AsylG 2005 §34
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L514.2149174.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch XXXX als gesetzlichen Vertreter, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2017, Zl. 1071488609/150595915 RD Niederösterreich, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.06.2017 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der minderjährige Beschwerdeführer, ein iraksicher Staatsbürger jezidischen Glaubens, reiste gemeinsam mit seinem Onkel XXXX über die Türkei nach Europa, wo sie jeweils am XXXX2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Hierzu wurde der Beschwerdeführer am 02.06.2015 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.
Im Rahmen dieser Erstbefragung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er aufgrund des Umstandes, dass die IS Terroristen Jeziden im Irak verfolgen würden, das Land verlassen habe. Auf der Flucht habe er auch seine Eltern und Geschwister verloren.
Zu seinen persönlichen Verhältnissen führte der Beschwerdeführer aus, dass er aus XXXX stamme. Im Irak seien nach wie vor seine Eltern und seine Geschwister aufhältig.
Mit Beschluss vom XXXX2015 des BG XXXX, Zl. XXXX, wurde XXXX die alleinige Obsorge für den Beschwerdeführer übertragen.
Am 19.10.2015 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) in Anwesenheit seines gesetzlichen Vertreters niederschriftlich befragt. Er führte ergänzend aus, dass er aus dem Dorf XXXX stamme, wo er die Schule besucht und mit seiner Familie gelebt habe. Als der IS gekommen sei, seien sie über Syrien in die Türkei geflüchtet. Danach seien sie weiter gereist und hätten in einem Flüchtlingslager nahe XXXX gelebt, wo sich seine Familie nach wie vor aufhalten würde.
Am 20.05.2017 wurde der Beschwerdeführer neuerlich vor dem BFA niederschriftlich befragt. Im Rahmen dieser Befragung wurde der Name des Beschwerdeführers, sein Vatersname und der Stammesname richtiggestellt.
Mit Bescheid des BFA vom 24.01.2017, 24.01.2017, Zl. 1071488609/150595915 RD Niederösterreich, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und ihm der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt.
Begründend wurde vom BFA ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bzw sein gesetzlicher Vertreter eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat aus näher dargestellten Gründen nicht glaubwürdig darlegen habe können.
Auf Grund der allgemeinen Lage im Irak sei für den Beschwerdeführer derzeit eine Rückkehr nicht möglich, weshalb ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten und gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt wurden.
Gegen diesen am 02.02.2017 dem Onkel des Beschwerdeführers als gesetzlichen Vertreter ordnungsgemäß zugestellten Bescheid wurde mit Schreiben vom 28.02.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen das bisher vom Onkel des Beschwerdeführers Gesagte wiederholt und ergänzend dargetan, dass er mit dem Betreiber eines Geschäftes, welches neben seinem gewesen sei, immer wieder Probleme gehabt habe. Als der IS in das Dorf gekommen sei, habe sich dieser sofort in deren Dienste gestellt und den Onkel des Beschwerdeführers konkret mit dem Umbringen bedroht, würde er nicht zum Islam konvertieren. Im Falle einer Rückkehr werde der Onkel des Beschwerdeführers getötet werden, da alle muslimischen Bewohner wissen würden, dass auf seine Familie eine Fatwa ausgesetzt worden sei, weil sie Jeziden seien. Weiters sei vor einigen Tagen von einem islamischen Imam eine Fatwa gesetzt worden, die besagen würde, dass die Verfolgung der Jeziden keine Sünde sei, weil sie Ungläubige seien. Aus diesem Grund sei die Familie des Onkels des Beschwerdeführers gezwungen gewesen, das Flüchtlingslager zu verlassen und würden sie nunmehr im XXXX unter menschenunwürdigen Bedingungen in Zelten leben. Ein friedliches Leben sei auch in Kurdistan aufgrund der jahrhundertelangen Verfolgung von Jeziden nicht möglich.
