VwGH 2008/21/0654

VwGH2008/21/065422.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 10. November 2008, Zl. 2Fr-15/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §7 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
AsylG 2005 §7 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der am 5. November 2003 illegal nach Österreich eingereiste Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, brachte am nächsten Tag einen Asylantrag ein. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 13. November 2003 ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien für zulässig. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. November 2007 abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde, der keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, mit Beschluss vom 9. April 2008, Zl. 2008/19/0196, ab.

Hierauf wies die Bundespolizeidirektion Klagenfurt den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 7. Mai 2008 gemäß § 53 Abs. 1 FPG aus dem Bundesgebiet aus. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten (der belangten Behörde) vom 10. November 2008 keine Folge gegeben.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer halte sich "seit 30.4.2008" unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Das vom Beschwerdeführer "vorgebrachte Interesse" am Verbleib in Österreich sei zwar "durchaus gewichtig", aber keineswegs so stark ausgeprägt, dass das maßgebliche gegenläufige Interesse an der Aufenthaltsbeendigung in den Hintergrund zu treten habe. Die öffentliche Ordnung werde nämlich schwerwiegend beeinträchtigt, wenn der Beschwerdeführer illegal nach Österreich einreise und sich nach rechtskräftigem negativem Abschluss des Asylverfahrens unerlaubt weiterhin in Österreich aufhalte. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Zudem bestehe keine Möglichkeit, den unberechtigten Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren. Die Ausweisung bewirke zwar aufgrund der während des Aufenthalts in Österreich entstandenen Bindungen einen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers iSd § 66 Abs. 1 FPG; in dessen Familienleben werde hingegen nicht eingegriffen, weil er nicht verheiratet sei. Der Eingriff in das Privatleben sei aber zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - auch wenn dem Beschwerdeführer zugute gehalten werde, dass er für seinen Lebensunterhalt selbst aufkomme und unbescholten geblieben sei - dringend notwendig. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme nämlich gerade den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Zudem liefe es dem genannten öffentlichen Interesse zuwider, wenn ein Fremder seinen weiteren Aufenthalt durch Tatsachen erzwingen könnte, die während einer Zeit geschaffen worden seien, in der er rechtens nicht mit einem längeren Verbleib in Österreich hätte rechnen dürfen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerde gesteht zu, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Ihr sind auch keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

In dieser Hinsicht erwidert die Beschwerde den oben wiedergegebenen Ausführungen der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei ausschließlich deshalb in Österreich eingereist, um hier um Asyl anzusuchen und nicht um sich hier niederzulassen. Die Länge seines Asylverfahrens (bis zur Zustellung des Ablehnungsbeschlusses des Verwaltungsgerichtshofes am 28. April 2008) von vier Jahren und fünf Monaten sei aber nicht vom Beschwerdeführer zu verantworten. Im Übrigen könne die Ausweisung des Beschwerdeführers nicht mit seiner illegalen Einreise gerechtfertigt werden. Nach Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) dürfe unter bestimmten Voraussetzungen über Flüchtlinge wegen deren illegaler Einreise keine Strafe verhängt werden. Die Ausweisung des Beschwerdeführers wegen seiner illegalen Einreise käme einer derartigen, nach Art. 31 FlKonv verpönten Bestrafung gleich.

Bei dieser Argumentation lässt der Beschwerdeführer vor allem außer Acht, dass sein Asylantrag rechtskräftig abgewiesen und ihm auch kein Abschiebungsschutz gewährt wurde, und zwar (wie sich aus dem diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergibt), weil die Asylbehörden vom Bestehen ausreichenden staatlichen Schutzes vor der behaupteten Privatverfolgung in Indien und von der Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative ausgegangen sind. Stützte sich der Beschwerdeführer aber auf einen (von Anfang an) nicht berechtigten Asylantrag, so durfte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer auch seine seinerzeitige illegale Einreise zum Vorwurf machen und insofern eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen annehmen. Im Übrigen ist die Ausweisung eine bloße administrativrechtliche Maßnahme (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1998, Zl. 98/21/0441) und stellt daher ebenso wie ein Aufenthaltsverbot keine "Strafe" im Sinne des Art. 31 FlKonv dar (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 5. Oktober 2000, Zl. 98/21/0270, vom 26. November 2002, Zl. 99/18/0134, und vom 4. September 2003, Zl. 2003/21/0125). Außerdem bleibt der Beschwerdeführer eine nachvollziehbare Begründung dafür schuldig, warum sich die genannte Bestimmung nicht nur auf Flüchtlinge, sondern auch auf ehemalige Asylwerber, deren Verfahren negativ beendet wurde, beziehen soll (vgl. demgegenüber das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2006/21/0277).

Im Übrigen wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde ohnehin nicht zum Vorwurf gemacht, er sei für die (lange) Dauer des Asylverfahrens verantwortlich. Es entspricht aber der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, dass das Interesse eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht maßgeblich gemildert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich auszugehen, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die integrationsbegründenden Umstände während eines Aufenthaltes erworben wurden, der sich auf einen (von Anfang an) nicht berechtigten Asylantrag gründet (vgl. dazu die Nachweise in dem Erkenntnis vom 17. Juli 2008, Zl. 2008/21/0220; siehe auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2008/21/0655, 0656). Unter diesem - auch fallbezogen relevanten - Aspekt ist darauf hinzuweisen, dass im Asylverfahren des Beschwerdeführers der erstinstanzliche negative Bescheid bereits wenige Tage nach seiner Einreise ergangen war.

Der Meinung der belangten Behörde, es bestehe für den Beschwerdeführer keine Möglichkeit, den unberechtigten Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, hält der Beschwerdeführer - unter Berufung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichthofes vom 11. Dezember 2007, B 1263, 1264/07 - entgegen, dass die Inlandsantragstellung in Bezug auf Aufenthaltstitel zugelassen werden müsse, wenn humanitäre Gründe im Sinne des § 72 NAG vorliegen. Mit diesem Hinweis ist aber für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Das Vorliegen von humanitären Gründen wäre - abgesehen vom Fall einer Gefährdung im Sinne des § 50 FPG - nämlich nur dann anzunehmen, wenn der Fremde (ausnahmsweise) einen aus Art. 8 EMRK ableitbaren Anspruch auf Verbleib in Österreich hätte. In diesen Fällen wäre aber auch eine Ausweisung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK unzulässig (vgl. in diesem Sinn bereits das hg. Erkenntnis vom 26. September 2007, Zlen. 2007/21/0247, 0248).

In den weiteren Ausführungen meint der Beschwerdeführer, die öffentliche Ordnung werde durch seinen Verbleib schon deshalb nicht beeinträchtigt, weil er sich während seines langjährigen Aufenthalts in Österreich nie etwas habe zu schulden kommen lassen, sich immer gesetzestreu verhalten habe und demnach unbescholten sei. Eine Gefährdung des wirtschaftlichen Wohls sei wegen seines aus der Tätigkeit als selbständiger Zeitungskolporteur erzielten Einkommens auszuschließen.

Damit verkennt der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde seine Ausweisung zur Erreichung des von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Zieles der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesen verfügt hat. Es trifft aber auch zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0311). Geht man davon aus, dass der etwa fünfjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich durch eine illegale Einreise erlangt wurde und - soweit er rechtmäßig war - auf einem unbegründeten Asylantrag beruhte und seit Ende Jänner 2008 unrechtmäßig ist, dann kann der belangten Behörde somit nicht entgegen getreten werden, dass sie in dem Gesamtverhalten des Beschwerdeführers eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat.

Demgegenüber reichen die geltend gemachten, nur das Privat- und nicht auch das Familienleben des Beschwerdeführers betreffenden Umstände - vor allem seine Berufstätigkeit, Deutschkenntnisse, großer Freundes- und Bekanntenkreis sowie "ortsübliche" Unterkunft - auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK oder des Ermessens von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten (illegale Einreise und unrechtmäßiger Verbleib nach negativer Beendigung des Asylverfahrens) versucht, vollendete Tatsachen ("fait accompli") zu schaffen (vgl. dazu auch den ähnlich gelagerten Fall, der dem schon erwähnten Erkenntnis vom 17. Juli 2008, Zl. 2008/21/0220, zugrunde lag).

Die in der Beschwerde für den Standpunkt des Beschwerdeführers schließlich auch noch ins Treffen geführten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 5. März 2008, B 61/08, und B 1918/07, betreffen insoweit - entscheidungswesentlich - anders gelagerte Fälle, als die dortigen Beschwerdeführer familiäre Anknüpfungspunkte zu österreichischen Staatsangehörigen aufzuweisen hatten. Auch den hg. Erkenntnissen vom 5. Juli 2005, Zl. 2004/21/0124, und vom 27. Februar 2007, Zl. 2005/21/0374, liegen nicht vergleichbare Sachverhalte mit wesentlich stärkeren Inlandsbindungen zugrunde, sodass auch daraus - anders als die Beschwerde meint - für die vorliegende Konstellation nichts zu gewinnen ist. Gleiches gilt schließlich für die Regelung des § 7 Abs. 2 AsylG 2005, die sich auf Asylberechtigte bezieht und keine Rückschlüsse auf die Stellung von ehemaligen (abgelehnten) Asylwerbern zulässt.

Die in der Beschwerde noch angesprochenen Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in Indien vermögen schließlich das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr - letztlich auch als Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von Abschiebungsschutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens seines Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen.

Zusammenfassend kann der belangten Behörde somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des vorliegenden Falles die Ausweisung des Beschwerdeführers für zulässig erachtete.

Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Jänner 2009

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