BVwG W272 2172691-1

BVwGW272 2172691-129.3.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W272.2172691.1.00

 

Spruch:

W272 2172691-1/12E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom XXXX , Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (in der Folge AsylG).

 

2. Am Tag der Antragstellung wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zunächst zu seinen persönlichen Verhältnissen angab, dass er in Herat geboren sei. Er sei ledig, bekenne sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und gehöre der Volksgruppe der Paschtunen sowie der Tadschiken an. Er habe bis zu seinem 13. Lebensjahr in Herat gelebt und sei von dort aus gemeinsam mit seinem Bruder in den Iran verzogen. Er habe acht Jahre lang im Iran gelebt bevor er nach Afghanistan abgeschoben worden sei. Seine Eltern seien bereits verstorben und sein Bruder würde in Afghanistan leben. Als Fluchtgrund gab er an, dass in seiner Heimat der Vorbeter der Moschee XXXX den Beschwerdeführer als Selbstmordattentäter anwerben habe wollen. Weil er dies nicht gewollt und auch kritische Fragen gestellt habe, sei er von unbekannten Menschen mehrmals bedroht worden. Er wolle jedenfalls nicht am Krieg in seinem Land teilnehmen und er habe aus Angst um sein Leben das Land verlassen.

 

3. Am 20.07.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt zu seinem Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zunächst an, dass gesundheitlich alles in Ordnung sei. Weiteres gab er an, in Herat geboren und bis zu seinem elften Lebensjahr in einem Dorf namens XXXX gelebt zu haben. Nachdem seinem Mutter verstorben sei, habe er zwei Jahre gemeinsam mit seinem Bruder bei seinem Onkel in Herat im Dorf XXXX gelebt. Im Alter von 13 Jahren sei er mit seinem Bruder in den Iran gereist, wo er acht Jahre gelebt habe. Danach sei er nach Afghanistan abgeschoben worden und habe er ca. sechs Monate in Herat im Dorf XXXX gelebt. Seine Eltern seien bereits verstorben. Zu seinem beruflichen Werdegang gab er an, vier Jahre als Verkäufer und vier Jahre als Fliesenleger gearbeitet zu haben. Zu seinem Fluchtgrund gab er zusammengefasst an, dass er nachdem er aus dem Iran nach Afghanistan abgeschoben worden sei, sei er ca. drei bis vier Monate danach in der Moschee gewesen. Das Freitagsgebet werde in der Moschee XXXX verrichtet. Es gebe eine Gruppierung namens XXXX . Nach dem Freitagsgebet hätten sich die Jugendlichen versammelt. Der Beschwerdeführer habe noch ein paar Freunde von der Kindheit gekannt, die ihn aufgefordert hätten dort zum Beten zu gehen. Nachdem das Gebet fertig gewesen sei, hätten sie gesagt, dass diese XXXX Gruppierung den Menschen helfen wolle und Spendenessen veranstalten würde. Jeder der wolle, könne freiwillig seine Unterstützung anbieten. Diese Gruppierung habe nichts mit den Taliban oder dem IS zu tun. Sie würden nur den Menschen helfen und dienen wollen. Auch der Beschwerdeführer habe sich freiwillig dafür gemeldet, weil er es möge Menschen zu helfen, Essen zu verteilen und dadurch armen Menschen zu helfen. Folglich habe er eineinhalb bis ca. zwei Monate an verschiedenen Moscheen gearbeitet, gekocht und Essen verteilt. Nach einiger Zeit, wenn sie sicher wären mit wem sie es zu tun hätten, habe die Gruppierung begonnen in kleineren Gruppen radikale Gespräche zu führen. Es habe nichts mit Islam zu tun gehabt, sondern die Gespräche seien sehr radikal ausgelegt. Sie hätten Predigten gehalten, dass sie jung seien und den Islam verteidigen müssten. Sie hätten sehr radikale Ansichten vertreten. Sie wären ungefähr in 6er Gruppen zusammengesessen. Es sei Donnerstagnacht gewesen und hätten sie mit ihnen gesprochen. Sie hätten über den Dschihad und den heiligen Kampf gesprochen. Die meisten Jugendlichen wären ungebildet und leicht zu beeinflussen. Der Beschwerdeführer habe dort nur zugehört. Er habe seine Freunde darauf aufmerksam gemacht, dass es falsch sei, was gesagt worden sei und es ein gefährlicher Weg sei. An einem Montag wäre er wieder in der Moschee " XXXX ". Dort habe ein pakistanischer Mullah eine Predigt gehalten. Er habe Sachen gesagt wie: "Wenn man einen Christen schnappt muss dieser entweder zum Islam konvertieren oder getötet werden." Er habe schlecht über die Regierung und die Demokratie geredet, da diese die Religion beschmutze. Er habe gesagt, wenn die Religion in Gefahr sei, hätten sie das Recht und die Pflicht einen Selbstmordanschlag zu verüben. Er habe sich nicht getraut vor Ort zu widersprechen und zu sagen, dass es falsch sei, was er [gemeint: der Prediger] sage. Am nächsten Donnerstag sei er nicht mehr zu der Versammlung gegangen. Am Freitag sei er zum Gebet in die XXXX gegangen und habe dem Mullah dort gesagt, dass der pakistanische Mullah falsche Sachen gesagt habe und er nicht seiner Ansicht sei. Sie hätten eine Diskussion gehabt und habe der Beschwerdeführer gesagt, dass es der falsche Weg des Islams sei. Daraufhin habe er seinen Freunden und den Eltern der Jugendlichen gesagt, dass diese Gruppierung Radikale seien und man ihre Kinder für Anschläge einsetzen und radikalisieren wolle. Die Jugendlichen hätten zum Mullah gesagt, dass sie wegen ihrer Eltern nicht mehr kommen dürften. Sie hätten auch gesagt, dass der Beschwerdeführer deren Eltern alles erzählt habe und er der Grund dafür sei. Die Mullahs der Gruppierung wären deswegen sehr aufgebracht und verärgert. Der Beschwerdeführer habe den Jugendlichen gesagt, dass sie zum Fußball spielen kommen sollten. Bevor er zum Fußballplatz gekommen sei, sei ein Jugendlicher, der ihm ähnlich sehe, entführt worden. Ein Freund habe ihm gesagt, er solle nicht kommen, da bewaffnete Leute nach ihm suchen würden. Nach 20 Minuten sei der Beschwerdeführer von der entführten Person angerufen worden. Er habe ihn gefragt, wo er sei und warum er nicht zum Fußballspielen gekommen sei. Er habe im Hintergrund eine Stimme gehört, die ihn aufgefordert hätte den Beschwerdeführer zu fragen, wo er sei. Der Beschwerdeführer habe gesagt, dass er außerhalb der Stadt sei. Danach habe ein anderer den Hörer genommen und gesagt, egal wo er sei, sie würden ihn finden. Daraufhin habe er die SIM-Karte entfernt und zerstört. Er sei dann zu einem Freund seines Vaters gegangen. Er habe ihm von dem Vorfall erzählt und habe ihn dieser mit sich nach Hause genommen. Er habe gesagt, dass die Gruppierung XXXX sehr radikal sei. Sein Leben sei in Gefahr und müsse er das Land verlassen. Am nächsten Morgen habe er [gemeint: der Freund des Vaters des Beschwerdeführers] einen Schlepper angerufen und sei der Beschwerdeführer am nächsten Morgen um 5 Uhr an einer bestimmten Adresse mit dem Auto abgeholt worden und sei er aus dem Land geflohen.

 

Im Zuge des bisherigen Verfahrens brachte der Beschwerdeführer folgende Unterlagen in Vorlage:

 

* Teilbesuchsbestätigung Deutsch A1, ausgestellt am 03.03.2016;

 

* Teilnahmebestätigung am Info-Modul Bildung am 05.10.2016;

 

* Teilnahmebestätigung am Info-Modul Zusammenleben am 12.10.2016;

 

* Zertifikat über einen Deutschkurs der Niveaustufe A2 vom 05.09. bis 28.10.2016, ausgestellt am 28.10.2016;

 

* Urkunde betreffend ehrenamtliches Engagement des BF vom 18.11.2016;

 

* Zertifikat über einen Deutschkurs der Niveaustufe A2+ vom 31.10. bis 23.12.2016, ausgestellt am 23.12.2016;

 

* Kursbesuchsbestätigung Deutsch B1 vom 26.04.2017;

 

* Teilnahmebestätigung betreffend eine Veranstaltung zum Thema "Kostenlose Freizeitangebote in Wien. Was bringt der Kulturpass?" ausgestellt am 02.05.2017;

 

* Teilnahmebestätigung betreffend eine Veranstaltung zum Thema "Wie können Eltern und Kinder Medien gemeinsam sinnvoll nutzen" ausgestellt am 09.05.2017;

 

* Teilnahmebestätigung - Sprachcafe vom 23.06.2017;

 

* Teilbesuchsbestätigung Deutsch B1 vom 30.06.2017;

 

* Auszeichnung betreffend einen Integrationskurs im Ausmaß von 40 Stunden, ausgestellt am 14.07.2017;

 

* Empfehlungsschreiben vom 09.07.2017, vom 15.07.2017, vom 17.07.2017;

 

* Arbeitsbestätigung über die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Gärtnergehilfe im Ausmaß von 50 Stunden, ausgestellt am 18.07.2017

 

4. Am 07.08.2017 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 03.08.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein, worin auf die allgemeine Situation in Afghanistan, die sich als äußerst angespannt und gefährlich beschreibe, hingewiesen wurde. Dabei wurde unter anderem auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 21.01.2016 Bezug genommen. Zudem wurde vorgebracht, dass das Wiederaufleben der Taliban besonders problematisch sei und würde die Provinz Herat nach wie vor zu den gefährlichsten und unsichersten Provinzen Afghanistans zählen. Den Länderinformationen wären keinerlei Informationen zu der Gruppierung " XXXX " ( XXXX ) zu entnehmen. Diese Gruppe stehe als Extremistengruppe unter der Beobachtung des deutschen Verfassungsschutzes. Der Beschwerdeführer habe die Aktivitäten der Gruppe und deren Vorgehensweise geschildert. Er habe dort selbst - ohne über die Gruppe Bescheid zu wissen - mitgearbeitet, wobei er letztlich öffentlich gegen die Gruppe und ihre staatsfeindlichen Absichten aufgetreten sei. Zudem komme es zur Verfolgung von Personen, die nach Afghanistan zurückkehren, weil diese "vermeintliche Werte" und/oder ein Erscheinungsbild angenommen hätten, die mit westlichen Ländern in Verbindung gebracht würden, und denen deshalb unterstellt werde, die Regierung und die internationale Gemeinschaft zu unterstützen. Der Beschwerdeführer habe sich bereits gut in die steirische Gesellschaft integriert und sich mit der gesellschaftlichen und rechtlichen Ordnung identifiziert. Es wäre ihm nicht möglich sich den afghanischen Traditionen und Gepflogenheiten anzupassen. Besonders schwer wiege, dass er bereits in Afghanistan gegen eine radikale Auslegung des Islam, den Dschihad und gegen regierungsfeindliche Aktivitäten aufgetreten sei. Zudem befinde sich der Beschwerdeführer in einem wehrpflichtfähigem Alter.

 

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

 

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers sowie zu seinem Privat- und Familienleben und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates folgerte die Behörde, dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht habe glaubhaft machen können. Dazu wurde seitens des Bundesamtes beweiswürdigend ausgeführt, dass die mangelnde Glaubwürdigkeit in den Einvernahmen gründe. So habe der Beschwerdeführer beim BFA seine Fluchtgeschichte und die Handlungsabläufe im Großen und Ganzen stringent schildern können, jedoch hätten sich einige Aspekte ergeben, die nicht nachvollziehbar und nicht verständlich seien. Die Behörde verkenne nicht die schwierige Situation mit radikalen Gruppierungen in Afghanistan, jedoch lasse sich der vom Beschwerdeführer geschilderte Sachverhalt nicht unter die in der GFK genannten Kriterien subsumieren. Zu der vom Beschwerdeführer in der schriftlichen Stellungnahme erneut aufgegriffen Bedrohung durch diese radikale Gruppierung sei festzuhalten, dass die vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfälle nicht glaubhaft seien. Des Weiteren wäre selbst bei einer Wahrheitsunterstellung nicht ersichtlich, warum diese Gruppierung ein erhöhtes Verfolgungsinteresse an der Person des Beschwerdeführers haben sollte. Selbst für den Fall, dass diese Drohung stattgefunden habe, werde darauf hingewiesen, dass in Afghanistan kein verpflichtendes Meldewesen existiere, weshalb dem Beschwerdeführer selbst für den Fall, dass es diese Bedrohung tatsächlich gegeben haben sollte, nicht davon auszugehen sei, dass diese den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Afghanistans finden könnten bzw. würden. So stehe dem Beschwerdeführer grundsätzlich auch eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Sofern der Beschwerdeführer in der eingebrachten Stellungnahme erstmalig von einer als "verwestlicht wahrgenommenen" Person spreche, sei zu sagen, dass dies unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur keine asylrelevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit begründe. In einer Gesamtschau seines Vorbringens gehe die erkennende Behörde unter Berücksichtigung obiger Ausführungen und dem Aspekt, dass der Beschwerdeführer zwei divergierende Sachverhalte vorgebracht habe davon aus, dass die vom Beschwerdeführer beim BFA präsentierte Fluchtgeschichte nicht der Wahrheit entspreche und er mit dem von ihm vorgebrachten Fluchtgrund, keine asylrelevante Verfolgung i.S. der GFK habe glaubhaft machen können.

 

6. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, beim Bundesverwaltungsgericht ein. Nach Wiederholung des Verfahrensganges wurde im Wesentlichen vorgebacht, dass die Behörde ihre Ermittlungspflicht insofern nicht wahrgenommen habe, dass sie die konkrete Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers nicht erhoben habe. Sein Vater sei Paschtune und seine Mutter Tadschike, wobei sich der Beschwerdeführer eher der Volksgruppe der Tadschiken zuordnen würde, da er kein Paschtu spreche. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer - wenn auch unbewusst - über einen gewissen Zeitraum eine radikale Gruppierung unterstützt habe und bestehe die Gefahr, dass er durch die auch öffentlich gezeigte Unterstützung bei einer Rückkehr aufgrund von staatlicher Seite verdächtigt werde regierungsfreundliche Kräfte unterstützt zu haben. Ferner wären die Länderberichte, insbesondere im Hinblick auf die Situation in Herat, mangelhaft. Zudem hätten die Länderfeststellungen keine Informationen über die Gruppierung XXXX enthalten sowie die Situation betreffend junge Rückkehrer aus Europa und dem Iran.

 

Im Zuge der Beschwerde wurde ein weiteres Empfehlungsschreiben vom 28.09.2017 vorgelegt.

 

Mit Eingabe vom 25.10.2017 wurden folgende fünf Empfehlungsschreiben vom 14.09.2017, vom 29.09.2017; zwei Schreiben jeweils vom 30.09.2017 und vom 02.10.2017, an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

 

7. Mit Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 05.12.2018 wurde dem BF und dem Vertreter die aktuellen Länderinformationen sowie ein Bericht zu XXXX vorab übermittelt.

 

8. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 04.03.2019 wurde mitvorgelegt:

 

Zertifikat B1 vom 17.04.2018, Empfehlungsschreiben vom 01.03.2019, Anmelde und Teilbesuchsbestätigung B2, Kursbestätigung der Stadt XXXX "Integration ab Tag 1".

 

9. Am 11.03.2019 langte eine weitere Stellungnahme durch den Vertreter des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Der Vater des Beschwerdeführers ist Paschtune und seine Mutter Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken, die Volksgruppenzugehörigkeit - ob Paschtune oder Tadschike - kann nicht eindeutig festgestellt werden. Der Beschwerdeführer bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vom Glauben abgefallen wäre. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Obsorgeverpflichtungen. Der Beschwerdeführer ist in Herat geboren und im Dorf XXXX aufgewachsen. Im Alter von 11 bis 13 - nach dem Tod seiner Mutter - hat er bei seinem Onkel in Herat, XXXX , gelebt und ist er im Alter von 13 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder in den Iran gegangen, wo er als Verkäufer und Fliesenleger gearbeitet hat. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in den ersten vier Jahren in Teheran und die weiteren vier Jahre in Karaj (Karadsch) gelebt hat. Innerhalb der letzten vier Jahre - vor seiner Rückkehr aus dem Iran nach Afghanistan - pendelte der Beschwerdeführer berufsbedingt zwischen Karaj (Karadsch) und Herat. Er ist im Jahr 2015 vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden und kehrte er wieder zurück in sein Dorf, XXXX , wo er im Haus seines Vaters bis zu seiner Ausreise nach Europa lebte. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Dari und Farsi. Der Beschwerdeführer spricht Dari mit afghanischen Dialekt. Der Beschwerdeführer verfügt in Afghanistan über familiäre Anknüpfungspunkte sowie über Freunde und Bekannte. Der Beschwerdeführer steht seinem 13 Lebensjahr auf eigenen Beinen und erwirtschaftete sich seinen Lebensunterhalt selbst. Die Existenz des Beschwerdeführers war stets durch seine Erwerbstätigkeit gesichert. Sechs Monate vor seiner Ausreise aus Afghanistan lebte der Beschwerdeführer in Herat, in seinem Heimatdort, wo er gelegentlich arbeitete.

 

Der BF ist grundsätzlich seinem Alter entsprechend entwickelt.

 

Der BF ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, war dort nie inhaftiert, war kein Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, er hat sich nicht politisch betätigt und hatte keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Herkunftsland.

 

In Österreich hat der Beschwerdeführer Deutschkurse absolviert und bisher die Deutschprüfung B1 positiv bestanden und hat im Jahr 2017 50 Stunden als Gärtnergehilfe gearbeitet. Zudem hat er diverse "Ein Tageskurse" besucht und einen Integrationskurs im Ausmaß von 40 Stunden, wofür er eine Auszeichnung erhalten hat, absolviert. Der unbescholtene BF hat in Österreich keine Familienangehörigen. Der Beschwerdeführer verfügt über einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich und brachte vor eine Freundin, bei der er seit Dezember 2018 wohnhaft ist, zu haben. Ein Abhängigkeitsverhältnis konnte nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig, er lebt von der Grundversorgung und erhält die Kosten für seine Miete von der Caritas. Der Beschwerdeführer ist gelegentlich ehrenamtlich tätig. Er ist weder Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation.

 

Festgestellt wird, dass sich der Beschwerdeführer in einem guten gesundheitlichen Allgemeinzustand befindet. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer seit April 2018 einmal täglich das Medikament Sertratin einnimmt. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist.

 

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 13.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

 

Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung durch die XXXX ausgesetzt war.

 

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF wegen Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht oder verfolgt gewesen wäre.

 

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF in sein Herkunftsland:

 

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wäre der BF aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter nicht bedroht.

 

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Tatsache, dass er acht Jahre im Iran gelebt - wobei er die letzten vier Jahre vor seiner Abschiebung vom Iran nach Afghanistan immer wieder in Herat war und vor seiner Ausreise sechs Monate in Herat gelebt hat - sowie zuletzt in Europa aufgehalten hat bzw. dass er als afghanischer Staatsangehöriger, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, deshalb in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder auf Grund seines Aufenthalts in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

 

Dem BF steht eine Rückkehr in seine Heimatstadt Herat zur Verfügung. Auch stünde ihm als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative die Stadt Mazar-e-Sharif zur Verfügung. Obwohl in diesen beiden Städten eine angespannte Situation vorherrschen. Es ist ihm jedoch möglich ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befrieden zu können, bzw. ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF würde bei seiner Rückkehr in eine dieser Städte kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, weiters könnte er vom Freund seines Vaters zunächst unterstützt werden, zumal dieser ihm auch bei seiner Ausreise half und ihn zuvor bei ihm aufgenommen hat. Ferner steht es dem Beschwerdeführer frei in das Haus seines Vaters in Herat, XXXX , zurückzukehren. Ferner brachte der Beschwerdeführer selbst vor, seit seinem 13 Lebensjahr - unabhängig ob im Iran oder in Afghanistan - für seinen Lebensunterhalt selbst gesorgt zu haben. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und zumindest vorrübergehend verschiedene Hilfsprogramme in Anspruch nehmen, die in bei der Ansiedlung in Mazar- e Sharif oder Herat unterstützen.

 

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in seiner Heimatstadt Herat oder der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können und wie es ihm vor seiner Ausreise möglich war.

 

Die Städte Mazar-e-Sharif und Herat sind von Österreich aus sicher über Kabul mit dem Flugzeug zu erreichen.

 

1.4. Zum Herkunftsstaat:

 

Das BVwG trifft folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat unter Auszug aus dem Länderinformationsblatt (letzte Aktualisierung 23.11.2018), welches auch für die Feststellungen des BFA verwendet wurden.

 

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformation:

 

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

 

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

 

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA12.11.2018) . Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018) .

 

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018) . Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018) . Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

 

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

 

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

 

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

 

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

 

Zivile Opfer

 

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

 

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

 

Regierungsfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

 

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018

 

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

 

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

 

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

 

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

 

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

 

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

 

Zivile Opfer

 

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

 

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

 

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

 

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

 

Wahlen

 

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Milionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

 

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichnet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).

 

Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).

 

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (Sicherheitslage)

 

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

 

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b)

 

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

 

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

 

KI vom 21.12.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

 

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

 

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

 

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

 

Sicherheitsrelevante Vorfälle

 

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

 

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

 

Zivilist/innen

 

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017). Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

 

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

 

High-profile Angriffe:

 

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

 

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

 

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

 

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

 

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

 

Interreligiöse Angriffe

 

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

 

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

 

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

 

KI vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

 

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

 

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

 

Sicherheitsrelevante Vorfälle

 

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

 

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

 

Zivilist/innen

 

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

 

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

 

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

 

High-profile Angriffe:

 

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

 

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

 

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

 

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

 

"Green Zone" in Kabul

 

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

 

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

 

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

 

Ein erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

 

Taliban

 

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

 

Herat

 

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

 

Mazar-e Sharif

 

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

 

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

 

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

 

Politische Lage

 

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

 

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9 .2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9 .2016; vgl. CRS 12.1.2017).

 

Parlament und Parlamentswahlen

 

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9 .2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

 

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

 

Friedens- und Versöhnungsprozess:

 

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9 .2016).

 

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

 

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).

 

Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

 

Kontrolle von Distrikten und Regionen

 

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

 

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

 

Balkh:

 

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port. Nahra-i-Shahi. Dihdadi. Balkh. Daulatabad. Chamtal. Sholgar. Chaharbolak. Kashanda. Zari. Charkont. Shortipa. Kaldar. Marmal. und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten. Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).

Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan. Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

 

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts¬und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).

 

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

 

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

 

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

 

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

 

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

 

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

 

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert:

 

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

 

Militärische Operationen in Balkh

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

 

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

 

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

 

Herat:

 

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat- Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).

 

In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).

 

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

 

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

 

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m3 turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).

 

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

 

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).

 

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).

 

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).

 

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert:

 

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

 

Militärische Operationen in Herat

 

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat

 

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;

vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;

vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).

 

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).

 

ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).

 

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).

 

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

 

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

 

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

 

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9 .2016).

 

Sicherheitsbehörden

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

 

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

 

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

 

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

 

Meldewesen

 

Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan (DIS 5.2012; vgl. auch: DW 9.10.2004).

 

Quellen:

 

 

 

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

 

Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern (DAWN 28.1.2017).

 

Die Zahl der Internvertriebenen im Jahr 2017 betrug 9.759 (Stand 4. Februar 2017) (UN OCHA 5.2.2017). 636.503 Menschen wurden insgesamt im Jahr 2016 aufgrund des Konfliktes vertrieben (UN OCHA 29.1.2017). Mehr als die Hälfte dieser Menschen (56%) waren Kinder unter 18 Jahren. Von Binnenvertreibung betroffen waren 31 Provinzen in unterschiedlichem Ausmaß; alle 34 Provinzen beherbergten Binnenvertriebene. Im Jahr 2016 stammten die meisten Binnenvertriebenen aus den Provinzen Kunduz, Uruzgan, Farah und Helmand. Gleichzeitig nahmen die Provinzen Helmand, Takhar, Farah, Kunduz und Kandahar die meisten Binnenvertriebenen auf. Viele Menschen suchen also in der Nähe ihrer Heimat Schutz. Binnenvertriebene tendieren dazu aus ländlichen Gebieten in die Provinzhauptstädte zu ziehen, oder in die angrenzenden Provinzen zu gehen. Sobald der Konflikt zu Ende ist, versuchen sie bald wieder nach Hause zu kehren (AAN 28.12.2016).

 

Der verhängnisvollste Monat war Oktober, in welchem die Taliban mehrere Provinzhauptstädte gleichzeitig angriffen: Kunduz City, Farah City, Maimana, und Lashkar Gah. Der Anstieg der IDP-Zahlen ist auch auf den Rückzug internationaler Truppen zurückzuführen, die durch Luftangriffe unterstützten; mittlerweile haben die Taliban ihre Angriffstaktik geändert und sind zu Bodenoffensiven übergegangen. Bodenoffensiven sind nicht nur die Ursache für Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbevölkerung, sondern zwingen die Menschen aus ihren Heimen zu fliehen (AAN 28.12.2016).

 

Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben (UN OCHA 5.2.2017; vgl. auch: UN OCHA 29.1.2017; UN OCHA 1.11.2016; UN OCHA 1.10.2016; vgl. ACBAR 7.11.2016).

 

Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.

Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren (IOM 17.4.2016; vgl. auch ACBAR 15.5.2016).

 

UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc. (UNHCR 6.2016).

 

2017

 

Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für US$ 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden (UN News Centre 23.1.2017).

 

2016

 

Im September 2016 suchten die Vereinten Nationen um 152 Millionen US Dollar an, um lebensnotwendige Hilfe für Internvertriebenen, nicht-dokumentierten Rückkehrer/innen und registrierten Flüchtlingen bieten zu können. Von den zugesagten 42 Millionen US Dollar wurden 40,2 Millionen US Dollar bereits entgegengenommen. Somit stand die gesamte humanitäre Unterstützung für Afghanistan im November 2016 bei 401 Millionen US Dollar (UN GASC 13.12.2016).

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11 .2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

 

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11 .2016).

 

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11 .2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

 

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11 .2016).

 

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11 .2016).

 

Projekte der afghanischen Regierung:

 

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens' Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

 

Ethnische Minderheiten:

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).

 

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai,

 

Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art.16 sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5 .2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).

 

Paschtunen

 

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 20.4.2018). Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

 

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und

 

Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Religionsfreiheit

 

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5 .2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi- Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

 

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut

 

islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung

 

"religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

 

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5 .2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5 .2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht- Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht- muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).

 

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte,

 

die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

 

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

 

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

 

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

 

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).

 

Medizinische Versorgung

 

Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5 .2018).

 

In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen (WHO o.D.). Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht (TWBG 10.2016; vgl. USAID 25.5.2018). Gründe dafür waren u. a. eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. (TWBG 10.2016). Einer Umfrage der Asia Foundation (AF) zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (AF 11.2017).

 

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011-2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012-2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren (WHO o.D.).

 

Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsversorgung wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren liegen die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin unter dem Durchschnitt der einkommensschwachen Länder. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (TWBG 10.2016). In den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen: Während die Müttersterblichkeit früher bei 1.600 Todesfällen pro 100.000 Geburten lag, belief sie sich im Jahr 2015 auf 324 Todesfälle pro 100.000 Geburten. Allerdings wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer berichtet. Bei Säuglingen liegt die Sterblichkeitsrate mittlerweile bei 45 Kindern pro 100.000 Geburten und bei Kindern unter fünf Jahren sank die Rate im Zeitraum 1990 - 2016 von 177 auf 55 Sterbefälle pro 1.000 Kindern. Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen weiterhin kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt (AA 5 .2018). Weltweit sind Afghanistan und Pakistan die einzigen Länder, die im Jahr 2017 Poliomyelitis-Fälle zu verzeichnen hatten; nichtsdestotrotz ist deren Anzahl bedeutend gesunken. Impfärzte können Impfkampagnen sogar in Gegenden umsetzen, die von den Taliban kontrolliert werden. In jenen neun Provinzen, in denen UNICEF aktiv ist, sind jährlich vier Polio-Impfkampagnen angesetzt. In besonders von Polio gefährdeten Provinzen wie Kunduz, Faryab und Baghlan wurden zusätzliche Kampagnen durchgeführt (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

 

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden (MoPH 7.2005; vgl. MedCOI 4.1.2018). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die

 

Kosten nicht ausreichend decken (MedCOI 24.2.2017). Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (IOM 5.2.2018).

 

Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen (MoPH 7.2005; vgl. AP&C 9.2016). 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 5 .2018).

 

Beispiele für Behandlung psychischer erkrankter Personen in Afghanistan

 

In der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Die afghanische Regierung ist sich der Problematik bewusst und hat geistige Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt. Jedoch ist der Fortschritt schleppend und die Leistungen außerhalb von Kabul sind dürftig. In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen und psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet. Sie sind Teil der Familie und werden genauso wie Kranke und Alte gepflegt. Daher müssen körperlich und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch eine starke familiäre und gemeinschaftliche Unterstützung sicherstellen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 2017).

 

Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam. So existieren

 

z. B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können beim Roten

 

Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. Einige dieser NGOs sind die International Psychological Organisation (IPSO) in Kabul, die Medica Afghanistan und die PARSA (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt" oder es wird ihnen durch eine "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben (AA 9 .2016; vgl. AP 18.8.2016). Beispielweise wurde in der Provinz Badakhshan durch internationale Zusammenarbeit ein Projekt durchgeführt, bei dem konventionelle und kostengünstige e-Gesundheitslösungen angewendet werden, um die vier häufigsten psychischen Erkrankungen zu behandeln: Depressionen, Psychosen, posttraumatische Belastungsstörungen und Suchterkrankungen. Erste Evaluierungen deuten darauf hin, dass in abgelegenen Regionen die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessert werden konnte. Auch die gesellschaftliche Stigmatisierung psychisch Erkrankter konnte reduziert werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. NCBI 12.2016).

 

Trotzdem findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt (AA 5 .2018).

 

Krankenhäuser in Afghanistan

 

Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw. schnellere medizinische Versorgung zu bekommen (IOM 5.2.2018). Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (RFG 2017). In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Beeinträchtigungen wie Herz-, Nieren-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, die eine komplexe, fortgeschrittene Behandlung erfordern, wegen mangelnder technischer bzw. fachlicher Expertise nicht behandelt werden können (IOM 5.2.2018). Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten

 

werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen (RFG 2017). Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung (IOM 5.2.2018).

 

Es folgt eine Liste einiger staatlicher Krankenhäuser:

 

• Ali Abad Krankenhaus: Kart-e Sakhi, Jamal Mina, Kabul University

Road, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2510 355 (KUMS o.D.; vgl. MoPH 11.2012)

 

• Antani Krankenhaus für Infektionskrankheiten: Salan Watt, District 2, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2201 372 (LN o.D.; vgl. MoPH 11.2012)

 

• Istiqlal/Esteqlal Krankenhaus: District 6, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2500674 (LN o.D.; vgl. AB 20.1.2016, MoPH 11.2012)

 

• Ibne Sina Notfallkrankenhaus: Pull Artal, District 1, Kabul, Tel.:

+93 (0)202100359 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.b, MoPH 11.2012)

 

• Jamhoriat Krankenhaus: Ministry of Interior Road, Sidarat Square, District 2,Kabul Tel: +93 (0)20 220 1373/ 1375 (LN o.D.; HPIC o.D.c, MoPH 11.2012)

 

• Malalai Maternity Hospital: Malalai Watt, Shahre Naw, Kabul, Tel.:

+93(0)20 2201 377 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.d, MoPH 11.2012)

 

• Noor Eye Krankenhaus: Cinema Pamir, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2100 446 (LN o.D.; vgl. IAM o.D., MoPH 11.2012)

 

• Rabia-i-Balki Maternity Hospital: Frosh Gah, District 2, Kabul, Tel.: +93(0)20 2100439 (LN o.D.; vgl. MoPH 11.2012)

 

• Wazir Akbar Khan Krankenhaus: Wazir Akbar Khan, Kabul, Tel.: +93 (0)78 820 0419 (MoPH 11.2012; vgl. Tolonews 1.6.2017)

 

• Herat Regionalkrankenhaus: Khaja Ali Movafaq Rd, Herat (MoPH 2013; vgl. Pajhwok 3.8.2017)

 

• Mirwais Nika Krankenhaus in Kandahar, Tel.: +93 (0)79 146 4237 (ICRC 28.1.2018; vgl. ICRC 3.2.2017)

 

Es gibt zahlreiche private Kliniken, die auf verschiedene medizinische Fachbereiche spezialisiert sind. Es folgt eine Liste einiger privater Gesundheitseinrichtungen:

 

• Amiri Krankenhaus: Red Crescent, 5th Phase, Qragha Road, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2563555 (IOM 5.2.2018)

 

• Khair Khwa Medical Complex: Qala Najar Ha, Kabul, Tel.: +93 (0)72 988 0850 (KMC o.D.)

 

• DK - German Medical Diagnostic Center: Ansari Square, 3d Street, Shahr-e Nau, Kabul, Tel.: +93 (0)70 606 0141 (MK o.D.)

 

• Luqmah Hakim: Bagh-e Azadi Ave, Herat, Tel.: +93 (0)79 232 5907 (IOM 5.2.2017; vgl. LHH o.D.)

 

• Alemi Krankenhaus: Mazar-e Sharif (BFA Staatendokumentation 4.2018)

 

Rückkehr:

 

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).

 

Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).

 

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).

 

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen (BFA Staatendokumentation; vgl. AAN 19.5.2017). Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten (BFA Staatendokumentation 4.2018; IOM 6.2012). Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 18.4.2018).

 

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

 

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM- Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM Belgium o. D.). IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 25.1.2018). ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IRARA o. D., IOM 25.1.2018). AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. FB o.D.). Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017).

 

NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an (BFA Staatendokumentation 4.2018). Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein.

Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und

 

14.000 Afghani Förderung ausbezahlt (BFA Staatendokumentation 4.2018). Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).

 

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl UNHCR 13.12.2017).

 

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) - alle Leistungen sind kostenfrei (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Info Migrants 2.1.2018). Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).

 

Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung:

 

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak- Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017).

 

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen:

 

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018).

 

Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018).

 

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018). Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Landinfo 19.9.2017). Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).

 

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

 

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt - um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

 

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9 .2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

 

Internationale Flughäfen in Afghanistan:

 

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).

 

Internationaler Flughafen Kabul:

 

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (Tolonews 18.12.2017; vgl. HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o. D.).

 

Projekte zum Ausbau des Flughafens sollen gemäß der Afghanistans Civil Aviation Authority (ACAA) im Jahr 2018 gestartet werden (Tolonews 18.12.2017).

 

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif:

 

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu¬Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Internationaler Flughafen Herat:

 

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vgl. TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).

 

Zugverbindungen:

 

In Afghanistan existieren insgesamt drei Zugverbindungen: Eine Linie verläuft entlang der nördlichen Grenze zu Usbekistan (von Hairatan nach Mazar-e Sharif, Anm.) und zwei kurze Strecken verbinden Serhetabat in Turkmenistan mit Torghundi (in der Provinz Herat, Anm.) und Aqina (in der Provinz Faryab, Anm.) in Afghanistan (RoA 23.2.2018; vgl. RoA o.D.a, RFE/RL 29.11.2016; vgl. vertrauliche Quelle 16.5.2018). Alle drei Zugverbindungen sind für den Transport von Fracht gedacht, wobei sie prinzipiell auch Passagiere transportieren könnten (vertrauliche Quelle 16.5.2018). Die afghanischen Machthaber lehnten lange Zeit den Bau von Eisenbahnen in Afghanistan ab, aus Angst, ausländische Mächte könnten ihre Unabhängigkeit gefährden (RoA o.D.a).

 

Im Laufe des Jahres 2017 fanden verschiedene Treffen zwischen Repräsentanten Afghanistans und seiner Nachbarstaaten u.a. zur Förderung und Vertiefung bestehender Projekte zur Implementierung von Zugverbindungen wie dem Five-Nation Railway Corridor und dem Afghanistan Rail Network statt (TD 26.1.2018). Das Five-Nation Railway Corridor Projekt soll China mit dem Iran verbinden und Kirgisistan, Tadschikistan und Afghanistan über eine Länge von insgesamt 2.100 km durchqueren. Mehr als 1.000 km des Eisenbahnkorridors werden durch die afghanischen Provinzen Herat, Badghis, Faryab, Jawzjan, Balkh und Kunduz verlaufen und sollen zum Teil von der Asian Development Bank (ADB) finanziert werden (MoFA o. D.a; vgl. Tolonews 14.2.2018) . Der Afghanistan Rail Network Plan (ANRP) hat das Ziel, den Transport in den Bereichen Landwirtschaft, Fertigung, Bergbau und anderen Branchen zu fördern. Die Afghanistan Railway Authority (ARA) ist verantwortlich für den ANRP. Bereits gebaut wurde die 75 km lange Eisenbahnstrecke zwischen Hairatan und Mazar-e Sharif in Balkh (MoFA o.D.b; vgl. RoA o.D.b). Die Bauarbeiten zur Errichtung einer Eisenbahnverbindung zwischen der iranischen Stadt Khaf und dem afghanischen Herat sind im Gange (RoA 23.1.2018; vgl. ID 11.4.2018). Im November 2017 wurde zwischen Afghanistan und weiteren fünf Staaten das sogenannte Lapislazuli-Korridor¬Abkommen unterzeichnet, das u.a. den Bau von Eisenbahnverbindungen im Land vorsieht (SIGAR

 

Auszug aus dem UNHCR-Richtlinie v. 30.08.2018:

 

Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative:

 

Ein detailliertes analytisches Rahmenwerk für die Beurteilung der Verfügbarkeit einer internen Flucht- oder Neuansiedlungsalternative (IFA/IRA), auch als interne Schutzalternative649 bezeichnet, ist in den "UNHCR-Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 4: ‚Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge" enthalten.650

 

Eine Bewertung der Möglichkeiten für eine Neuansiedlung setzt eine Beurteilung der Relevanz und der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative voraus.651 In Fällen, in denen eine begründete Furcht vor Verfolgung in einem bestimmten Gebiet des Herkunftslandes nachgewiesen wurde, erfordert die Feststellung, ob die vorgeschlagene interne Schutzalternative eine angemessene Alternative für die betreffende Person darstellt, eine Bewertung, die nicht nur die Umstände berücksichtigt, die Anlass zu der begründeten Furcht gaben und der Grund für die Flucht aus dem Herkunftsgebiet waren. Auch die Frage, ob das vorgeschlagene Gebiet eine langfristig sichere Alternative für die Zukunft darstellt, sowie die persönlichen Umstände des jeweiligen Antragstellers und die Bedingungen in dem Gebiet der Neuansiedlung müssen berücksichtigt werden.652

 

1. Analyse der Relevanz

 

Gebiete in Afghanistan, die keine interne Schutzalternative bieten

Im Lichte der verfügbaren Informationen über schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) in den von ihnen kontrollierten Gebieten sowie der Unfähigkeit des Staates, für Schutz vor derartigen Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist UNHCR der Ansicht, dass eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, nicht gegeben ist, es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragstellende über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative auch in den von aktiven Kampfhandlungen zwischen regierungsnahen und regierungsfeindlichen Kräften oder zwischen verschiedenen regierungsfeindlichen Kräften betroffenen Gebieten nicht gegeben ist.

 

Prüfung, ob der Antragsteller in dem als interne Schutzalternative vorgeschlagenen Gebiet der ursprünglichen Gefahr der Verfolgung ausgesetzt wäre Ein als interne Schutzalternative vorgeschlagenes Gebiet wäre nicht relevant, wenn der Antragsteller in diesem Gebiet der ursprünglichen Gefahr der Verfolgung ausgesetzt wäre. 1. Hat der Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung durch den Staat oder in dessen Auftrag handelnde Stellen, ist davon auszugehen, dass Überlegungen hinsichtlich einer internen Schutzalternative nicht relevant sind.656 2. Hat der Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung, die von Mitgliedern der Gesellschaft aufgrund schädlicher traditioneller Bräuche und religiöser Normen ausgeht, die Verfolgungscharakter aufweisen, (siehe zum Beispiel die Risikoprofile 7, 10 und 12 in Abschnitt III.A), so muss die Akzeptanz solcher Normen und Bräuche in weiten Teilen der Gesellschaft und die einflussreichen konservativen Elemente auf allen Ebenen der Regierung als ein Faktor in Betracht gezogen werden, der gegen die Relevanz einer internen Schutzalternative spricht. UNHCR vertritt den Standpunkt, dass - verbunden mit den Nachweisen in Abschnitt II.C betreffend die eingeschränkte Fähigkeit des Staates, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten, - davon auszugehen ist, dass die Erwägung einer internen Schutzalternative in diesen Fällen nicht relevant ist. 3. In Fällen, in denen die Verfolgung von regierungsfeindlichen Kräften ausgeht, muss die Relevanz einer vorgeschlagenen Schutzalternative unter Berücksichtigung einer Reihe verschiedener Elemente beurteilt werden.657 (i) Geht die Verfolgung von regierungsfeindlichen Kräften aus, muss berücksichtigt werden, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Akteure den Antragsteller im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfolgen.

 

Prüfung, ob das als interne Schutzalternative vorgeschlagene Gebiet praktisch, sicher und auf legalem Weg erreichbar ist Wurde ein Gebiet in Afghanistan ermittelt, das nicht bereits auf Grundlage der oben genannten Überlegungen unter I und II als relevante Flucht- oder Neuansiedlungsalternative ausgeschlossen ist, müsste dennoch geprüft werden, ob das als Flucht- oder Neuansiedlungsalternative ins Auge gefasste Gebiet praktisch, sicher und auf legalem Weg erreichbar ist.660 Für Afghanistan bedeutet dieses Erfordernis eine Prüfung der konkreten Aussicht auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet, unter anderem durch Bewertung der Risiken durch den weitverbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern (IEDs) sowie durch Landminen und explosive Kampfmittelrückstände (ERW) im ganzen Land, durch Anschläge und Kämpfe auf Straßen sowie durch Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Zivilisten durch regierungsfeindliche Kräfte.661

 

a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers

 

Ob eine Flucht- oder Neuansiedlungsalternative "zumutbar" ist, muss im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände der Antragstellenden beurteilt werden; maßgebliche Faktoren sind dabei Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse sowie der jeweilige Bildungs- und Berufshintergrund.662 Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Flucht- oder Neuansiedlungsalternative für Kinder sind die besonderen Umstände sowie die rechtlichen Verpflichtungen des Staates aus der Kinderrechtskonvention zu berücksichtigen - vor allem die Verpflichtung zu gewährleisten, dass das Kindeswohl bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, als vorrangiger Gesichtspunkt beachtet wird, und der Meinung des Kindes entsprechend seinem Alter und seiner Reife angemessen Bedeutung beigemessen wird.663 Entscheidungsträger müssen gebührend berücksichtigen, dass etwas, das für Erwachsene lediglich lästig ist, für ein Kind unter Umständen eine unzumutbare Härte darstellen kann. Diesen Überlegungen kommt zusätzliche Bedeutung zu, wenn es sich um unbegleitete und von ihren Eltern getrennte Kinder handelt.664 Im Fall unbegleiteter und von ihren Eltern getrennter Kinder aus Afghanistan ist UNHCR der Ansicht, dass - über die Unterstützung des Kindes durch seine (erweiterte) Familie oder größere ethnische Gemeinschaft im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet hinaus - bei der Beurteilung der Verfügbarkeit einer Flucht- oder Neuansiedlungsalternative für das Kind das Kindeswohl gemäß Artikel 3 (1) der Kinderrechtskonvention vorrangig zu berücksichtigen ist.665 Für die Rückkehr unbegleiteter und von ihren Eltern getrennter Kinder nach Afghanistan gelten ferner die Mindestgarantien, die in dem Aide-mémoire: Special Measures Applying to the Return of Unaccompanied and Separated Children to Afghanistan von 2010 aufgeführt sind.666

 

Zur Feststellung der Zumutbarkeit eines als Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in Erwägung gezogenen Gebiets für Personen mit besonderen Bedürfnissen, einschließlich Personen mit Behinderungen und älterer Personen, wäre es besonders wichtig sicherzustellen, dass (auch entferntere) Verwandte oder Angehörige ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft im künftigen Neuansiedlungsgebiet bereit und imstande sind, langfristig Unterstützung zu leisten, um die festgestellten Bedürfnisse der Person nachhaltig und, wo erforderlich, auf Dauer zu erfüllen.

 

In Anbetracht der schwierigen Menschenrechtssituation für Frauen in Afghanistan (siehe Abschnitt III.A.7) und der sozialen Normen, die Frauen in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken (siehe Abschnitt III.A.8) sowie der allgemein niedrigen Beschäftigungsquote der Frauen in Afghanistan, steht UNHCR auf dem Standpunkt, dass eine Flucht- oder Neuansiedlungsalternative für Frauen, die alleinstehende Haushaltsvorstände sind und unter ihren Angehörigen tatsächlich oder vermeintlich keinen männlichen Beschützer haben, nicht zumutbar ist.

 

b) Sicherheit

 

Ein als Flucht- oder Neuansiedlungsalternative vorgeschlagenes Gebiet wäre nur zumutbar, wenn der Antragsteller dort in Sicherheit leben kann, frei von Gefahr und Risiko für Leib und Leben.667 Diese Bedingungen müssen auf Dauer gewährleistet und dürfen nicht nur scheinbar oder unberechenbar sein.668 Diesbezüglich muss die Instabilität der ständigen Schwankungen unterworfenen bewaffneten Konflikts in Afghanistan berücksichtigt werden. Die in Abschnitt II.B dieser Richtlinien enthaltenen Informationen sowie verlässliche und aktuelle Informationen über die Sicherheitslage im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet sind wichtige Elemente bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen Flucht- oder Neuansiedlungsalternative.

 

c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben

 

Eine vorgeschlagene Flucht- oder Neuansiedlungsalternative ist nur dann zumutbar, wenn der Antragsteller in dem betreffenden Gebiet seine grundlegenden Menschenrechte ausüben kann und Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben unter würdigen Bedingungen vorfindet.669 In dieser Hinsicht muss bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen Flucht- oder Neuansiedlungsalternative insbesondere auf Folgendes geachtet werden:

 

(i) Zugang zu einer Unterkunft im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet

 

(ii) Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur und Zugang zu grundlegender Versorgung im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet wie Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung

 

(iii) Lebensgrundlagen einschließlich des Zugangs zu Land für Afghanen, die aus ländlichen Gebieten stammen, oder im Fall von Antragstellern, von denen nicht erwartet werden kann, dass sie für ihren eigenen Unterhalt sorgen (zum Beispiel ältere Antragsteller), erwiesene und nachhaltige Unterstützung zur Erreichung eines angemessenen Lebensstandards.670

 

Zu den Punkten (i) - (iii) im konkreten Kontext von Afghanistan wurde die Bedeutung der Verfügbarkeit und des Zugangs zu sozialen Netzen, bestehend aus der erweiterten Familie des Antragstellers oder aus Mitgliedern seiner ethnischen Gemeinschaft, bereits ausführlich dokumentiert.671 In dieser Hinsicht kann allein aus der Anwesenheit von Personen mit demselben ethnischen Hintergrund wie der des Antragstellers im geplanten Neuansiedlungsort nicht geschlossen werden, dass solche Gemeinschaften den Antragsteller maßgeblich unterstützen würden; eine solche Unterstützung würde in der Regel vielmehr konkrete frühere gesellschaftliche Beziehungen zwischen dem Antragsteller und einzelnen Mitgliedern der betreffenden ethnischen Gemeinschaft voraussetzen.672 Selbst wenn derartige bereits zuvor bestehende, soziale Beziehungen gegeben sind, sollte aber geprüft werden, ob die Mitglieder dieses Netzes auch bereit und trotz der prekären humanitären Lage in Afghanistan, der niedrigen Entwicklungsindikatoren und der generellen wirtschaftlichen Zwänge, unter denen weite Teile der Bevölkerung leiden, auch wirklich in der Lage sind den Antragssteller tatsächlich zu unterstützen.673 Inwiefern Antragsteller auf Unterstützung durch Familiennetzwerke im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet zurückgreifen können, muss auch im Lichte der berichteten Stigmatisierung und Diskriminierung von Personen, die nach einem Aufenthalt im Ausland nach Afghanistan zurückkehren, geprüft werden.674 Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist ferner der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne die oben beschriebenen besonderen Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen.

 

3. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in afghanischen Städten

 

Wie in den Anleitungen der Abschnitte III.C.1 und III.C.2 beschrieben, setzt eine Bewertung der Möglichkeit für eine Neuansiedlung in einer bestimmten Stadt eine Beurteilung sowohl der Relevanz als auch der Zumutbarkeit besagter Neuansiedlungsmöglichkeit für den jeweiligen bestimmten Antragsteller voraus. Wird eine interne Schutzalternative in einer bestimmten Stadt im Zuge eines Asylverfahrens in Erwägung gezogen, müssen alle allgemeinen und persönlichen Umstände, die im Hinblick auf Relevanz und Zumutbarkeit dieser Stadt als vorgeschlagenem Neuansiedlungsort für den betreffenden Antragsteller maßgeblich sind, soweit wie möglich festgestellt und gebührend berücksichtigt werden. Dem Antragsteller muss eine angemessene Möglichkeit gegeben werden, sich zu der angenommenen Relevanz und Zumutbarkeit der betreffenden Stadt für seine Neuansiedlung zu äußern.675

 

Zur Feststellung der Relevanz muss der Entscheidungsträger beurteilen, ob die betreffende Stadt für den Antragsteller praktisch und sicher erreichbar ist.676 Dazu muss die Verfügbarkeit von Lufttransport zum nächstgelegenen Flugplatz und die Sicherheit einer Weiterreise auf der Straße zum endgültigen Bestimmungsort oder alternativ die Sicherheit des Transports auf der Straße vom internationalen Flugplatz Kabul zum endgültigen Bestimmungsort geprüft werden.677

 

UNHCR macht darauf aufmerksam, dass nur wenige Städte von Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte, die gezielt gegen Zivilisten vorgehen, verschont bleiben. UNHCR stellt fest, dass gerade Zivilisten, die in städtischen Gebieten ihren tagtäglichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer dieser Gewalt zu werden.678 Zu solchen Aktivitäten zählen etwa der Weg zur Arbeit und zurück, die Fahrt in Krankenhäuser und Kliniken, der Weg zur Schule; den Lebensunterhalt betreffende Aktivitäten, die auf den Straßen der Stadt stattfinden, wie Straßenverkäufe; sowie der Weg zum Markt, in die Moschee oder an andere Orte, an denen viele Menschen zusammentreffen.

 

Im Hinblick auf die Prüfung der Zumutbarkeit verweist UNHCR auf die allgemeine Bemerkung des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in seinem Überblick von 2018 über den Bedarf an humanitärer Hilfe, in der es heißt:

"Insgesamt halten sich heute über 54 Prozent der Binnenvertriebenen (IDPs) in den Provinzhauptstädten Afghanistans auf, was den Druck auf die ohnehin überlasteten Dienstleistungen und Infrastruktur weiter erhöht und die Konkurrenz um Ressourcen zwischen der Aufnahmegemeinschaft und den Neuankömmlingen verstärkt."679 Außerdem herrscht, wie in Abschnitt II.D beschrieben, in den nördlichen und westlichen Teilen Afghanistans die seit Jahrzehnten schlimmste Dürre, weshalb die Landwirtschaft als Folge des kumulativen Effekt jahrelanger geringer Niederschlagsmengen zusammenbricht. Am schlimmsten betroffen sind die Provinzen Balkh, Ghor, Faryab, Badghis, Herat und Jowzjan.680

 

Laut der Erhebung über die Lebensbedingungen in Afghanistan 2016-2017 leben 72,4 Prozent der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder unter unzulänglichen Wohnverhältnissen. 682

 

Außerdem wird berichtet, dass das Armutsniveau in Afghanistan ansteigt: Der Anteil der Bevölkerung, der unter der nationalen Armutsgrenze lebt, ist von 34 Prozent in den Jahren 2007/2008 auf 55 Prozent im Zeitraum 2016/2017 gestiegen.683

 

Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Versorgungslage Mazar-e-Sharif und Herat vom 19.11.2018:

 

Die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation "Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre" vom 13.9.2018 beschäftigt sich ausführlicher mit den Konsequenzen der derzeit anhaltenden Trockenheit im Norden Afghanistans.

 

Es wurde vor allem auf Quellen zurückgegriffen, welche einen Vergleich von Daten für den Zeitraum 2010-2018 auf kleinräumiger Ebene erlauben. Dies hat die Auswahl an verfügbaren Quellen deutlich eingeschränkt. Sofern dies sinnvoll erschien, wurde auf Informationen über die Lage in kürzeren Zeiträumen, auf einer weniger kleinräumigen Ebene (d.h. auf Provinz- anstelle von Distriktebene) oder auf allgemeine Informationen zurückgegriffen.

 

Unter anderem werden in der Anfragebeantwortung statistische Daten der afghanischen National Statistics and Information Authority (NSIA) zitiert. Wie in den Einzelquellen näher beschrieben, sind der Reliabilität und Validität dieser Daten allerdings Grenzen gesetzt. Einer nachfolgend zitierten Quelle ist zu entnehmen, dass die letzte Volkszählung in Afghanistan 1978 stattfand und aufgrund des Einmarschs sowjetischer Truppen nach Afghanistan vorzeitig abgebrochen werden musste. Aktuelle Bevölkerungsstatistiken sind Schätzungen, welche auf den Daten von 1978 basieren. Diese Schätzungen dienen als Basis für statistische Erhebungen der Lebenssituation der Afghanen wie jene der NSIA oder auch der nachfolgend zitierten Umfragen der Hilfsorganisation Asia Foundation (AF). Eine ausführliche Beschreibung der verwendeten Quellen erfolgt im Abschnitt "Einzelquellen".

 

Es ist zu entnehmen, dass die Provinz Balkh nach 2004 aufgrund der vergleichsweise stabilen Sicherheitslage einen Wirtschaftsaufschwung erlebte. Mazar-e Sharif zog damit viele Arbeitskräfte aus ländlichen Gebieten und angrenzenden Regionen an. Eine Studie aus dem Jahr 2014 kam daher zu dem Schluss, dass Mazar-e Sharif unter den fünf größten Städten Afghanistans bei weitem die höchste Zahl an Wirtschaftsmigranten aufnahm. Aufgrund seiner Anbindungen an den zentralasiatischen Raum und seiner vorteilhaften zentralen Lage in Nordafghanistan ist Mazar-e Sharif eine wichtige Drehscheibe für Import und Export, wie auch ein regionales Handelszentrum für den Norden Afghanistans. Gemäß einem Bericht des European Asylum Support Office (EASO) fanden Ende 2016 zunehmend sicherheitsrelevante Vorfälle entlang der Fernstraße von Mazar-e Sharif zur usbekischen Grenze statt. Die Angriffe richteten sich meist gegen Handelskonvois und hatten eine Unterbrechung des Handels mit Usbekistan und China zum Ziel. Mazar-e Sharif ist ein industrielles Zentrum mit einer großen Anzahl an klein- und mittelständischen Unternehmen, wie auch einigen großen Fabriken. Verglichen mit anderen großen Städten in Afghanistan hat Mazar-e Sharif den höchsten Anteil an selbstständigen Personen.

 

Nach dem Abzug der US-geführten NATO-Truppen 2014 erlebte die afghanische Wirtschaft einen Abschwung, da Geldflüsse aus dem Ausland daraufhin ausblieben. Beispielsweise verloren rund 7.000 Personen durch die Schließung von zwei Militärbasen in und um Mazar-e Sharif ihren Arbeitsplatz. Die National Statistics and Information Authority (NSIA) verzeichnete 2013/2014 einen starken Anstieg der Arbeitslosenrate in der Provinz Balkh gegenüber den Jahren 2011/2012 (zur Reliabilität der Quellen s. Abschnitt Quellenlage und Einzelquellen, Anm.). 2016/2017 sank die Arbeitslosenrate in der Provinz Herat gemäß NSIA wieder leicht, verblieb allerdings dennoch bei einem Anteil von rund 30 Prozent.

 

Gemäß dem Business Tendency Report der afghanischen Kammer für Wirtschaft und Industrie (ACCI) wurde das Wirtschaftsklima von Unternehmern in der Provinz Balkh seit dem 3. Quartal des Jahres 2015 meist negativ eingeschätzt (grafische und tabellarische Darstellung s. Einzelquellen, Anm.). Der Unternehmensklimaindex von ACCI weist nach diesem Zeitpunkt nur zwei Mal - im 1. Quartal 2016 und im 1. Quartal 2018 - positive Werte im einstelligen Bereich (3,89 und 3,5) auf. Im Zeitraum IV.2014-II.2015 schätzten die befragten Unternehmer die Lage in der Provinz Balkh dagegen positiver ein (Indexwerte zwischen 20,23 und 31 Punkten). Die von ACCI befragten Unternehmer schätzten die Sicherheitslage in der Provinz Balkh seit dem 2. Quartal 2015 mit Indexwerten zwischen -65,6 (1.Quartal 2016) und -14 (2. Quartal 2017) durchgehend negativ ein.

 

Gemäß einer jährlichen Erhebung der Lebensbedingungen in Afghanistan, welche die Asia Foundation seit 2004 durchführt, schätzte eine Mehrheit der befragten Bewohner der Stadt Mazar-e Sharif im Zeitraum 2010-2017 ihre Versorgung mit Gütern, wie auch die Qualität der von ihrem Haushalt konsumierten Lebensmittel und ihre Wohnsituation als gegenüber dem Vorjahr gleich bleibend ein. Der Anteil jener, die angaben, dass sich die Verfügbarkeit von Gütern für ihren Haushalt, wie auch die Qualität der Lebensmittel und die Wohnsituation gegenüber dem Vorjahr verschlechtert habe, nahm im Zeitraum 2015-2017 gegenüber 2010-2012 zu. Der Anteil jener, die Verbesserungen sahen, nahm ab - mit Ausnahme der Wohnsituation, bei welcher im Jahr 2017 wieder mehr Befragte eine Verbesserung als eine Verschlechterung gegenüber dem Vorjahr wahrnahmen.

 

Der Anteil jener, die eine Verschlechterung der finanziellen Situation ihres Haushaltes, wie auch der Beschäftigungsmöglichkeiten ihrer Haushaltsmitglieder gegenüber dem Vorjahr wahrnahmen, lag im Zeitraum 2015-2017 höher als im Zeitraum 2010-2012. Hinsichtlich der Beschäftigungsmöglichkeiten gaben im Zeitraum 2015-2017 rund 64 bis 76 Prozent der Befragten an, dass sich die Lage ihres Haushalts verschlechtert habe, 2010-2012 waren es 28 bis 42 Prozent. Der Anteil jener, die angaben, dass sich die finanzielle Situation ihres Haushaltes verbessert habe, stieg im Zeitraum 2015-2017 wieder, nachdem er zwischen 2012 und 2015 um beinahe 40 Prozentpunkte abgenommen hatte. Ebenso stieg allerdings der Anteil der Befragten, welche angaben, dass sich ihre finanzielle Situation gegenüber dem Vorjahr verschlechtert habe und liegt seit dem Jahr 2015 über dem Anteil an Personen, welche eine Verbesserung wahrnahmen. Der Anteil jener, die eine Verbesserung der Stromversorgung ihres Haushaltes wahrnahmen, stieg dagegen seit 2011 von rund 6 Prozent auf 55 Prozent im Jahr 2015 und blieb auch in den Jahren 2016 und 2017 auf hohem Niveau.

 

Gemäß einer von EASO zitierten Studie der Analysefirma Samuel Hall aus dem Jahr 2014 leben nur 15 Prozent der Bewohner von Mazar-e Sharif über der Armutsgrenze. Mehr als die Hälfte der Bewohner von Mazar-e Sharif wenden mehr als 60 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel auf, vermutlich aufgrund der hohen Lebensmittelpreise in Mazar-e Sharif verglichen mit anderen großen Städten in Afghanistan. Die Provinz Balkh bildet eine Ausnahme von der Tendenz, dass die offizielle Armutsrate der Bevölkerung in den urbanen Zentren niedriger ist als in den ländlichen Gebieten. Gemäß NSIA stieg der Anteil an Bewohnern der Provinz Balkh, welche an einem Kalorienmangel leiden, von 22 Prozent in den Jahren 2011/2012 auf 50,3 Prozent 2013/2014 und 61 Prozent im Zeitraum 2016/2017.

 

Während die Ernährungslage in Mazar-e Sharif im Jänner 2010 und Jänner 2015 durch das Famine Early Warning Systems Network (FEWS NET) als nur minimal bedroht eingestuft wurde, befand sich die Stadt im Februar 2018 in einer Zone, in welcher FEWS NET die Lage als angespannt einstuft. Gemäß Prognosen von FEWS NET sollte sich dies bis Mai 2019 nicht ändern.

 

Die Anzahl an Neuankünften von Personen, welche aus dem Ausland nach Afghanistan zurückkehrten, erreichte gemäß Daten von UNHCR für die Jahre 2013-2018 im Zeitraum 1.1.-21.10.2016 mit rund 6.800 Personen einen zahlenmäßigen Höhepunkt. 2017 sank ihre Anzahl auf rund 1.300, im Zeitraum 1.1.-23.10.2018 registrierte UNHCR 311 Neuankünfte. 2016 verzeichnete UN OCHA die Ankunft von rund 15.100 Personen in Mazar-e Sharif, welche aufgrund von Konflikten ihre Heimatorte verlassen mussten. 2017 ging ihre Zahl auf rund 5.000 zurück, 2018 (bis einschl. 23.10.) verzeichnete UN OCHA keine Neuankünfte. Die hohe Anzahl an Binnenvertriebenen und Rückkehrern, welche sich in den vergangenen Jahren in Mazar-e Sharif ansiedelten, ließ die tendenziell ohnehin fragilen Fürsorgenetzwerke und städtische Infrastruktur gemäß EASO an ihre Grenzen stoßen.

 

Es existieren einige Projekte zur wirtschaftlichen Unterstützung von Personen in Afghanistan, insbesondere für Binnenvertriebene und Rückkehrer. Kursorisch können hier Projekte wie das von der EU finanzierte Programm RADA (Return Assessment and Development for Afghanistan), Projekte des Danish Committee for Aid to Afghan Refugees (DACAAR) zur Vermittlung von beruflichen Fähigkeiten, das Projekt SALAM (Support Afghanistan Livelihood and Mobility) und Hilfe durch IOM genannt werden. Eine Studie des Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC) vom November 2018 bezeichnet die über IOM angebotenen Unterstützungsleistungen als "(...) überbürokratisiert, zu gering und laden zudem zum Missbrauch ein".

 

Die afghanische Regierung verfügt der Studie des VIDC zufolge nicht über die notwendige Expertise und administrativen Strukturen, um erfolgreiche Programme zur wirtschaftlichen Entwicklung zu schaffen. Ebenso wirken sich Korruption, rechtliche, wie politische Unsicherheit und die angespannte Sicherheitslage negativ auf den Arbeitsmarkt und das Investitionsklima aus. Gemäß VIDC stuft die Central Statistics Organization (CSO) 80 Prozent aller Arbeitsstellen in Afghanistan als gefährdet ein, d.h. die Arbeitsbedingungen sind schlecht und das Einkommen unregelmäßig. Nur 13 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung verfügen gemäß dieser Quelle über eine feste Anstellung mit zuverlässigem regelmäßigem Einkommen.

 

Das größte Krankenhaus in Nordafghanistan befindet sich in Mazar-e Sharif und wird einem Bericht aus dem Jahr 2016 zufolge erweitert. Notfallbehandlungen sind in den Spitälern von Mazar-e Sharif kostenlos, doch müssen Medikamente und Behandlungen in privaten Krankenhäusern von den Patienten bezahlt werden. Die Qualität der öffentlichen Krankenhäuser und der Medikamente in Mazar-e Sharif beschreiben von EASO zitierte Quellen als unzureichend. Afghanen, welche sich dies leisten können, lassen sich vorzugsweise in Privatkrankenhäusern oder im Ausland behandeln. Insbesondere Binnenvertriebene und Rückkehrer haben aufgrund ihrer finanziellen Situation wie auch teils aufgrund fehlender Personaldokumente nur eingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung. EASO zufolge ist Korruption im Gesundheitssektor ein Problem.

 

Gemäß Erhebungen der CSO aus dem Jahr 2015 leben rund zwei Drittel der Bewohner von Mazar-e Sharif in ihren eigenen Häusern, rund ein Viertel in gemieteten Immobilien. Die International Organization for Migration (IOM) betont, dass der hohe demografische Druck und eine generelle Knappheit an Gebäuden in gutem Zustand die Suche nach Wohnraum in den Ballungszentren Afghanistans erschwert. Insbesondere die Wohnsituation von Binnenvertriebenen und Rückkehrern wird von mehreren von EASO zitierten Studien kritisch eingeschätzt. Unter anderem werden unklare Besitzverhältnisse, aber auch eine unzureichende Unterstützung durch die Regierung als bestehende Probleme genannt. Gemäß einem Bericht von EASO aus dem Jahr 2017 gibt es seit 2016 keine humanitären Organisationen mehr, welche Binnenvertriebene und Rückkehrer in Mazar-e Sharif bei der Suche nach Wohnraum unterstützen.

 

Der afghanische Arbeitsmarkt zeichnet sich unter anderem durch die folgenden Faktoren aus: eine sehr junge und stetig wachsende Bevölkerung, ein niedriger Anteil von erwerbstätigen Frauen, ein starkes Stadt-Land-Gefälle, niedrige Alphabetisierungsraten und ein niedriges Ausbildungsniveau, wie auch eine hohe Anzahl an Personen, welche von einem Erwerbstätigen abhängig sind.

 

In den städtischen Gebieten ist der Anteil an Erwerbstätigen aufgrund einer geringeren Beteiligung von Frauen, jungen und älteren Personen am Arbeitsmarkt niedriger, als in den ländlichen Gebieten.

 

Die Central Statistics Organization (CSO) klassifiziert 80 Prozent aller Arbeitsstellen als gefährdet, d.h. mit schlechten Arbeitsbedingungen und unregelmäßigem Einkommen. Nur 13 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung verfügen über eine feste Anstellung mit zuverlässigem regelmäßigem Einkommen.

 

Gemäß einer Studie der International Labor Organization (ILO) aus dem Jahr 2012 umfasst der informelle Sektor rund 80 bis 90 Prozent der gesamten Wirtschaft in Afghanistan.

 

Wirtschaftsprojekte

 

Im Jahr 2017 startete das Projekt SALAM (Support Afghanistan Livelihood and Mobility) in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Balkh, Herat, Kandahar und Kunduz. Dieses Projekt soll langfristige Lösungen für die hohen Arbeitslosenraten bieten und irreguläre Migration durch die Schaffung von Erwerbsmöglichkeiten - insbesondere für Binnenvertriebene und Rückkehrer - verhindern. Gemäß einer von VIDC zitierten Quelle wurde ein früheres Hilfsprogramm für Binnenvertriebene, die so genannte IDP National Policy, welche 2013 ins Leben gerufen wurde, nicht adäquat implementiert.

 

Der Leiter des Bereichs Wirtschaftsstatistiken innerhalb des CSO kritisiert gemäß VIDC, dass die internationalen Hilfsgelder in Afghanistan vor allem zur Lösung von Problemen mit den Aufständischen verwendet werden, während nur ein kleiner Teil übrigbleibt, um den massiven Zustrom an Rückkehrern nach Afghanistan zu bewältigen. Gemäß VIDC verfügt die afghanische Regierung über keine belastbaren Daten zur Migration und dem Themenkomplex Binnenflüchtlinge/Rückkehrer.

 

VIDC berichtet weiters, dass die afghanische Regierung gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnerorganisationen Berufsausbildungen für bedürftige Afghanen bereitstellt.

 

Rund 38.000 Afghanen - davon 17.000 Frauen - erhalten in 44 vom afghanischen Arbeitsministerium (MoL-SAMD) geführten Zentren und 38 Einrichtungen der Partnerorganisationen in allen 34 Provinzen des Landes Berufsausbildungen. Bis zu 60 verschiedene Fähigkeiten werden dabei vermittelt, unter anderem Schneiderei, Teppichweberei, Alphabetisierungskurse, Tischlerei und Kurse zur Reparatur von Mobiltelefonen.

 

Die afghanische Regierung verfügt laut VIDC nicht über die notwendige Expertise und administrativen Strukturen, um Programme zur wirtschaftlichen Entwicklung zu schaffen. Ebenso wirken sich Korruption, rechtliche und ethnisierte politische Unsicherheit und die Sicherheitskrise negativ auf den Arbeitsmarkt und das Investitionsklima aus.

 

Mehr als 2000 nationale und internationale NGOs haben beim afghanischen Wirtschaftsministerium Projekte zur Armutsbekämpfung - vor allem im Bereich der Wohlfahrt, Gesundheit, Ausbildung und Landwirtschaft - registriert.

 

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) startete Ende 2014 das Projekt SEDEP (Sustainable Economic Development and Employment Promotion) zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Familien in ländlichen Gebieten in den Provinzen Baghlan, Badakhshan, Balkh, Kunduz, Samangan und Takhar. 2018 wurde das Projekt um eine Komponente für Flüchtlinge und Rückkehrer erweitert. Davon werden gemäß VIDC neben Binnenflüchtlingen rund 70 Prozent der Rückkehrer aus der EU und Pakistan profitieren.

 

Die International Organization for Migration (IOM) entwickelte ein Vierjahresprojekt für acht Provinzen mit hohem Anteil an Rückkehrern und Binnenflüchtlingen (dies sind die Provinzen Baghlan, Balkh, Herat, Kabul, Kunar, Kandahar, Laghman und Nangahar).

 

Das von der EU finanzierte Return Assessment and Development for Afghanistan (RADA) -Programm unterstützt die Reintegration von über 30.000 gefährdeten Afghanen, welche aus Europa, Pakistan und dem Iran nach Afghanistan zurückkehren.

 

DACAAR (Danish Committee for Aid to Afghan Refugees) unterstützte im Zeitraum 2014-2017 650 Afghanen (davon 33 Prozent Frauen) in neun Provinzen mittels Berufsausbildungen. Die Organisation plant, bis 2021 weitere 2.800 Personen in zwölf Provinzen auszubilden. DACAAR richtet sich dabei in Kooperation mit dem afghanischen Arbeitsministerium an Binnenvertriebene, Rückkehrer, Jugendliche und Gastgemeinschaften. Im nichtlandwirtschaftlichen Bereich bietet DACAAR vor allem Ausbildungen zum Erlernen des Schneiderhandwerks und von Handarbeiten an. Im landwirtschaftlichen Bereich können durch DACAAR Ausbildungen bei der Milchproduktion und dem Safrananbau absolviert werden, zudem unterstützt die Organisation auch Bauern bei der Verpackung und dem Verkauf ihrer Produkte auf lokalen Märkten.

 

Die afghanische Kammer für Wirtschaft und Industrie (Afghanistan Chamber of Commerce & Industry (ACCI)) berichtet in ihrem Business Tendency Survey Report für das 3. Quartal 2018, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen für Unternehmen in den vergangenen drei Monaten verschlechtert haben und auch der Ausblick für die kommenden sechs Monate negativ ist. Sicherheit bleibt der bedeutsamste Faktor für wirtschaftliche Entwicklung, gefolgt von Märkten und Nachfrage, sowie Verwaltungsreformen, Verbesserungen der Infrastruktur und dem Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten. Die befragten Unternehmer gaben an, dass sie in den vergangenen drei Monaten mehr Personen entlassen als eingestellt haben. Unternehmen im Bereich der Landwirtschaft und verarbeitenden Industrie gehen allerdings davon aus, dass sie in den kommenden sechs Monaten wieder vermehrt Arbeitskräfte einstellen werden.

 

ACCI erstellt einen Unternehmensklimaindex, welcher auf den Wahrnehmungen von Wirtschaftstreibenden zur gegenwärtigen Situation ihrer Unternehmen, wie auch der Entwicklung in den kommenden sechs Monaten basiert. Der Index verortet die Wahrnehmungen der befragten Manager auf einer Skala von -100 (negatives Klima) bis 100 (positives Klima), wobei der Wert 0 den neutralen Mittelpunkt eines "normalen" Wirtschaftsklimas darstellt. Für den aktuellen Vierteljahresbericht wurden 750 Unternehmer in den Provinzen Kabul, Balkh, Kandahar, Herat und Nangarhar im Juli 2018 mittels Telefoninterviews befragt. Das Unternehmensklima wurde von den befragten Unternehmern im Allgemeinen im 3. Quartal 2018 negativer eingeschätzt als im 2.Quartal (-19 (III.2018) vs. -9.6 (II.2018); grafische Darstellung s. Graph 1 unten). Dies gilt auch für die Ergebnisse der Befragung von Unternehmern in der Provinz Balkh, wobei der Index hierbei von -11.8 im 2. Quartal 2018 auf -20 im

3. Quartal sank (grafische Darstellung s. Graph 2 unten). Im 1. Quartal 2018 schätzten die befragten Unternehmer das Klima in dieser Provinz dagegen positiv ein (3.5). Im Zeitverlauf fluktuierten die Werte seit Beginn des Jahres 2015 zwischen -53.9 (III.2016) als tiefstem Wert und 21.7 als höchstem Wert (I.2015). Im 4. Quartal 2014 lag der Wert mit 31 noch höher, im davor liegenden Quartal allerdings bei -21. Nach 2015 erreichte der Unternehmensklimaindex nur im 1. Quartal 2016 und im 1. Quartal 2018 positive Werte, in beiden Fällen im niedrigen einstelligen Bereich.

 

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass die afghanische Wirtschaft nach dem Abzug der US-geführten NATO-Truppen 2014 einen Abschwung erlebte, da Geldflüsse aus dem Ausland daraufhin ausblieben. Die National Statistics and Information Authority (NSIA) verzeichnete 2013/2014 gegenüber den Jahren 2011/2012 einen starken Anstieg der Arbeitslosenrate in der Provinz Herat (zur Reliabilität der Quellen s. Abschnitt Quellenlage, Anm.). 2016/2017 sank die Arbeitslosenrate in der Provinz Herat gemäß NSIA wieder leicht, verblieb allerdings dennoch bei einem Anteil von rund 30 Prozent (grafische und tabellarische Darstellung s. Einzelquellen, Anm.).

 

Gemäß dem Business Tendency Report der afghanischen Kammer für Wirtschaft und Industrie (ACCI) wurde das Wirtschaftsklima von Unternehmern in der Provinz Herat seit dem Jahr 2015 meist negativ eingeschätzt (grafische und tabellarische Darstellung s. Einzelquellen, Anm.). Während der Unternehmensklimaindex von ACCI die Lage insbesondere im 2. bis 4. Quartal 2015 deutlich negativer als zuvor darstellte, verbesserten sich die Werte daraufhin wieder, nahmen 2017 und 2018 allerdings teilweise wieder negative Werte an. Die von ACCI befragten Unternehmer schätzten die Sicherheitslage in der Provinz Herat nach dem 4. Quartal 2014 nur einmal - im 4. Quartal 2017 - positiv ein.

 

Gemäß einer jährlichen Erhebung der Lebensbedingungen in Afghanistan, welche die Asia Foundation (AF) seit 2004 durchführt, gaben Bewohner der Stadt Herat im Zeitraum 2015-2017 am häufigsten an, dass sich die finanzielle Situation ihres Haushalts, wie auch ihre Beschäftigungsmöglichkeiten gegenüber dem Vorjahr verschlechtert haben (grafische und tabellarische Darstellung s. Einzelquellen, Anm.). Im Zeitraum 2010-2012 lagen die Anteile jener Befragten, welche angaben, dass sich ihre Lage verbessert habe oder gleich geblieben sei, dagegen über den Anteilen jener, die eine Verschlechterung wahrnahmen.

 

Die Versorgungslage des eigenen Haushalts mit Gütern und Wohnraum schätzten die Befragten in Herat-Stadt dagegen seit 2010 mehrheitlich als gleich bleibend ein. 2011 und 2012 sah eine Mehrheit der Befragten eine verbesserte Qualität der Lebensmittel für den eigenen Haushalt, 2015-2017 nahm der Anteil an Personen, welche dies angaben, dagegen stark ab. 2016 gab eine Mehrheit der Befragten an, dass sich die Qualität der von ihrem Haushalt konsumierten Lebensmittel gegenüber dem Vorjahr verschlechtert habe.

 

Gemäß einer vom European Asylum Support Office (EASO) zitierten Studie der Analysefirma Samuel Hall befanden sich im Jahr 2014 82 Prozent der Haushalte in Herat-Stadt unter der Armutsgrenze. Dies ist ein höherer Anteil als in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Entsprechend mehrerer Indikatoren wird das höhere Niveau an Armut in Herat-Stadt allerdings nicht durch billigere Lebensmittel kompensiert.

 

Erhebungen des World Food Programme (WFP) zufolge blieben die Preise für Weizen und Reis im Zeitraum 2010-2018 annähernd gleich (grafische und tabellarische Darstellung s. Einzelquellen, Anm.). Löhne für Gelegenheitsarbeiter sanken laut WFP von 300 AFN im Zeitraum 2014-2016 auf 250 AFN in den Jahren 2017 und 2018.

 

Während die Ernährungslage in Herat im Jänner 2010 und Jänner 2015 durch das Famine Early Warning Systems Network (FEWS NET) als nur minimal bedroht eingestuft wurde, befand sich die Stadt im Februar 2018 in einer Zone, in welcher FEWS NET die Lage als angespannt einstuft. Prognosen von FEWS NET für die Zeiträume Oktober 2018-Jänner 2019 und Februar-Mai 2019 beurteilen die Lage in Herat als krisenhaft.

 

Die Anzahl an Neuankünften von Personen in Herat-Stadt, welche aufgrund von Konflikten aus ihren Heimatorten flohen, wie auch die Anzahl an freiwilligen Rückkehrern, welche sich in Herat-Stadt niederließen, ging gemäß Daten des United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (UN OCHA) und des United Nations High Commissioner for Human Rights (UNHCR) zuletzt zurück.

 

Es existieren einige Projekte zur wirtschaftlichen Unterstützung von Personen in Afghanistan, insbesondere für Binnenvertriebene (IDPs) und Rückkehrer. Kursorisch können hier Projekte wie das von der EU finanzierte Programm RADA (Return Assessment and Development for Afghanistan), Projekte des Danish Committee for Aid to Afghan Refugees (DACAAR) zur Vermittlung von beruflichen Fähigkeiten, Hilfe durch die internationale Organisation für Migration (IOM) und das Support Afghanistan Livelihood and Mobility (SALAM)-Programm zur Schaffung von Erwerbsmöglichkeiten genannt werden. Einige dieser Projekte laufen u.a. in der Provinz Herat. Eine Studie des Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC) charakterisiert die über IOM angebotenen Unterstützungsleistungen als "(...) überbürokratisiert, zu gering und laden zudem zum Missbrauch ein".

 

Die afghanische Regierung verfügt gemäß VIDC nicht über die notwendige Expertise und administrativen Strukturen, um erfolgreiche Programme zur wirtschaftlichen Entwicklung zu schaffen. Ebenso wirken sich Korruption, rechtliche, wie politische Unsicherheit und die angespannte Sicherheitslage negativ auf den Arbeitsmarkt und das Investitionsklima aus. Dem VIDC zufolge stuft die Central Statistics Organization (CSO) 80 Prozent aller Arbeitsstellen in Afghanistan als gefährdet ein, d.h. die Arbeitsbedingungen sind schlecht und das Einkommen ist unregelmäßig. Nur 13 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung verfügen gemäß dieser Quelle über eine feste Anstellung mit zuverlässigem regelmäßigem Einkommen. Auch umfasst der informelle Sektor ca. 80 bis 90 Prozent der gesamten afghanischen Wirtschaft.

 

Gemäß EASO existiert in Herat-Stadt ein Netzwerk aus Gesundheitseinrichtungen, Krankenhäusern und mobilen Kliniken. Ein Bericht aus dem Jahr 2016 konstatiert, dass der Zugang zur Gesundheitsversorgung in Herat-Stadt relativ gut ist. Bedürftige Personen - insbesondere Binnenvertriebene - verfügen allerdings oftmals nicht über die notwendigen Mittel zum Erwerb von Medikamenten oder Behandlungen in Spezialkliniken.

 

Herat erlebte bis 2014 einen Bauboom, welcher die Immobilienpreise steigen ließ. Danach sanken die Preise um 20-30 Prozent. Gemäß einer von EASO zitierten Umfrage der Central Statistics Organization (CSO) aus dem Jahr 2016 leben 60 Prozent der Befragten in Herat-Stadt in ihrem eigenen Haus, etwas unter einem Viertel in gemieteten Immobilien. Rund 5 Prozent der Bewohner in Herat-Stadt leben in Zelten und anderen nicht befestigten Strukturen. Herat-Stadt ist historisch betrachtet ein bedeutsamer Zielort für Binnenvertriebene. Ende 2015 war Herat mit einem Anteil von rund 10 Prozent oder 120.000 Binnenflüchtlingen eine der Provinzen mit dem höchsten Anteil an Binnenvertriebenen in Afghanistan. Viele dieser Personen leben in informellen Siedlungen, welche aus Lehmhäusern bestehen. Die Grundbesitzverhältnisse in diesen Siedlungen sind oftmals unklar.

 

Der afghanische Arbeitsmarkt zeichnet sich unter anderem durch die folgenden Faktoren aus: eine sehr junge und stetig wachsende Bevölkerung, ein niedriger Anteil von erwerbstätigen Frauen, ein starkes Stadt-Land-Gefälle, niedrige Alphabetisierungsraten und ein niedriges Ausbildungsniveau, wie auch eine hohe Anzahl an Personen, welche von einem Erwerbstätigen abhängig sind.

 

In den städtischen Gebieten ist der Anteil an Erwerbstätigen aufgrund einer geringeren Beteiligung von Frauen, jungen und älteren Personen am Arbeitsmarkt niedriger, als in den ländlichen Gebieten.

 

Die Central Statistics Organization (CSO) klassifiziert 80 Prozent aller Arbeitsstellen als gefährdet, d.h. mit schlechten Arbeitsbedingungen und unregelmäßigem Einkommen. Nur 13 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung verfügen über eine feste Anstellung mit zuverlässigem regelmäßigem Einkommen.

 

Islamismus TablighTabligh -i Jama'at (TJ) i Jama'at (TJ) i Jama'at (TJ) i Jama'at (TJ) i Jama'at (TJ) i Jama'at (TJ)

 

dt.: Gemeinschaft der Missionierung und Verkündigung

 

TABLIGH-I JAMA'AT (TJ)

 

Die sunnitisch-islamistische Tabligh-i Jama'at (TJ) ist eine indische Wiedererweckungsbewegung, die im 19. Jahrhundert unter dem Einfluss der Deobandi-Bewegung - einer streng an den schriftlichen islamischen Quellen orientierten Lehrtradition - entstanden ist. Die Anhänger des Religionsgelehrten Maulana Muhammad ILYAS (1885-1944) beabsichtigen die Wiederbelebung eines klassischen Islam und das Beseitigen von fremden Einflüssen. Geistiges Zentrum der Deobandis ist die Universität Dar al-Ulum in der gleichnamigen nordindischen Stadt Deoband - der nach der al-Azhar-Universität in Kairo größten islamischen Universität weltweit.

 

Die TJ breitete sich im Laufe der Jahrzehnte über mehrere Kontinente aus und verfügt derzeit weltweit über mehrere Millionen Anhänger. Sie fallen in Europa vor allem durch ihre Missionstätigkeit auf. Kleine Gruppen von reisenden Missionaren versuchen, Islam-Interessierte wie auch nicht praktizierende Muslime auf den Pfad des "richtigen Glaubens" zurückzuführen. Aus diesem Grund wird die TJ häufig als unpolitisch beschrieben. Die TJ-Forderung nach einer "islamischen Erneuerung" ist deckungsgleich mit Vorstellungen anderer islamistischer Organisationen, die eine Rückbesinnung auf den "wahren Islam" und eine Verbesserung der Situation der islamischen Umma anstreben.

 

Die TJ selbst ist keine terroristische Organisation und setzt keine Gewalt ein. Jedoch wiesen einige islamistische Terroristen auch Kontakte zur TJ oder zum Umfeld der Bewegung auf. Obwohl die TJ an sich friedlich agiert, zieht sie durch ihre fundamentalistische Glaubensauffassung zum Teil auch radikalere Personen an. Dadurch besteht die Gefahr, dass in Einzelfällen Personen aus der TJ oder aus ihrem Umfeld in Kontakt zu terroristischen Strukturen kommen können.

 

In Deutschland verfügt die TJ über organisatorische Strukturen auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene. Bundesweit sind der Organisation 700 Personen zuzurechnen; in Hamburg gibt es etwa 75 Anhänger.

 

Quelle:

 

 

Angabe aus wikpedia:

 

 

Tablighi Jamaat (Urdu, deutsch ‚Missionsgesellschaft' abgekürzt TJ, auch persisch Dschamaat-i Tabligh oder Tahrik-i Iman) ist eine sunnitisch-islamische Frömmigkeits- und Missionsbewegung, die 1926 durch den Religionsgelehrten Maulana Muhammad Ilyas (1885-1944) in Britisch-Indien gegründet wurde und heute weltweit operiert. Ziel der Bewegung ist es, Muslime, die keinen inneren Bezug zu ihrer Religion haben, zu einem streng an Koran und Sunna ausgerichteten Leben hinzuführen.

 

Geschichte

 

Der Tabligh-Aufruf von Khwaja Hasan Nizami

 

Historischer Hintergrund für die Entstehung der Tablighi Jamaat waren die Missionsbestrebungen der hinduistischen Arya Samaj-Gemeinschaft, die im frühen 20. Jahrhundert im Rahmen ihres Konzeptes von Shuddhi ("Reinigung") danach strebte, indische Bevölkerungsgruppen, die während der Jahrhunderte muslimischer Herrschaft in Indien zum Islam übergetreten waren, für den Hinduismus zurückzugewinnen. Eine besonders wichtige Zielgruppe dieser Hindu-Mission waren sogenannte "Nau-Muslime" (von waqf-e nau, "neue Verpflichtung"), die nur nominell dem Islam anhingen, aber weiter hinduistische Praktiken vollzogen. Hierzu gehörten unter anderem die Malkana-Rajputen in Nordindien. Bis zum Jahr 1927 gelang es der Arya-Samaj-Gemeinschaft, etwa 163.000 Malkanas zum Hinduismus zu bekehren.[1] Khwaja Hasan Nizami (1878-1955), ein muslimischer Gelehrter, der sich in Delhi als Journalist und Autor betätigte, rief vor diesem Hintergrund 1923 in einem Buch mit dem Titel Da?i-yi Islam ("Rufer zum Islam") seine Glaubensbrüder zur Abwehr der hinduistischen Missionsbemühungen auf und forderte, dass sich zu diesem Zweck jeder eine einzelne Muslim als Da?i betätigen müsse. Das Buch war unter den nordindischen Muslimen ungeheuer populär und erlebte bis zum Jahre 1926 fünf Auflagen. Als Mittel für die Verkündigung (tabligh) des Islams empfahl Nizami, der dem Chishtiyya-Orden angehörte, auch sufische Praktiken wie Qawwali-Gesänge sowie Ta'ziya-Prozessionen.[2]

 

Die Meo-Mission von Muhammad Ilyas

 

Während Nizami selbst nur publizistisch tätig war, setzte ein anderer muslimischer Gelehrter, Muhammad Ilyas, seine Forderungen in die Tat um. Im Gegensatz zu Nizami gehörte er allerdings einer islamischen Strömung an, die die sufischen Traditionen ablehnte. Muhammad Ilyas war durch seine Familie eng mit der Deobandi-Bewegung verbunden, die 1867 das Dar ul-Ulum von Deoband ins Leben gerufen hatte, und pflegte insbesondere Beziehungen zur Führung des Ma?ahiru l-?Ulum, einer Schwesterschule des Dar ul-Ulum in Saharanpur.[3]

Nach Rückkehr von einer Wallfahrt nach Mekka begann Muhammad Ilyas im Jahre 1926 mit Missionsaktivitäten unter den Meos, einer bäuerlichen Volksgruppe, die in Mewat südlich von Delhi siedelte. Wie die Malkanas nahmen die Meos für sich rajputische Abstammung in Anspruch und galten als Nau-Muslime.[4] Nachdem Ilyas in dem Ort Nuh eine Anhängerschaft aufgebaut hatte, bildete er eine Gruppe von sechs Meos, die er damit beauftragte, regelmäßig in den benachbarten Meo-Dörfern über die kalima, d. h. das islamische Glaubensbekenntnis, und das Ritualgebet zu predigen. Ab Ende der 1920er Jahre begannen Gruppen von neu bekehrten Meos mit regelmäßigen Missionsreisen in der Region, die sie gleichzeitig dazu benutzten, um sich in den Zentren der Deobandi-Bewegung religiös unterweisen zu lassen.[5]

 

Nach einer weiteren Wallfahrt nach Mekka im Jahre 1932 rief Ilyas im Winter 1933 mehr als 200 seiner Meo-Anhänger in Delhi zusammen, wo er und Husain Ahmad Madani, der Rektor der Madrasa von Deoband, ihnen eine Ansprache über die Bedeutung des Tabligh hielten.[6] Wichtigster religiöser Gegner war weiterhin die Arya-Samaj-Gemeinschaft, die bis 1934 eine große Anzahl von Malkanas zum Hinduismus bekehrt hatte und Anstrengungen unternahm, ihre Missionsarbeit auch auf Mewat auszuweiten. Um den Einfluss des Arya Samaj zurückzudrängen, rief Ilyas noch im Jahre 1934 eine große Versammlung (Panchayat) von Meo-Führern zusammen, bei der er diese auf die Prinzipien des Islams verpflichtete.[7] Bis zu seinem Tode im Jahre 1944 gelang es Ilyas, seine Glaubensbewegung (tahrik-i iman) fest in der Meo-Gesellschaft zu verankern. Bei einer Versammlung der Bewegung in Nuh im November 1941 nahmen ungefähr 25.000 Meos teil, darunter mehrere bekannte ?Ulama?.[8]

 

Globalisierung der Bewegung

 

Nach dem Tode von Muhammad Ilyas wurde sein Sohn Mawlana Yusuf von den Ältesten der TJ zum neuen Amir der Gemeinschaft gewählt. Er war ein begabter Organisator und weitete bis zu seinem Tode im Jahre 1965 das Operationsgebiet der TJ auf die gesamte islamische Welt aus. Als unpolitische Bewegung konnte sie sich in den 1950er und 1960er Jahren durch ihre Missionare über die arabischen Länder, das subsaharische Afrika, Südostasien, die Türkei und Westeuropa verbreiten.[9] In den frühen 1970er Jahren gründete die TJ eigene Madrasas und religiöse Zentren auch in den malaiischen Staaten Kelantan und Terengganu.[10]

 

Religiöse Ausrichtung und Organisationsstruktur

 

Kennzeichnend für die TJ ist ihr Antiintellektualismus. Für die Aktivisten der TJ ist der Islam vor allem eine "praktische Aktivität" (?amali kam) und weniger etwas, worüber gesprochen, geschrieben oder gelesen werden muss. Gelehrsamkeit wird als etwas betrachtet, das eine

 

ständige Bedrohung für die Gemeinschaft darstellt, weil die Gefahr besteht, dass sie an die Stelle der praktischen Arbeit tritt. Deswegen muss dieser Versuchung ständig begegnet werden. Mawlana Yusuf, der zweite Amir der TJ, soll die Bitte eines Anhängers, ein Buch über die Bewegung zu verfassen, mit dem Argument abgewiesen haben, dass religiöse Praxis (?amal) erheblich wichtiger ist als intellektuelle Betätigung.[11] Die einzige intellektuelle Tätigkeit, die befürwortet wird, ist die mündliche Weitergabe der prophetischen Tradition.

 

Die Anhänger der TJ üben regelmäßig missionarische Tätigkeiten aus, deren Zweck die Islamisierung der Gesellschaft und der Wandel der durch westliche Werte geprägten Gesellschaft zu einer islamischen Gesellschaftsform ist. Zu den obligatorischen Pflichten der TJ-Anhänger gehört es, regelmäßig, freiwillig und unbezahlt missionarisch tätig zu sein, um einerseits den Glauben zu verbreiten und andererseits als Prediger selbst zu einer besonderen Frömmigkeit zu gelangen. Die Anhänger der Gemeinschaft werden dazu angehalten, jeden Monat eine mindestens dreitägige Missionsreise durchzuführen, insbesondere im Umkreis der Heimatmoschee oder den benachbarten Städten. Darüber hinaus soll jährlich eine 40 Tage andauernde Missionsreise im In- oder Ausland durchgeführt werden. Schließlich ist eine viermonatige Missionierungsreise zwecks eigener Fortbildung zu den Quellen der Bewegung, also Bangladesch, Indien und Pakistan, für alle Mitglieder einmal im Leben verpflichtend.

 

Im Rahmen ihrer Pilgerreisen besuchen die TJ-Anhänger insbesondere Moscheen. Dort predigen sie und betreiben ihre Missionsarbeit. Darüber hinaus werden aber auch im privaten Bereich Einzelgespräche mit Muslimen geführt.

 

Die TJ lehnt Gewalt grundsätzlich ab und begreift sich selbst als unpolitisch. Aufgrund dieser Ausrichtung wurde die Bewegung auch schon von anderen islamischen Gruppierungen kritisiert. So hat beispielsweise Tabish Mahdi, ein führender Ideologe der indischen Jamaat-e-Islami, in den 1980er Jahren in einem eigens der TJ gewidmeten Buch dieser Bewegung vorgeworfen, mit ihrer politischen Zurückhaltung, ihrer Vernachlässigung des Dschihad und ihrem übermäßig stark ausgeprägten Ritualismus die "wahren" Lehren des Islams zu verletzen.[12]

 

Das Weltzentrum (?alami markaz) der Tablighi Jamaat befindet sich in Neu-Delhi, in der Ortschaft Basti Hazrat Nizamuddin, in einem mehrstöckigen Gebäude, das eine Moschee, ein islamisches Seminar (die Madrasa Kaschf al-?Ulum) und zahlreiche Räumlichkeiten für Besucher umfasst. Auch die Ältesten (buzurgan) leben hier. Bis 1995 wurde dieses Weltzentrum von einem amir geleitet, der auch als Hazratji bezeichnet wurde. Nach dem Tod des dritten amir In?am al-Hasan im Jahre 1995 ging die Leitung an ein dreiköpfiges Konsultativgremium (Schura) über.[13] Außerdem verselbständigten sich die TJ-Gemeinschaften in Pakistan und Bangladesch stärker. Das Zentrum der Tablighi Jamaat in Pakistan befindet sich in Lahore, der Hauptstadt der Provinz Punjab, allerdings wird das 30 km südlicher liegende Raiwind ebenfalls als geistiges Zentrum bezeichnet. Die europäische Zentrale der TJ, das 'Institute of Islamic Education', befindet sich in Großbritannien im nordenglischen Dewsbury. Es werden dort junge Muslime zu 'Islamgelehrten' im Sinne der TJ ausgebildet. Leiter des Zentrums ist der hochrangige TJ-Funktionär Scheich Said Muhammad Patel, der an nationalen und internationalen TJ-Veranstaltungen der TJ teilnimmt und als Redner fungiert.

 

Die TJ in Deutschland

 

Seit den 1960er Jahren ist die Tablighi Jamaat auch in Deutschland aktiv. Der Verfassungsschutz geht (Stand: 2011) von rund 700 TJ-Mitgliedern aus.[14] TJ-Einrichtungen existieren außerdem in Berlin, Bochum, Köln, Hamburg, Hannover, München und Pappenheim, diese Vereine bzw. Moscheen weisen in ihren Satzungen allerdings nicht auf die TJ hin.

 

Die TJ verfügt über keine flächendeckende, feste Organisationsstruktur in Deutschland; ihre Aktivitäten werden gesteuert und koordiniert über informelle Kontakte der Anhängerschaft untereinander. Die vorrangige Zielgruppe der TJ in Deutschland sind insbesondere wirtschaftlich und sozial benachteiligte junge Muslime. Diese werden seitens der TJ als sehr empfänglich für ihre Botschaften eingeschätzt. Daneben gehören aber auch junge Islam-Konvertiten zur Zielgruppe der TJ, die in intensiven persönlichen Gesprächen geworben werden.

 

Im April 2005 wurde in Hamburg ein einwöchiges Treffen der TJ mit ca. 1000 Teilnehmern aus dem In- und Ausland ausgerichtet. Als Gäste waren für diese Veranstaltung u. a. hochrangige Prediger aus Indien und Pakistan eingeladen. Am Ende der Veranstaltung wurden Gruppen zusammengestellt und auf Missionsreisen geschickt, die freiwillig, regelmäßig und unentgeltlich sein sollen.

 

Der Bundesverfassungsschutz sieht laut seines Berichtes von 2006 die Gefahr gegeben, dass die TJ aufgrund ihres strengen Islamverständnisses und der weltweiten Missionstätigkeit islamistische Radikalisierungsprozesse fördert. Demnach existieren belegte Einzelfälle, bei denen die Infrastruktur der Missionsbewegung von Mitgliedern terroristischer Vereinigungen zu Reisezwecken genutzt wurde.[15]

 

Literatur

 

Mumtaz Ahmad, Dietrich Reetz: Art. Tablighi Jama?at, in John L. Esposito (ed.): The Oxford Encyclopedia of the Islamic World. 6 Bde. Oxford 2009. Bd. V, S. 293a-299a.

 

Muhammad Khalid Masud (ed.): Travellers in Faith: Studies of the Tablighi Jama?at as a Transnational Movement for Faith Renewal. Leiden 2000.

 

Farish A. Noor: The Tablighi Jama?at as Vehicle of Discovery. Conversion Narratives and the Appropriation of India in the Southeast Asian Tablighi Movement, in R. Michael Feener, Terenjit

Sevea: Islamic Connections. Muslim Societies in South and Southeast Asia. Singapore 2009, S. 195-218.

 

Farish A. Noor: Islam on the Move: The Tablighi Jama'at in Southeast Asia. Amsterdam University Press, Amsterdam 2012, ISBN 9789089644398.

 

Yoginder Sikand: The origins and development of the Tablighi Jama'at, 1920-2000: a cross-country comparative study. Hyderabad 2002.

 

Yoginder Sikand: The Tablighi Jama'at (sic!) and Politics: A

Critical Re-Appraisal, in: The Muslim World 96 (2006), S. 175-195.

 

Weblinks

 

Dietrich Reetz ZMO, Berlin Islamische Missionsbewegungen in Europa (PDF, 155 KB) auf der Konferenz "Islam in Europa", Wien 2007

 

Dietrich Reetz ZMO, Berlin Keeping Busy On the Path of Allah (Die Selbstorganisation der Tablighi Jamaat), 11. November 2006

 

Mareike Jule Winkelmann: Informal Links. A Girl's Madrasa and Tablighi Jamaat. ISIM Review 17, 2006, S. 46-47 (Verbindung zu einer Mädchen-Koranschule in Indien)

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Beweiswürdigung ergibt sich aus dem Akteninhalt und der mündlichen Verhandlung am 04.03.2019 vor dem BVwG.

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die Feststellungen zur Nationalität und der Religionszugehörigkeit des BF stützen sich auf die Angaben im Asylverfahren. Der BF machte diesbezüglich durchgehend gleichbleibende und glaubhafte Aussagen.

 

Die Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der sunnitischen Moslems ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers, wonach er durchgehend angab, dass er sunnitischer Moslem ist. Aufgrund der Kürze seines Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nach Ansicht des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte. Der Beschwerdeführer hat sich stets zu seiner Religionszugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam bekannt (vgl. AS 7, AS 91 sowie Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). Dass sich der Beschwerdeführer von seinem Glauben abgewandt hätte, hat er zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens explizit vorgebracht. Es kann nicht erkannt werden, dass er sich noch während seines Aufenthaltes in Afghanistan vom Islam abgewandt hätte, zumal er selbst vorbrachte regelmäßig die Moschee besucht zu haben. Zudem verteidigte der Beschwerdeführer seine Religion im Rahmen der Einvernahme am 20.07.2017, indem er angab:

"Wir hatten eine Diskussion und ich sagte es ist der falsche Weg des Islam" (vgl. AS 95). Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung gab er an, dass er Moslem sei (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Ebenso kann vor dem Hintergrund der Angaben der Zeugin - Freundin des BF - nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführer von seinem Glauben abgefallen wäre. So gab die Zeugin an: "Wir wollen nur in einer Moschee heiraten, falls das als Christin möglich ist" (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer bereit wäre zu konvertieren bzw. konvertiert und von seinem Glauben abgefallen ist, kann nicht erkannt werden.

 

Die Feststellung, wonach die Volksgruppenzugehörigkeit nicht eindeutig feststellbar ist, ergibt sich aus seinem eigenen Vorbringen. So gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung an Paschtune und Tadschike zu sein (vgl. AS 7). Auch in der Einvernahme erklärte er zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit befragt, dass sein Vater Paschtune und seine Mutter Tadschikin war (vgl. AS 91). Auch vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte er: "Mein Vater ist Paschtune, meine Mutter war Tadschike. Ich selber kann nicht sagen, dass ich jetzt den Paschtunen oder den Tadschiken angehöre, für mich spielt es keine große Rolle" (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls), weshalb die eindeutige Volksgruppenzugehörigkeit nicht festgestellt werden konnte, wobei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen ist, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit vorbrachte.

 

Die Angaben des BF zu seinem Geburtsort, zu seinen Aufenthaltsorten in Afghanistan und im Iran, zu seiner Abschiebung aus dem Iran nach Afghanistan, zum Ableben seiner Eltern und seinem beruflichen Werdegang sind chronologisch stringent Die vom BF in diesem Zusammenhang getätigten Angaben waren gleichbleibend, widerspruchsfrei und damit glaubhaft.

 

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte (Freunde und Bekannte, wie der Freund seines Vaters) in Afghanistan verfügt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der Beschwerdeverhandlung. So gab er an: "Ich habe Cousinen und Cousins, sie leben in XXXX . Die Cousins väterlicherseits leben in XXXX " (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls).

 

Dass der Beschwerdeführer seit seinem 13. Lebensjahr für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommt, ergibt sich aus seinem durchgehend gleichbleibenden Vorbringen im Rahmen der Befragungen. Ferner rührt die Feststellung zu seiner beruflichen Tätigkeit im Iran und auch in Herat aus seinem eigenen Vorbringen. So gab er selbst an: "Da ich acht Jahre im Iran gearbeitet habe und Geld bekommen habe, habe ich genug Geld gehabt und manchmal habe ich kleine Tätigkeiten durchgeführt. Ich habe vier Jahre in einem Farbgeschäft Farben verkauft und als Fliesenleger habe ich die letzten vier Jahre gearbeitet. In Herat habe ich manchmal auch als Fliesenleger gearbeitet" (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Vor dem Hintergrund dieser Aussagen war die Feststellung zu treffen, dass die Existenzgrundlage des Beschwerdeführers gesichert war und er im Falle einer Rückkehr für sein Auskommen selbst sorgen könnte. Auch die Feststellung, dass der Beschwerdeführer während der letzten vier Jahre während seines Aufenthaltes im Iran immer wieder nach Herat pendelte, ergibt sich aus seinen Ausführungen betreffend die berufliche Tätigkeit (Seite 7 ff des Verhandlungsprotokolls).

 

Die Feststellung zu seinen Sprachkenntnissen ergibt sich aus seinen eigenen Angaben (vgl. AS 91 sowie Seite 3 des Verhandlungsprotokolls). In Österreich hat der BF verschiedene Deutschkurse besucht (Teilnahmebestätigung). Dass der Beschwerdeführer Dari mit afghanischen Dialekt spricht, ergibt sich aus der diesbezüglich vom Beschwerdeführervertreter gestellten Frage in der Beschwerdeverhandlung, worauf der beeidete Dolmetscher für die Sprache Dari angab: "Nein, er spricht normales Dari mit afghanischen Dialekt" (Seite 21 des Verhandlungsprotokolls).

 

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung in Zusammenschau mit den im Verfahren vorgelegten Unterlagen. Dass sich der Beschwerdeführer in einem guten Allgemeinzustand befindet, ergibt sich aus der Bestätigung vom 21.02.2019 sowie aus seinen Aussagen, sowie dem Eindruck vor dem Gericht. Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung vom 21.02.2019 eines im Akt näher bezeichneten "Männergesundheits Zentrums" vor. Diese Bestätigung besteht aus zwei Absätzen. Zum einem wird darin dargelegt, dass der Beschwerdeführer seit 07.02.2018 in psychologischer Beratung sei. Der zweite Absatz besagt folgendes "Er kommt pünktlich und sehr motiviert in die Beratung, zeigt Engagement und macht große Fortschritte, weshalb eine Fortführung der Beratung ausdrücklich empfohlen wird." Zudem geht aus einem weiteren Schriftstück desselben Zentrums hervor, dass der Beschwerdeführer seit April 2018 das Medikament Sertratin einnimmt. Hierzu ist zum einen anzuführen, dass aus diesen Schreiben nicht der Rückschluss gezogen werden kann, dass der Beschwerdeführer an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, zumal in diesem Fall eine höhere Dosis des Medikaments - laut Beipackzettel - von Nöten wäre. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer selbst stets angegeben hat, dass es ihm gut gehe. Ferner ist den beiden Schriftstücken keine Diagnose zu entnehmen. Andere Befunde hat der Beschwerdeführer nicht vorgelegt. Dass der Beschwerdeführer in irgendeiner Form gesundheitlich beeinträchtig ist, ergibt sich auch nicht aus seinen Schilderungen, als er seinen Tagesablauf beschreibt, wo er unter anderem erklärte: "Ich treibe auch Sport im Fitnesscenter, mache Kampfkunst dreimal pro Woche und laufe. Manchmal gehe ich mit meiner Freundin spazieren oder wir gehen Sushi essen. Wir waren schon Skifahren. Manchmal gehen wir auch in die Seestadt und ins Donauplex. Ich bin die ganze Zeit beschäftigt" (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). So vermittelte der Beschwerdeführer den Eindruck sehr aktiv zu sein und erwähnte er keinerlei Beeinträchtigung oder gesundheitliche Probleme. Demnach ist der Beschwerdeführer in der Lage seinen Alltag ohne Einschränkungen zu bestreiten. Aus diesem Grund und aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2017 50 Stunden als Gärtnergehilfe gearbeitet hat, konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist. Zudem hat er während seines Aufenthaltes im Iran als Verkäufer und Fliesenleger gearbeitet. Auch vor seiner Ausreise nach Europa war der Beschwerdeführer zumindest gelegentlich erwerbstätig. Dafür, dass er nicht arbeitsfähig und in der Lage ist einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, gab es keine Anhaltspunkte.

 

Die Feststellungen zum Leben des BF in Österreich (Aufenthaltsdauer, Deutschkenntnisse, seinen fehlenden familiären und zu seinen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage und den Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG. Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen konnte auch vom Gericht getroffen werden, da der BF in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten Fragen verstanden und in Deutsch beantwortet hat. Er hat bisher die B1-Prüfung bestanden.

 

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

 

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan sozialisiert, zumal er dort geboren, aufgewachsen und bis zu seinem 13. Lebensjahr gelebt hat. Während der letzten vier von acht Jahren, als er sich im Iran aufhielt, pendelte er immer wieder nach Herat, um dort zu arbeiten. Der Beschwerdeführer hat sich nach seiner Abschiebung vom Iran nach Afghanistan sofort wieder zurechtgefunden. Er hat im Haus seines Vaters gelebt und hat gelegentlich gearbeitet bis er Afghanistan im Jahr 2015 verlassen hat. In Österreich befindet sich der BF 3 Jahre und fünf Monate. Er spricht die Sprach Dari mit afghanischem Dialekt und Farsi.

 

Dass der Beschwerdeführer über eine Freundin verfügt, ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und seiner Freundin, die im Zuge der mündlichen Verhandlung als Zeugin einvernommen wurde. Es wird nicht verkannt, dass der BF laut ZMR-Auszug vom 20.03.2019 bei der besagten Freundin gemeldet ist, jedoch konnte keine finanzielle Abhängigkeit festgestellt werden, da der Beschwerdeführer seinen Mietkostenanteil - den er von der Caritas erhält - selbst deckt und gab er an, von der Grundversorgung zu leben. Demnach war auch die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer nicht selbsterhaltungsfähig ist, zumal er sein Leben durch Zuwendungen staatlicher Beiträge und der Caritas bestreitet. Dass der Beschwerdeführer Kontakt zu Österreichern hat, ergibt sich aus den Empfehlungsschreiben. Dass der Beschwerdeführer gelegentlich ehrenamtlich tätig ist, ergibt sich aus seinen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls) und den vorgelegten Unterlagen. Der Nachweis einer Bestreitung seines Unterhaltes wurde nicht erbracht, der BF lebt von der Grundversorgung und geht keiner regelmäßigen Beschäftigung nach

 

Darüber hinaus ergeben sich die Feststellungen zu illegalen Einreise nach Österreich und zur Antragstellung des Beschwerdeführers zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

 

2.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

 

Vorab ist zum Vorbringen des Beschwerdeführers zu sagen, dass wenn man sein Vorbringen im Rahmen der freien Erzählung in seiner Einvernahme mit jener vor dem Bundesverwaltungsgericht vergleicht, so gelang es dem Beschwerdeführer zwar oberflächlich dieselbe Fluchtgeschichte darzulegen, jedoch haben sich bei näheren Abgleich Ungereimtheiten und Widersprüche ergeben, weshalb seine behauptete Verfolgung bzw. Bedrohung durch die XXXX , insbesondere aufgrund der in das Verfahrens eingebrachten Informationen über die besagte Gruppe, denen der Beschwerdeführer weder in der Beschwerdeverhandlung noch in der am 11.03.2019 eingelangten Stellungnahme entgegengetreten ist, nicht glaubhaft waren.

 

Einerseits erklärte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt, dass die die XXXX nichts mit dem IS oder den Taliban zu tun hätten (vgl. AS 93). Demgegenüber erklärte er in der mündlichen Verhandlung: "Ich bin zur Familie meiner Freunde gegangen und habe diese Familie auch informiert, wo ihre Söhne hingehen und habe gesagt, dass diese Gruppe aus ihren Söhnen Terroristen machen oder Taliban-Anhänger" (Seite 17 des Verhandlungsprotokolls).

 

Ferner erklärte er vor dem BFA: "Ich sagte den Jugendlichen, dass sie zum Fußball spielen kommen. Bevor ich zum Fußballplatz gekommen bin, ist ein Jugendlicher der mir ähnlich sah, entführt worden. Ich habe einen Freund angerufen und ihn gefragt wo ich hinkommen soll, er sagte ich soll nicht kommen, da bewaffnete Leute nach mir suchen. Nach 20 Minuten hat mich die entführte Person angerufen. Er fragte mich wo ich bin und warum ich nicht zum Fußballspielen gekommen bin" (vgl. AS 95). Vor dem BVwG gab er in diesem Zusammenhang an: "Der eine Freund meinte zu mir, egal wo du dich jetzt befindest, schau, dass du dich versteckst und geh nicht nach Pol-e Malon. Er erzählte mir auch, dass ein PKW mit drei oder vier bewaffneten Männer drinnen, einen Freund von uns mitgenommen haben. Ich war sehr schockiert, als ich das erfahren habe und habe mich für ca. 20 Minuten hingesetzt. Dieser Freund, der mitgenommen worden ist, er selber hat mich angerufen und hat mich gefragt, wo ich sei, weil wir uns verabredet hatten" (Seite 17 des Verhandlungsprotokolls).

 

Ein gravierender Widerspruch hat sich ergeben, als der Beschwerdeführer erklärte, dass er zu dem Freund seines Vaters gegangen sei und erklärte: "Der Freund meines Vaters hat mir dann gesagt, dass diese Gruppe sehr gefährlich ist und auch mit der Regierung zusammenarbeiten würde und das mein Leben jetzt in Gefahr sei und ich so schnell wie möglich flüchten soll" (vgl. Seite 17 des Verhandlungsprotokolls). Vor dem Bundesamt gab er jedoch an, dass die Gruppierung schlecht über die Regierung rede und regierungsfeindlich eingestellt sei, da die Regierung die Religion beschmutzen würde (vgl. AS 95). Auch in der Beschwerde wurde vorgebracht, dass für den Beschwerdeführer die Gefahr bestünde von der Regierung verfolgt zu werden, da er für eine regierungsfreundliche Organisation tätig gewesen sei (vgl. AS 295).

 

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer kein Mitglied einer Gruppierung war, aufgrund seiner eigenen Angaben zu treffen ist. So verneinte er die Frage vor dem Bundesamt, ob er jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen sei (vgl. AS 99).

Auch in der Beschwerdeverhandlung beantwortete er die Frage: "Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?" mit "nein" (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls).

 

Hinzu kommt, dass nicht erkannt werden kann, inwiefern der Beschwerdeführer für die Organisation tätig gewesen sein soll, zumal er angab in der Moschee mit vielen anderen Jugendlichen einen Vortrag eines pakistanischen Mullahs gehört zu haben und Essen verteilt zu haben. Selbst wenn er Essen an alte Leute verteilt haben sollte, so ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer, deswegen gefährdet oder eine exponierte Stellung erlangt haben soll, zumal er immer davon sprach einer unter vielen gewesen zu sein.

 

Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben rief der Beschwerdeführer insofern hervor, als er detaillierter zu den Ereignissen befragt wurde und sich in Widersprüche verstrickte. So erklärte er über

Nachfrage, wo sein Freund entführt worden sei: "Das weiß ich nicht, weil ich einen Freund angerufen habe. Dieser hat mir mitgeteilt, dass mein Freund entführt wurde, aber wo das war, weiß ich nicht".

Zudem gab er auf die Frage: "Wo war der Freund den Sie angerufen haben, als Sie ihn angerufen haben?" an: "Er hat mir nicht gesagt, wo er ist, nur, dass er außerhalb von Pol-e Malon ist und weggelaufen ist", wobei er folglich auf die Frage: "Warum wusste Ihr Freund, den Sie angerufen haben, dass Ihr anderer Freund entführt wurde?" erklärte: "Weil er selber auch dort war" (Seite 19 des Verhandlungsprotokolls), was wiederum einen Widerspruch zu seinen vorhergehenden Aussagen darstellt.

 

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass er glaube, dass wenn er mitgenommen worden wäre, wäre er von der Gruppierung getötet worden, ist anzuführen, dass neben dem Umstand, dass dies rein spekulativ ist hinzu kommt, dass aus den in das gegenständliche Verfahren eingebrachten Berichten zu XXXX durchgehend zu entnehmen ist, dass es sich dabei um eine Gemeinschaft der Missionierung und Verkündung handelt, die keine Gewalt einsetzt und auch nicht als terroristische Organisation eingestuft ist.

 

Zudem gab der Beschwerdeführer bereits im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt ausweichende Antworten. Befragt: "Sie sind im Iran 8 Jahre auf sich gestellt auch zurechtgekommen, warum sollte Ihnen das in Afghanistan nicht möglich sein?" worauf er antwortete: "Im Iran wurde ich mehrmals von den Behörden geschlagen und mir wurde alles abgenommen" (vgl. AS 101). Zudem machte er vor dem BVwG keine glaubhafte Furcht vor Verfolgung geltend, als er zu einer möglichen innerstaatlichen Fluchtalternative bzw. zu seinen Rückkehrbefürchtungen befragt wurde.

 

So gab er Folgendes an:

 

RI: Warum glauben Sie, dass man sie bspw. in Kabul finden sollte?

 

BF: In Kabul wird tagtäglich ein Selbstmordattentat durchgeführt, es gibt viele Explosionen und außerdem, was hätte ich in Kabul machen sollen? Ich kenne dort niemanden und müsste auf der Straße schlafen, weil ich niemanden habe.

 

RI: Warum glauben Sie, dass man Sie bspw. in Mazar-e Sharif finden sollte?

 

BF: Das ist wie mit Kabul, ich habe dort niemanden.

 

Auffallend ist, dass er in diesem Zusammenhang keinerlei Furcht wegen der Gruppierung oder seiner "Verwestlichung" vorbrachte.

 

Sofern in der Beschwerde vorgebracht wurde (vgl. AS 272), dass die Einvernahme mit einem Dolmetscher durchgeführt worden sei, dessen Muttersprache Paschtu sei, so ist dem zu entgegnen, dass aus dem Protokoll der Erstbefragung hervorgeht, dass die Sprache in Dari durchgeführt wurde (vgl. AS 9). Auch dem Einvernahmeprotokoll ist eindeutig zu entnehmen, dass diese in der Sprache Dari durchgeführt wurde. Zudem antwortete der Beschwerdeführer auf die Frage, wie die Verständigung mit dem hier anwesenden Dolmetscher sei, mit: "Gut" (vgl. AS 81 ff). Dieser Vorhalt bzw. der Rechtfertigungsversuch die Widersprüche zwischen Erstbefragung und Einvernahme mit Verständigungsschwierigkeiten zu erklären, geht somit ins Leere.

 

Bei einer Gesamtbetrachtung des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seiner persönlichen Bedrohungssituation ist sohin deutlich erkennbar, dass das diesbezügliche Vorbringen - auch in Zusammenhang mit dem Alter und seinem bisherigen persönlichen Werdegang des Beschwerdeführers - nur den Schluss zulässt, dass es sich bei seinem Fluchtvorbringen lediglich um ein gedankliches Konstrukt zwecks Asylerlangung handelt. Daher ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zu gewärtigen hatte bzw. sich eine solche zukünftig ergibt.

 

2.3. Zur Situation im Falle einer Rückkehr der BF in den Herkunftsstaat

 

Die Feststellungen zur Situation im Falle der Rückkehr des BF in seine Herkunftsprovinz ergeben sich aus den angeführten Länderberichten.

 

Ein entsprechender Beweiswert dieser Informationen ergibt sich für das BVwG daraus, dass aufgrund von § 5 Abs. 2 BFA-Einrichtungsgesetz vorgesehen ist, dass die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten (als allgemeine Analyse) und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind. Die Dokumentation ist weiters in Bezug auf Fakten, die nicht oder nicht mehr den Tatsachen entsprechen, zu berichtigen. Eine allenfalls auf diesen Tatsachen aufbauende Analyse ist schließlich richtig zu stellen. Soweit dem LIB Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass die Informationen über die Lage im Herkunftsstaat regelmäßig aktualisiert werden und jene Informationen, die nicht durch neue Berichte ersetzt werden, mangels einer maßgeblichen Änderung der Sachlage nach wie vor relevant für die Lagebeurteilung im Herkunftsstaat sind. Aber auch den UNHCR-Richtlinien und den ACCORD-Anfragen ist ein Beweiswert zuzubilligen.

 

Afghanistan hat mehrere Millionen Einwohner und der BF ist nicht in einer dementsprechenden exponierten Stellung, dass er in der Öffentlichkeit erkannt wird. So kommt für ihn neben einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Herat alternativ eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Mazar-e Sharif in Frage.

 

Dass der BF bei einer allfälligen Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, ergibt sich aus einer Zusammenschau der wiedergegebenen Länderberichte zu Mazar-e Sharif und Herat und den festgestellten persönlichen Umständen und Verhältnissen des BF. Bei dem BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Im Übrigen lebt ein Teil seiner Familie des BF (Cousins) in Afghanistan, Herat. Zudem verfügt der Beschwerdeführer über Freunde und Bekannte (darunter der Bekannte seines Vaters, der ihn ebenfalls vor seiner Ausreise unterstützte) in Afghanistan. Der BF verfügt daher in Afghanistan über familiäre bzw. soziale Anknüpfungspunkte und kann den Länderberichten zufolge mit der Unterstützung seiner Familie, Verwandten und Bekannten rechnen. Zudem ist der Beschwerdeführer in Herat geboren und aufgewachsen und hat ab seinem 13. Lebensjahr seinen Lebensunterhalt als Verkäufer und Fliesenleger selbst erwirtschaftet. Weiters wohnte er vor seiner Ausreise im Haus seines verstorbenen Vaters und ist nicht erkennbar, weshalb er nicht - wie nach seiner Abschiebung aus dem Iran in seine Heimat - wieder dort wohnen könnte. Der Beschwerdeführer verfügt somit über Ortskenntnisse in Herat. Aufgrund seines privaten Umfeldes wird es dem Beschwerdeführer zufolge möglich sein zumindest durch Hilfstätigkeiten seine Existenzgrundlage zu sichern.

 

Weiters ist bei einer innerstaatlichen Fluchtmöglichkeit des BF nicht realistisch davon auszugehen, dass die XXXX ihn suchen und verfolgen werden, zumal die Organisation Gewalt ablehnt und auch in Afghanistan kein entsprechendes Meldesystem besteht, wenngleich auch nochmals betont wird, dass es nicht glaubhaft ist, dass der BF überhaupt verfolgt wird. So wird die Bevölkerungszahl der Provinz auf 1.967.180 geschätzt. Herat ist eine der größten Provinzen und ist in mehrere Bezirke unterteilt. So kommt für ihn neben der Möglichkeit sich innerhalb Herats in einem anderen Distrikt niederzulassen alternativ eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Mazar-e Sharif in Frage. Ein Verweis nach Kabul ist nicht notwendig.

 

Die Feststellungen zur innerstaatlichen Fluchtalternative resultieren einerseits aus den oben angeführten Länderinformationen und andererseits aus dem Umstand, dass sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer überregional bekannt wäre. Dies wollte er zwar durch pauschale Andeutungen glaubhaft machen, dies ist ihm jedoch nicht gelungen. Dabei ist etwa der Umstand hervorzuheben, dass die Cousins des Beschwerdeführers weiter sogar an Fluchtort leben können. Selbst wenn der Beschwerdeführer von lokalen Talibangruppen oder Mitglieder der XXXX gesucht würde, haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er an anderen Orten Afghanistans - eben der Stadt Mazar-e-Sharif - bekannt und aufgrund dessen belangt würde. Dabei bietet ihm die Anonymität in dieser Stadt Schutz. Dafür, dass die Taliban für gewöhnlich nicht die Mittel aufwenden, potentielle, vom Land in die Städte geflohene Widersacher aufzuspüren und zu belangen, gibt es auch Belege in der Literatur (EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, Dezember 2017, S. 21f Pkt. 1.1.5.1. und S. 63f Pkt. 1.4.3; gestützt wird diese Infomation auch durch Landinfo Report Afghanistan: Talibans Intelligence and the intimidation campaign, August 2017).

 

Der Beschwerdeführer verwies auch auf das Stahlmann-Gutachten vom März 2018, welches im Auftrag des Verwaltungsgerichtes Wiesbaden erstellt wurde. Zunächst ist zu beachten, dass der pauschale Verweis des Beschwerdeführers auf das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018, 7 K 1757/16.WI. A nicht geeignet ist, eine konkrete und individuell den Beschwerdeführer treffende Bedrohung bzw. eine Verfolgung aufzuzeigen.

 

Das Gutachten kommt zum Schluss, dass alleine aufgrund der Anwesenheit einer Person in Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit bestünde. Das Gesamtniveau der Gewalt würde sich aus einer Kombination von Gewaltformen (Gefahr ausgehend von Aufständischen, staatlichen Akteuren oder privaten Akteuren) konstituieren, dass grundsätzlich landesweit drohen würde. Jedoch ist zu beachten, dass im gegenständlichen Gutachten eine subjektive Quellenauswahl und -interpretation vorgenommen wurde und von regionalen Einzelfällen Rückschlüsse auf die Situation in Afghanistan landesweit geschlossen werden. Die Gutachterin trifft insbesondere zur Sicherheitslage in Afghanistan teilweise nur sehr allgemein gehaltene Aussagen - die einer rechtlichen Beurteilung gleichkommen - und lässt dabei vor allem regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen vollkommen außer Acht. Es wird zwar seitens der Gutachterin eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür aufgezeigt, dass es für afghanische Rückkehrer schwer ist. Sie müssen mit misstrauischer Bevölkerung rechnen und diese beschwichtigen und sich als "Muslim" ausgeben und religiöse Praktiken verfolgen, sie liefert jedoch keinen Nachweis dafür, dass sich die beschriebenen Risiken bei einer bestimmten Anzahl von Rückkehrern tatsächlich realisiert haben und deswegen jeder Rückkehrer einer tatsächlichen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt wäre. Das Gutachten nimmt auch keinen Bezug auf die konkrete Lage des Beschwerdeführers. Weiters wird angemerkt, dass der BF sich auch vor Gericht als sunnitischer Moslem ausgegeben hat und auch gegenüber seiner Freundin nichts Gegenteiliges vorgebracht hat.

 

Aus den aktuellen Berichten ist zwar ersichtlich, dass die Situation in den Provinzen Balkh und Herat zwar angespannt, die beiden Städte Mazar-e-Sharif und Herat als relative sichere Städte gelten. So sind auch in den aktuellen Länderberichten oder der UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018 keine Anschläge in diesen beiden Städten auf zivile Opfer im täglichen Leben ersichtlich. Die in der Beschwerde vorgebrachten Anschläge liegen bis zu zwei Jahre zurück. Auch die Verweise des Stahlmann-Gutachtens konnten keine konkrete aktuelle volatile Sicherheitslage in diesen beiden Städten vorbringen, im Gegensatz zu Kabul. Das BVwG hat sich jedoch, insbesondere bei Länder mit stark veränderbaren Situationen auf die aktuellsten Berichte zu beziehen.

 

Zur wirtschaftlichen Situation in diesen beiden Städten ist in den aktuellen Berichten weiterhin ersichtlich, dass die Situation angespannt ist, jedoch nicht jeder, der in die Städte geschickt wird in eine ausweglose Situation geraten würde. Der BF hat Berufserfahrung. Weiters hat er keine Sorgepflichten. Auch die Berichte zeigen, dass obwohl eine lange Dürre in dieser Region vorhanden war, die Mehrheit der befragten Bewohner der Stadt Mazar-e Sharif im Zeitraum 2010-2017 ihre Versorgung mit Gütern, wie auch die Qualität der von ihrem Haushalt konsumierten Lebensmittel und ihre Wohnungssituation als gegenüber dem Vorjahr gleichbleibend ein. Wenngleich sich die Arbeitssituation verschlechtert hat. Die Anzahl an Neuankünften verringerte sich, was wohl zu einer Entspannung am Wohnungs- und Versorgungsmarkt führen wird. So ist besonders das Umland, aber nicht die Stadt, von Mazar-e Sharif betroffen. Es ist auch anzumerken, dass es in der Stadt Herat zu Preissteigerungen gekommen ist, die Löhne 2018 gesunken sind (zu Beginn der Landflucht), in Mazar-e Sharif jedoch im Jahr 2018 die Löhne gestiegen sind, aber Teile der Lebensmittel bzw. Grundnahrungsmittel wie Getreidepreise relativ stabil blieben, während die Angebote für Weizenkörner und Reis gesunken sind. Gesamt betrachtet ist die Lage für Rückkehrer angespannt, jedoch nicht ersichtlich, dass der BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose Situation geraten würde, zumal er arbeitsfähig und nicht sorgepflichtig ist. Der BF selbst gab an, in Herat über ein Haus zu verfügen bzw. im Haus seines Vaters gelebt zu haben. Dass er dort nicht wieder wohnen könnte, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Der Beschwerdeführer befindet sich in einem guten Allgemeinzustand und brachte der BF nicht vor arbeitsunfähig zu sein. Die Gesundheitsversorgung ist vorhanden und teilweise kostenlos, sodass der BF bei Bedarf Medikamente erhalten könnte. Wenngleich medizinische Versorgung in Afghanistan dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt wird, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden, so werden über dieses Vertragssystem sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Durch das Projekt RESTART II, welche ua. durch das BMI kofinanziert wird, kann eine Hilfe bei der Rückkehr erfolgten. Ein weiteres Rückkehrprogramm ist ERIN. Weiters unterstützt die von der EU finanzierte Return Assessment and Development for Afghanistan (RADA) - Programme zur Reintegration von über 30.000 gefährdeten Afghanen, welche aus Europa, Pakistan und dem Iran nach Afghanistan zurückkehren. Auch der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist in Herat-Stadt relativ gut. Durch die internationalen Flughäfen ist ein gesicherter Zugang möglich, etwaige Anschläge sind nicht bekannt. Wenn ins Treffen geführt wird, dass der Beschwerdeführer eine schwierige Situation als Rückkehr aus dem Iran vorfinden würde, zumal er mit der afghanischen Kultur nicht mehr vertraut sei, so ist dem zu entgegen, dass er die ersten 13. Jahre seines Lebens in Afghanistan verbracht hat. Wenngleich er acht Jahre lang im Iran verbracht hat, so spricht er nach wie vor beide Landessprache - laut Dolmetscher in der mündlichen Beschwerdeverhandlung Dari mit afghanischem Akzent (Seite 21 des Verhandlungsprotokolls) und hat sich der Beschwerdeführer auch nach seiner Rückkehr aus dem Iran nach Afghanistan sofort wieder in seiner Heimat zurechtgefunden. Er hat in dem Haus seines Vaters gewohnt, hat die Moschee besucht und hat Anknüpfungspunkte in Form von Verwandten, Freunden und Bekannten sofort wieder aufleben lassen können. Dass sich der Beschwerdeführer aufgrund seiner Abwesenheit in Afghanistan nicht zurechtfinden bzw. deshalb erschwerte Bedingungen vorfinden würde, kann nicht erkannt werden. Es ist auch angemerkt, dass IOM ebenfalls die Rückkehr unterstützt.

 

Bezüglich der Rückkehrer aus Europa ist nicht ersichtlich, dass es hier zur Verfolgung gegen diese Personengruppe kam, wenngleich es teilweise zu Diskriminierung kommen kann. Es sind tausende von Leuten wieder nach Afghanistan zurückgekehrt und der BF ist nicht so exponiert, dass gerade er verfolgt werden würde, auch konnte hier keine individuelle Bedrohung glaubhaft dargelegt werden. Der BF hat bis zu seinem 13. Lebensjahr in Afghanistan gelebt und ist viereinhalb Jahre vor seiner Ausreise zwischen dem Iran und Herat arbeitsbedingt gependelt. Er hat den Großteil seines Lebens in Afghanistan gelebt, und auch nach seiner Rückkehr aus dem Iran sofort wieder Anschluss gefunden. Auch zeigten seine bisherigen Integrationsaktivitäten nicht, dass der BF eine so starke "Verwestlichung" verinnerlicht hat, dass ein Einordnen in die afghanische Kultur nicht mehr möglich ist.

 

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

 

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Zulässigkeit und Verfahren:

 

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das AsylG verweist, anzuwenden.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

 

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

 

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

 

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 15 AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

 

Gemäß § 18 AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

 

3.2. Rechtlich folgt daraus:

 

Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde am 03.10.2017 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage am 06.10.2017 beim BVwG eingegangen. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidungen dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.

 

Das BVwG stellt weiters fest, dass das Verwaltungsverfahren in wesentlichen Punkten rechtmäßig durchgeführt wurde. Dem BF wurde insbesondere durch die Erstbefragung und die Einvernahme vor dem BFA - unter Zuhilfenahme eines geeigneten Dolmetschers - ausreichend rechtliches Gehör gewährt.

 

Zu Spruchteil A):

 

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. (§ 3 AsylG) des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen (zulässigen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (in der Folge GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU ) verweist).

 

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus "wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren." (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080, mwN).

 

Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in der konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131, sowie vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128, sowie vom 23.01.2006, Zl. 2005/20/0551); diese muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0113.

 

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).

 

"Glaubhaftmachung" im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. die Erkenntnisse des VwGH 23.01.1997, 95/20/0303, sowie 28.05.2009, 2007/19/1248) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden (VwGH 18.11.2015, Ra 2014/18/0162, mwN), die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann allerdings nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256; VwGH 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191).

 

Die Abkehr vom Islam und daher von einer Apostasie zu sprechen wurde nicht festgestellt zumal der BF nicht glaubhaft darlegen konnte, dass er verinnerlicht hat den islamischen Glauben abzulegen und dies auch nicht öffentlich gemacht hat. Das Trinken von Alkohol und Essen von Schweinefleisch sowie der Umstand eine Freundin zu haben reicht nicht aus, um von einer asylrelevanten Verfolgung auszugehen.

 

Eine Verfolgung durch den Staat Afghanistan konnte nicht festgestellt werden.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350, mwN). Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.02.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; VwGH 18.02.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu erreichen, müssen konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden (VwGH 10.03.1994, 94/19/0056). In diesem Zusammenhang hat der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darzustellen (EGMR 07.07.1987, Nr. 12877/87, Kalema/Frankreich).

 

Mit dem vom Beschwerdeführer geschilderten und vom Bundesverwaltungsgericht als unglaubwürdig erachteten Vorbringen wurde keine Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ genannten Gründe - Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sowie politische Gesinnung - vorgebracht.

 

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung angemerkt, hat der BF nicht glaubhaft machen können, dass er von den XXXX verfolgt wurde. Er gab selbst an, dort kein Mitglied gewesen zu sein. Die Verfolgung des Beschwerdeführers liegt maßgeblich darin begründet, dass diese Gruppierung ihn hätte anwerben wollen, was jedoch, insbesondere im Hinblick darauf, dass diese Gruppe grundsätzlich Gewalt ablehnt und kein besonderes Interesse am Beschwerdeführer von Seiten der Gruppierung erkannt werden kann, ist sein Vorbringen keinem der angeführten Konventionsgründe zuzuordnen.

 

Sofern der Beschwerdeführer vorbrachte von Seiten der Regierung Verfolgung zu befürchten, da er für die Gruppe ohne zu wissen, wer diese seien tätig gewesen sei, so ist nicht nachvollziehbar weshalb der Beschwerdeführer deswegen in den Fokus der Regierung geraten sein sollte, da er selbst angab in verschiedenen Moscheen gekocht und Essen an alte Leute verteilt zu haben. Auch sei er bei einem Vortrag eines radikalen Mullahs einer unter vielen gewesen. Ferner hat er selbst angegeben, dass er nie Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen sei (vgl. AS 99, Seite 9 des Verhandlungsprotokolls).

 

Es konnte keine Verfolgung durch die XXXX oder durch andere Personen festgestellt werden. Einerseits liegen diese Auseinandersetzungen schon mehr als drei Jahre und fünf Monate zurück, andererseits konnte der BF das Gericht nicht überzeugen, bzw. glaubhaft machen, dass eine Bedrohung gegen ihn stattgefunden hat bzw. bei einer Rückkehr gegen ihn stattfinden wird. Es ist daher keine Verfolgung des Beschwerdeführers und auch keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund erkennbar.

 

Das Vorbringen einer allgemeinen schlechten Sicherheitslage in Afghanistan alleine reicht nicht aus um darzulegen, dass eine Verfolgung gegen den BF stattfinden wird. So geht aus den Länderfeststellungen hervor, dass es sich hierbei um eine der relativ friedlichen Provinzen handelt. Wenn auch im Rahmen der Länderfeststellungen auf die Aktivitäten von Taliban und IS in der Herkunftsprovinz hingewiesen wird, ist in Erinnerung zu rufen, dass eine Verfolgungsgefahr nur dann anzunehmen ist, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131, 28.05.2009, 2008/19/1031).

 

Es erscheint auch nicht mit einer maßgebenden Wahrscheinlichkeit, dass der BF in Afghanistan bzw. den Städten Herat oder Mazar-e Sharif aufgefunden werden kann. Sodass der BF keiner Verfolgung ausgesetzt war bzw. bei Rückkehr in das Herkunftsland ausgesetzt wäre. Ein Bezug zu den taxativ aufgezählten Fluchtgründen gemäß Genfer Flüchtlingskonvention ist hieraus nicht zu erkennen.

 

In Ermangelung von den BF individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Licht der Rechtsprechung des VwGH zu prüfen, ob der BF im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale - etwa wegen seiner Zugehörigkeit zu Rückkehrern aus Europa oder einer "Verwestlichung"- unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.

 

Für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung ist zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048, mit Verweis auf VfGH 18.09.2015, E 736/2014). Dass ein Angehöriger, welcher nur im Iran gelebt und danach eine weitere Sozialisierung in Europa erlangte im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Verfolgung im Sinne eines ungerechtfertigten Eingriffs von erheblicher Intensität ausgesetzt zu sein, kann das BVwG jedoch nicht finden.

 

Es liegen auch keine spezifischen Berichte vor und wurden auch in der Beschwerde nicht vorgebracht, die darlegen können, wonach eine Verfolgungsgefahr auch darin begründet sein kann, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, auch er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein, welche die asylrelevante Intensität erreichen. Auch wenn es vereinzelt zu Diskriminierungen oder Benachteiligungen gekommen ist, so ist die Intensität, von einer Verfolgung iSd GFK nicht erreicht. So sind tausende Flüchtlinge aus Europa zurückgekehrt und es wurde nicht dargelegt, warum der BF einer entsprechenden Verfolgung ausgesetzt sein würde, zumal er auch vor seiner Ausreise in Afghanistan gelebt hat und verhältnismäßig nur kurz in Europa.

 

Zudem ist es dem Beschwerdeführer - wie bereits dargelegt - nicht gelungen, eine individuelle und konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung iSd GFK auf Grund seiner Eigenschaft als Rückkehrer aus Europa (und somit dem "westlichen Ausland") iVm einer "westlichen" Orientierung glaubhaft zu machen. Der BF ist nicht exponiert vor dem Gericht aufgetreten, welches ein gleiches Auftreten in Afghanistan verhindern würde. Er ist in Afghanistan geboren, aufgewachsen und hat als Mann keine Handlungen ho. gesetzt, welche ihm in Afghanistan einer Verfolgung aussetzen würde.

 

Nicht übersehen wird, dass der BF einmal täglich Antidepressiva (Sertratin) einnimmt. Die medizinischen bzw. psychischen Beeinträchtigungen des BF lassen jedoch nicht den Schluss zu, dass der BF deswegen tatsächlich an der Erwirtschaftung eines notdürftigen Lebensunterhalts längerfristig gehindert und eine Behandlung nicht möglich wäre. Aus der Berichtslage ist nicht ableitbar, dass Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden, einer systematischen Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt wären. Es ist daher nicht zu erkennen, dass das Vorliegen einer psychischen Erkrankung eine Verfolgung von erheblicher Eingriffsintensität erwarten ließe (VwGH vom 19.06.2018, Ra 2018/20/0206).

 

Da eine Gruppenverfolgung - in Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit - von Paschtunen, Tadschiken und Sunniten in Afghanistan zu verneinen ist und der Beschwerdeführer diesbezüglich auch keine individuelle Bedrohung dargetan hat, lässt sich aus diesem Vorbringen eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers nicht ableiten.

 

Es kann demnach nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, der der größten Volksgruppe der Paschtunen bzw. der zweitgrößten Volksgruppe der Tadschiken angehört, sunnitischer Muslim ist, im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale einer Verfolgung aus in der GFK genannten Motiven ausgesetzt wäre. Es wird aber auch darauf verwiesen, dass der BF selbst angegeben hat, dass er eine etwaige Verfolgung in Afghanistan aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder wegen seiner Religionszugehörigkeit dezidiert verneinte (vgl. AS 101).

 

Auch aus der wirtschaftlich schlechten Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. VwGH 28.06.2005, 2002/01/0414). Wirtschaftliche Benachteiligungen einer ethnischen oder sozialen Gruppe, die den Angehörigen dieser Gruppe jegliche Existenzgrundlage entzieht, kann grundsätzlich asylrelevant sein (vgl. VwGH 06.11.2009, 2006/19/1125). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, reicht auch der Verlust (oder die Schwierigkeit der Beschaffung) eines Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, solange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist (VwGH 19.06.1997, 95/20/0482).

 

Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist.

 

Zu den vom BF behaupteten Problemen im Iran ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG 2005 die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nur vorsieht, wenn dem Fremden im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Der Herkunftsstaat ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt; nur im Falle der Staatenlosigkeit gilt der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes als Herkunftsstaat. Auf Grund der festgestellten afghanischen Staatsangehörigkeit des BF kann somit sein Vorbringen im Hinblick auf den Iran außer Betracht bleiben (vgl. VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240).

 

Wie aus den Feststellungen im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung hervorgeht, konnte auch keine aktuelle asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan festgestellt werden.

 

Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes (Artikel 1 Abschnitt D, F der GFK und § 6 AsylG) oder eines Endigungsgrundes (Artikel 1 Abschnitt C der GFK) ist nicht hervorgekommen.

 

3.4. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. (§ 8 AsylG) des angefochtenen Bescheides:

 

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 Abs. 1 und Abs. 3 sowie des § 11 AsylG lauten:

 

"§ 8 (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

 

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

[...]

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

[...]

 

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

[...]

 

§ 11 (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."

 

Nach der früheren ständigen Rechtsprechung des VwGH war bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen waren, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 21.02.2017, Ro 2017/18/005). Der VwGH stellte daher für die Gewährung von subsidiärem Schutz insbesondere auf den Maßstab des Art 3 EMRK ab (vgl. etwa VwGH, 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

 

Allerdings hatte der EuGH in seinem Urteil vom 18.12.2014, M¿Bodj/Belgien, C-542/13 , klargestellt, dass eine Verletzung des Art 3 EMRK nicht automatisch zur Gewährung des Status von subsidiärem Schutz nach Art 15 der Status-Richtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) führt. Subsidiärer Schutz nach Art 15 lit a und b der Statusrichtlinie verlangt nach dieser Auslegung durch den EuGH, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten verursacht werden muss und nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist. Zugleich hielt der EuGH in dieser Entscheidung auch fest, dass es unionsrechtlich unzulässig sei, den in der Statusrichtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen.

 

Die in dem Urteil vom 18.12.2014, M¿Bodj/Belgien vom EuGH entwickelten Grundsätze wurden im Erkenntnis des VwGH vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 aufgenommen und festgestellt, dass der österreichische Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status subsidiär Schutzberechtigter in § 8 Abs. 1 AsylG entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des EuGHs umgesetzt habe.

 

In seiner Entscheidung vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0461 (zu Dürre und Lebensmittelknappheit) wiederholt der VwGH, dass es der Statusrichtlinie widerspreche, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen.

 

Zur Frage der unionsrechtskonformen Auslegung des innerstaatlichen Rechts hat der EuGH zuletzt in der Rechtssache C-384/17 vom 04.10.2018 (Dooel Uvoz-Izvoz Skopje Link Logistic M&N gegen Budapest Rendorfokapitanya) festgelegt, dass von Gerichten alles zu tun sei, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, wobei dies seine Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen finde und nicht als Grundlage einer Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen dürfe. Wenn eine konforme Auslegung nicht möglich sei, sei das nationale Gericht verpflichtet, das Unionsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräumt, zu schützen, indem es notfalls jede Bestimmung unangewendet lasse, deren Anwendung im konkreten Fall zu einem unionsrechtswidrigen Ergebnis führe.

 

Die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ist daher nach den Kriterien des Art 15 der Statusrichtlinie zu prüfen.

Artikel 15 der Statusrichtlinie lautet:

 

"Als ernsthafter Schaden gilt

 

a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder

 

b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder

 

c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts."

 

Nach der oben zitierten Rechtsprechung des EuGHs, der für die Auslegung des Unionsrechts zuständig ist, ist es für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des Art 15 lit a und b der Statusrichtlinie erforderlich, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht wird. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzungen von Art 3 EMRK.

 

In seinem Beschluss vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 hat der VwGH auch unter Bezugnahme auf dazu ergangene Urteile des EGMR ausgeführt, dass die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art 3 EMRK verstoßen würde. Insofern obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Dabei reicht es für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Afghanistan nicht aus, bloß auf die allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu verweisen. Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden Sicherheitslage ist eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional - sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt - unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; 20.09.2017, Ra 2017/19/0205).

 

Im Erkenntnis vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, hielt der VwGH zu § 11 Abs. 1 AsylG fest, dass mit dieser Norm der österreichische Asylgesetzgeber von der in Art 8 Abs 1 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, dem Asylwerber keinen internationalen Schutz zu gewähren, sofern er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung hat oder keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht (lit. a) oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden gemäß Art. 7 Statusrichtlinie hat (lit. b), und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist das Kriterium der "Zumutbarkeit" nach § 11 Abs. 1 AsylG gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Zusammenschau mit der Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht gegeben sind.

 

Zu c) Die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des BF ist nicht derart unsicher, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, er liefe allein durch seine dortige Anwesenheit bzw. auf den Weg dorthin tatsächlich Gefahr, einer Verletzung des Art 3 EMRK ausgesetzt zu sein.

 

Unabhängig davon steht ihm die Niederlassung in einem anderem ruhigeren und friedlicheren Teil Afghanistans (interne Fluchtalternative) zu - konkret MAZAR-E SHARIF. Es ist von dort aus zumindest tagsüber auch ein gefahrloses Reisen auf bzw. durch von der Regierung kontrollierten Straßen möglich.

 

Der BF kann gemäß § 11 Abs. 2 AsylG aufgrund der allgemeinen Gegebenheiten in MAZAR-E SHARIF und seiner persönlichen Umstände auf diese Stadt verwiesen werden und ist ihm dort eine Niederlassung zumutbar.

 

MAZAR-E SHARIF und Herat verfügen über einen internationalen Flughafen, sind daher sicher erreichbar und stehen unter der Kontrolle der Regierung. Wenngleich es auch dort zu vereinzelten Anschlägen auf symbolträchtige Ziele kommt, muss ein gesunder Erwachsener ohne spezielle Vulnerabilitäten nicht damit rechnen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. Von einem völligen Zusammenbruch von Recht und Ordnung bzw. Anarchie kann nicht die Rede sein. Die verzeichneten Anschläge ereignen sich hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen afghanisches Sicherheitspersonal, die Regierung (deren Mitarbeiter) und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren.

 

Eine pauschale Gefahr für den BF wie in den UNHCR-Richtlinie teilweise dargelegt, dass nur wenige Städte von Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte, die gezielt gegen Zivilisten vorgehen, verschont bleiben - ist in diesen Städten nicht ersichtlich. UNHCR stellte fest, dass gerade Zivilisten, die in städtischen Gebieten ihren tagtäglichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer dieser Gewalt zu werden. Zu solchen Aktivitäten zählen etwa der Weg zur Arbeit und zurück, die Fahrt in Krankenhäuser und Kliniken, der Weg zur Schule; den Lebensunterhalt betreffende Aktivitäten, die auf den Straßen der Stadt stattfinden, wie Straßenverkäufe; sowie der Weg zum Markt, in die Moschee oder an andere Orte, an denen viele Menschen zusammentreffen. In den nun aktuellen Länderberichten mit aktualisierter Kurzinformation vom 23.11.2018, sind in diesen beiden Städten keine Anschläge auf Zivilpersonen im alltäglichen Lebensbereich ersichtlich. Auch konnte in der Beschwerde keine dementsprechende Sicherheitslage vorgebracht werden, in welcher die Gefahr besteht, dass der BF Opfer von Gewalt werden würde. Die letzten Anschläge sind vorwiegend auf öffentliche Einrichtungen, Islamgelehrtentreffen oder Anschläge bei Wahlen geprägt gewesen. Sodass nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit gerechnet wird, dass der BF einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre.

 

Wie der VwGH aber auch der VfGH (VwGH v. 23.01.2018, Ra 2018/18/001 und VfGH 12.12.2017 E2068/2017-17) festgestellt hat ist unter Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien - nun aktuell von 30.08.2018, wie oa.- bei der Beurteilung, ob einem Asylwerber ein Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet des Herkunftsstaates zugemutet werden kann, von mehreren Faktoren abhängig. Dazu müssen die persönlichen Umstände des Betroffenen, die Sicherheit, die Achtung der Menschenrechte und die Aussichten auf wirtschaftliches Überleben in diesem Gebiet beurteilt werden. Zum Aspekt des wirtschaftlichen Lebens führt der UNHCR ua. aus, dass einen voraussichtlich niedrigeren Lebensstandard oder eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation keine ausreichenden Gründe seien, um ein vorgeschlagenes Gebiet als unzumutbar abzulehnen. Im gegenständlichen Fall liegt bei den beiden Städten ein Gebiet vor, welches aufgrund der staatlichen Sicherheit als nicht volatile Gegend bezeichnet wird und daher eine Gefahr einen ernsthaften Schaden nach Art. 15 lit. a und b. der Statusrichtlinie nicht zu erwarten ist.

 

Dem BF ist es möglich durch den jeweiligen internationalen Flughafen sicher die Orte zu erreichen. Es ist ihm möglich einen Zugang zu diesen Städten zu erlangen und nicht der Gefahr einer Misshandlung ausgesetzt zu sein. Die Risiken durch den weitverbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern (IEDs) sowie durch Landminen und explosive Kampfmittelrückstände (ERW) oder durch Anschläge und Kämpfe auf Straßen sowie durch Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Zivilisten durch regierungsfeindliche Kräfte ist in Zusammenschau mit den Länderberichten in den beiden Städten nicht gegeben, die als sicher eingestuft sind und keine dementsprechenden Opferzahlen meldeten.

 

Weiters ist die Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative zu prüfen, welche unter Heranziehung der UNHCR-Richtlinie folgende Sachverhaltselemente, welche zunächst festzustellen sind, beinhaltet.

 

Ob eine Flucht- oder Neuansiedlungsalternative "zumutbar" ist, muss im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände der Antragstellenden beurteilt werden; maßgebliche Faktoren sind dabei Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse sowie der jeweilige Bildungs- und Berufshintergrund.

 

Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. UNHCR ist ferner der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne die oben beschriebenen besonderen Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen.

 

Der BF verfügt über Verwandte, Bekannte und Freunde in Afghanistan, insbesondere in Herat. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer auch vor seiner Ausreise seinen Lebensunterhalt durch die gelegentliche Tätigkeit als Fliesenleger erwirtschaftete. Es wird nicht verkannt, dass der BF keine soziale Unterstützung in Mazar-e Sharif hat, jedoch der von der Richtlinie auch genannten Ausnahme erfasst, da er jung und arbeitsfähig ist sowie Berufserfahrung besitzt, keine groben körperlichen oder geistige Einschränkungen oder sonstige Vulnerabilität besitzt. Der spezifische Bedarf einer Vulnerabilität ist jedoch gefordert, um nicht in die Ausnahmebestimmungen der UNHCR-Richtlinie zu fallen. Dass der Beschwerdeführer seit drei Jahren und fünf Monaten in Europa ist mag die spezifische Vulnerabilität nicht begründen (vgl. VwGH 10.09.2018, Ra2018/19/0302). Durch die Unterstützung der Programme ERIN und RESTART II, sowie der Rückkehrhilfe in Afghanistan, wie in den Länderberichten ersichtlich, kann der BF die notwendige Infrastruktur, wie Unterkunft und notwendige Infrastruktur erhalten. Die beiden Städte verfügen über die notwendige Gesundheitsversorgung und der notwendigen Wirtschaft um eine Ausbildung bzw. Beruf zu erhalten, wenngleich es eine schwierige Situation für den BF vorhanden ist. Den afghanischen Kulturkreis kennt der BF, er ist in Afghanistan geboren und aufgewachsen und hat dort die ersten 13. Lebensjahre verbracht und wurde er in Afghanistan sozialisiert. Der Beschwerdeführer kennt den afghanischen Kulturkreis. Zur wirtschaftlichen Situation von den Städten Mazar-e-Sharif und Herat aufgrund der Dürre ist anzuführen, dass aus den Länderberichten und Anfragen ersichtlich ist, dass die Situation schwierig ist, jedoch keine ausweglose Situation beschrieben ist, zumal der BF für sich alleine sorgen muss und arbeitsfähig ist. Auch hilft das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) den Rückkehrern dabei, ihre Familie zu finden.

 

Im Übrigen hat auch der VwGH in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits erkannt, dass eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die Asylwerber bei Rückführung in das als innerstaatliche Fluchtalternative geprüfte Gebiet vorfinden, würde für sich betrachtet nicht ausreicht, um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen. (ebd. Ra 2018/18/001). Es liegen keine exzeptionellen Gründe vor, die einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif oder Herat entgegenstehen würden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führten zum Ergebnis, dass dem BF eine Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif oder Herat möglich und auch zumutbar ist.

 

Dem BF war daher angesichts der Judikatur des EuGHs und der jüngst dazu ergangenen Rechtsprechung des VwGH der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen und die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

 

3.5. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

"1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen,

(...)

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist."

 

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der BF Opfer von Gewalt wurde. Weder hat der BF das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Gem. § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gem. § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG, und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG ergangen.

 

Der BF ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger, und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

Gem. § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

 

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht (VwGH vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

 

Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198; VwGH vom 25.01.2018 Ra 2017/21/0218).

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Da der Beschwerdeführer über keine Familienangehörige in Österreich verfügt, ist ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd. Art 8 EMRK auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte allerdings in das Privatleben des BF eingreifen.

 

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua. gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). Art 8 EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. So können persönliche Beziehungen, die nicht unter das Familienleben fallen, sehr wohl als "Privatleben" relevant sein. In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen stellen regelmäßig einen Eingriff in das Privatleben dar, weil sie die betroffene Person aus ihrem sozialen Umfeld herausreißen. Die Prüfung am Maßstab des Privatlebens ist jedoch weniger streng als jene am Maßstab des Familienlebens, weshalb letztere in der Praxis im Vordergrund steht (Wiederin, Schutz der Privatsphäre, in:

Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer [Hg.], Handbuch der Grundrechte VII/1, 2. Aufl., § 10, Rn. 52).

 

Bei der Beurteilung der Frage, ob der BF in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügen, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist. Der VwGH geht bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer aus (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378), und stellt im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, fest, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessensabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN).

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der VfGH und der VwGH haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfGH 17.03.2005, G78/04 ua; VwGH vom 26.06.2007; 2007/01/0479). Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Es sind - unter der Schwelle des Art 2 und 3 EMRK - auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).

 

Im gegenständlichen Fall reiste der BF illegal in das österreichische Bundesgebiet ein (vgl. dazu VwGH 22.01.2009, 2008/21/0654). Er hält sich bislang drei Jahre und fünf Monate lang in Österreich auf, somit nicht so lange, als dass man nach vorhin angeführter Rechtsprechung des VwGH von einem schützenswerten Privatleben in Österreich ausgehen könnte. Der bisherige Aufenthalt des BF in Österreich ist ausschließlich auf seinen Antrag auf internationalen Schutz gestützt, wodurch er nie über ein Aufenthaltsrecht, abgesehen des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts aufgrund seines Antrags auf internationalen Schutz, verfügt hat. Die Dauer des Verfahrens übersteigt mit drei Jahren und fünf Monaten auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechenden Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, indem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthalts nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig scheinen lassen. (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.01/09).

 

Selbst wenn man vom Vorliegen schützenswerten Privatlebens ausginge, wäre der Eingriff in dieses Recht durch Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht unverhältnismäßig:

 

Dass der BF jedoch nicht vorbestraft ist, mag für sich alleine keine positive oder negative Entscheidung herbeiführen.

 

Der BF lebt in Österreich von der Grundversorgung.

 

Er besuchte zwar Deutschkurse hat bis dato die Deutsch-Prüfung B1 abgelegt und war im Jahr 2017 50 Stunden als Gärntnergehilfe tätig und wurde im Empfehlungsschreiben bescheinigt, dass der Beschwerdeführer äußerst integrationswillig sei.

 

In diesem Zusammenhang ist jedoch auch zu beachten, dass der BF für die Dauer seines Asylverfahrens in Österreich stets nur vorläufig aufenthaltsberechtigt war. Er musste von vornherein damit rechnen, dass es im Falle einer negativen Entscheidung über den Asylantrag zu einer Beendigung des Aufenthalts kommt. Eine Ausweisung - im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung - in derartigen Fällen, in denen sich die betroffene(n) Person(en) der Unsicherheit des Aufenthaltsstatus bewusst sein musste(n), könne nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen (vgl. hierzu zB: EGMR 11. 04. 2006, Useinov v. The Netherlands, Appl. 61.292/00 bzw. EGMR 08. 04. 2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06).

 

Es wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer vorgebracht hat, eine Freundin zu haben, bei der er auch wohnt. Allerdings kann vor dem Hintergrund seiner Aussagen in der Beschwerdeverhandlung eine derartige Intensität der Beziehung im Sinne des Art. 8 EMRK, wonach de facto Beziehung unter bestimmten Voraussetzungen unter dem Begriff des Familienlebens zu subsummieren sind, nicht erkannt werden. Hinzu kommt, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21.01.2010, Zl. 2009/18/0258, ausgesprochen hat, dass ein bloß aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung im Fall der Stellung eines Asylantrages rechtmäßiger Aufenthalt nicht mit einem aufgrund einer ausdrücklichen Bewilligung zur Niederlassung rechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden gleichzusetzen ist. So vermittelt eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung einen unsicheren Rechtsstatus, dem bei der Abwägung im Sinne des Art. 8 EMRK ein geringer Stellenwert zukommt als eine Bewilligung zur Niederlassung. In diesem Zusammenhang ist auf die Entscheidung des EGMR im Fall Useinov gegen die Niederlande (EGMR vom 11.04.2006, Nr. 61292/00) zu verweisen, wo im Fall eines Fremden, der mit einer Inländerin zwei gemeinsame Kinder hat und bereits mehrere Jahre in den Niederlanden lebte, aber nicht damit rechnen durfte, sich auf Dauer in diesem Staat niederlassen zu dürfen, ausgeführt wird, dass in diesem Fall die Bestimmung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung des Fremden nicht verletzt wird. In diesem Sinn kann nicht gesagt werden, dass eine Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner persönlichen Interessen schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Den schwach ausgeprägten privaten Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des VwGH kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB: VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

 

Der BF hat den Großteil seines Lebens in Afghanistan verbracht und dort seine Sozialisation erfahren- d.h. in afghanischen, kulturellen Umfeld - gelebt. Er ist in Herat geboren, aufgewachsen bevor er in den Iran und letztlich wieder zurück in seine Heimat nach Herat ging.

 

Er beherrscht die Sprache Dari - mit afghanischen Akzent - und Farsi; sammelte Arbeitserfahrung im Iran und in Afghanistan und war er auch nach seiner Rückkehr aus dem Iran nach Afghanistan sofort in seinem afghanischen Umfeld verfestigt und integriert. Es ist daher davon auszugehen, dass er sich in die afghanische Gesellschaft eingliedern können wird, zumal er mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten vertraut ist.

 

Der BF benötigt in Österreich keine medizinische Behandlung, welche er in seinem Herkunftsland nicht bekommen würde (siehe dazu VwGH 28.04.2015, Ra 2014/180146 bis 0152; VwGH 29.02.2012, 20110/21/0310 bis 0314 und 210/21/0366; VfGH 21.09.2015, E332/2015).

 

Beim BF liegt keine besondere Vulnerabilität vor, da er sich in einem guten Allgemeinzustand befindet und arbeitsfähig ist. Der BF übt in Österreich keine erlaubte Beschäftigung aus und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

 

In einer Gesamtbetrachtung iS des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG eine Verletzung des Art 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

Die Voraussetzungen des § 10 AsylG liegen vor. Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG von Amts wegen zu erteilen.

 

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass dem BF kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Der BF hat weder behauptet über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen noch ist ein solches im Ermittlungsverfahren hervorgekommen.

 

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

 

§ 50 FPG lautet:

 

"(1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre."

 

Das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des BVwG verneint.

 

Abs. 2 lautet:

 

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des BVwG verneint und eine innerstaatliche Fluchtalternative angenommen.

 

Abs. 3 lautet:

 

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht."

 

Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

 

Der VwGH hatte in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Diese Judikatur kann aber wohl nur in Zusammenhang mit der bisherigen (am Wortlaut des Gesetzes orientierten) Auslegung des § 8 Abs. 1 AsylG aufrechterhalten werden, wonach der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten würde (wodurch derselbe Prüfumfang wie bei der Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung nach § 50 FPG festgelegt war). Wie oben dargelegt wurde, wurde aber vom EuGH klargestellt, dass der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger aufgrund des Art 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, eben nicht automatisch bedeutet, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist. Folglich ist daher eine unterschiedliche Beurteilung der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG und der Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz entgegen der früheren Rechtsprechung des VwGH notwendig geworden.

 

Umstände, die im Abschiebungsfall zu einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK führen würden, aber für eine Zuerkennung von subsidiären Schutz nicht in Betracht kommen (zu dieser Unterscheidung siehe VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106) sind demnach im Ausspruch nach § 52 Abs. 9 FPG zu berücksichtigen.

 

Gegenständlich war daher zu klären, ob ein Fall des § 50 Abs. 1 FPG gegeben ist. Wie bereits ausgeführt wurde, ist der BF weder durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts noch durch die Todesstrafe bedroht. Es stellt sich aber die Frage, ob durch seine Abschiebung Art 3 EMRK verletzt würde.

 

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg Vereinigtes Königreich, Zl 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl 44599/98). Der EGMR geht allgemein davon aus, dass aus Art 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art 3 EMRK führen (vgl. für mehrere. z. B. Urteil vom 02.05.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

 

Der VwGH hat festgestellt, dass die Außerlandesbringung eines Fremden in den Herkunftsstaat auch dann eine Verletzung des Art 3 EMRK bedeutet, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Auch eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

 

Dazu ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass es der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines drohenden realen Risikos für die Annahme einer Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung dazulegen (VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158 mit Verweis auf EGMR vom 05.09.2013, I gg Schweden, Appl 61.204/09 mwH).

 

Im gegenständlich Fall liegen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend vor, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF ein derartiges Risiko nach Art 3 EMRK darstellen würde.

 

Die Grundversorgung (einfache Unterkunft, Nahrungsmittel und Trinkwasser) sowie Arbeitsmöglichkeiten (allenfalls als Taglöhner) sind in den urbanen Zentren MAZAR-E SHARIF, HERAT - auch aufgrund der Tätigkeit von Hilfsorganisationen und der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe für eine Übergangszeit - vorhanden. Der BF ist alleinstehend, im erwerbsfähigem Alter, verfügt über Berufserfahrung und ist arbeitsfähig und wird sich auch bei der hohen Arbeitslosigkeit zumindest zeitweise gegen Mitbewerber - wie auch vor seiner Ausreise - durchsetzen, sodass er seine Existenz sichern kann.

 

Er würde nicht in eine aussichtlose Lage geraten, sodass eine Rückführung nicht nur keinen Verstoß gegen Art 3 EMRK darstellt, sondern ihm auch zumutbar ist.

 

Im gegenständlichen Fall liegen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend vor, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF ein derartiges Risiko nach Art 3 EMRK darstellen würde.

 

3.6. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. (Ausreisefrist) des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist mit 14 Tagen bzw. 2 Wochen festzulegen und die Beschwerde abzuweisen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen, die bei den jeweiligen Erwägungen wiedergegeben wurde. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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