2. Am 09.06.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache des Beschwerdeführers und seines Onkels eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation darzulegen. Weiteres wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme zu den aktuellen Länderfeststellungen abzugeben, wovon auch Gebrauch gemacht wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
1.1. Der minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak und jezidischen Glaubens. Er stammt aus dem Dorf XXXX, im Distrikt XXXX, Provinz XXXX, wo er auch aufgewachsen ist und die Schule besucht hat.
Bereits im XXXX 2014 reiste der Beschwerdeführer in die Türkei, wo er sich etwa einen Monat lang aufgehalten hat. In der Folge kehrte er jedoch in den Irak zurück, wo er sich in einem Flüchtlingslager nahe XXXX niedergelassen hat, ehe der Beschwerdeführe gemeinsam mit seinem Onkel im Jahr 2015 neuerlich den Irak Richtung Europa verlassen hat. Am XXXX2015 stellte der Beschwerdeführer nach illegaler Einreise gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.
Im Irak halten sich nach wie vor die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers sowie eine Reihe weiterer Verwandter auf.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Irak eine asylrelevante - oder sonstige - Verfolgung oder Strafe maßgeblicher Intensität oder die Todesstrafe droht.
1.2. Zur Lage im Irak, im speziellen im Nordirak
Zusammenfassung (AA 07.02.2017)
* Laut Verfassung ist Irak ein demokratischer Rechtsstaat mit allen Merkmalen der Gewaltenteilung. In Irak wurde im September 2014 eine Regierung der nationalen Einheit unter Premierminister Al-Abadi (Da'wa-Partei, Rechtsstaatskoalition) mit Beteiligung aller großen Parteienblöcke gebildet.
* Die Sicherheitslage in Irak hatte sich ab Mitte 2014 vor allem durch den Vormarsch der terroristischen Organisation "Islamischer Staat in Irak und Syrien" (i. F. IS) dramatisch verschlechtert und hat sich 2015 und 2016, außer in einigen vom IS zurückeroberten Gebieten nicht verbessert. Schwerpunkte terroristischer Aktivitäten bleiben Bagdad sowie die Provinzen Anbar, Ninawa, Salah al-Din und Diyala im Norden und Westen des Landes. Teile dieser Provinzen sind weiterhin nicht vollständig unter Kontrolle der Zentralregierung. Systematische, grausamste Verbrechen von IS an Tausenden Menschen bis hin zu Versuchen, ganze Bevölkerungsgruppen zu vernichten, prägen hier das Bild. Rund 17 Millionen Menschen (53% der Bevölkerung) sind von Gewalt betroffen. Als Reaktion auf den Vorstoß des IS wurden auch viele Milizen in Irak wieder mobilisiert. Gewalttaten gegen Zivilisten gehen nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen und der Vereinten Nationen auch von irakischen Sicherheitskräften und Milizen aus.
* Weiterhin gespannt ist das Verhältnis der Zentralregierung zur Region Kurdistan-Irak, die einen semi-autonomen Status innehat. Grundlegende Fragen zwischen Bagdad und Erbil bleiben bisher ungelöst, insbesondere die Verteilung der Öl-Einnahmen. Nach Zerbrechen der Allparteienkoalition in der Region Kurdistan-Irak im August 2015 ist auch dort das innenpolitische Klima angespannt. 2016 bildet der gemeinsame Kampf gegen den IS eine Basis für Kooperation. Ein Durchbruch bei der Verbesserung der Beziehungen ist jedoch bisher nicht erkennbar.
* Verstöße gegen die Menschenrechte sind auch außerhalb des vom IS beherrschten Gebietes weit verbreitet. Besonders problematisch sind Folter und Defizite im Justizsystem sowie der Umgang mit Journalisten. Offiziell anerkannte Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden, genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Region Kurdistan-Irak, oft benachteiligt. Die Hauptsiedlungsgebiete der Minderheiten, darunter Jesiden und Christen, liegen in den Gebieten Nordiraks, die im Sommer 2014 unter die Kontrolle von IS gerieten. Dabei kam es zu systematischer Verfolgung, Zwangskonversion, Massenvertreibungen und -hinrichtungen von Angehörigen religiöser Minderheiten sowie Verschleppungen und sexueller Gewalt gegen Frauen und Kinder. Insbesondere Angehörige der Minderheiten, aber auch schiitische Angehörige der Sicherheitskräfte wurden und werden in den von IS beherrschten Gebieten Opfer von Gräueltaten.
* Die irakischen Sicherheitskräfte sind nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Gerichte und Sicherheitskräfte verfügen nicht über ausreichend qualifiziertes Personal, es fehlt an rechtsstaatlichem Grundverständnis. Gewalttaten bleiben oft straflos.
* Die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen, die seit Januar 2014 innerhalb Iraks aus ihren Heimatorten geflohen sind, liegt bei ca. 3,11 Millionen (Stand: Dezember 2016). Davon sind rund 1,27 Millionen Irakerinnen und Iraker mittlerweile wieder in die vom IS befreiten Gebiete zurückgekehrt. Die Provinzen Anbar, Ninawa und Salah Al-Din sind besonders stark von Vertreibungen betroffen. Über 11,3 Mio. Binnenvertriebene halten sich in der Region Kurdistan-Irak auf. Über 10 Mio. Menschen im Irak, also knapp ein Drittel der Bevölkerung, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.
* Die Offensive zur Befreiung Mosuls, der zweitgrößten Stadt des Irak, begann am 17. Oktober 2016. Durch die militärischen Erfolge der Anti-IS-Koalition besteht die Befürchtung, dass der IS verstärkt zu einer asymmetrische Kampfführung übergeht. Die Gefahr von Sprengstoffanschlägen und anderen terroristischen Angriffen könnte dadurch weiter steigen.
* Die nächsten Parlamentswahlen sind 2018 fällig. Allerdings erwarten einige Beobachter vorgezogene Wahlen für 2017. Regionalwahlen sind für April 2017 angesetzt. Wahlen in der Region Kurdistan, die seit August 2015 verschoben wurden, werden ebenfalls für 2017 erwartet.
Sicherheitslage (LIB 08.04.2016 mit Stand 16.02.2017)
2016 war für den Irak ein weiteres turbulentes Kriegsjahr. Die Terrormiliz Islamischer Staat büßte durch den Verlust wichtiger Städte (u.a. Ramadi Anfang 2016 und Falluja im Juni 2016) massiv an Territorium ein. [...] Die derzeit laufende Offensive zur Rückeroberung Mossuls ist nach wie vor im Gange. Der IS, der noch knapp 4.000 Kämpfer in Mossul haben dürfte, wehrt sich mit Selbstmordkommandos, Scharfschützen, Drohnenbomben und chemischen Waffen, wie Chlor- und Senfgas (IFK 1.2017).
Die territoriale Zurückdrängung des IS hat die Zahl der terroristischen Anschläge in den genannten Provinzen nicht wesentlich verringert, in manchen Fällen sogar eine asymmetrische Kriegsführung des IS mit verstärkten terroristischen Aktivitäten provoziert (AA 7.2.2017). Der IS führte im Irak im Jahr 2016 über ein Dutzend Selbstmordanschläge und Autobomben-Anschläge durch. Am 3. Juli 2016 kamen bei einem Autobomben-Anschlag in Bagdad über 200 Menschen ums Leben, hunderte weitere wurden verletzt. Der IS hält weiterhin ungefähr 3.200 jesidische Frauen und Kinder fest, die meisten davon werden in Syrien festgehalten (HRW 1.2017).
Laut UNAMI hat der IS seine Anschläge zunehmend auf Märkten und in Wohngegenden verübt, und hat dabei vorwiegend auf Zivilisten, auch Frauen, Kinder und ältere Personen abgezielt (UNAMI 1.2.2017). Am 2.1.2017 fand beispielsweise in einer belebten Straße im schiitisch dominierten Viertel Sadr City in Bagdad ein größerer Autobombenanschlag statt, bei dem 35 Menschen starben und über 60 verletzt wurden (BBC 2.1.2017).
Im Zusammenhang mit der Zurückdrängung des Kontrollgebietes des IS sieht das Institute for the Study of War (ISW) bereits jetzt das erneute Aufflammen von Aufständen von Seiten der Sunniten im Irak, die durch die Schwächung des IS und den dadurch entstehenden Freiraum wieder Fuß fassen können. Regierungsfeindliche Gruppen formieren sich einerseits, weil die Sunniten im konfessionell geprägten Konflikt von der schiitisch dominierten Regierung weiterhin zunehmend marginalisiert werden, und sie Angst vor den an Bedeutung gewinnenden vom Iran aus gelenkten schiitischen Milizen haben. Andererseits werden diese Probleme von Seiten der bereits/nach wie vor existierenden radikalen Gruppen wie Al Qaeda und ex-/neo-baathistischen Gruppen wie Jaysh al-Rijal al-Tariqa al-Naqshbandiya (JRTN) benutzt, um sunnitische Bürger für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Diese Gruppen sind - Annahmen des ISW zufolge - bereits jetzt zunehmend für Anschläge im Irak verantwortlich. Die US-geführte Koalition gegen den IS habe sich zu sehr auf das Zurückdrängen des IS konzentriert und andere Organisationen vernachlässigt (ISW 7.2.2017).
Bei der Rückeroberung IS-kontrollierter Gebiete kam es weiterhin zu Exekutionen, Folter und Misshandlungen der örtlichen Bevölkerung durch schiitische Milizen der Popular Mobilisation Forces (HRW 1.2017).
Kurden (AA 07.02.2017)
Von ethnisch-konfessionellen Auseinandersetzungen sind auch Kurden betroffen, soweit sie außerhalb der Region Kurdistan-Irak leben. Im Konflikt um die Zukunft von Kirkuk, aber auch in Mosul kommt es immer wieder zu Übergriffen und Anschlägen auf Kurden. Aus Gebieten, die durch kurdische Peschmerga vom IS zurückerobert wurden, wird teilweise berichtet, dass den vertriebenen sunnitischen und auch schiitischen arabischen Bewohnern eine Rückkehr nicht gestattet wird und Häuser von vermeintlichen IS-Kollaborateuren zerstört werden. Nach der Befreiung von Ortschaften aus den Händen der Terrormiliz IS kommt es teilweise im Nachgang zu Machtkämpfen um die Vorherrschaft im jeweiligen Gebiet; so wurde Sommer/Herbst 2016 über Zusammenstöße zwischen kurdischen Peschmerga und schiitischen Milizen in der Stadt Tuz Khurmatu berichtet.
Jesiden (AA 07.02.2017)
Die Zahl der monotheistisch-synkretistischen Jesiden in Irak liegt nach eigenen Angaben bei etwa 450.000 bis 500.000. Die Mehrzahl siedelte im Norden Iraks, v. a. im Gebiet um die Städte Sindschar (zwischen Tigris und syrischer Grenze), Schekhan (Provinz Ninawa) und in der Provinz Dohuk. Für die Extremisten des IS sind Jesiden "Ungläubige" (sog. "Teufelsanbeter"), die mit dem Tod bestraft werden können. Die schwersten Menschenrechtsverletzungen an ihnen wurden bereits beschrieben. Viele Jesiden leben derzeit in Flüchtlingslagern, besonders in der Region Kurdistan-Irak, ein großer Teil trägt sich mit Auswanderungsplänen. Außerdem gibt es in der Stadt Dohuk, nahe des jesidischen Heiligtums Lalesh, sehr viele Jesiden, die dort weitgehend ohne Unterdrückung oder Verfolgung leben. Eine Rückkehr nach Sindschar war bis Ende 2016 kaum möglich, da sich nach der Befreiung aus den Händen des IS im Stadtgebiet verschiedene Milizen bekämpfen.
Jesidische Binnenvertriebene (UNHCR Anfrage 04.03.2016)
Es wurde festgestellt, dass jesidische Binnenflüchtlinge (IDPs) im Allgemeinen mit weniger Beschränkungen in der KR-I konfrontiert sind, als Binnenflüchtlinge mit arabischer oder turkmenischer Volkszugehörigkeit. Beispielsweise wird es jesidischen Binnenvertriebenen und Zugehörigen anderer Minderheiten erlaubt, ihre Identitätspapiere zu behalten, während die Identitätspapiere von arabischen IDPs häufig konfisziert werden und dadurch ihre Bewegungsfreiheit weitgehend eingeschränkt wird. Desweiteren ist es für jedsidische Binnenflüchtlinge nicht erforderlich, Aufenthaltserlaubnisse in der KR-I zu besitzen. Jedoch wird von ihnen gefordert, ein Wohnungs-Schreiben von ihrem lokalen Asayish (kurdisch für Sicherheit) einzuholen, wenn sie eine Unterkunft in einer urbanen Gegend mieten wollen. Diese Wohnungserlaubnis wird ebenfalls benötigt, um sich beim Ministerium für Vertreibung und Migration (MoMD) registrieren zu können.
Die Sicherheitssituation in der Region Kurdistan bleibt relativ stabil. Die Sicherheitskräfte befinden sich in Alarmbereitschaft und ergreifen verschärfte Sicherheitsmaßnahmen, damit Angriffe seitens der ISIS und der ihr assoziierten Gruppierungen verhindert werden können. An den Grenzen der Region Kurdistan kommt es weiterhin zu bewaffneten Übergriffen zwischen den kurdischen Kräften und der ISIS, die es bewältigt, ihre Angriffe hauptsächlich gegen Regierungs- und Sicherheitseinrichtungen in Gebieten unter de facto, und in einem viel geringerem Ausmaß in Gebieten unter de jure Kontrolle der KRG (Regionalregierung Kurdistan) durchzuführen.
Ausweichmöglichkeiten (AA 07.02.2017)
Innerirakische Migration in die Region Kurdistan-Irak ist grundsätzlich möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte, muss zur Asayisch-Behörde des jeweiligen Bezirks gehen und sich anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht. Durch den Zustrom von Binnenvertriebenen ist die Region Kurdistan-Irak an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit angelangt. Mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge sind allein seit Anfang 2014 nach Kurdistan-Irak geflohen. Hinzu kommen mehr als 250.000 syrische Flüchtlinge. 2015 und 2016 sind weitere Flüchtlingslager entstanden. Auch wegen der eigenen Finanzkrise sieht sich die kurdische Regionalregierung nicht mehr in der Lage, weiter Flüchtlinge aufzunehmen.
Auch die Hauptstadt Bagdad (ca. 570.000) und in geringerem Maße der schiitisch geprägte Südirak (ca. 200.000) haben zahlreiche Binnenvertriebene aus umkämpften Gebieten aufgenommen. Aus Furcht vor der Infiltration von Terroristen sind die Grenzen von Bagdad, Kerbela und Babel für weitere Vertriebene fast vollständig geschlossen. Rückkehrer aus dem Ausland, die derzeit nicht in ihre noch vom IS kontrollierte Heimat zurückkehren können, haben daher kaum eine Möglichkeit, einen sicheren Aufnahmeplatz in Irak zu finden. Ausnahmen stellen ggf. Familienangehörige in nicht umkämpften Landesteilen dar.
IDPs und Flüchtlinge / Bewegungsfreiheit (LIB 08.04.2016 mit Stand 16.02.2017)
Der Irak ist seit über einem Jahrzehnt Schauplatz enormer Vertreibungswellen. Innerhalb der letzten beiden Jahre hat sich dies auf Grund der Verschlechterung der Sicherheitslage im Zentral- und Südirak noch einmal massiv verschärft (RI 2.11.2015). Seit Januar 2014 sind geschätzte 3,2 Millionen Menschen zu Internvertriebenen (IDPs) geworden (Stand 1. Jänner 2016). