Normen
AsylG 1997 §10 Abs5;
AsylG 1997 §7;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §34 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §10 Abs5;
AsylG 1997 §7;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §34 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Die hinsichtlich der Abweisung der Berufungen gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (zu 1., 2. und 3.) bzw. § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (zu 4. und 5.) angefochtenen Bescheide werden in diesem Umfang hinsichtlich der erstbeschwerdeführenden Partei wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, hinsichtlich der zweit- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführenden Parteien sind Mitglieder einer Familie (der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten; die dritt- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien ihre minderjährigen Kinder) und russische Staatsangehörige tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit.
Die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien reisten im November 2004 gemeinsam in das Bundesgebiet ein und beantragten Asyl. Die viert- und fünftbeschwerdeführenden Parteien wurden erst in Österreich geboren. Für den Viertbeschwerdeführer beantragten die gesetzlichen Vertreter am 6. Februar 2006, für die Fünfbeschwerdeführerin am 29. Juni 2007 internationalen Schutz.
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Asylanträge (bzw. Anträge auf internationalen Schutz) der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG; zu 1. bis 3.) bzw. gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005; zu 4. und 5.) ab. Gleichzeitig gewährte sie sämtlichen beschwerdeführenden Parteien subsidiären Schutz.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers, auch welches sich auf die weiteren Familienmitglieder bezogen hätten, sei nicht glaubwürdig. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen Maßnahmen von russischen oder pro-russischen tschetschenischen Sicherheitskräften ausgesetzt gewesen sei. Der Erstbeschwerdeführer habe im Wesentlichen vorgebracht, dass er auf Grund der Widerstandstätigkeit seines Bruders insgesamt dreimal von der russischen Militärbehörde festgenommen worden sei. Zuletzt sei er im April 2004 inhaftiert worden und habe danach die Flucht aus dem Herkunftsstaat angetreten. Zu Beginn der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde habe der Erstbeschwerdeführer jedoch "völlig emotionslos und nüchtern" mit dem "Geständnis" überrascht, in sämtlichen niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, bewusst falsche Angaben getätigt zu haben. Demgegenüber habe er laut eigenen Angaben vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, "schon die Wahrheit gesagt". Dieses Verhalten könne die belangte Behörde - aus näher dargestellten Gründen - nicht nachvollziehen. An dieser Einschätzung vermöge auch ein vom rechtsfreundlichen Vertreter getätigter Verweis auf die im Akt befindlichen psychotherapeutischen Stellungnahmen bzw. Befundberichte nichts zu ändern, zumal sich diesen entnehmen lasse, dass der Beschwerdeführer "gut in der Lage" sei, "auch über traumatische Inhalte, z.B. seine Gefangenschaft und Flucht, zu berichten". Vor diesem Hintergrund ließen sich keine medizinischen Ursachen für die inhaltlich krass voneinander abweichenden Vorbringen erkennen. Der Erstbeschwerdeführer sei auch in der Berufungsverhandlung "offenbar nicht willens oder in der Lage" gewesen, inhaltlich konstante Angaben zu machen. So habe der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, behauptet, erstmalig 2001 wegen des Verdachts des illegalen Waffenhandels, des Drogenbesitzes "und einiges mehr" festgenommen und erst gegen Zahlung von 50.000,-- Rubel freigesprochen worden zu sein. In der Berufungsverhandlung habe er demgegenüber angegeben, wegen der Mitgliedschaft in einer bewaffneten illegalen Truppe sowie der Teilnahme an paramilitärischen Operationen angeklagt worden zu sein. Über die Höhe des geleisteten Bestechungsgeldes könne er keine näheren Angaben machen; erst nach Vorhalt, in erster Instanz einen Betrag genannt zu haben, habe er 60.000,-- Rubel genannt. Ferner habe er vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, angegeben, zum zweiten Mal im Sommer 2002 festgenommen und einen Monat lang zum aktuellen Aufenthaltsort seines Bruders befragt worden zu sein. Im Gegensatz dazu habe er in der Berufungsverhandlung ausgesagt, seine zweite Festnahme sei im Jahr 2003 erfolgt, man habe ihn zu einem Mordgeständnis zwingen wollen und er sei erst nach drei Monaten aus der Haft entlassen worden. Die im Verfahren als Folterspuren präsentierten Narben seien nicht geeignet, eine inhaltlich andere Einschätzung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts herbei zu führen. Es sei für die Berufungsbehörde zwar durchaus denkbar, "dass die als Beweismittel für die jeweilige Fluchtgeschichtenvariante dargebotenen Wundmale auf äußere Gewalteinwirkung zurückzuführen" seien, jedoch lasse sich allein aus deren Existenz noch kein objektiv nachvollziehbarer Rückschluss auf deren Entstehungsgeschichte oder allfällige Asylrelevanz ziehen. Auch der (über Antrag des Erstbeschwerdeführers zum Beweis der Richtigkeit seiner Aussagen) einvernommene Zeuge B. sei nicht "tauglich", eine inhaltlich anderslautende Entscheidung zu rechtfertigen. Dieser Zeuge habe als Gründer und Leiter der "Gesellschaft ehemaliger Gefangener der Filtrationslager in Tschetschenien" fungiert und beziehe sich in seiner Aussage auf Informationen aus dritter Hand. So habe ein von seiner Organisation bestellter Anwalt drei vom Erstbeschwerdeführer als Zeugen für seine behauptete Inhaftierung namhaft gemachte Personen kontaktiert, die den Wahrheitsgehalt der ins Treffen geführten Gefangenschaft auf konkrete Nachfrage hin bestätigt hätten. Es seien dies ein Verwandter des Erstbeschwerdeführers sowie zwei Dorfbewohner gewesen. Darüber hinaus habe auch ein Richter im zuständigen Gerichtssprengel die seinerzeit auf Grund eines Mordverdachts gegen den Erstbeschwerdeführer verhängte "Untersuchungshaft" bescheinigt. Abgesehen davon, dass es nach Ansicht der belangten Behörde faktisch unmöglich sei, die ins Treffen geführten Quellen auf deren Seriosität und Objektivität hin zu überprüfen, attestierten diese inhaltlich lediglich die Festnahme und anschließende Inhaftierung des Erstbeschwerdeführers wegen des gegen ihn zum damaligen Zeitpunkt erhobenen Vorwurfs eines strafrechtlich relevanten Verbrechens gegen Leib und Leben. Daraus resultierend erübrige sich aber auch eine nähere Auseinandersetzung mit der faktischen Stichhaltigkeit dieser Informationen, zumal diese nicht zuletzt vor dem Hintergrund des diesbezüglich permanent modifizierten Vorbringens des Erstbeschwerdeführers in Kombination mit der auch in sämtlichen westlichen Demokratien und Rechtsordnungen üblichen Vorgangsweise der zuständigen Behörden bei Fluchtgefahr eines der Begehung eines Kapitalverbrechens Verdächtigen, keinerlei Asylrelevanz zu entfalten vermögen. Die Berufungsbehörde halte es zwar prinzipiell für möglich, dass der im Bundesgebiet bereits massiv straffällig gewordene Erstbeschwerdeführer tatsächlich in seinem Herkunftsland aus strafrechtlichen und ermittlungstechnischen Überlegungen heraus in Untersuchungshaft genommen worden sei, jedoch bleibe dieser Umstand für sich allein genommen, ohne Hinzutreten weiterer, vom Asylwerber allenfalls in entsprechender Weise glaubhaft zu machender Faktoren, asylrechtlich ohne Belang. Ausgehend davon sei weder dem Erstbeschwerdeführer noch seinen Familienmitgliedern (den zweit- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien) Asyl zu gewähren.
Dagegen wenden sich die vorliegenden, wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Sämtliche Beschwerden beziehen sich auf das Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers und rügen die Mangelhaftigkeit der von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang vorgenommenen Beweiswürdigung. Damit sind sie im Recht.
Die behördliche Beweiswürdigung ist der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zwar nur dahin unterworfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, was dann der Fall ist, wenn sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut nicht widersprechen, ohne dass es dem Gerichtshof zukäme, die vorgenommene Beweiswürdigung der belangten Behörde darüber hinaus auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen. Eine Beweiswürdigung ist aber nur dann schlüssig, wenn (unter anderem) alle zum Beweis strittiger Tatsachen nach der Aktenlage objektiv geeigneten Umstände berücksichtigt wurden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. August 2007, 2006/19/0458 und 2006/19/0404, vom 24. Jänner 2008, 2006/19/0187, und zuletzt vom 20. Februar 2009, 2007/19/0829).
Im Übrigen sind nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 AVG in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 2004, 2001/20/0550, mwN, vom 7. Oktober 2008, 2007/19/0056, und vom 22. Jänner 2009, 2007/19/0663).
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen erweist sich der den Erstbeschwerdeführer betreffende Bescheid der belangten Behörde als mangelhaft begründet und die Beweiswürdigung als nicht schlüssig.
Zunächst hält die belangte Behörde dem Erstbeschwerdeführer entgegen, er habe in der Berufungsverhandlung zugestanden, bei seiner ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, bewusst falsche Angaben getätigt zu haben. Mehrfach wird in der Bescheidbegründung auch angeführt, der Erstbeschwerdeführer habe sich im Laufe des Verfahrens "krass" widersprochen bzw. sein Fluchtvorbringen "permanent modifiziert". Im gesamten Bescheid findet sich aber keine ausreichende Präzisierung, welche Angaben des Erstbeschwerdeführer in seiner erstinstanzlichen Einvernahme vor der Außenstelle Traiskirchen (am 9. November 2004) falsch gewesen seien sollen. Nach der Aktenlage behauptete der Erstbeschwerdeführer anlässlich dieser Einvernahme, von den russischen Militärbehörden dreimal festgenommen worden zu sein, weil sein Bruder ein Widerstandskämpfer gewesen sei. Diese Festnahmen datierte der Erstbeschwerdeführer mit den Jahren 2001, 2002 und April 2004. Er sei im "Filtrationslager" Tschernokosowo inhaftiert gewesen und aus Angst um sein Leben im Oktober 2004 aus Tschetschenien geflohen. Diese Aussage hielt er im Kern auch in der weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, am 30. November 2005 aufrecht, und sie weicht - mit Ausnahme der von der belangten Behörde in ihrer Beweiswürdigung erwähnten Details zur Dauer und zum Zeitpunkt der zweiten Inhaftierung - im Wesentlichen auch nicht von der Darstellung des Erstbeschwerdeführers in der Berufungsverhandlung am 20. September 2007 ab. Den Vorwurf, der Erstbeschwerdeführer habe sein Vorbringen permanent modifiziert bzw. mit krassen Widersprüchen belastet, hat die belangten Behörde somit nicht hinreichend begründet.
Unvollständig sind auch die Erwägungen der belangten Behörde zum möglichen Einfluss der dem Erstbeschwerdeführer zugestandenen Traumatisierung auf sein Aussageverhalten. Die belangte Behörde zitiert hiezu einen im Berufungsverfahren vorgelegten psychotherapeutischen Befundbericht vom 14. September 2006, wonach der Erstbeschwerdeführer "gut in der Lage (sei(, auch über traumatische Inhalte, z.B. seine Gefangenschaft und Flucht, zu berichten", und sie schließt daraus, dass vor diesem Hintergrund keine medizinische Ursache für die "inhaltlich krass voneinander abweichenden Vorbringen" zu erkennen sei. Abgesehen davon, dass es die belangte Behörde - wie zuvor dargestellt - unterlässt, die von ihr behaupteten krassen Widersprüche näher aufzuzeigen, lassen ihre Überlegungen außer Acht, dass der von ihr herangezogene psychotherapeutische Befundbericht auch auf eine mehrjährige psychotherapeutische Begleitung verweist, aufgrund derer der Erstbeschwerdeführer "bis dato gut profitieren und sich stabilisieren" konnte. Eine vollständige Würdigung des Aussageverhaltens des Erstbeschwerdeführers hätte daher in Betracht ziehen müssen, dass sich dieser psychische Zustand im Laufe des seit dem Jahr 2004 anhängigen Asylverfahrens verändert haben konnte und es hätte auch einer Auseinandersetzung mit jenen aktenkundigen medizinischen Befunden bedurft, die über den (seelischen) Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt seiner ersten Einvernahmen Auskunft geben (vgl. etwa den Befundbericht der Ärztin Dr. Ilse Hruby vom 24. November 2004 oder die psychotherapeutische Stellungnahme der Diakonie vom 29. November 2005).
Nicht nachvollziehbar sind aber vor allem auch jene Erwägungen der belangten Behörde, die sich mit den Folterspuren und der Inhaftierung des Erstbeschwerdeführers in einem "Filtrationslager" beschäftigen. Der Erstbeschwerdeführer hatte im Asylverfahren gleichbleibend angegeben, im Jahr 2001 längere Zeit im "Filtrationslager" Tschernokosowo inhaftiert gewesen und dort gefoltert worden zu sein. Zum Beweis dafür legte er unter anderem eine Bestätigung des "Vereins der Gefangenen aus Konzentrationslagern" vor, in der bezeugt und bestätigt wurde, dass der Erstbeschwerdeführer "von russischen Einheiten in der tschetschenischen Republik Itschkeria festgenommen wurde und zwischen 20. Jänner und 16. August 2001 gefangen gehalten und gefoltert wurde". In dieser Bestätigung wurden auch die Namen und näheren Daten dreier Zeugen für diese Tatsachen genannt. In der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde am 20. September 2007 gab der Erstbeschwerdeführer dazu an, man habe ihm vorgeworfen, dass er in einer bewaffneten illegalen Gruppe an paramilitärischen Operationen teilgenommen habe. Während seines Aufenthaltes in dem Lager sei er oft gefoltert worden. Man habe ihn zwingen wollen auch Verbrechen zu gestehen, die er nicht begangen habe, zum Beispiel einen Mord. Letztlich sei er nur gegen Zahlung eines Bestechungsgeldes freigekommen (in den Folgejahren aber erneut inhaftiert worden). In der selben Berufungsverhandlung wurde der von der belangten Behörde in der Bescheidbegründung auch erwähnte Zeuge B. einvernommen, der wörtlich Folgendes zu Protokoll gab:
"Im Jahr 2004 hat sich der Berufungswerber an mich gewandt, als er vor dem BAA Traiskirchen einvernommen worden ist mit der Bitte, eine Bestätigung zu bekommen, dass er als Häftling in einem Filtrationslager im Jahr 2001 war. Ich bin der Chef der Gesellschaft ehemaliger Gefangener der Konzentrations/Filtrationslager in Tschetschenien. Die übliche Vorgangsweise läuft so ab, dass ein Antragsteller zu mir kommt und behauptet in einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Lager inhaftiert gewesen zu sein. Der Anwalt meiner Organisation nimmt daraufhin Kontakt mit drei Zeugen, die namhaft zu machen sind und die Gefangenschaft bestätigen können, auf und befragt diese nach dem Wahrheitsgehalt dieser Aussage. Sollten sich die behaupteten Inhaftierungszeiten bestätigen, dann wird unsererseits ein Dokument ausgestellt und darauf basierend eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingebracht. ...Im konkreten Einzelfall wurden ein Verwandter und zwei Dorfbewohner befragt und haben diese bestätigt, dass der (Erstbeschwerdeführer) in der von ihm genannten Zeitspanne in dem von ihm genannten Filtrationslager inhaftiert war. Zudem wurde ein Untersuchungsrichter kontaktiert, der für den Bezirk des Wohnortes des (Erstbeschwerdeführers) zuständig ist, und hat dieser unabhängig von den anderen drei Zeugen die Festnahme des (Erstbeschwerdeführers) auf Grund des gegen ihn erhobenen Mordverdachts bestätigt. ...".
Die belangte Behörde lässt in der Bescheidbegründung die Möglichkeit offen, dass der Erstbeschwerdeführer tatsächlich in dem in der Bestätigung aufscheinenden Zeitraum im "Filtrationslager" Tschernokosowo inhaftiert war. Sie bestreitet auch nicht, dass er körperliche Symptome aufweist, die auf eine Folter hindeuten können. Deshalb erscheint es der Berufungsbehörde - so ihre Beweiswürdigung - prinzipiell möglich, dass der in Österreich "bereits massiv straffällig gewordene" Erstbeschwerdeführer "tatsächlich in seinem Herkunftsland aus strafrechtlichen und ermittlungstechnischen Überlegungen heraus in Untersuchungshaft genommen worden" sei, ohne dass daraus auf eine asylrechtliche Relevanz seines Vorbringens geschlossen werden könne.
Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof aus mehreren Gründen nicht beizutreten:
Zum einen lässt sich der zitierten Bestätigung des "Vereins der Gefangenen aus Konzentrationslagern" entnehmen, dass der Erstbeschwerdeführer nicht von einem Untersuchungsrichter, sondern von russischen Einheiten festgenommen und zwischen dem 20. Jänner und dem 16. August 2001 in besagtem "Filtrationslager" gefangen gehalten bzw. gefoltert worden ist. Mit einer aus "strafrechtlichen und ermittlungstechnischen Überlegungen heraus" verhängten "Untersuchungshaft" wegen eines Kapitalverbrechens (so die Diktion der belangten Behörde) lässt sich dieses Beweisergebnis nicht ohne Weiteres in Einklang bringen.
Zum anderen bleibt auch unklar, wieso die belangte Behörde - trotz Folterspuren und der zuvor erwähnten Beweisergebnisse - aus der Straffälligkeit des Erstbeschwerdeführers in Österreich (nach der Aktenlage wurde er wegen teils versuchten, teils vollendeten Ladendiebstahls verurteilt bzw. wegen des Verdachts eines Delikts nach § 27 Abs. 1 SMG angezeigt) darauf schließen möchte, dass der - laut dem Zeugen B. - gegen den Beschwerdeführer erhobene Mordvorwurf eine "gewöhnliche" strafrechtliche Verfolgung gewesen sei, wie sie auch "in sämtlichen westlichen Demokratien und Rechtsordnungen üblich" sei.
Schließlich findet sich im angefochtenen Bescheid auch keine Überprüfung des realen Hintergrunds der vom Erstbeschwerdeführer geschilderten Erlebnisse, und zwar insbesondere dazu, ob und welche Häftlinge sich im Jahr 2001 in dem - notorischen - "Filtrationslager" Tschernokosowo befunden haben.
Auf Grund dieser massiven Mängel der Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers, denen die Relevanz für das Verfahrensergebnis auch nicht abgesprochen werden kann, war der ihn betreffende angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Dieser Umstand schlägt im Familienverfahren gemäß § 10 Abs. 5 AsylG (zu 2. und 3.) bzw. § 34 Abs. 4 AsylG 2005 (zu 4. und 5.) auch auf die Verfahren der zweit- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien durch. Die sie betreffenden Bescheide der belangten Behörde waren daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 28. Mai 2009
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)