der Gazastreifen noch besetzt ist oder nicht (DS 17.5.2018). Israel hat weiterhin die Kontrolle über Wasser, Elektrizität, Infrastruktur, Grenzübergänge, medizinische Behandlung, Exporte/Importe und viele andere Bereiche des täglichen Lebens. Den Palästinensern kommt keine Souveränität über ihre Ressourcen zu (MEE 13.10.2019). Die Blockade des Gazastreifens seit 2007 durch Israel, die durch die ägyptischen Beschränkungen an der Grenze zum Gazastreifen noch verschärft wird, schränkt den Zugang der fast zwei Millionen dort lebenden Palästinenser zu Bildung, wirtschaftlichen Möglichkeiten, medizinischer Versorgung, sauberem Wasser und Elektrizität ein. Achtzig Prozent der Bevölkerung im Gazastreifen sind von humanitärer Hilfe abhängig (HRW 14.1.2020; vgl. FH 4.2.2019).
Die EU, Israel und die USA stufen die Hamas als Terrororganisation ein (Zeit Online 28.8.2019). Die Hamas verhaftete in der ersten Jahreshälfte 2019 Hunderte Salafisten. Gruppen wie der sogenannte Islamische Staat sind im Gazastreifen momentan nicht stark organisiert, aber die Gefahr, dass sie hier Fuß fassen könnten, ist sehr groß (Zeit Online 8.7.2019).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (6.11.2019a): Palästinensische Gebiete: Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/palaestinensischegebiete-node/steckbrief/203564 , Zugriff 31.3.2020
- AA - Auswärtiges Amt (6.11.2019b): Palästinensische Gebiete: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/palaestinensischegebiete-node/politisches-portrait/204438 , Zugriff 31.3.2020
- BBC – BBC News (17.12.2014): MEPs back Palestinian statehood bid, https://www.bbc.com/news/blogs-eu-30516523 , Zugriff 31.3.2020
- BMEIA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (18.3.2020): Palästina, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/palaestina/ , Zugriff 31.3.2020
- BPB – Bundeszentrale für politische Bildung (30.11.2012): Vereinte Nationen machen Palästina zum Beobachterstaat, https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/150698/un-machen-palaestina-zum-beobachterstaat-30-11-2012 , Zugriff 31.3.2020
- BPB – Bundeszentrale für politische Bildung (17.7.2011): Hamas und Palästinensischer Islamischer Jihad, https://www.bpb.de/politik/extremismus/islamismus/36365/hamas , Zugriff 31.3.2020
- Britannica – Encyclopaedia Britannica (o.D.): Palestine Liberation Organization, https://www.britannica.com/topic/Palestine-Liberation-Organization , Zugriff 31.3.2020
- CGRS-CEDOCA – Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (Belgium), COI unit (6.3.2020): Territoires Palestiniens - Gaza Situation sécuritaire, https://www.ecoi.net/en/file/local/2026441/coi_focus_territoires_palestiniens_-_gaza_situation_securitaire_20200306.pdf , Zugriff 3.4.2020
- DS - Der Standard (17.5.2018): Gaza und das Fenster zur Welt, https://derstandard.at/2000079890527/Gaza-und-das-Fenster-zur-Welt , Zugriff 31.3.2020
- DS - Der Standard (1.11.2017): Hamas übergibt Gaza-Grenzverwaltung an Palästinenserbehörde, https://www.derstandard.de/story/2000066993193/hamas-uebergibt-gaza-grenzverwaltung-an-palaestinenserbehoerde , Zugriff 3.4.2020
- FAZ - Frankfurter Allgemeine (3.8.2008): Schwere Kämpfe im Gazastreifen. Fatah-Anhänger fliehen nach Israel, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/fatah-anhaenger-fliehen-nach-israel-schwere-kaempfe-im-gazastreifen-1679341.html , Zugriff 31.3.2020
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gaza Strip, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004334.html , Zugriff 31.3.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Länderinformationsportal (3.2020a): Palästinensische Gebiete, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/geschichte-staat/ , Zugriff 31.3.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Länderinformationsportal (3.2020b): Palästinensische Gebiete, Überblick, https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/ueberblick/ , Zugriff 31.3.2020
- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html , Zugriff 31.3.2020
- Israel MFA - Israel Ministry of Foreign Affairs (10.9.1993): 107 Israel-PLO Mutual Recognition- Letters and Speeches - 10 September 1993, https://mfa.gov.il/MFA/ForeignPolicy/MFADocuments/Yearbook9/Pages/107%20Israel-PLO%20Mutual%20Recognition-%20Letters%20and%20Spe.aspx , Zugriff 31.3.2020
- MEE – Middle East Eye (13.10.2019): Will Israel's next government take a new approach on Gaza?, https://www.middleeasteye.net/opinion/will-israels-next-government-take-new-approach-gaza , Zugriff 28.4.2020
- Spiegel Online (13.6.2007): Bruderkrieg in Gaza, Polizisten fliehen nach Ägypten, http://www.spiegel.de/politik/ausland/palaestinenser-bruderkrieg-in-gaza-polizisten-fliehen-nach-aegypten-a-488423.html , Zugriff 31.3.2020
- SZ – Süddeutsche Zeitung (12.1.2018): Warum die Hamas nun mit Islamisten kämpft, https://www.sueddeutsche.de/politik/palaestinenser-kampf-der-islamisten-1.3822891 , Zugriff 3.4.2020
- UNRWA - United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (2019): How does she cope? Gaza women pushed to new limits in the gaza strip, https://www.ecoi.net/en/file/local/2023267/2388_gaza_report_a4_dkedits_final.pdf , Zugriff 31.3.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
- USDOS – United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Israel, Golan Heights, West Bank, and Gaza - West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/en/document/1430367.html , Zugriff 3.4.2020
- VP - Vertretung von Palästina in Österreich (o.D.): Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), https://www.palestinemission.at/palaestinensische-befreiungsorganis , Zugriff 31.3.2020
- Zeit Online (28.8.2019): Drei palästinensische Polizisten bei Explosion in Gaza getötet, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/gazastreifen-polizisten-palaestinenser-explosion-hamas , Zugriff 31.3.2020
- Zeit Online (8.7.2019): "Es könnte eine Hungerkatastrophe geben", https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-07/palaestina-unrwa-gazastreifen-fatah-hamas-israel/komplettansicht , Zugriff 28.4.2020
- Zenith - Zenith Online (30.11.2012): Grüne Brise in Ramallah, http://www.zenithonline.de/deutsch/politik//artikel/gruene-brise-in-ramallah-003490/ , Zugriff 31.3.2020
Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensischen Gebieten ist wesentlich vom israelisch-palästinensischen Konflikt geprägt (AA 25.3.2020). Auch den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im besetzten Palästinensischen Gebiet auswirken (EDA 30.3.2020).
1994 begann Israel einen Grenzzaun zu bauen, der 2000, während der Intifada, attackiert und danach durch eine Sicherheitsbarriere ersetzt wurde. Dabei richtete Israel auch eine Pufferzone auf dem Gebiet des Streifens ein (was ihn noch schmäler macht), in die laut israelischen Einsatzregeln scharf hineingeschossen werden kann. Die Breite der Zone, bis zu 300 Meter, wird variabel festgelegt – dort fanden in der Vergangenheit Aufmärsche statt. 2005 zog Israel sein Militär und die nach 1967 angesiedelten Israelis aus dem Gazastreifen ab, behielt jedoch die Kontrolle über Außengrenzen und Luftraum unilateral bei: Daraus resultiert der Rechtsstreit, ob der Gazastreifen noch besetzt ist oder nicht. Die letzten Jahre sind geprägt von einem Wechselspiel von Raketenangriffen auf Israel aus dem Gazastreifen, dem Bau von Schmuggel- und Angriffstunnels – und der immer wieder gelockerten und angezogenen Blockade durch Israel (DS 17.5.2018) sowie israelischen Militäroffensiven (AA 25.3.2020).
Für den Gazastreifen besteht eine Reisewarnung (AA 25.3.2020; vgl. BMEIA 18.3.2020). Die Lage ist äußerst gespannt. Seit Ende März 2018 kommt es immer wieder zu Massenprotesten entlang der Grenze zu Israel. Gewaltsame Konfrontationen zwischen Demonstranten und der israelischen Armee haben zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 30.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Seit März 2018 kam es im Gazastreifen regelmäßig zu Demonstrationen entlang des Grenzzauns zu Israel (“Great March of Return“), teils wöchentlich. Viele der Proteste waren mit Gewalt verbunden, es wurden insgesamt mehr als 200 Palästinenser getötet und Tausende verletzt (CIA 15.3.2020). Andere Quellen sprechen von mehr als 180 getöteten Palästinensern, viele durch scharfe Munition der israelischen Streitkräfte. Laut einer NGO wurden im Jahr 2018 in Gaza insgesamt 255 Palästinenser durch israelische Streitkräfte getötet, die höchste Zahl seit den offenen Kampfhandlungen 2014. Viele der Opfer waren zivile Demonstranten in der Nähe des Grenzzauns, andere Todesopfer waren auf israelische Luftangriffe sowie Schusswechsel mit in Gaza ansässigen militanten Kämpfern zurückzuführen (FH 4.2.2019).
Die Kämpfe zwischen Israel und bewaffneten palästinensischen Gruppen in Gaza waren mit unrechtmäßigen Angriffen und zivilen Opfern verbunden. Israelische Streitkräfte feuern weiterhin scharfe Munition auf Demonstranten innerhalb des Gazastreifens ab, die keine unmittelbare Bedrohung des Lebens darstellen, was gegen internationale Menschenrechtsstandards verstößt. Nach Angaben einer palästinensischen Menschenrechtsorganisation haben die israelischen Streitkräfte bei den Protesten im Jahr 2019 bis Ende Oktober 34 Palästinenser getötet und nach Angaben des Gesundheitsministeriums des Gazastreifens 1.883 mit scharfer Munition verletzt (HRW 14.1.2020). Eine weitere Quelle gibt an, dass im Jahr 2019 38 Palästinenser im Rahmen der Proteste entlang des Grenzzauns getötet wurden (USDOS 11.3.2020). Insbesondere werden zahlreiche, mit Brandsätzen ausgestattete Drachen und Ballons eingesetzt, die vom Gazastreifen aus starten und im Nahbereich des Zauns landen. Auch Raketen- und Mörserbeschuss aus dem Gazastreifen heraus auf israelisches Staatsgebiet und israelische Gegenangriffe kommen des Öfteren vor (AA 25.3.2020; vgl. Zeit 28.8.2019).
Die Eskalation des Konflikts im und um den Gazastreifen forderte im Sommer 2014 über 2000 Todesopfer und zahlreiche Verletzte. Am 26. August 2014 ist ein (unbefristeter) Waffenstillstand geschlossen worden. Trotz des Waffenstillstandsabkommens nehmen die Spannungen periodisch zu und führen immer wieder zu Raketenbeschüssen auf israelische Gebiete und zu militärischen Aktionen der israelischen Armee im Gazastreifen, wie z.B. Anfang Mai 2019 (EDA 30.3.2020). Die von Ägypten vermittelte inoffizielle Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas war mehrfach gebrochen worden (Zeit 28.8.2019). Auch in den Monaten Juli, August, Oktober und November 2018 sowie März 2019 hatte es mehrere kleinere Gewaltausbrüche gegeben, die zum Teil zivile Todesopfer zur Folge hatten (HRW 4.2.2020). Palästinensische Kämpfer beschossen Israel mit mehr als 1.340 Raketen und Mörsergranaten, es wurden laut israelischer Regierung fünf israelische Soldaten getötet. Als Reaktion auf diese Angriffe starteten die Israeli Defense Forces im Laufe des Jahres 2019 579 Luftangriffe auf Ziele in Gaza, die nach Angaben der Vereinten Nationen zusammen mit Panzerbeschuss 66 Palästinenser, darunter 10 Minderjährige, töteten (USDOS 11.3.2020).
Nach der Eskalation der Lage zwischen Israel und dem Gaza-Streifen vom 12. und 13. November 2019 (BMEIA 18.3.2020; vgl. DW 13.11.2019) herrscht seit dem 14. November nunmehr ein Waffenstillstand. Ein neuerliches Aufflammen der feindseligen Handlungen kann aber nicht ausgeschlossen werden. In Palästina finden immer wieder Protestmärsche und Kundgebungen statt, im Gaza-Streifen kommt es zudem zu massiven Zusammenstößen mit Todesopfern am Grenzzaun (BMEIA 18.3.2020). Es kommt vor, dass die Grenzübergänge zwischen Israel und dem Gazastreifen vorübergehend und ohne Vorwarnung auf unbestimmte Zeit abgeriegelt werden (EDA 30.3.2020; vgl. AA 25.3.2020). Der Gazastreifen ist seit Juni 2007 für den allgemeinen Personenverkehr von und nach Israel fast vollständig abgeriegelt [Anm.: siehe Kapitel zu Bewegungsfreiheit] (AA 25.3.2020).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (25.3.2020): Palästinensische Gebiete: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/palaestinensischegebiete-node/palaestinensischegebietesicherheit/203674 , Zugriff 31.3.2020
- BMEIA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (18.3.2020): Palästina, Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/palaestina/ , Zugriff 1.4.2020
- CIA – Central Intelligence Agency (15.3.2020): The World Factbook, Middle East, Gaza Strip, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gz.html , Zugriff 31.3.2020
- DS - Der Standard (17.5.2018): Gaza und das Fenster zur Welt, https://derstandard.at/2000079890527/Gaza-und-das-Fenster-zur-Welt , Zugriff 31.3.2020
- DW – Deutsche Welle (13.11.2019): Israel fliegt Vergeltungsangriffe auf Gaza, https://www.dw.com/de/israel-fliegt-vergeltungsangriffe-auf-gaza/a-51220622 , Zugriff 1.4.2020
- EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (30.3.2020): Reisehinweise für das Besetzte Palästinensische Gebiet (dazu gehören das Westjordanland, einschliesslich Ostjerusalem, und der Gazastreifen), https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/besetztes-palaestinensisches-gebiet/reisehinweise-besetztes-palaestinensisches-gebiet.html , Zugriff 1.4.2020
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gaza Strip, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004334.html , Zugriff 31.3.2020
- HRW – Human Rights Watch (4.2.2020): Gaza: Apparently Unlawful Israeli Strikes Kill At Least 11 Civilians, https://www.hrw.org/news/2020/02/04/gaza-apparently-unlawful-israeli-strikes-kill-least-11-civilians , Zugriff 1.4.2020
- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html , Zugriff 31.3.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
- Zeit Online (28.8.2019): Drei palästinensische Polizisten bei Explosion in Gaza getötet, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/gazastreifen-polizisten-palaestinenser-explosion-hamas , Zugriff 1.4.2020
Rechtsschutz / Justizwesen
Rechtssicherheit wird in Palästina dadurch erschwert, dass immer noch Elemente des osmanischen, britischen, jordanischen, ägyptischen, israelischen (israelische Militärverordnungen) und palästinensischen Rechts (seit 1994) nebeneinander existieren. Darüber hinaus wird in Palästina Gewohnheitsrecht und religiöses Recht (insbesondere im Familienrecht) angewandt. Daneben werden die Beschlüsse des Obersten Palästinensischen Gerichtshofes nicht immer umgesetzt (GIZ 3.2020a). Obwohl die Gesetze der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in Gaza formal gültig sind, hat die PA nur wenig Autorität, und die Hamas verfügt über die de-facto-Kontrolle (USDOS 11.3.2020). Die Auseinandersetzungen zwischen Fatah und Hamas wirken sich auch auf das Justizwesen aus. Nach der Spaltung untersagte die palästinensische Behörde ehemaligen Mitarbeitern der Justizbehörden (und auch der Sicherheitskräfte) im Gazastreifen für die Verwaltung der Hamas zu arbeiten. Sie wurden stattdessen von der palästinensischen Behörde bezahlt, ohne zu arbeiten. Die Hamas stellte Ersatz-Staatsanwälte und Richter ein, die häufig keine entsprechende Ausbildung und Qualifikation für die Aufgaben hatten (GIZ 3.2020a).
Die Gesetze der PA sehen das Recht auf eine unabhängige Justiz sowie einen fairen und öffentlichen Prozess vor. Verfahren sind öffentlich, außer in Sonderfällen, etwa wenn es zum Schutz bestimmter Interessen nötig ist, das Verfahren nicht-öffentlich abzuhalten. Es gilt die Unschuldsvermutung und der Angeklagte hat das Recht, zeitnah über die gegen ihn vorliegende Anklage informiert zu werden. Gemäß Amnesty International werden diese Rechte manchmal nicht gewahrt. Rechtsbeistand ist vorgesehen, auf Kosten des Staates, wenn nötig. Die Angeklagten haben das Recht auf Berufung. Während die PA in der Westbank diese prozeduralen Rechte weitgehend gewährleistet, implementiert sie die Hamas-Behörde im Gazastreifen nur inkonsistent (USDOS 11.3.2020). Dem Gerichtssystem der Hamas gelingt es üblicherweise nicht, einen fairen Prozess zu gewährleisten (FH 4.2.2019).
Die Hamas unterhält ein ad hoc Justizsystem, das getrennt von Strukturen der PA funktioniert. Das System ist politischer Einflussnahme ausgesetzt, Richtern mangelt es an angemessener Ausbildung und Erfahrung (FH 4.2.2019). Die Gerichte der Hamas, sowie deren Richter und Staatsanwälte, werden von der PA als illegal betrachtet. Die Bewohner des Gazastreifens können zivilrechtliche Klagen einreichen, auch wenn es um behauptete Menschenrechtsverletzungen geht; dies ist jedoch selten (USDOS 11.3.2020). Das von der Hamas beaufsichtigte Gerichtssystem gewährleistet im Allgemeinen keine ordnungsgemäßen Verfahren und in einigen Fällen werden Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Es gibt Berichte über willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen durch die Hamas, sowie über politisch motivierte Festnahmen. Es gibt keine rechtlichen oder unabhängigen Institutionen, die in der Lage gewesen wären, die Hamas als de-facto-Autorität im Gazastreifen zur Rechenschaft zu ziehen (USDOS 11.3.2020).
Die Israeli Defence Force (IDF) stellt Palästinenser, die wegen Sicherheitsdelikten beschuldigt werden, vor israelische Militärgerichte, denen seitens mancher NGOs vorgeworfen wird, unangemessen und unfair zu sein (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 11.3.2020).
Stammesgerichte spielen in Gaza eine wichtige Rolle für die Stabilität in der Gesellschaft (Al-Monitor 28.3.2018; vgl. GIZ 3.2020a). Die Menschen in Gaza bringen ihre Fälle lieber vor Stammesgerichte, weil diese meist sehr schnell ein Urteil fällen. Die Stammesgerichte stehen nicht im Widerspruch zur offiziellen Gerichtsbarkeit, sie operieren mit Unterstützung der Letzteren. Problematisch ist, das die Stammesrichter (tribal arbitrators) nicht im selben Maße unparteiisch sind wie offizielle Richter (Al-Monitor 28.3.2018).
Rechtlich anerkannte religiöse Gruppen sind befugt, über Fragen des persönlichen Status wie Ehe, Scheidung und Erbschaft zu entscheiden. Sie können geistliche Gerichte einrichten, um rechtsverbindliche Entscheidungen über den Personenstand und einige Vermögensfragen für Mitglieder der Religionsgemeinschaft zu treffen (USDOS 21.6.2019).
Quellen:
- Al-Monitor (28.3.2018): Tribal law keeps imperfect order in Gaza, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2018/03/customary-law-among-tribes-has-upper-hand-in-gaza-strip.html , Zugriff 1.4.2020
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gaza Strip, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004334.html , Zugriff 31.3.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Länderinformationsportal (3.2020a): Palästinensische Gebiete, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/geschichte-staat/ , Zugriff 31.3.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
- USDOS – United States Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Israel: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011172.html , Zugriff 1.4.2020
Sicherheitsbehörden
Im Gazastreifen verfügt die Hamas in allen Gesellschaftsbereichen de-facto die Kontrolle. Es gibt keine rechtlichen oder unabhängigen Institutionen, die in der Lage sind, die Hamas zur Verantwortung bzw. Rechenschaft zu ziehen. Für die innere Sicherheit in Gaza zuständig sind Zivilpolizei, Wach- und Schutztruppen, eine interne Geheimdienst- und Ermittlungseinheit sowie der Zivilschutz. Für die nationale Sicherheit zuständig sind die nationalen Sicherheitskräfte, die Militärjustiz, die Militärpolizei, der medizinische Dienst und die Gefängnisbehörde. In einigen Fällen nutzen die "zivilen" Hamas-Behörden de facto den militärischen Flügel der Hamas-Bewegung, um gegen interne Meinungsverschiedenheiten vorzugehen (USDOS 11.3.2020).
Die Hamas hat kein konventionelles Militär im Gazastreifen, sondern unterhält verschiedene Einheiten von Sicherheitskräften, zusätzlich zu ihrem bewaffneten Flügel, der Izz al-Din al-Qassam
Brigade. Dieser militärische Flügel untersteht dem politischen Büro der Hamas. Es gibt mehrere andere militante Gruppierungen, die im Gazastreifen operieren, vor allem die Al-Quds-Brigaden des Palästinensischen Islamischen Dschihad, die normalerweise, aber nicht immer, der Autorität der Hamas unterstehen (CIA 15.3.2020). Die Izz al-Din al-Qassam Brigade kann, gemäß Informationen aus dem Jahr 2014, als etwa 7.000 Mann starke „stehende Armee“ gesehen werden, mit einem Mobilisierungspotential von etwa 25.000 Mann (GS 1.5.2017). Die EU, Israel und die USA stufen die Hamas als Terrororganisation ein (Zeit 28.8.2019), genauso wie Izz al-Din al-Qassam. Auch der Islamische Dschihad wird von der EU als terroristische Gruppierung eingestuft (EU 8.8.2019).
Die Auseinandersetzungen zwischen Fatah und Hamas wirken sich auch auf die Sicherheitskräfte
aus. Nach der Spaltung untersagte die palästinensische Behörde ehemaligen Mitarbeitern der Sicherheitskräfte, im Gazastreifen für die Verwaltung der Hamas zu arbeiten. Sie wurden stattdessen von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) bezahlt, ohne zu arbeiten. Die Arbeit der palästinensischen Sicherheitsdienste und der Polizei wird jedoch auch durch die israelische Armee behindert, z.B. zerstörte sie während des Gazakrieges im Dezember 2008 alle Gefängnisse und Haftzentren in Gaza durch Bombenangriffe (GIZ 3.2020a). Israel behält die effektive zivile Kontrolle über seine Sicherheitskräfte im Gazastreifen bei (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- CIA – Central Intelligence Agency (15.3.2020): The World Factbook, Middle East, Gaza Strip, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gz.html , Zugriff 31.3.2020
- EU – Europäische Union (8.8.2019): Beschluss (GASP) 2019/1341 des Rates vom 8. August 2019, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/HTML/?uri=CELEX:32019D1341&from=en , Zugriff 29.4.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Länderinformationsportal (3.2020a): Palästinensische Gebiete, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/geschichte-staat/ , Zugriff 31.3.2020
- GS – Global Security (1.5.2017): HAMAS (Islamic Resistance Movement), https://www.globalsecurity.org/military/world/para/hamas.htm , Zugriff 31.3.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
- Zeit – Zeit Online (28.8.2019): Drei palästinensische Polizisten bei Explosion in Gaza getötet, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/gazastreifen-polizisten-palaestinenser-explosion-hamas , Zugriff 31.3.2020
Folter und unmenschliche Behandlung
Das Grundgesetz der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) verbietet Folter und die Ausübung von Gewalt gegen Gefangene. Folter und Misshandlungen kommen jedoch weiterhin vor (USDOS 11.3.2020) bzw. sind weit verbreitet (HRW 29.5.2019; vgl. HRW 10.2018). Sowohl die PA im Westjordanland als auch die Hamas-Behörden im Gazastreifen verhaften und foltern routinemäßig friedliche Kritiker und Gegner (HRW 14.1.2020; vgl. HRW 10.2018). In den Haftanstalten sowohl im Gazastreifen als auch im Westjordanland kommt es regelmäßig zu Folter durch die Sicherheitsdienste der Hamas und der PA (HRW 10.2018; vgl. USDOS 11.3.2020). Da sich der Konflikt zwischen der Palästinensischen Behörde und der Hamas verschärft hat, haben beide Parteien die Unterstützer der jeweils anderen ins Visier genommen. Die Täter bleiben oft straffrei (HRW 10.2018).
Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen hat die Hamas Dutzende von Palästinensern, die wegen ihrer Teilnahme an der „Bidna Na'eesh“-Bewegung („Wir wollen leben“-Bewegung) verhaftet wurden, Folter und erniedrigender Behandlung ausgesetzt, darunter schwere Schläge, das Brechen von Gliedmaßen, etc. In einem Zeitraum von 18 Monaten bis April 2019 beschwerten sich laut Human Rights Watch (HRW) 213 Palästinenser in Gaza über Folter und Misshandlung durch die Hamas (USDOS 11.3.2020). Eine andere Quelle spricht von 156 Berichten über Fälle von Folter und anderweitigen Misshandlungen im Gazastreifen, die die Unabhängige Kommission für Menschenrechte (ICHR), die nationale palästinensische Menschenrechtsinstitution, bis Ende November 2019 erhalten hat (AI 18.2.2020).
Quellen:
- AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Nahen Osten und in Nordafrika: 2019; Staat Palästina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026071.html , Zugriff 29.4.2020
- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html , Zugriff 1.4.2020
- HRW – Human Rights Watch (10.2018): Palestine: Authorities Crush Dissent, https://www.ecoi.net/de/dokument/1447616.html , Zugriff 1.4.2020
- HRW – Human Rights Watch (29.5.2019): Palestine: No Letup in Arbitrary Arrests, Torture, https://www.hrw.org/news/2019/05/29/palestine-no-letup-arbitrary-arrests-torture , Zugriff 1.4.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
Korruption
Gesetzliche Regelungen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) sehen Strafen für behördliche Korruption vor. In der Praxis wird jedoch wenig getan, um gegen korrupte Beamte vorzugehen (USDOS 11.3.2020). Die von der Hamas kontrollierte Regierung verfügt über keine wirksamen oder unabhängigen Mechanismen zur Gewährleistung von Transparenz in Sachen Finanzierung, der Beschaffung oder ihrer Tätigkeit (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Im Gazastreifen werfen örtliche Beobachter und NGOs der Hamas Fälle von Mittäterschaft bei korrupten Vorgängen vor, einschließlich Vergünstigungen bei Einkaufskonditionen für Immobilien, und der Erzielung von finanziellen Einnahmen in Zusammenhang mit Gebührenforderungen gegenüber Importeuren im Gazastreifen. Hamas-Behörden unterdrücken die Berichte und den Zugang zu Informationen massiv. Importeure von eingeschränkt importierbaren Gütern, die dem Ministerium für zivile Angelegenheiten der PA nahe stehen, werden gemäß Informationen lokaler Geschäftsleute bevorzugt behandelt (USDOS 11.3.2020).
Laut Korruptionsbericht 2018 der palästinensischen Vereinigung AMAN – Coalition for Accountability and Integrity ist 2018 wie in den vorhergehenden Jahren die häufigste Form der Korruption im öffentlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen Bereich in Palästina die Vettern-, Klüngel- und Günstlingswirtschaft bei Dienstleistungen und Stellenbesetzungen (Wasta = gute Beziehungen). Daneben sind u.a. die Verletzung der Treuepflicht, Machtmissbrauch, der Missbrauch öffentlicher Gelder, die Veruntreuung von öffentlichen Geldern, Bestechung, Betrug, die Nichtbefolgung von Gerichtsentscheidungen und Geldwäsche zu beklagen (GIZ 3.2020a).
Quellen:
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gaza Strip, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004334.html , Zugriff 31.3.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Länderinformationsportal (3.2020a): Palästinensische Gebiete, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/geschichte-staat/ , Zugriff 31.3.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Es gibt ein breites Spektrum palästinensischer NGOs und zivilgesellschaftlicher Gruppen. Die Hamas betreibt ein großes Netzwerk sozialer Dienste, schränkt die Aktivitäten von Hilfsorganisationen jedoch ein, wenn diese sich nicht den Restriktionen der Hamas beugen. Viele zivil-gesellschaftliche Gruppen wurden seit der Spaltung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) 2007 aus politischen Gründen geschlossen. Die Hilfs- und Wiederaufbaubemühungen von NGOs nach dem Konflikt mit Israel im Jahr 2014 werden teilweise durch Meinungsverschiedenheiten über den Zugang zum Staatsgebilde und die Kontrolle über die Grenzübergänge behindert (FH 4.2.2019).
In Gaza versucht die Hamas, verschiedene Organisationen an der Arbeit zu hindern, darunter aus Sicht der Hamas mit der Fatah in Verbindung stehende Organisationen, sowie Privatunternehmen und NGOs, die nach Ansicht der Hamas gegen ihre Interpretation der islamischen Gesellschaftsnormen verstoßen. Das „Innenministerium“ der Hamas beansprucht die Überwachungsbefugnis über alle NGOs. Ihre Repräsentanten belästigen regelmäßig NGO-Mitarbeiter und erfragen Informationen über Angestellte, Gehälter und Aktivitäten. In Gaza stationierte NGOs berichten, dass Mitglieder der Hamas in ihren Büros auftauchen, um Steuern einzutreiben, die Herausgabe von Begünstigtenlisten zu fordern, Gehaltsinformationen abzufragen und um Mitarbeiter der NGOs zur Befragung auf Polizeistationen zu bringen (USDOS 11.3.2020).
Außerdem gibt es zahlreiche Berichte, dass die Hamas Mitglieder von internationalen Organisationen schikanieren. Palästinensische, israelische und internationale NGOs beobachten die Aktivitäten der israelischen Regierung in den besetzten Gebieten und publizieren ihre Erkenntnisse, obwohl Bewegungs- und Zugangsbeschränkungen, beispielsweise an der Grenze zwischen Israel und Gaza, diese Arbeit erschweren. Humanitäre Organisationen äußern sich weiterhin besorgt über den schwindenden Handlungsspielraum für internationale NGOs im Gazastreifen, einschließlich einer erheblichen Zunahme der israelischen Reiseverbote, die ihre in Gaza stationierten Mitarbeiter betreffen. Die israelischen Behörden verstärkten die Kontrolle von nichtstaatlichen Besuchern sowie von Diplomaten, die in den Gazastreifen reisen (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gaza Strip, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004334.html , Zugriff 1.4.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
Wehrdienst und Rekrutierungen
Die Hamas hat kein konventionelles Militär im Gazastreifen, sondern unterhält verschiedene Einheiten von Sicherheitskräften, zusätzlich zu ihrem bewaffneten Flügel, der Izz al-Din al-Qassam
Brigade. Dieser militärische Flügel untersteht dem politischen Büro der Hamas. Es gibt mehrere andere militante Gruppierungen, die im Gaza-Streifen operieren, vor allem die Al-Quds-Brigaden des Palästinensischen Islamischen Dschihad, die normalerweise, aber nicht immer, der Autorität der Hamas unterstehen (CIA 15.3.2020). Die Izz al-Din al-Qassam Brigade kann, gemäß Informationen aus dem Jahr 2014, als etwa 7.000 Mann starke „stehende Armee“ gesehen werden, mit einem Mobilisierungspotential von etwa 25.000 Mann (GS 1.5.2017).
Die EU, Israel und die USA stufen die Hamas als Terrororganisation ein (Zeit 28.8.2019; vgl. EU 8.8.2019), genauso wie Izza al-Din al-Qassam. Auch der Islamische Dschihad wird von der EU als terroristische Gruppierung eingestuft (EU 8.8.2019).
Quellen:
- CIA – Central Intelligence Agency (15.3.2020): The World Factbook, Middle East, Gaza Strip, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gz.html , Zugriff 31.3.2020
- EU – Europäische Union (8.8.2019): Beschluss (GASP) 2019/1341 des Rates vom 8. August 2019, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/HTML/?uri=CELEX:32019D1341&from=en , Zugriff 29.4.2020
- GS – Global Security (1.5.2017): HAMAS (Islamic Resistance Movement), https://www.globalsecurity.org/military/world/para/hamas.htm , Zugriff 31.3.2020
- Zeit – Zeit Online (28.8.2019): Drei palästinensische Polizisten bei Explosion in Gaza getötet, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/gazastreifen-polizisten-palaestinenser-explosion-hamas , Zugriff 31.3.2020
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Hamas übt im Gazastreifen die De-Facto-Kontrolle aus und legt der Bevölkerung Restriktionen
gemäß ihrer Interpretation des Islam und der Scharia auf (USDOS 21.6.2019). Berichtet wird von ungesetzlichen oder willkürlichen Tötungen; Folter und willkürlicher Inhaftierung durch Beamte der Hamas; willkürlichen oder unrechtmäßigen Eingriffen in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungs-, Presse- und Internetfreiheit; Gewaltandrohungen, Verhaftungen und Verfolgungen von Journalisten; Zensur; Sperren von Websites; wesentlichen Eingriffen in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation; Korruption, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten; Gewalt und Gewaltandrohungen gegen LGBTI-Personen; etc. (USDOS 11.3.2020). Menschenrechtsorganisationen kritisieren außerdem Misshandlungen in Haft, Haft ohne Anklageerhebung und Gerichtsverfahren, Angriffe auf israelische Zivilisten, insbesondere durch selbst gebaute Raketen auf den Süden Israels, Gewalt gegen Frauen und grundsätzlich ein Klima der Rechtlosigkeit und Straffreiheit, besonders bei Aktionen gegen die politischen Gegner. Außerdem wird kritisiert, dass in Palästina weiterhin die Todesstrafe existiert (GIZ 3.2020a).
Es gibt Berichte über willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen durch die Hamas, sowie über politisch motivierte Festnahmen. In vielen Fällen würden die Gefangenen ohne formelle Anklage oder ordnungsgemäße Verfahren festgehalten. Von willkürlicher Verhaftungen waren vor allem zivilgesellschaftliche Aktivisten, Fatah-Mitglieder, Journalisten und Personen, die die Hamas öffentlich kritisierten, betroffen. Es gibt auch Berichte darüber, dass die Hamas Personen festnahm, welche die Hamas (im Gazastreifen) online kritisierten. Die Hamas nahm auch jene ins Visier, von denen vermutet wird, dass sie Verbindungen zu Israel haben. Im März 2019 nahmen die Hamas-Sicherheitskräfte tausende Palästinenser in Gaza fest, die im Rahmen der „Bidna Na‘eesh“-Bewegung („Wir wollen leben“-Bewegung) gegen hohe Preise und schlechte Qualität der [staatlichen] Leistungen demonstriert hatten, darunter zivilgesellschaftliche Aktivisten, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten. Sicherheitskräfte der Hamas in Zivilkleidung und Uniformen schlugen, verhörten und folterten Hunderte der Demonstranten. Es gibt keine rechtlichen oder unabhängigen Institutionen, die in der Lage gewesen wären, die Hamas als de facto-Autorität im Gazastreifen zur Rechenschaft zu ziehen (USDOS 11.3.2020).
Auf der anderen Seite beklagen Menschenrechtsorganisationen auch zahlreiche Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch Israel in Palästina. Nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem wurden vom 19.01.2009 bis zum 31.12.2019 im Westjordanland und im Gazastreifen 3.512 Palästinenser durch israelische Sicherheitskräfte getötet, darunter 794 Minderjährige. Bei der israelischen Militäroperation "Protective Edge" im Gazastreifen im Juli/August 2014 kamen nach UN-Angaben mindestens 1.473 Zivilisten ums Leben (GIZ 3.2020). Laut dem Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) der Vereinten Nationen wurden seit 1.1.2018 (bis Stand 22.4.2020) im Gazastreifen 374 Palästinenser getötet, 260 davon im Jahr 2018, 108 im Jahr 2019 und sechs bis April 2020. Mehr als 37.000 Palästinenser wurden im Gazastreifen seit 1.1.2018 verletzt, davon 25.177 im Jahr 2018, 11.898 im Jahr 2019 und 36 bis Ende April 2020 (OCHA o.D.). Israels Blockade des Gazastreifens, die den Personen- und Warenverkehr in und aus dem Gebiet einschränkt, hat weiterhin verheerende Auswirkungen auf die Menschenrechte der in Gaza lebenden Palästinenser. Amnesty International spricht von einer „kollektiven Bestrafung“, die die humanitäre Krise noch weiter verschärft (AI 18.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020).
Die Religionsfreiheit ist eingeschränkt. Das Grundgesetz der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) erklärt den Islam zur offiziellen Religion Palästinas und besagt, dass "Respekt und Heiligkeit aller anderen himmlischen Religionen (Judentum, Christentum) gewahrt werden sollen". Blasphemie ist ein kriminelles Vergehen. Die Hamas-Behörden setzen konservative sunnitische islamische Praktiken durch und versuchen, politische Kontrolle über Moscheen auszuüben. Sie erzwingen jedoch keine Gebete in Schulen und zwingen Frauen nicht dazu Hidschab zu tragen, wie es in den ersten Jahren der Kontrolle durch die Hamas üblich war (FH 4.2.2019).
Quellen:
- AI – Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Israel and Occupied Palestinan Territories, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025832.html , Zugriff 31.3.2020
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gaza Strip, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004334.html , Zugriff 31.3.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Länderinformationsportal (3.2020a): Palästinensische Gebiete, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/geschichte-staat/ , Zugriff 31.3.2020
- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html , Zugriff 1.4.2020
- OCHA – United Nations Office for the Coordniation of Humanitarian Affairs (o.D.): Occupied Palestinian Territories, Data on Casualties, https://www.ochaopt.org/data/casualties , Zugriff 29.4.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
- USDOS – United States Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Israel: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011172.html , Zugriff 1.4.2020
Meinungs- und Pressefreiheit
Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit 2019 von Reporter ohne Grenzen belegt Palästina den 137. Platz von insgesamt 180. Freedom House stufte den Status der Medien- und Pressefreiheit 2019 im Gazastreifen auf einer Skala von 0 (extrem schlecht) bis 4 (extrem gut) mit 0 ein (GIZ 3.2020a; vgl. RoG 2019, FH 4.2.2019). Die von der Fatah geführte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland und die Hamas-Behörden im Gazastreifen verhaften und foltern routinemäßig friedliche Kritiker und Gegner. Da sich der Konflikt zwischen der PA und der Hamas verschärft hat, haben beide Parteien die Unterstützer der jeweils anderen ins Visier genommen, festgenommen und misshandelt (HRW 10.2018; vgl. GIZ 3.2020a). Im ersten Halbjahr 2019 dokumentierte das Palestinian Center for Development and Media Freedoms 330 Verletzungen der Medienfreiheit in Palästina (Gazastreifen und Westjordanland) (GIZ 3.2020a).
In Gaza schränkt die Hamas die Pressefreiheit durch Verhaftungen und Verhöre von (kritischen) Journalisten ein. Es gibt außerdem Schikanen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie Zutrittsbeschränkungen (beispielsweise zu öffentlichen Gebäuden) einiger Journalisten. Diese Einschränkungen führen dazu, dass viele Journalisten Selbstzensur betreiben. Medienschaffende, die beschuldigt werden, die Hamas öffentlich zu kritisieren, darunter Aktivisten der Zivil-gesellschaft, Jugendliche, Social Media-Aktivisten und Journalisten, sehen sich mit Strafmaß-nahmen konfrontiert, darunter Razzien in ihren Büros oder Wohnhäusern, willkürliche Verhaftungen und die Verweigerung der Ausreise aus dem Gazastreifen (USDOS 11.3.2020).
Seit 2014 sind Zeitungen aus dem Westjordanland erlaubt und eine Reihe von politischen Fraktionen haben ihre eigenen Medienkanäle. Die Medien sind in Gaza nicht frei (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Zivilgesellschaftliche Organisationen in Gaza berichten, dass die Hamas Fernsehprogramme und schriftliches Material wie Zeitungen und Bücher zensiert (USDOS 11.3.2020). Die Behörden überwachen auch die sozialen Medien auf kritische Inhalte. Journalisten und Blogger im Gazastreifen sind weiterhin mit Repressionen konfrontiert, die in der Regel durch den inneren Sicherheitsapparat der Hamas ausgeübt werden (FH 4.2.2019).
Die Einschüchterung durch Hamas-Kämpfer und andere bewaffnete Gruppen wirkt sich auf die Freiheit des privaten Diskurses im Gazastreifen aus (FH 4.2.2019). Die Hamas überwacht private Kommunikationssysteme, darunter Telefon, Email und die Sozialen Medien. In Gaza ansässige palästinensische zivilgesellschaftliche Organisationen und Personen, die mit den Sozialen Medien beruflich zu tun haben, geben an, dass die Hamas de facto die Internetaktivitäten der Bewohner des Gazastreifens überwacht, und sie einschüchtert oder schikaniert (USDOS 11.3.2020). Zwischen Jänner 2018 und März 2019 wurden 66 Personen von den Hamas-Behörden wegen ihrer Beiträge in Sozialen Medien festgenommen oder weil sie „die revolutionäre Einheit“ verletzt oder “Technologie missbraucht“ hätten (HRW 14.1.2020).
Quellen:
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gaza Strip, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004334.html , Zugriff 31.3.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Länderinformationsportal (3.2020a): Palästinensische Gebiete, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/geschichte-staat/ , Zugriff 31.3.2020
- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html , Zugriff 1.4.2020
- HRW – Human Rights Watch (10.2018): Palestine: Authorities Crush Dissent, https://www.ecoi.net/de/dokument/1447616.html , Zugriff 1.4.2020
- RoG – Reporter ohne Grenzen (2019): 2019 World Press Freedom Indey, Palestine, https://rsf.org/en/ranking , Zugriff 1.4.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Immer wieder missachten palästinensische Sicherheitskräfte das Recht auf freie Meinungs-äußerung und Versammlungsfreiheit (GIZ 3.2020a). Sowohl die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) als auch die Sicherheitskräfte der Hamas haben im Laufe des Jahres 2019 friedliche Proteste und Demonstrationen im Westjordanland und im Gazastreifen selektiv eingeschränkt oder aufgelöst (USDOS 11.3.2020). Die Hamas löste nicht genehmigte Versammlungen gewaltsam auf (FH 4.2.2019). Unter der Regierung der Hamas muss für jede öffentliche Versammlung oder Feier im Gazastreifen im Vorhinein eine Genehmigung eingeholt werden, was dem Grundgesetz der PA widerspricht, die öffentliche Versammlungen, Treffen oder Umzüge im gesetzlichen Rahmen erlaubt. Die Hamas versucht, Kritik an ihrer Politik zu verhindern, indem sie willkürlich die Genehmigung von Treffen zu politischen oder sozialen Themen einfordert. Sie nutzt willkürliche Verhaftung, um Veranstaltungen zu verhindern, insbesondere den Protest „Bidna Na'eesh“ (Wir wollen leben) und politische Veranstaltungen, die mit der Fatah in Verbindung stehen (USDOS 11.3.2020). Demgegenüber unterstützte die Hamas jedoch die – teils gewaltsamen - sogenannten „Great March of Return“-Proteste, die im März 2018 als wöchentliche Demonstration begannen und bei denen es um die Forderung geht, dass die palästinensischen Flüchtlinge wieder in das heutige Israel zurückkehren können (FH 4.2.2019). Laut dem Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) der Vereinten Nationen wurden im Jahr 2019 im Gazastreifen insgesamt 108 Palästinenser getötet, davon 34 im Kontext von Demonstrationen (OCHA o.D.; vgl. AI 18.2.2020)
In Gaza werden friedliche Kritiker und Gegner von den Behörden der Hamas willkürlich verhaftet. Allein während Protesten im März 2019 wurden mehr als 1.000 Demonstranten verhaftet. Die Proteste waren Teil der „Bidna Na'eesh“-Bewegung, die sich gegen die gestiegenen Lebenserhaltungskosten und Steuererhöhungen durch die Hamas - vor dem Hintergrund der israelischen Blockade - richteten. Unter den Festgenommenen waren auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten (HRW 29.5.2019). Die Sicherheitskräfte gingen auch mit Gewalt gegen die Demonstranten vor [Anm.: zu den Protesten seit März 2018 siehe auch Abschnitt 3. Sicherheitslage] (HRW 20.3.2019; vgl. GIZ 3.2020a). Es gibt auch Berichte über Folter von inhaftierten Oppositionellen oder anderen Kritikern durch die Hamas (HRW 14.1.2020). Die Hamas versucht auch, verschiedene Organisationen an ihrer Arbeit zu hindern. Dazu gehörten einige, denen sie vorwarf, zur Fatah zu gehören, sowie Privatunternehmen und NGOs, die nach Ansicht der Hamas gegen ihre Interpretation der islamischen Gesellschaftsnormen verstoßen (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AI – Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Israel and Occupied Palestinan Territories, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025832.html , Zugriff 1.4.2020
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gaza Strip, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004334.html , Zugriff 31.3.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Länderinformationsportal (3.2020a): Palästinensische Gebiete, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/geschichte-staat/ , Zugriff 31.3.2020
- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html , Zugriff 1.4.2020
- HRW – Human Rights Watch (29.5.2019): Palestine: No Letup in Arbitrary Arrests, Torture, https://www.ecoi.net/de/dokument/2009570.html , Zugriff 1.4.2020
- HRW – Human Rights Watch (20.3.2019): Another Brutal Crackdown by Hamas in Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/1458955.html , Zugriff 1.4.2020
- OCHA – United Nations Office for the Coordniation of Humanitarian Affairs (o.D.): Occupied Palestinian Territories, Data on Casualties, https://www.ochaopt.org/data/casualties , Zugriff 29.4.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
Haftbedingungen
Die Haftbedingungen in Gefängnissen im Gazastreifen sind Berichten zufolge schlecht und die Gefängniszellen überbelegt. NGO-Berichten zufolge mangelt es in allen Gefängnissen an ange-messenen Einrichtungen und spezieller medizinischer Versorgung für Häftlinge und Gefangene mit Behinderungen. Laut Human Rights Watch (HRW) führten Mechanismen, mit denen Mitarbeiter und Verwaltungsangestellte zur Rechenschaft gezogen werden sollten, selten, wenn überhaupt, zu Konsequenzen für schwerwiegende Missbräuche (USDOS 11.3.2020). Am 27.9.2018 berichtete die Unabhängige Menschenrechtskommission, dass Sicherheitskräfte der Hamas in Gaza mehr als 50 mit der Fatah in Verbindung stehende Personen verhaftet hatten, und dass Beamte der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland innerhalb weniger Tage mehr als 60 mit der Hamas verbundene Personen festgenommen hatten. In den dokumentierten Fällen wurden die Gefangenen von palästinensischen Sicherheitskräften bedroht und geschlagen (HRW 10.2018). Im Gazastreifen wird dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (ICRC) Zugang zu Häftlingen gewährt, um Behandlung und Haftbedingungen zu bewerten. Menschenrechtsorganisationen führen Gefängnisbesuche durch, zu hochrangigen Häftlingen wird der Zugang allerdings verwehrt (USDOS 11.3.2020).
Insgesamt wurden im Jahr 2018 mehr als 6.500 Palästinenser von israelischen Sicherheitsbehörden inhaftiert, darunter 370 aus dem Gazastreifen. Unter der Gesamtzahl der Inhaftierten befinden sich 400 Kinder, 64 Frauen, während 700 weitere ohne Gerichtsverfahren in administrativer Haft sind (PCHR 2018). Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über unmenschliche Haftbedingungen, Folter und Misshandlungen, wie z.B. Schläge, Schlafentzug, Anwendung von Stresspositionen und überlange Einzelhaft als Bestrafung (AI 18.2.2020), und herabwürdigende Behandlung wie Entzug von Familienbesuchen, medizinische Vernachlässigung, die Verweigerung des Rechtes auf rechtliche Vertretung und Beratung, sowie verbale Beleidigungen und Erniedrigung (PCHR 2018). Die israelische Regierung erlaubte Besuche unabhängiger Menschenrechtsbeobachter. Palästinensische Familien und Menschenrechtsgruppen berichteten über Verzögerungen und Schwierigkeiten beim Zugang zu bestimmten Gefangenen durch die israelischen Behörden und über die unangekündigte Verlegung von Gefangenen (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AI – Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Israel and Occupied Palestinian Territories 2019, https://www.amnesty.org/en/countries/middle-east-and-north-africa/israel-and-occupied-palestinian-territories/report-israel-and-occupied-palestinian-territories/ , Zugriff 1.4.2020
- HRW – Human Rights Watch (10.2018): Palestine: Authorities Crush Dissent, https://www.ecoi.net/de/dokument/1447616.html , Zugriff 1.4.2020
- PCHR – Palestinian Centre for Human Rights (2018): Annual Report, https://www.pchrgaza.org/en/wp-content/uploads/2020/02/annual-report-engish-2018.pdf , Zugriff 31.3.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
Todesstrafe
2018 unterzeichnete der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas die Urkunde über den Beitritt Palästinas zu sieben internationalen Abkommen und Verträgen, einschließlich des Zweiten Fakultativprotokolls von 1989 zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), das auf die Abschaffung der Todesstrafe abzielt. Im Gazastreifen wird die Todesstrafe weiterhin angewandt, jedoch im Jahr 2018 deutlich reduziert (PCHR 2018).
Die Hamas-Behörden haben 25 Hinrichtungen durchgeführt, seit sie im Juni 2007 die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen haben. Nach Angaben des nichtstaatlichen Palästinensischen Zentrums für Menschenrechte haben die Gerichte in Gaza seit Juni 2007 128 Menschen zum Tode verurteilt. Im Jahr 2019 gab es keine Hinrichtungen (HRW 14.1.2020), drei Personen wurden wegen Mordes zum Tode verurteilt (USDOS 11.3.2020). Im Jahr 2018 wurden 13 Personen zum Tode verurteilt, 2017 waren es noch 16 gewesen. Es wurden 2018 keine Hinrichtungen durchgeführt (FH 4.2.2019). Die Prozesse sind durch den Mangel an angemessenen Schutzmaßnahmen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens gekennzeichnet (HRW 14.1.2020; vgl. USDOS 11.3.2020) und es gibt keine ausreichende Gelegenheit für Berufungen. Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass der palästinensische Präsident Exekutionen ratifizieren muss, die Exekutionen werden jedoch ohne eine solche Ratifikation durchgeführt (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gaza Strip, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004334.html , Zugriff 31.3.2020
- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html , Zugriff 31.3.2020
- PCHR – Palestinian Centre for Human Rights (2018): Annual Report, https://www.pchrgaza.org/en/wp-content/uploads/2020/02/annual-report-engish-2018.pdf , Zugriff 31.3.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
Bewegungsfreiheit
Die Behörden der Hamas haben im Gazastreifen allem Anschein nach keine routinemäßigen Einschränkungen der internen Bewegungsfreiheit implementiert, obwohl es einige Gebiete gibt, zu denen die Hamas den Zutritt verwehrte. Der steigende Druck, der Interpretation islamischer Normen der Hamas zu entsprechen, führt im Allgemeinen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Frauen. Durch Kritik an der Hamas, beispielsweise im Internet, riskieren Personen ein Ausreiseverbot aus Gaza (USDOS 11.3.2020).
Die Bewegungsfreiheit der Bewohner des Gazastreifens ist stark eingeschränkt, die Bedingungen haben sich in den letzten Jahren weiter verschlechtert. Sowohl Israel als auch Ägypten überwachen die Grenzgebiete streng, und die Hamas verhängt ihre eigenen Beschränkungen (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Palästinenser, die nach Gaza zurückkehren, werden regelmäßig von der Hamas über ihre Aktivitäten in Israel, im Westjordanland und im Ausland verhört (USDOS 11.3.2020). Die Hamas erlaubte 2017 die Entsendung von Beamten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) an die Grenzübergänge des Gazastreifens, aber dies führte zu keinen praktischen Veränderungen der Bewegungsfreiheit der Einwohner des Gazastreifens. Korruption und die Zahlung von Bestechungsgeldern an den Grenzübergängen ist üblich (FH 4.2.2019). Palästina verfügt über keinerlei Souveränitätsrechte, was die Einreise und den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern betrifft. Allein zuständig für die Erteilung von Visa ist der Staat Israel (GIZ 3.2020d). Kurzfristige und unangekündigte Totalsperrungen des Gazastreifens sind jederzeit möglich, der Gazastreifen kann dann auch von ausländischen Staatsbürgern nicht verlassen werden (BMEIA 18.3.2020). Israel unterhält eine starke Sicherheitspräsenz rund um die Land- und Meeresgrenzen des Gazastreifens (FH 4.2.2019).
Gemäß NGOs besitzen 40.000 bis 50.000 Personen im Gazastreifen keine Identifikationskarten, die von Israel anerkannt werden. Einige dieser Personen sind im Gazastreifen geboren, aber Israel
hat sie nie als Einwohner Gazas anerkannt, andere wiederum waren im Krieg von 1967 aus Gaza geflohen oder hatten Gaza nach 1967 aus verschiedenen Gründen verlassen und sind später zurückgekehrt. Eine kleine Gruppe ist in Gaza geboren und nie von dort weggegangen und besitzt ausschließlich Identifikationskarten, die von der Hamas ausgestellt wurden. Gemäß den Osloer Abkommen verwaltet die PA das palästinensische Bevölkerungsregister, obwohl Statusänderungen im Register der Zustimmung der israelischen Regierung bedürfen. Die israelische Regierung hat seit dem Jahr 2000 keine Änderungen des Registers mehr vorgenommen. Die israelischen Behörden erlauben einem Elternteil aus der Westbank nur dann Zugang zu ihrem Kind in Gaza, sofern es keine anderen Verwandten im Gazastreifen hat (USDOS 11.3.2020).
Reise von/nach Israel und die Westbank:
Israel schränkt den Personen- und Warenverkehr in den und aus dem Gazastreifen pauschal ein (HRW 14.1.2020). Israel verweigert den Einwohnern des Gazastreifens oft aus Sicherheitsgründen die Erlaubnis, das Gebiet zu verlassen, und erlaubt nur bestimmten medizinischen Patienten und anderen Personen die Ausreise (FH 4.2.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Universitätsstudenten haben Schwierigkeiten, die notwendigen Genehmigungen zu erhalten, um das Gebiet zu verlassen und im Ausland zu studieren (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Der Gaza-Streifen ist seit Juni 2007 für den allgemeinen Personenverkehr von und nach Israel fast vollständig abgeriegelt. Der einzige Personenübergang zwischen Israel und dem Gaza-Streifen, Erez, ist zurzeit insbesondere für humanitäre Fälle und internationale Organisationen geöffnet (AA 25.3.2020). Es kommt vor, dass die Grenzübergänge zwischen Israel und dem Gazastreifen vorübergehend und ohne Vorwarnung auf unbestimmte Zeit abgeriegelt werden (EDA 30.3.2020; vgl. AA 25.3.2020). Die Einreise nach Israel aus dem Gazastreifen via Erez-Checkpoint ist nur möglich, wenn die Ausreise aus Israel nach Gaza ebenso dort erfolgte. Personen, die nach Gaza über Rafah (Ägypten) einreisen, müssen wieder über Rafah ausreisen (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 25.3.2020). Im Jahr 2019 verließen insgesamt 191.830 Menschen den Gazastreifen via Erez Richtung Israel, also im Durchschnitt rund 16.000 pro Monat oder ca. 530 täglich (OCHA o.D.; vgl. HRW 14.1.2020).
Reisen von/nach Ägypten:
Der Grenzübergang Rafah, zwischen Ägypten und dem Gazastreifen, ist außer an Wochenenden und islamischen Feiertagen grundsätzlich geöffnet (AA 25.3.2020), eine andere Quelle spricht jedoch davon, dass er von Ägypten nur sporadisch für wenige Stunden geöffnet wird (BMEIA 18.3.2020). Der Grenzübergang kann dann nach Angaben der ägyptischen Behörden regulär nur von Palästinensern mit gültigen Ausweispapieren der PA benutzt werden. Für die Ausreise aus dem Gazastreifen bedarf es der Zustimmung der ägyptischen und palästinensischen Grenzbehörden. Hier kann es auch bei erst kürzlich erfolgter Einreise zu Wartezeiten von mehreren Wochen bis zur Ausreise kommen (AA 25.3.2020). Politische Entwicklungen in Ägypten haben direkte Auswirkungen auf den Gazastreifen, indem die ägyptischen Behörden die Grenze ohne Vorwarnung auf unbestimmte Zeit abriegeln (EDA 30.3.2020).
Ab Mai 2018 lockerte Ägypten seine Beschränkungen für den Grenzübergang Rafah teilweise (FH 4.2.2019), schränkt den Personen- und Warenverkehr jedoch immer noch ein (HRW 14.1.2020). Es ist für Einzelpersonen nach wie vor äußerst schwierig, die Genehmigung der Hamas-Regierung zur Ausreise und zur Abfertigung durch die ägyptischen Behörden zu erhalten, und die Zahl der monatlichen Grenzübertritte bleibt im historischen Vergleich gering (FH 4.2.2019). Im Jahr 2019 überquerten durchschnittlich 12.172 Palästinenser monatlich die Grenze in beide Richtungen, was einen deutlichen Anstieg gegenüber den Vorjahren bedeutet (OCHA o.D.; vgl. HRW 14.1.2020).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (25.3.2020): Palästinensische Gebiete: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/palaestinensischegebiete-node/palaestinensischegebietesicherheit/203674 , Zugriff 31.3.2020
- BMEIA – Bundesministerium für Äußeres (18.3.2020): Palästina, Einreise & Ausreise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/palaestina/ , Zugriff 2.4.2020
- EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (30.3.2020): Reisehinweise für das Besetzte Palästinensische Gebiet (dazu gehören das Westjordanland, einschliesslich Ostjerusalem, und der Gazastreifen), https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/besetztes-palaestinensisches-gebiet/reisehinweise-besetztes-palaestinensisches-gebiet.html , Zugriff 1.4.2020
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gaza Strip, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004334.html , Zugriff 31.3.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020d): Länderinformationsportal, Palästinensische Gebiete, Alltag, https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/alltag/ , Zugriff 1.4.2020
- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html , Zugriff 1.4.2020
- OCHA – United Nations Office for the Coordniation of Humanitarian Affairs (o.D.): Occupied Palestinian Territories, Data on Casualties, https://www.ochaopt.org/data/casualties , Zugriff 29.4.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
IDPs und Flüchtlinge
Von den etwa 13,35 Millionen Palästinensern weltweit Ende 2019 leben circa 2 Millionen im Gazastreifen. Davon sind ungefähr zwei Drittel Palästina-Flüchtlinge, die vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) betreut werden (GIZ 3.2020c). Von diesen leben wiederum ca. 600.000 in den acht anerkannten palästinensischen Flüchtlingslagern in Gaza. Diese Lager weisen eine der höchsten Bevölkerungsdichten der Welt auf (UNRWA 1.1.2018). UNOCHA schätzt, dass im Jahr 2019 700 Personen in Gaza in Zusammenhang mit drei Zwischenfällen zwischen bewaffneten palästinensischen Gruppen und Israel vertrieben wurden. Weitere Personen in Gaza blieben aufgrund der durch den Krieg 2014 verursachten Zerstörung intern vertrieben (USDOS 11.3.2020), OCHA berichtet mit Stand April 2019 von über 12.000 Palästinensern, die während der Kämpfe zwischen Israel und bewaffneten palästinensischen Gruppen im Jahr 2014 ihre Heimat verloren haben (HRW 14.1.2020).
UNRWA beschäftigt über 13.000 Mitarbeiter in über 300 Einrichtungen im gesamten Gazastreifen und bietet registrierten palästinensischen Flüchtlingen Bildung, Gesundheits- und psychiatrische Versorgung, Hilfs- und Sozialdienste, Mikrokredite und Nothilfe (UNRWA 1.1.2018). UNRWA bietet auch kurzzeitige Beschäftigungsmöglichkeiten, hier werden Haushalte mit weiblichem Haushaltsvorstand, Personen mit Behinderungen oder jene, die keine andere Möglichkeit auf ein Einkommen haben, priorisiert. UNRWA bietet außerdem Hilfe im Bereich Wasser und Hygiene (UNRWA o.D.). Die Zahl der Palästina-Flüchtlinge, die von Nahrungsmittelhilfe der UNRWA abhängig sind, ist von weniger als 80.000 im Jahr 2000 auf fast eine Million gestiegen (UNRWA 1.1.2018). Die Verschlechterung der sozioökonomischen Bedingungen im Gazastreifen während des Jahres [2019] hat die Flüchtlinge schwer getroffen. Laut UNRWA ist die Ernährungssicherheit weiterhin gefährdet (USDOS 11.3.2020). Etwa 75 Prozent aller palästinensischen Flüchtlinge in Gaza verfügen nicht über die finanziellen Mittel, um ihren Bedarf an Grundnahrungsmitteln zu decken (UNRWA o.D.). Die Einfuhrbeschränkungen Israels für bestimmte Waren, von denen eine zivile wie militärische Verwendbarkeit angenommen wird, behindern weiterhin humanitäre Einsätze in Gaza, u.a. im Bereich der Flüchtlingshilfe (USDOS 11.3.2020).
UNRWA war 2019 mit Finanzierungsengpässen konfrontiert (USDOS 11.3.2020). Im Herbst 2018 hat US-Präsident Trump die Hilfen für UNRWA eingestellt. Die USA hatten bis dahin 30 Prozent zum UNRWA-Budget beigesteuert, so viel wie kein anderes Land. Es mussten Einsparungen vorgenommen werden. Im vergangenen Jahr musste UNRWA in Gaza aufgrund von Geldmangel zum Beispiel das dringend benötigte psychologische Unterstützungsprogramm in Schulen und Gesundheitszentren dramatisch einschränken (Zeit 8.7.2019). Es gibt neben UNRWA auch andere humanitäre Organisationen, die IDPs in Gaza versorgen, es gibt aber Einschränkungen aufgrund der israelischen Beschränkung der Bewegungsfreiheit, bzw. des Zugangs zu den Grenzen (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020c): Palästinensische Gebiete, Gesellschaft, https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/gesellschaft/ , Zugriff 31.3.2020
- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html , Zugriff 1.4.2020
- UNRWA – United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (1.1.2018): Where we work, https://www.unrwa.org/where-we-work/gaza-strip , Zugriff 31.3.2020
- UNRWA - United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (o.D.): Gaza Emergency, https://www.unrwa.org/gaza-emergency , Zugriff 31.3.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
- Zeit Online (8.7.2018): "Es könnte eine Hungerkatastrophe geben", https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-07/palaestina-unrwa-gazastreifen-fatah-hamas-israel , Zugriff 31.3.2020
Grundversorgung und Wirtschaft
In den Jahren der vollständigen israelischen Besatzung ist die palästinensische Wirtschaft ein reiner Zulieferbetrieb für Israel, eine eigenständige Wirtschaftsentwicklung gibt es nicht. Auch nach der Schaffung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) blieb die wirtschaftliche Entwicklung von Israel abhängig. Bis heute sind alle Exporte und Importe von der Zustimmung und Genehmigung der israelischen Behörden abhängig (GIZ 3.2020e). Die Blockade des Gazastreifens seit 2007 durch Israel, die durch die ägyptischen Beschränkungen an der Grenze zum Gazastreifen noch verschärft wird, schränkt den Zugang der fast zwei Millionen dort lebenden Palästinenser zu Bildung, wirtschaftlichen Möglichkeiten, medizinischer Versorgung, sauberem Wasser und Elektrizität ein. 80 Prozent der Bevölkerung im Gazastreifen sind von humanitärer Hilfe abhängig (HRW 14.1.2020; vgl. FH 4.2.2019). Zwei Drittel der Bevölkerung Gazas sind palästinensische Flüchtlinge, die vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) betreut werden (GIZ 3.2020e). Die Zahl der palästinensischen Flüchtlinge, die auf die Nahrungsmittelhilfe von UNRWA angewiesen sind, ist von weniger als 80.000 im Jahr 2000 auf heute fast eine Million gestiegen (UNRWA 1.1.2018).
Israelische Behörden schränken den Verkehr von Material, Waren und Personen in den und aus dem Gazastreifen ein (USDOS 11.3.2020), sowohl auf dem Land- als auch auf dem Seeweg. Für den Waren- und Personenverkehr nach bzw. aus Gaza gibt es drei Grenzübergänge: Rafah, Erez und Kerem Shalom (UNRWA o.D.). Kerem Shalom ist der einzige vom Handel genutzte Grenzübergang für den Warenverkehr zwischen dem Gazastreifen und Israel und damit de facto auch für das Westjordanland, obwohl er nie für diese Funktion ausgelegt war. Im Februar 2018 öffnete Ägypten den Grenzübergang Salah a-Din. Der Übergang wird von privaten Unternehmen auf beiden Seiten unter der Aufsicht des ägyptischen Militärs bzw. der Hamas-Behörden im Gazastreifen verwaltet. Er wird nur für den Warentransfer in eine Richtung, nach Gaza, und in begrenztem Umfang genutzt (Gisha 3.2020).
Die Versorgungslage im Gazastreifen ist schwierig (AA 25.3.2020). Die Wirtschaft des Gazastreifens befindet sich infolge der Blockade im freien Fall und im Zuge der Eskalationen der Feindseligkeiten in den Jahren 2008, 2012 und 2014 wurden die grundlegende Infrastruktur, die Erbringung von Dienstleistungen, und die Lebensgrundlagen weiter zerstört. Die Situation hat sich durch eine Spaltung zwischen der PA im Westjordanland und den de facto Behörden der Hamas im Gazastreifen weiter verschlechtert (z.B. 2017 Kürzung der Gehälter aller PA-Mitarbeiter im Gazastreifen um 30 bis 50 Prozent, Verzögerung von Bargeldhilfen für über 74.000 gefährdete Haushalte) (Oxfam 1.2020; vgl. UNRWA 1.1.2018; vgl. FH 4.2.2019).
Der Zugang zu sauberem Wasser und Elektrizität ist nach wie vor krisenanfällig und wirkt sich auf fast jeden Aspekt des Lebens in Gaza aus. Sauberes Wasser ist für 95 Prozent der Bevölkerung nicht verfügbar (UNRWA 1.1.2018; vgl. GIZ 3.2020b). Durch die israelische Abriegelung des Gazastreifens seit Juni 2007 ist es schwierig, Geräte und Material für die Wiederinstandsetzung der Wasserinfrastruktur in den Küstenstreifen zu bekommen (GIZ 3.2020b). Im Jahr 2019 begann der Bau einer vierten Wasserleitung von Israel nach Gaza, aber es war nicht klar, wie viel zusätzliches Wasservolumen die Rohre in Gaza aushalten, denn die Wasserinfrastruktur wird von der Hamas nicht gewartet. Die Rohre könnten bersten. Es gab indirekte Gespräche zwischen Hamas und Israel über eine dritte Partei, einen Teil der Wasser- und Abwasserinfrastruktur zu erneuern, denn diese steht vor dem Kollaps. Abwässer werden ungefiltert ins Mittelmeer oder auf die Straßen gepumpt, wodurch Befürchtungen vor der Verbreitung von Krankheiten bestehen (TI 7.7.2019). Überflutungen sind eines der vielen Probleme des Wasser-, Sanitär- und Hygienebereichs in Gaza, zu welchem drei Viertel der Bevölkerung (1,5 Millionen) täglich Beschränkungen beim Zugang erleben. Im Jahr 2019 konnten nur 11 Prozent der benötigten Gelder für Verbesserungen in diesem Bereich in einem Spendenaufruf aufgebracht werden (OCHA 17.12.2019). Durch die Verbesserung der Stromversorgung [Anm.: d.h. die externe Zufuhr von Strom oder Treibstoff für die Stromproduktion] seit Oktober 2018 verbesserten sich auch die Wasser- und Sanitärversorgung und verringerten sich die Ausgaben für Treibstoff [Anm.: für Stromgeneratoren] für Firmen und Haushalte. Allerdings kann das Leitungswasser nicht zum Kochen oder Trinken verwendet werden. 90 Prozent der Haushalte von Gaza kaufen daher Wasser von Wasserentsalzungs- und Reinigungsanlagen, das von Tankwägen geliefert wird. Diese Anlagen können durch die Verbesserung der Stromversorgung mehr produzieren. Aber das trinkbare Wasser ist zehn bis 30 Mal teurer als Leitungswasser und stellt für verarmte Familien eine finanzielle Last dar (OCHA 6.9.2019).
Die öffentliche Stromversorgung ist auf wenige Stunden am Tag beschränkt (AA 25.3.2020), jedoch hat sich die Verfügbarkeit von Elektrizität vergleichsweise verbessert - von 4 bis 5 Stunden pro Tag auf durchschnittlich bis zu 12 Stunden pro Tag in den ersten zehn Monaten des Jahres 2019 (HRW 14.1.2020; vgl. UNRWA 1.1.2018). Der anhaltende Strommangel beeinträchtigt jedoch die Verfügbarkeit wesentlicher Dienstleistungen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Wasser und sanitäre Einrichtungen, stark, und wirkt sich auch negativ auf die Wirtschaft, vor allem im Herstellungssektor und in der Landwirtschaft, aus (UNRWA 1.1.2018). Treibstoffmangel wirkt sich auch auf andere öffentliche Dienstleistungen, wie Kläranlagen, aus (AA 25.3.2020). Der uneinheitliche Zugang zu Treibstoff- und Elektrizitätsimporten aufgrund der Politik Israels, der PA und Ägyptens behindert alle Formen der Entwicklung im Gazastreifen (FH 4.2.2019). Seit Verhängung der Blockade durch Israel sank die Zahl der Unternehmen in Gaza von 3.500 auf 250. Mehr als 600 Fabriken wurden geschlossen. Aufgrund von drei großen militärischen Angriffen übersteigt die Produktionskapazität der verbleibenden Einrichtungen nicht mehr als 16 Prozent der früheren Kapazität. Es wird geschätzt, dass der Privatsektor in Gaza in diesem Zeitraum Verluste in Höhe von etwa 11 Milliarden Dollar erlitten hat (EMHRM 1.2020). Die Blockade Gazas schränkt die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Landes massiv ein, unter anderem durch die Beschränkung der Einfuhr von Baumaterial. Die israelischen Behörden verhinderten die Bewirtschaftung von landschaftlich nutzbaren Flächen nahe dem Grenzzaun und für palästinensische Fischer wurde der Zugang zu Küstengewässern eingeschränkt (FH 4.2.2019).
Die Zerstörung der Tunnel zwischen dem Gazastreifen und Ägypten seit Juli 2013, die seit der Verhängung der israelischen Blockade im Jahr 2007 den Haupthandelsweg des Küstenstreifens darstellten, wirkte sich in starkem Maße negativ auf die Wirtschaft des Gazastreifen aus. Darüber hinaus hatte die israelische Militäroperation "Protective Edge" im Juli/August 2014 im Gazastreifen verheerende Auswirkungen auch auf die dortige Wirtschaft. Die PA beziffert die Kosten für Nothilfe und Wiederaufbau alleine der durch die israelische Militäraktion entstandenen Schäden und direkten Auswirkungen auf 4 Mrd. US-Dollar (GIZ 3.2020e). Bis Ende 2018 war nur ein Bruchteil der während des Konflikts von 2014 beschädigten oder zerstörten Häuser wieder aufgebaut worden und fast 20.000 Menschen waren im Laufe des Jahres binnen vertrieben. Ein Problem für die Privatwirtschaft stellen die anhaltenden israelischen Einfuhrverbote für viele Rohstoffe dar (FH 4.2.2019). Die israelischen Beschränkungen für die Lieferung von Baumaterialien nach Gaza, und der Mangel an Finanzmitteln behindern den Wiederaufbau von Häusern, die während der israelischen Militäroperationen beschädigt oder zerstört wurden (HRW 14.1.2020).
Ungefähr die Hälfte der Bevölkerung Gazas ist jünger als 15 Jahre, die Arbeitslosigkeit liegt bei über 50 Prozent, circa 67,5-70 Prozent bei der Jugend, 85 Prozent bei den Frauen – Weltrekord. 2018 schrumpfte die Wirtschaft um 6,9 Prozent (LMD 12.9.2019; vgl. EMHRM 1.2020; vgl. GIZ 3.2020e). UNRWA bietet ein „Cash-for-Work-Programm“ an, bei dem für Hilfstätigkeiten wie Lebensmittelverteilung drei Monate lang bis zu 400 Dollar gezahlt werden. Eine Viertelmillion Menschen stehen auf der Warteliste, denn bezahlte Jobs gibt es kaum (SZ 3.12.2019). Die Wirtschaft des Gazastreifens stand Ende 2018 aufgrund der anhaltenden israelischen Blockade, des jüngsten Rückgangs der Gesamthilfe durch Spendengeber [Anm.: siehe dazu auch Kapitel 17. IDPs und Flüchtlinge] und der Reduzierung der Budgettransfers von der PA am Rande des Zusammenbruchs (FH 4.2.2019). Die Armutsrate beträgt circa 54 Prozent – mehr als doppelt so viel als im Westjordanland. Mehr als 71 Prozent der Familien sind von Ernährungsunsicherheit betroffen (EMHRM 1.2020). Das Durchschnittseinkommen pro Tag lag im 3. Quartal 2019 bei den abhängig Beschäftigten im Gazastreifen bei 62,6 NIS (umgerechnet 15,33 Euro). Im Gazastreifen verdienten im 4. Quartal 2019 80 Prozent aller im Privatsektor arbeitenden Palästinenser weniger als das Gesetz zum Mindestlohn in Palästina festlegt (1.450 NIS, ca. 376,72 Euro pro Monat). Im 2. Quartal 2019 waren 36,8 Prozent aller Beschäftigten im Gazastreifen im öffentlichen Sektor tätig, die öffentliche Verwaltung ist damit im Gazastreifen der größte Arbeitgeber. Die öffentliche Verwaltung hat auch den größten Anteil am BIP des Gazastreifens (GIZ 3.2020e). Der Hamas wird Korruption bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen und der Verteilung von Hilfsleistungen vorgeworfen (FH 4.2.2019).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (25.3.2020): Palästinensische Gebiete: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/palaestinensischegebiete-node/palaestinensischegebietesicherheit/203674 , Zugriff 31.3.2020
- EMHRM - Euro-Med Human Rights Monitor (1.2020): Gaza – The Dead Zone, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Gaza%20The%20Dead-Zone%20en.pdf , Zugriff 2.4.2020
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gaza Strip, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004334.html , Zugriff 31.3.2020
- Gisha – Legal Center for Freedom of Movement (3.2020): Factsheet, Kerem Shalom Crossing, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Kerem_Shalom_Crossing_2020_EN.pdf , Zugriff 2.4.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Länderinformationsportal (3.2020b): Palästinensische Gebiete, Überblick, https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/ueberblick/ , Zugriff 31.3.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020e): Länderinformationsportal, Palästinensische Gebiete, Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 2.4.2020
- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html , Zugriff 1.4.2020
- LMD – Le Monde Diplomatique (12.9.2019): Gemeinsam gegen Israel, In Gaza versuchen die Jungen unabhängig von Hamas und Fatah zu agieren, https://monde-diplomatique.de/artikel/ !5622047, Zugriff 2.4.2020
- OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (17.12.2019): Overview November 2019, https://www.ochaopt.org/content/overview-november-2019 , Zugriff 28.4.2020
- OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (6.9.2019): The Monthly Humanitarian Bulletin | August 2019, https://www.ochaopt.org/content/increased-electricity-supply-improves-access-water-and-sanitation-gaza , Zugriff 29.4.2020
- Oxfam (1.2020): Designing Safer Livelihoods Programmes for Women Survivors of Gender-Based Violence in Gaza, Oxfam Research Paper, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/rr-designing-safer-livelihoods-programmes-women-survivors-GBV-gaza-170120-en.pdf , Zugriff 2.4.2020
- SZ – Süddeutsche Zeitung (3.12.2019): Bangen um Mehl und Milch, https://www.sueddeutsche.de/politik/gaza-bangen-um-mehl-und-milch-1.4707769 , Zugriff 29.4.2020
- TI - Times of Israel (7.7.2019): Israel lays fourth water pipeline to Gaza, the largest yet, https://www.timesofisrael.com/israel-lays-fourth-largest-yet-water-pipeline-to-gaza/ , Zugriff 28.4.2020
- UNRWA – United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (1.1.2018): Where we work, https://www.unrwa.org/where-we-work/gaza-strip , Zugriff 31.3.2020
- UNRWA - United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (o.D.): Gaza Emergency, https://www.unrwa.org/gaza-emergency , Zugriff 31.3.2020
- USDOS – United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026368.html , Zugriff 31.3.2020
Medizinische Versorgung
Das öffentliche Gesundheitssystem des Gazastreifens wurde durch wiederholte militärische Konflikte mit Israel in den letzten 12 Jahren auf eine harte Probe gestellt und ist durch chronischen Mangel an Medikamenten und Ausrüstung gekennzeichnet. Die israelische Blockade, die seit 2007 besteht, schränkt die Einfuhr von Medikamenten und anderen wichtigen Gütern ein (Guardian 22.3.2020). Die Infrastruktur ist stark beschädigt, die medizinische Versorgung ist nicht gewährleistet (EDA 30.3.2020), bzw. das Versorgungsniveau deutlich eingeschränkt (AA 25.3.2020).
Israel erlaubt es palästinensischen Patienten aus dem Gazastreifen, sich in Krankenhäusern in Israel und im Westjordanland medizinisch behandeln zu lassen, sofern sie eine Reihe bürokratischer Hürden überwinden. Die Patienten müssen unter anderem nachweisen, dass ihre Behandlung in Gaza nicht verfügbar ist, und sie müssen eine Ausreisegenehmigung durch die israelischen Behörden bekommen. Laut WHO ist die Bewilligungsrate in den letzten Jahren stark zurückgegangen (AP News 12.6.2019). Die Abriegelung des Gazastreifens verursacht eine starke Behinderung der medizinischen Versorgung. Im November 2019 erhielten 10 Prozent (191 von 1.907 Personen einschließlich 32 Minderjährige und 13 ältere Personen über 60 Jahre) aller Patienten aus dem Gazastreifen, die einen Antrag auf Ausreise über den Grenzübergang Erez gestellt hatten, keine Erlaubnis und 31 Prozent (593 von 1.907 Personen einschließlich 210 Minderjährige und 72 ältere Personen über 60 Jahre) bekamen keine Antwort und konnten daher ihre Behandlungstermine nicht wahrnehmen. Nur 59 Prozent (1.122 von 1.907 Personen) aller Anträge auf Begleitung von Patienten wurden in diesem Zeitraum genehmigt. Immer wieder berichten palästinensische Rettungsdienste davon, dass sie durch die israelische Armee an ihrer Arbeit gehindert und sogar angegriffen werden (GIZ 3.2020c; vgl. AP News 12.6.2019). Die Zahl der Überweisungen aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen an israelische Krankenhäuser liegt deutlich unter dem Durchschnitt der monatlichen Überweisungen für 2018, 16 Prozent der Überweisungen betreffen die Überweisung nach Ägypten (via Rafah). Im Jänner 2020 wurden 70 Prozent der insgesamt 1.794 Überweisungen via Erez nach Israel erlaubt, was im Vergleich zur Genehmigungsrate von 2019 (65 Prozent) eine Verbesserung darstellt. 14 Prozent der Überweisungsanträge wurden abgewiesen, 17 Prozent wurden nicht rechtzeitig bearbeitet und resultierten in einer Verzögerung des Zugangs zu medizinischer Versorgung (WHO 1.2020).
Seit Jahren warnen Hilfsorganisationen, dass das Gesundheitssystem Gazas am Rande des Zusammenbruchs steht. Es fehlt an medizinischem Personal und Ausrüstung (TAZ 24.3.2020), öffentliche Krankenhäuser haben mit einem chronischen Mangel an Medikamenten und medizinischer Grundausstattung zu kämpfen (AP News 12.6.2019). Mitte November 2019 waren laut WHO 46 Prozent der "unentbehrlichen" Medikamente im zentralen Medikamentenlager des Gazastreifens nicht vorrätig (HRW 14.1.2020). Der Mangel betrifft Krebspatienten und Patienten, die an chronischen Erkrankungen leiden, stark. Im Jänner 2019 warnte die WHO, dass die Blockade auf die Einfuhr von Treibstoff die Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen in Gaza stark beeinträchtige (AI 18.2.2020). Das Gesundheitsweisen in Gaza leidet außerdem immer wieder an Stromausfällen, sowie an Beschädigungen durch die israelische Artillerie (12.9.2019). Viele Patienten reisen zur medizinischen Behandlung ins Ausland (DSL 2.8.2018).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (25.3.2020): Palästinensische Gebiete: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/palaestinensischegebiete-node/palaestinensischegebietesicherheit/203674 , Zugriff 31.3.2020
- AI – Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Israel and Occupied Palestinan Territories, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025832.html , Zugriff 1.4.2020
- AP News (12.6.2019): Sick Gaza child caught in Israeli permit system dies alone, https://apnews.com/83606e9b2dcb47d897d11d2f30ad4cd3 , Zugriff 2.4.2020
- DSL - The Daily Star Lebanon (2.8.2018): Number of Gazans denied exit permits soars: NGO, https://www.dailystar.com.lb/News/Lebanon-News/2018/Aug-02/458786-number-of-gazans-denied-exit-permits-soars-ngo.ashx , Zugriff 2.4.2020
- EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (30.3.2020): Reisehinweise für das Besetzte Palästinensische Gebiet, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/besetztes-palaestinensisches-gebiet/reisehinweise-besetztes-palaestinensisches-gebiet.html , Zugriff 1.4.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020c): Palästinensische Gebiete, Gesellschaft, https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/gesellschaft/ , Zugriff 31.3.2020
- The Guardian (22.3.2020): Gaza confirms first coronavirus cases as West Bank shuts down, https://www.theguardian.com/world/2020/mar/22/gaza-confirms-first-coronavirus-cases-as-west-bank-shuts-down , Zugriff 2.4.2020
- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html , Zugriff 1.4.2020
- LMD – Le Monde Diplomatique (12.9.2019): Gemeinsam gegen Israel, In Gaza versuchen die Jungen unabhängig von Hamas und Fatah zu agieren, https://monde-diplomatique.de/artikel/ !5622047, Zugriff 2.4.2020
- TAZ (24.3.2020): Das Virus bricht die Blockade, https://taz.de/Corona-im-Gazastreifen/ !5673827/, Zugriff 2.4.2020
- WHO – World Health Organization (1.2020): Monthly Report, Health Access, Barriers for patients in the occupied Palestinian territory, https://www.ecoi.net/en/file/local/2026393/jan_2020_monthly.pdf , Zugriff 2.4.2020
Rückkehr
Keine Informationen vorhanden.
2. Beweiswürdigung
2.1. Einleitend ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP vollen Beweis iSd § 15 AVG über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können.
Die bP trat den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges nicht an.
Weder die Behörde noch das VwG sind verpflichtet, dem Asylwerber im Wege eines Vorhaltes zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden sind, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grund eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (vgl. VwGH 29.01.2021, Ra 2021/14/0011; 28.06.2018, Ra 2017/19/0447, mwN).
2.2. Ad 1.1.1 Identität und Herkunftsstaat:
Die Identität ergibt sich lt. bB aus dem Akteninhalt in Verbindung mit den vorgelegten Beweismitteln.
Die Herkunft ergibt sich plausibel aus den in diesen Punkten gleichbleibenden persönlichen Angaben im Zuge der Einvernahmen, ihren im Verfahren dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen und der seitens der bP vorgelegten UNRWA Flüchtlingsbestätigung.
Ad 1.1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnissen vor der Ausreise:
Dies ergibt sich plausibel aus den in diesem Punkten lebensnahen, gleichbleibenden persönlichen Angaben im Zuge der Einvernahmen, ihren im Verfahren dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen und den seitens der bP vorgelegten Bescheinigungsmittel.
Gegenteilige Anhaltspunkte ergaben sich für das BVwG nicht.
Ad 1.1.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat:
Dies ergibt sich plausibel aus den in diesem Punkten lebensnahen, persönlichen Angaben.
Gegenteilige Anhaltspunkte ergaben sich für das BVwG nicht.
Ad 1.1.4. Ausreisemodalitäten:
Dies ergibt sich plausibel aus den in diesem Punkten lebensnahen, gleichbleibenden persönlichen Angaben im Zuge der Einvernahmen.
Gegenteilige Anhaltspunkte ergaben sich für das BVwG nicht.
Ad 1.1.5. Aktueller Gesundheitszustand:
Dies ergibt sich plausibel aus ihren persönlichen Angaben im Beschwerdeverfahren.
Ad 1.1.6. Aktuelles Privatleben / Familienleben in Österreich
Dies ergibt sich plausibel aus ihren persönlichen Angaben, den von ihr vorgelegten Bescheinigungsmitteln sowie den zitierten amtswegigen Ermittlungsergebnissen des Bundesamtes.
2.3. Ad 1.1.7. Zu den behaupteten Gefährdungen
2.3.1. Hinsichtlich der gesetzlichen Mitwirkungs- bzw. Darlegungsverpflichtung der Partei ergibt sich aus der Judikatur insbes. Folgendes:
Der EGMR hat in seinem Urteil der Großen Kammer vom 23. August 2016, Nr. 59166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, (u.a.) ausgeführt, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege, gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide, im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei. Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (vgl. die Ausführungen in VwGH Rn. 23 des zu Ra 2016/18/0137 ergangenen Erkenntnisses; 03.09.2020, Ra 2020/19/0221).
Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601; 14.6.2005, 2005/02/0043], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht und Darlegungslast des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).
Dies entspricht auch der sich insbes. aus § 15 AsylG ergebenden Mitwirkungsverpflichtung sowie aus der Verfahrensförderungspflicht des § 39 Abs 2a AVG, wonach jede Partei ihr Vorbringen so rechtzeitig und vollständig zu erstatten hat, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann.
Nach der Judikatur des EGMR ist es Sache der beschwerdeführenden Partei über Nachfrage „Beweise“ vorzubringen, die zeigen können, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, sie würden im Fall der Vollstreckung der angefochtenen Maßnahme einem realen Risiko ausgesetzt,, die einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden, wobei dem ein gewisser Grad an Spekulation innewohnen kann und keine „eindeutigen Beweise“ für die Behauptung einer verbotenen Behandlung zu erbringen sind (vgl. zB uva EGMR Paposhvili gg. Belgien, 13.12.2016, Bsw. 41738/10).
Glaubhaftmachung
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist - abgesehen vom Fall einer Wahrunterstellung (vgl. dazu etwa VwGH 25.6.2019, Ra 2019/19/0032, Rn. 13) - die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Asylwerbers zu prüfen. Diese Prüfung erfolgt unter Berücksichtigung der vom EuGH judizierten unionsrechtlichen Anforderungen (vgl. EuGH 25.1.2018, C-473/16 und EuGH 4.10.2018, C-56/17, Fathi). Erst danach erfolgt die Prognoseentscheidung gemäß §§3, 8 AsylG 2005, ob mit dem als glaubhaft erachteten Vorbringen eine wohl begründete Furcht vor Verfolgung oder reale Gefahr der Verletzung maßgeblicher Rechtsgüter des Asylwerbers glaubhaft gemacht wird (vgl. zur Prognoseentscheidung VwGH 8.9.2016, Ra 2015/20/0217, mwN; vgl. zu der dabei vorzunehmenden einzelfallbezogenen Beurteilung VwGH 2.9.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubhaft anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007).
Im Allgemeinen erfolgt eine (vorsätzliche) Falschaussage nicht ohne Motiv (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage, Rz 246ff).
Im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz kann eine derartige Motivationslage, die den Wahrheitswillen eines Antragstellers/einer Antragstellerin zu beeinflussen geeignet ist, darin liegen, dass sie ihrer Überzeugung nach – uU auch durch Suggestion Dritter (vgl. zB „Die 12 ‚Verbote‘ in der Vernehmung“, https://www.sgipt.org/forpsy/aussage0.htm#Die 12 'Verbote', mwN) beeinflusst - dadurch gesteigerte Erfolgsaussichten erwartet, um den beantragten Status als Asylberechtigter oder als subsidiär Schutzberechtigter und damit einen Aufenthaltstitel samt Zugang zum Arbeitsmarkt und/oder staatlicher Versorgung zu erlangen (sog. „Folgenberücksichtigung“, siehe oben zitierte Quelle; vgl auch UNHCR Handbuch, Dez. 2011, B/2/f Auswanderer aus wirtschaftlichen Motiven im Unterschied zu Flüchtlingen).
Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung ergibt sich insbes.:
dass die Ermittlungspflicht der Behörde / des BVwG grds. durch die (auf Nachfrage) vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067);
ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte ist die Behörde / das Bundesverwaltungsgericht nicht verpflichtet jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN);
nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Beurteilung eines „gar nicht erstatteten Vorbringens“ mitunter sogar auch zu einer vom VwGH wahrzunehmenden Rechtsverletzung führen (vgl. zB VwGH 9.9.2010, 2007/20/0558 bis 0560; 10.08.2018, Ra 2018/20/0314);
die allgemeine Behauptung von Verfolgungs- bzw. Gefährdungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN).
2.3.2. Fallbezogen ergibt sich Folgendes:
Die bP begründete ihren ersten, rechtskräftig mit Entscheidung des BVwG vom 05.03.2012 abgewiesenen Antrag auf internationalen Schutz damit, dass sie in ihrer Heimat einer Verfolgung durch die Hamas ausgesetzt war. Ihren zweiten, mit Bescheid der bB vom 08.08.2013 rechtskräftig abgewiesenen Antrag auf internationalen Schutz begründete sie im Wesentlichen damit, dass sie in der Heimat einer Verfolgung durch die Familie eines Mädchens, mit dem sie Geschlechtsverkehr gehabt habe, ausgesetzt gewesen sei. Zudem sei sie psychisch erkrankt. Den nunmehr dritten Antrag auf internationalen Schutz begründete die bP letztlich wiederum damit, dass sie von der Hamas im Herkunftsland verfolgt werde, jetzt auch da sie ein angebliches Hamas Mitglied in Österreich wegen Terrorverdacht zur Anzeige gebracht habe.
Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, dass die bP sich auf neu entstandene Tatsachen gestützt hätte (Anzeige der bP eines vermeintlichen Hamas Attentäters) ist dazu festzuhalten, dass einerseits letztlich tatsächlich eine Verfolgung durch die Hamas bereits rechtskräftig als nicht glaubhaft beurteilt wurde. Andererseits hat die bB nachvollziehbar dargelegt – und ergibt sich dies auch aus dem oben unter Punkt I. wiedergegeben Verfahrensgang – dass die bP mehrfach und immer wieder unglaubhafte Fluchtvorbringen erstattet hat, welchen letztlich auch kein glaubwürdiger Kern zukam. Die bP hat im Rahmen ihres zweiten Antrags auf internationalen Schutz zudem angegeben, dass das im ersten Verfahren erstattete Vorbringen nicht den Tatsachen entsprach und sie dieses erstattet hätte, weil ihr „Leute“ gesagt hätten, sie solle dies vorbringen. Sie habe jedoch letztlich gelogen. Dennoch stützte die bP sich in weiterer Folge wieder auf die bisher vorgebrachten Gründe. Dem Vorbringen, dass nunmehr eine Verfolgung durch die Anzeige der bP in Österreich durch die Hamas im Herkunftsland bestünde, stehen insbesondere die von der bB aufgezeigten Umstände, nämlich dass das angebliche Hamas Mitglied gemäß LVT in keiner Beziehung zur Hamas steht und die bP darüber hinaus bereits mehrfach in Österreich falsche Anschuldigungen gegen andere Personen getätigt hat, entgegen.
Selbst wenn die bP nunmehr die Verfolgung der Hamas in einem anderen Zusammenhang vorgebracht hat und man davon ausgehen wollte, dass sie damit einen neuen Fluchtgrund vorgebracht hätte, würde diesem Fluchtgrund damit kein glaubwürdiger Kern innewohnen.
Das BVwG geht – wie schon das Bundesamt - auf Grund des Ermittlungsverfahrens davon aus, dass die bP in zentralen Bereichen, wo es um die Ausreise bzw. ausreisekausale Probleme und Rückkehrbefürchtungen geht, keine bzw. geringe Bereitschaft zeigte wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Offensichtlich hielt sie es selbst für einen positiven Ausgang des beantragten internationalen Schutzes für abträglich hier – schon von Beginn an - den Tatsachen entsprechende Angaben zu machen und gelangt das BVwG – wie auch schon das Bundesamt – zur Überzeugung, dass ihre Aussagen in Bezug auf den Herkunftsstaat vom Bemühen getragen sind, ihre persönliche Rückkehrsituation tatsachenwidrig möglichst negativ zu schildern, um für Österreich – unter Umgehung der sonstigen Zuwanderungsregeln - einen Aufenthaltstitel über das Asylverfahren zu erlangen.
Zudem hat die bP in der der Einvernahme am 08.01.2021 angegeben, wegen der von ihr erstatteten Anzeige gegen ein Mitglied der Hamas bedroht worden zu sein, und wäre in Zusammenhang mit der Bedrohung durch die Hamas auch ihre minderjährige Nichte getötet worden, wozu die bP, entgegen ihren eigenen Angaben vom 18.09.2018, nunmehr neue und schriftliche Beweismittel vorlegten. Diese Beweismittel können einem glaubhaften Fluchtvorbringen jedoch nicht zugrunde gelegt werden und erhellte sich nicht, warum die bP dieses Beweismittel nicht schon früher vorgelegt hat. Zudem könnte mit diesem Beweismittel selbst bei Wahrunterstellung keine Verbindung zum Vorbringen der bP hergestellt werden. Wie die bB schon ausführte, wäre es denkbar, dass die Nichte einem „normalen“ Überfall zum Opfer gefallen ist und lassen sich derartige Schriftstücke im Gaza gegen Entgelt als Gefälligkeitsschreiben leicht ausstellen. Vor diesem Hintergrund sind auch die neuen Ladungen durch die Polizei zu sehen und erhellte sich auch nicht, warum die Botschaft der bP nur mündlich bestätigt hätte, dass sie nicht nach Gaza zurückkehren kann. Die bP hat nicht einmal bewiesen, dass sie tatsächlich bei der Botschaft vorstellig geworden ist und kann auch nicht angenommen werden, dass die Botschaft ein etwaiges Fluchtvorbringen unbelegt bestätigt.
Soweit in der Beschwerde angeführt wird, dass das Parteiengehör der bP verletzt worden wäre, ist festzuhalten, dass letztlich die Überprüfung der UNRWA Bestätigung ergab, dass die bP wie von ihr vorgetragen registriert ist und hat die bB eine entsprechende Feststellung getroffen.
Ein polizeilicher Abschlussbericht vom 25.08.2018 wurde der bP vorgehalten, wonach sie eine Geschichte mit einem Bombenanschlag erfunden hätte und damit einen großen Polizeieinsatz ausgelöst hat. Die Anfrage der bB an das LVT (keine bekannten Verbindungen des von der bP Angezeigten zur Hamas) wurde zwar der bP nicht vorgehalten, diese wurde aber im Bescheid angeführt und ist die bP auch in der Beschwerde dieser an sich nicht entgegengetreten.
Hinsichtlich der Länderfeststellungen gab die bP in der vorletzten Einvernahme an, diese schon einmal bekommen zu haben und gab sie grundsätzlich zur Lage an, dass die politische Lage in Palästina schlechter geworden sei, was sie durch die Nachrichten im Fernsehen mitbekommen habe. In der letzten Einvernahme gab sie an, sie kenne sich dort aus und habe auch jetzt noch ihre Kontakte dort. Sie brauche keine Erörterung der Länderfeststellungen. Fundiert im Hinblick auf ihr Vorbringen ist sie auch den Länderinformationen in der Beschwerde nicht entgegengetreten.
Bereits im Bescheid vom 08.08.2013 wurde zudem festgehalten, dass keine Gefahr für die bP bestünde, im Falle der Rückkehr in der Heimat in eine aussichtslose Lage zu geraten und könnte sie im Gaza von ihrer dort aufhältigen Familie unterstützt werden. Auch eine relevante Gefährdungslage iSd Art. 3 EMRK wurde in diesem Bescheid vom 08.08.2013 im Hinblick auf die allgemeine Lage verneint und lediglich aufgrund der Erkrankung der bP die Feststellung gemäß § 8 Abs. 3a AsylG getroffen.
Die bB hat unter Zugrundelegung ausreichend aktueller Länderinformationen festgestellt, dass der bP im Gaza keine besondere Gefährdung droht und sich die Länderfeststellungen nicht derart verschlechtert haben, dass ihr aus diesem Grund eine Rückkehr nach Gaza nicht möglich sei bzw. sie sich freiwillig aus dem Schutzbereich von UNRWA begeben hat und diesen Schutz auch wieder erhalten kann. Diesen Ausführungen schließt sich das BVwG vollinhaltlich an. Das BVwG vermag angesichts der Aktenlage die Situation nicht anders einzuschätzen als die bB.
Die bP hat letztlich schon im ersten Verfahren nicht glaubhaft machen können, dass sie sich im Hinblick auf die persönliche Sicherheit vor der Ausreise exponiert habe und ergibt sich auch aus der aktuellen Lage nicht, dass für Personen mit dem Profil der bP im Gaza und konkret auch nicht in der Herkunftsregion eine exzeptionelle Sicherheitslage oder Versorgungslage herrschen würde, die dazu führen würde, dass sie schon durch die bloße Anwesenheit dort real gefährdet wäre.
In Anbetracht des gesamten persönlichen Vorbringens der bP in ihren inzwischen drei Asylverfahren wurden für das BVwG keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der der bP gewährte Beistand der UNRWA zwischenzeitlich weggefallen ist oder sie aus von ihrem Willen unabhängigen Gründen zum Verlassen des Herkunftsgebietes gezwungen gewesen ist sowie daran gehindert wäre, den Beistand durch die UNRWA wieder in Anspruch zu nehmen.
Soweit die bP Gegenteiliges damit zu begründen versuchte, dass sie in Gaza von Mitgliedern der Hamas bedroht sei, war in Übereinstimmung mit der belangten Behörde zum Schluss zu gelangen, dass die bP schon vor der Ausreise in Wahrheit keiner individuellen Bedrohung durch die genannten Akteure ausgesetzt gewesen ist, weshalb sie auch pro futuro keiner solchen Bedrohung ausgesetzt ist bzw. die neuen Gründe für die Bedrohung keinerlei glaubwürdigen Kern haben.
Die Beschwerde vermag insgesamt der Würdigung der bB nicht mit Substanz entgegen zu treten. Es kann auch nicht nachvollzogen werden, inwiefern die bB nicht hinreichend ermittelt hätte.
Entgegen der Anführung in der Beschwerde sind die österreichischen Behörden und Gerichte im gegenständlichen Fall nicht angehalten, zu berücksichtigen, dass Geschwister der bP in der EU leben. Es handelt sich um unabängige Einzelfallentscheidungen und wurde keine Rückkehrentscheidung oder ein Einreiseverbot ausgesprochen, im Rahmen dessen derartige Umstände Relevanz entfalten könnten. Vor dem Hintergrund der mangelnden Bindungswirkung zwischen Entscheidungen kam auch der Anführung von Entscheidungen des BVwG in der Beschwerde zu UNRWA keine Relevanz zu.
Im Ergebnis ist es der bP mit deren Beschwerde weder gelungen eine wesentliche Unschlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen, noch ist sie dieser im Rahmen der Anfechtungsbegründung in substantiierter Form entgegengetreten. Hiezu wäre es erforderlich gewesen, dass die bP entweder in begründeter Form eine maßgebliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung dargetan oder Argumente vorgebracht hätte, die einerseits zu einer anderen Gewichtung oder Bewertung der verfahrensgegenständlichen Beweismittel führen würden oder aus denen andererseits im Rahmen der allgemeinen Denklogik eine Prävalenz des von ihr dargestellten Geschehnisablaufes gegenüber jenem von der Erstbehörde angenommenen hervorleuchtet, was im Ergebnis zu einer anders gelagerten Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des der weiteren rechtlichen Würdigung zugrunde zu legenden historisch-empirischen Sachverhaltes führen würde.
Da nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes der maßgeblicher Sacherhalt von der bB hinreichend festgestellt wurde und die bP auch nicht konkret und substantiiert aufgezeigt hat, dass die amtswegigen Ermittlungen unvollständig oder nicht richtig seien, waren keine weiteren Ermittlungsschritte erforderlich. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt dazu nämlich folgende Ansicht:
Ist die Partei der Meinung, dass die Ermittlungen unvollständig oder nicht richtig sind, muss sie – im Rahmen des ihr zu gewährenden Parteiengehörs - konkrete Vorbringen erstatten, was gegen die Ermittlungsergebnisse der Behörde spricht und allenfalls Gegenbeweise vorlegen
(zB VwGH 14.12.1995, 95/19/1046). Unterlässt sie die erforderliche Mitwirkung, kann der Behörde aus der Unterlassung weiterer Ermittlungen kein Vorwurf gemacht werden (zB VwGH 20.9.1999, 98/21/0138). So kann die Untätigkeit der Partei im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung –idR zu Lasten der Partei – berücksichtigt werden (zB VwGH 26.2.2002, 2001/11/0220; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 172; Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, mwN auf die Judikatur des VwGH).
Wenn die bP eine Verletzung des Parteiengehörs moniert, ist dem zu entgegnen, dass keine Verpflichtung zur Vorhaltung hinsichtlich der eigenen Angaben der Partei oder Beweismitteln besteht, die sie selbst vorgelegt hat oder auf die sich selbst berufen hat (VwGH 25.09.2014, Zl. 2011/07/0006). Es besteht keine Verpflichtung der belangten Behörde, vor Bescheiderlassung der bP ihre Widersprüche vorzuhalten oder eine rechtliche Beurteilung zu erörtern, wobei darauf hingewiesen wird, dass die bB im Rahmen der Einvernahme mit der bP die Grundlagen des § 68 AVG erörterte.
Ad 1.1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
Bei der Region Gaza handelt es sich um einen Bereich mit sehr dichter Berichtslage. So sind auch zahlreiche nationale und internationale Medien vor Ort und berichten auch in Onlineformaten, vor allem zeitnah, über gesellschafts- und sicherheitsrelevante Vorfälle, die sich medial im Internet oft in mehrfacher Weise wiederfinden.
Dem gegenüber enthalten andere Berichte, wie etwa jene von Organisationen oder Personen, die sich vom Organisationszweck oder ihrer persönlichen Motivation her dem Schutz von Menschenrechten verschrieben haben, idR Ereignisse, die schon länger zurückliegen, was zuweilen mit deren Erscheinen in größeren zeitlichen Abständen im Zusammenhang steht.
Im vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich, dass aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt als geklärt anzusehen ist. Auch die gebotene Aktualität ist unverändert gegeben, zumal die dem Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen, unverändert, die zur Beurteilung des konkreten Falles, notwendige Aktualität aufweisen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass in Spruchpunkt V. des bekämpften Bescheides ohnehin ausgesprochen wird, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Gaza gemäß § 8 Absatz 3a AsylG iVm § 9 Absatz 2 AsylG FPG unzulässig ist und dieser Spruchpunkt in Rechtskraft mangels Beschwer erwachsen ist.
3. Rechtliche Beurteilung
Ad A)
3.1. Spruchpunkt I und II des bekämpften Bescheides – Abweisung wegen entschiedener Sache:
3.1.1. Rechtliche Grundlagen
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.
"Entschiedene Sache" iSd. § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. VwGH vom 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; vom 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; vom 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235; vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0684; vom 11.11.2008, Zl. 2008/23/1251; vom 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344 und vom 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783). Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf verschiedene Folgeanträge VwGH vom 26.07.2005, Zl. 2005/20/0226 mwN). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (vgl. VwGH vom 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes – nicht bloß von Nebenumständen – kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH vom 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; vom 25.04.2007, Zl. 2004/20/0100; vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0684; vom 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344 und vom 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783). Wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, ist eine neue Sachentscheidung auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. VwGH vom 10.06.1998, Zl. 96/20/0266; vom 15.10.1999, Zl. 96/21/0097; vom 25.04.2007, Zl. 2004/20/0100 und vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0684).
Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den eine positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH vom 22.12.2005, Zl. 2005/20/0556 und vom 26.07.2005, Zl. 2005/20/0343 mwN). Nimmt man daher eine positive Entscheidungsprognose an, d.h. könnten die behaupteten neuen Tatsachen – gemessen an der dem Bescheid der Erstinstanz im Erstverfahren zu Grunde liegenden Rechtsanschauung - zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse (gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Urkunden) einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (vgl. VwGH 19.07.2001, Zl. 99/20/0418; vom 16.02.2006, Zl. 2006/19/0380; vom 29.11.2005, Zl. 2005/20/0365 und vom 22.11.2005, Zl. 2005/01/0626). Das Bundesamt hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers oder mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen sein ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, in dem weitere von der Rechtsprechung entwickelte Rechtssätze zu § 68 AVG, insbesondere mit Beziehung auf das Asylverfahren wiedergegeben werden und dann anschließend VwGH vom 20.03.2003, Zl. 99/20/0480 mwN; vgl. auch VwGH vom 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391 und vom 25.04.2007, Zl. 2004/20/0100).
Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.3.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit dem zweiten Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321).
Da sich der Antrag auf internationalen Schutz nicht nur auf den Status eines Asylberechtigten, sondern „hilfsweise“ bei Nichtzuerkennung dieses Status auch auf die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten richtet, sind bei Folgeanträgen nach dem AsylG 2005 auch Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus einer Prüfung zu unterziehen (VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).
Die Beurteilung, ob die behauptete Sachverhaltsänderung bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz einen "glaubhaften Kern" aufweist, erfolgt stets im Rahmen der Beweiswürdigung (vgl. z.B. VwGH 18.12.2018, Ra 2018/18/0516).
Bei der Prüfung der "Identität der Sache" ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben – nochmals – zu überprüfen. Identität der Sache liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (vgl. VwGH vom 02.07.1992, Zl. 91/06/0207 mwN). Die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH vom 15.10.1999, Zl. 96/21/0097 und vom 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung [hier: Beschwerde] gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. VwGH vom 04.04.2001, Zl. 98/09/0041 und vom 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235).
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelinstanz darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder – falls entschiedene Sache vorliegt – das Rechtsmittel abzuweisen oder – falls dies nicht zutrifft – den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelinstanz, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelinstanz darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.05.1995, 93/08/0207).
Für das Bundesverwaltungsgericht ist demnach Sache des gegenständlichen Verfahrens ausschließlich die Frage, ob sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage geändert hat.
3.1.2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Als Vergleichsbescheid ist im Falle mehrfacher Asylfolgeanträge derjenige Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden – und nicht etwa nur ein Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen – wurde (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis vom 26.06.2005, 2005/20/0226, mwN).
Wie aus dem gegenständlichen Verfahrensgang hervorgeht, stellt die maßgebliche Vergleichsentscheidung der rechtskräftige Bescheid der bB vom 08.08.2013 dar, womit der zweite Antrag auf internationalen Schutz in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen wurde.
Im Wesentlichen wird darin ausgeführt, dass das als ausreisekausal dargelegte Vorbringen nicht glaubhaft war und sich auch aus der allgemeinen Lage im Gaza für die bP mit ihrem Persönlichkeitsprofil kein Grund für die Zuerkennung von internationalem Schutz ergab, jedoch, der subsidiäre Schutzstatus in Anbetracht der Verurteilung wegen Raubes nicht zuzuerkennen war, jedoch aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig gemäß § 8 Abs. 3 a AsylG war.
Die bB legte im gegenständlichen Verfahren nachvollziehbar dar, dass sich die bP im nunmehrigen Verfahren betreffend die drohende Verfolgung bzw. Rückkehrproblematik im Wesentlichen auf dieselben Beweggründe bzw. ein Fortwirken derselben wie in den bereits rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren bezogen hat und etwaig als neu einzustufende Gründe auch keinen glaubhaften Kern haben.
Mit den Ausführungen in der Beschwerde ist es der bP auch nicht gelungen, der Würdigung der bB substantiiert entgegenzutreten, weshalb auch das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass von entschiedener Sache auszugehen ist. Die in der Beschwerde geäußerte Kritik, wonach die bB ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, kann anhand des Inhalts der vorliegenden Akten nicht geteilt werden.
Anhaltspunkte für eine Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf allgemein bekannte Tatsachen, die von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen wären, liegen auch nach Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes unter Berücksichtigung des Amtswissens nicht vor.
Ein Antrag auf internationalen Schutz richtet sich auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und sind daher auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344).
Die im Vergleichsbescheid rechtskräftig festgestellte Annahme, dass der bP wegen ihrer Verurteilung wegen Raubes gemäß § 8 Abs. 3 a iVm § 9 Abs. 2 AsylG kein subsidiärer Schutz zu gewähren sei, führt nach wie vor zur Annahme, dass der bP kein subsidiärer Schutz zuzuerkennen ist.
Auch im Hinblick auf Art 3 EMRK ist jedoch im Falle der bei UNRWA registrierten bP – wie schon die bB ausführt- in Anbetracht der allgemeinen Länderinformationen nicht erkennbar, dass ihre Rückführung nach Gaza zu einem unzulässigen Eingriff führen und sie bei ihrer Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihr jedwede Lebensgrundlage fehlen würde. Auch zur Situation im Herkunftsstaat können letztlich keine wesentlichen Verschlechterungen im Vergleich zur Entscheidung der bB vom 08.08.2013 festgestellt werden. Dies wurde im Verfahren von der bP auch nicht konkret und glaubhaft dargetan. Die bB ist nach wie vor im erwerbsfähigen Alter, verfügt über familiären Anschluss im Herkunftsstaat und ist zudem letztlich aktuell auch gesund.
Vorweg wird an dieser Stelle unter Verweis auf Punkt 3.3. angeführt, dass zur Feststellung, dass die Zurückschiebung der bP in den Gaza unzulässig ist, es letztlich in Zusammenhang mit der früher vorgelegenen Erkrankung der bP samt Suizidversuchen gekommen ist und wurde diese nicht in Zusammenhang mit der allgemeinen Lage im Gaza getroffen. Dieser Spruchpunkt (IV) wurde zwar mit der Beschwerde nicht bekämpft und ist damit wohl in Rechtskraft erwachsen. Jedoch ist dieser gerade nicht im Zusammenhang mit der schlechten Lage in Gaza zu sehen. Jedenfalls leidet die bP aktuell gemäß ihren Angaben auch an keiner Erkrankung, sodass letztlich auch nicht gesehen werden kann, inwiefern dieser Ausspruch in Zusammenhang mit subsidiärem Schutz bzw. im Hinblick auf UNRAWA Flüchtlinge mit Asyl Relevanz entfalten könnte. Es ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH zwar klargestellt hat, dass mit Art. 1 Abschnitt D GFK, auf den Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL verweist, in Anbetracht der besonderen Situation der palästinensischen Flüchtlinge für diese gezielt eine privilegierte Rechtsstellung geschaffen wurde. Asylwerber, welche unter dem Schutz einer von Art. 1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation oder Institution stehen, sind im Gegensatz zu anderen Asylwerbern gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, genießen jedoch bei Wegfall ebendieses Schutzes oder Beistands "aus irgendeinem Grund" "ipso facto" den Schutz der Status-RL (EuGH 19.12.2012, El Kott, C-364/11, Rn. 80). Dabei bezieht sich die Wendung "genießt (...) den Schutz dieser Richtlinie" in Art. 12 Abs. 1 lit. a zweiter Satz der Status-RL als Verweis allein auf die Flüchtlingseigenschaft und nicht auf die Eigenschaft eines subsidiär Schutzberechtigten (EuGH 19.12.2012, El Kott, C-364/11, Rn. 66 ff); eine Verfolgung im Sinne des Art. 2 lit. c Status-RL muss in diesem Fall gerade nicht dargetan werden. Voraussetzungen für den ipso-facto Schutz sind aber die Stellung eines Asylantrags sowie die Prüfung durch die Asylbehörden, ob der Beistand von UNRWA tatsächlich in Anspruch genommen wurde, dieser nicht länger gewährt wird und keiner der Ausschlussgründe nach Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL vorliegt (VwGH vom 01.03.2018, Zl. Ra 2017/19/0273).
Für die erforderliche Feststellung, ob der Beistand oder der Schutz von UNRWA im Sinne der Status-RL bzw. des Art. 1 Abschnitt D GFK tatsächlich nicht länger gewährt wird, haben die nationalen Behörden und Gerichte zu prüfen, ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebietes zwingen und somit daran hindern den von UNRWA gewährten Beistand zu genießen (vgl. VwGH, 01.03.2018, Ra 2017/19/0273 mit Hinweis auf EuGH 19.12.2012, El Kott, C-364/11, Rn. 61; siehe auch VfGH 29.06.2013, U 706/2012).
Ein Zwang, das Einsatzgebiet von UNRWA zu verlassen, und somit ein Wegfall des Schutzes von UNRWA, hängt nicht vom Vorliegen individueller Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A GFK ab, sondern ist vielmehr auch gegeben, wenn sich die betroffene Person in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es von UNRWA unmöglich ist, ihr in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihm übertragenen Aufgabe im Einklang stehen (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0274 mit Hinweis auf EuGH 19.12.2012, El Kott, C-364/11, Rn. 63, 65).
Beispielsweise steht die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz an den Fremden und damit die Bejahung der Voraussetzungen zur Zuerkennung dieses Schutzstatus durch das BFA der Annahme, der Fremde könne weiterhin den Schutz durch UNRWA genießen, entgegen (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0274 mit Hinweis auf VfGH 22.9.2017, E 1965/2017).
Das BVwG traf die Feststellung, dass die bP als palästinensischer Flüchtling bei der UNRWA registriert ist, diese Organisation nach wie vor in Gaza tätig ist und nicht festgestellt werden konnte, dass der Schutz durch die UNRWA weggefallen ist.
Bei der UNRWA handelt es sich um eine Organisation iSd Art. 1 Abschnitt D GFK und § 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL. Eine solche Registrierung ist ein ausreichender Nachweis der tatsächlichen Inanspruchnahme der Hilfe der UNRWA (vgl. VfGH 29.06.2013, U 706/2012 mit Hinweis aus EuGH 17.06.2010, Nawras Bolbol, C-31/09, Rz. 52). Zumal die bP im Verfahren selbst angab, dass sie und ihre Familie in der Vergangenheit Leistungen der UNRWA erhalten haben, war auch insoweit von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Hilfe der UNRWA auszugehen, wobei eine solche nicht zwingend erforderlich ist, sondern bereits die bloße Registrierung ausreicht (vgl. abermals VfGH 29.06.2013, U 706/2012).
Die bP fällt daher in den Anwendungsbereich des Art. 1 Abschnitt D. der GFK bzw. Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL. Vor dem Hintergrund der og. hg. Judikatur war daher noch zu prüfen, ob der Beistand der UNRWA nicht länger gewährt wird, was u.a. voraussetzt, dass sein Wegzug durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe begründet war, die ihn zum Verlassen des Gebiets zwangen und auch pro futuro daran hindern den von UNRWA gewährten Beistand zu genießen.
Die von der bP behauptete frühere bzw. pro futuro drohende Gefährdung durch die Hamas war als nicht glaubhaft festzustellen. Die bP war folglich nicht aus nicht von ihr zu kontrollierenden und von ihrem Willen unabhängigen Gründen zum Verlassen des Mandatsgebiets der UNRWA gezwungen.
Dass die Eltern und Geschwister weiterhin vor Ort verblieben, war ebenso als wesentliches Indiz dafür zu werten war, dass sie nicht gezwungen war, das Mandatsgebiet aus solchen Gründen zu verlassen.
Diese Erwägungen trafen in gleicher Weise auf die Annahme zu, dass die bP den Beistand der UNRWA nach ihrer Rückkehr wieder in Anspruch nehmen könnte.
Schließlich sind auch keine stichhaltigen Hinweise darauf hervorgekommen, dass die UNRWA ihre Aufgaben in Gaza wegen eines aktuellen innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht mehr (ausreichend) wahrnehmen kann oder aus sonstigen Gründen nicht (mehr) vor Ort agieren würde.
Es war daher zum Ergebnis zu gelangen, dass der BF den Schutz und Beistand der UNRWA genoss, sich diesem Schutz freiwillig entzog sowie, dass dieser Schutz auch weiterhin gewährt wird und der Wegzug daher nicht gerechtfertigt war.
Art. 12 Abs. 2 der Status Richtlinie lautet:
(2) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser ist von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass er
a) ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen;
b) eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Aufnahmelandes begangen hat, bevor er als Flüchtling aufgenommen wurde, d. h. vor dem Zeitpunkt der Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft; insbesondere grausame Handlungen können als schwere nichtpolitische Straftaten eingestuft werden, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt werden;
c) sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die bP aufgrund der Tatsache, dass es sich bei ihr um einen staatenlosen Palästinenser handelt, die deswegen auch unter dem Schutz der UNRWA stand, prinzipiell den ipso facto Schutz der oben angeführten Status-Richtlinie genießen würde. Da sie aber aufgrund der Verurteilungen wegen Raubes im Jahr 2011, Schlepperei im Jahr 2013 und Verleumdung, Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung und falscher Beweisaussage sowie Betrug im Jahr 2018 zu jeweils teilweise unbedingten Freiheitsstrafen und teilweise wegen Verbrechen verurteilt wurde bzw. damit rechtskräftig wegen einer „schweren nichtpolitischen Straftat außerhalb des Aufnahmelandes“ verurteilt wurde, die sie begangen hat, bevor sie als Flüchtling im Aufnahmeland aufgenommen wurde, d.h. vor dem Zeitpunkt der Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat sie einen Ausschlussgrund im Sinne der Status-RL gesetzt und genießt zusammengefasst deswegen nicht den dort verankerten ipso facto Schutz.
Da weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre der bP gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte.
Zusammengefasst ist es der bP daher nicht gelungen, hinreichend substantiiert darzulegen, dass es seit dem Abschluss des 2. inhaltlich rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens zwischenzeitlich zu einer relevanten nachteiligen Änderung im Falle der Rückkehr gekommen wäre.
Im Ergebnis wird daher mit dem gegenständlichen 3. Antrag die wiederholte sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache ohne nachträgliche relevante und glaubhafte Änderungen der Sach- und Rechtslage bezweckt, was durch § 68 Abs. 1 AVG verhindert werden soll (vgl. VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029).
Das Bundesamt hat daher den neuerlichen Antrag der bP auf internationalen Schutz zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
3.2. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG – Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides
Gegenständlich wurde der Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Ein Sachverhalt, wonach der bP gem. § 57 Abs 1 Z 1-3 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen wäre, liegt hier nicht vor bzw. wurde die bP straffällig, weshalb eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vom Bundesamt zu Recht nicht zu erteilen war. Gegenteilige Anhaltspunkte wurden in der Beschwerde nicht dargelegt.
3.3. Spruchpunkt IV. des bekämpften Bescheides – Unzulässigerklärung der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 8 Absatz 3a AsylG iVm § 9 Absatz 2 AsylG und § 52 Absatz 9 FPG
Ausnahmsweise hat gem. § 8 Abs. 3a AsylG 2005 ungeachtet dessen, dass die Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 MRK bedeuten würde, die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu unterbleiben, und zwar dann, wenn ein Grund für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 3). Diesfalls ist aber die Abweisung in Bezug auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass (insbesondere) eine Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 MRK bedeuten würde. Hieran knüpft nun § 46a Abs. 1 Z 2 FrPolG 2005 an, der für eine solche Konstellation, in der ein Fremder mangels subsidiären Schutzes auch keine befristete Aufenthaltsberechtigung erhält, mit Eintritt ex lege (siehe dazu die Beschreibung der "geltenden Rechtslage" in den ErläutRV zum FrÄG 2011 (1078 BlgNR 24. GP 27); in Bezug auf § 46a Abs. 1 Z 2 FrPolG 2005 brachte das FrÄG 2011 keine Änderung) den Status eines Geduldeten vorsieht. Damit ist zwar zufolge § 31 Abs. 1a Z 3 FrPolG 2005 kein rechtmäßiger Aufenthalt verbunden, sodass die Duldung in ihrer rechtlichen Qualität hinter die zuvor genannte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zurücktritt. Der betroffene Fremde darf aber wegen dieses unrechtmäßigen Aufenthalts im Grunde des § 120 Abs. 5 Z 2 FrPolG 2005 nicht bestraft werden und hat ua. gemäß § 46a Abs. 2 FrPolG 2005 Anspruch auf Ausstellung einer seine Identität dokumentierenden Karte für Geduldete. Dieselben Konsequenzen hat es, wenn einem Fremden der - bereits einmal zuerkannte - Status eines subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf § 9 Abs. 2 AsylG 2005 aberkannt wird; das ist der zweite Fall einer Duldung nach § 46a Abs. 1 Z 2 FrPolG 2005 (VwGH vom 28.08.2014, Zl. 2013/21/0218).
Vorweg ist festzuhalten, dass Spruchpunkt IV. explizit nicht in Beschwerde gezogen wurde und die bB auch keine Rückkehrentscheidung ausgesprochen hat. In Zusammenschau mit der UNRWA Problematik im gegenständlichen Verfahren und der Frage der Prüfung des Refoulementschutzes werden – auch in Anbetracht einer etwa folgenden Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot, wie dies die bB im Rahmen einer ihrer Einvernahmen ankündigte - nachfolgenden Ausführungen getroffen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 19. November 2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087, ausführlich mit der Frage befasst, ob nach dem Gesetz auch in jenem Fall, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird, diese Entscheidung mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist. Dies wurde insbesondere im Hinblick auf den Inhalt der dort näher angeführten Gesetzesmaterialien bejaht. Demnach war es Ziel des Gesetzgebers, eine „Verschränkung der Prozesse“ zu erreichen, um eine „Entscheidung in Einem“ zu erzielen, den Wegfall von parallelen als auch nachfolgenden Verfahren zu erreichen und ablauforientiert ein einheitliches Gesamtverfahren entstehen zu lassen. Im Sinn der angestrebten Verfahrensökonomie ist der in § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 angeführte Tatbestand dahingehend zu interpretieren, dass er auch Entscheidungen nach § 68 AVG umfasst. Nur damit wird der angestrebte Zweck der „Entscheidung in Einem“ und Verhinderung nachfolgender Verfahren erreicht. Offenkundig war die Vermeidung paralleler oder nachfolgender Verfahrensführung gewollt.
Im Erkenntnis vom 23. September 2020, Ra 2020/14/0175, hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass der Grundsatz, wonach (sofern sich aus dem Gesetz nicht anderes ergibt) das Verwaltungsgericht seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten hat, auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die mit der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 Abs. 1 AVG einhergeht, zu gelten hat. Nur dann, wenn sich diese Entscheidung über die Aufenthaltsbeendigung auf die aktuelle Sach- und Rechtslage bezieht, ist nämlich gewährleistet, dass der oben genannte Zweck zur Vermeidung weiterer nachfolgender Verfahren (samt der diesbezüglich in Betracht kommenden Rechtsmittelverfahren) erreicht werden kann.
Gemäß § 10 Abs. 1 letzter Halbsatz AsylG 2005 in der bis zum 31.10.2017 geltenden Fassung war eine Entscheidung nach § 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 nicht mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden und ordnete § 8 Abs. 3a AsylG 2005 in der bis zum 31.10.2017 geltenden Fassung lediglich an, dass wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt, die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Vor diesem Hintergrund sprach die belangte Behörde im rechtskräftigen Bescheid vom 08.08.2013 aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 8 Absatz 3a AsylG iVm § 9 Absatz 2 AsylG unzulässig ist. Die bB bezog sich in ihrer Begründung des Spruchpunktes IV. auf diesen getätigten Ausspruch und führte den außer Kraft getretenen § 10 Abs. 1 letzter Halbsatz an, wonach keine Ausweisung zu treffen gewesen wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass das Verwaltungsgericht prinzipiell nicht nur die gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war. Eine Auslegung des § 27 VwGVG dahingehend, dass die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte stark eingeschränkt zu verstehen wäre, ist demnach unzutreffend. Allerdings stellt die "Sache" des bekämpften Bescheides den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts dar. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. zuletzt VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, mwH).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121, vgl. auch VfGH vom 27.08.2014, E 54/2014) handelt es sich u.a. bei den Aussprüchen, mit denen - der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt wird, - der Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt wird, - ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird, - und auch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen wird, um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche. Demgemäß sind diese Aussprüche separat anfechtbar; sie können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Es besteht zwischen diesen lediglich insofern ein rechtlicher Zusammenhang, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, sodass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann.
Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters im Zusammenhang mit einem Antrag auf internationalen Schutz (der von der Behörde zurückgewiesen worden war, ohne dies mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden) festgehalten, dass es sich bei den Aussprüchen, mit denen der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt bzw. eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei, um voneinander trennbare Absprüche handle. Ein rechtlicher Zusammenhang bestehe in der Weise, dass eine Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz "zu verbinden" sei (§ 10 Abs. 1 AsylG 2005) bzw. diese "unter einem" zu ergehen habe (§ 52 Abs. 2 FPG). Die Rückkehrentscheidung setze die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus. Eine allfällige Säumnis mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung führt aber nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausspruchs über den Antrag auf internationalen Schutz. Dieser hänge nämlich nicht von der Rückkehrentscheidung ab (vgl. VwGH 31.01.2019, Ra 2018/22/0086, mwH).
Gegenständlich sprach die bB nicht über eine Rückkehrentscheidung ab. Die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geht davon aus, dass die erstmalige Entscheidung über die Frage der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung (und daran anknüpfend über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005) durch das Bundesverwaltungsgericht eine unzulässige Kompetenzüberschreitung darstellt (vgl. VwGH 31.01.2019, Ra 2018/22/0086; im zugrundeliegenden Fall wurde ebenfalls im bekämpften Bescheid kein Ausspruch über eine Rückkehrentscheidung getroffen; VwGH 12.12.2018, Ra 2017/19/0553; vgl. ferner zur erstmaligen Erlassung eines Einreiseverbotes VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0146). Über die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz konnte jedoch aufgrund der Trennbarkeit der Spruchpunkte jedenfalls abgesprochen werden.
Zudem hielt der VwGH fest (VwGH vom 10.08.2020, Ra 2018/19/0228), dass es einem Revisionswerber im Fall der Anfechtung der Rückkehrentscheidung nicht offen steht, die Prüfung des VwGH hinsichtlich des von der angefochtenen Rückkehrentscheidung untrennbaren Ausspruches gemäß § 52 Abs. 9 FrPolG 2005 auszuschließen (vgl. VwGH 21.5.2019, Ro 2019/19/0006, Rn 53), was ein Indiz dafür darstellen könnte, dass im Falle der Verhängung einer Rückkehrentscheidung durch die bB die nicht bekämpfte Unzulässigerklärung der Abschiebung nicht alleine rechtskräftig werden könnte. Jedenfalls setzt § 52 Abs. 9 FPG das Vorliegen einer Rückkehrentscheidung voraus. Der bB war es daher grundsätzlich verwehrt, mangels Rückkehrentscheidung gegenständliche Entscheidung gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 zu treffen, weil eben im gegenständlichen Fall keine aufrechte Rückkehrentscheidung vorliegt.
Anzumerken ist, dass die Formulierung in § 8 Abs. 3a AsylG 2005, wonach bei Vorliegen eines Aberkennungsgrundes gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ("diesfalls") die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde dafür spricht, dass dieser Ausspruch jedenfalls nur in Zusammenschau mit einem Ausschlussgrund zum Tragen kommen kann. Die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung setzt somit die Abweisung wegen Vorliegens eines Aberkennungsgrundes gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 voraus; die Abweisung wurde insofern mit der Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in § 8 Abs. 3a AsylG 2005 gesetzlich verbunden. Es ist gegenständlich kein Raum dafür zu sehen, dass über § 8 Abs. 3a zweiter Satz AsylG 2005 für sich entschieden werden könnte, sondern ist von einer untrennbaren Einheit auszugehen (vgl. auch 330 der Beilagen XXIV. GP - Regierungsvorlage - Materialien S. 9).
Im gegenständlichen Fall geht das BVwG jedoch davon aus, dass der Spruchpunkt IV. alleine in Rechtskraft erwachsen ist, da er nicht bekämpft wurde. Dies selbst vor dem Hintergrund, dass die bP die Unzulässigkeit nicht geprüft und alleine auf die im Bescheid vom 08.08.2013 ausgesprochene Unzulässigkeit verwiesen hat, wobei aber anzumerken ist, dass die bP damals psychisch schwer erkrankt und suizidal war. Mit Beschluss des BVwG vom 16.04.2020 wurde der Beschwerde gegen den Bescheid der bB vom 06.09.2019, Zl. 420358100 / 480333896 stattgegeben und der Bescheid gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG und wurde in dieser Entscheidung auch festgehalten, dass die Entscheidung gemäß § 8 Abs. 3 a AsylG in Rechtskraft mangels Beschwer erwachsen ist, weshalb auch grundsätzlich diese Entscheidung aktuell dem Rechtsbestand angehört.
Es wird auf ein Judikat des VwGH in einer ähnlichen Konstellation wie im gegenständlichen Fall, wonach grundsätzlich gerade auch die Feststellung über die Unzulässigkeit einer Abschiebung reversibel ist, hingewiesen. Der VwGH hält in seiner Entscheidung vom 07.03.2019, Zl. Ro 2019/21/0002 insbesondere fest:
Mit einer Refoulement-Beurteilung in Bezug auf den Herkunftsstaat eines Fremden geht eine zu beachtende Rechtskraftwirkung einher, deren Durchbrechung nur dann gerechtfertigt ist, wenn sich nach Erlassung der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert haben, also eine neue Sache vorliegt, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gilt. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist der Fall zu unterscheiden, dass der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorgelegen, aber erst später bekannt geworden sind. Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörde, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. VwGH 18.1.2017, Ra 2016/18/0293). Es ist nicht zu sehen, warum das für das Verhältnis einer Feststellung über die Unzulässigkeit (insbesondere) einer Abschiebung nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 zur Feststellung nach § 52 Abs. 9 FrPolG 2005 anders sein sollte.
Aufgrund des Umstandes, dass letztlich bereits Entscheidungen gemäß § 8 Abs. 3a AsylG ohne Vorliegen einer Erkrankung der bP und ohne Prüfung einer Änderung des Sachverhalts diesbezüglich in Rechtskraft erwachsen sind, wird wohl davon auszugehen sein, dass keine Änderungen in diesem Zusammenhang mehr aufgreifbar sind.
4. Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung
Gemäß § 21 Abs 6a BFA-GV kann unbeschadet des Abs 7 leg cit über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden.
Auf Grund der in § 21 Abs. 6a BFA-VG 2014 enthaltenen Wendung "Unbeschadet des Abs. 7" hat eine Verhandlung jedenfalls immer dann zu unterbleiben, wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 vorliegen. In einem solchen Fall stellt sich die Frage, ob nach § 21 Abs. 6a BFA-VG 2014 im Rahmen der Ermessensübung von der Durchführung der Verhandlung Abstand genommen werden kann, nicht mehr (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072).
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde vom Bundesamt vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und ist bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch als aktuell und vollständig zu erachten. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine hinreichenden Anhaltspunkte die einer nochmaligen Anhörung der bP und Ergänzung des Verfahrens bedurft hätte.
Die hier maßgeblichen Beweismittel – die Niederschriften - bilden vollen Beweis iSd § 15 AVG. Das Bundesamt hat die Nichtglaubhaftmachung nicht konkret auf den persönlichen Eindruck gestützt, sondern in nachvollziehbarer Weise im Wesentlichen auf den Inhalt der Aussagen der Partei.
Das Bundesamt hat die, die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und hat das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung geteilt.
In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt konkret und substantiiert behauptet, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt als hinreichend geklärt erachtet werden und eine Verhandlung entfallen konnte.
Ad B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
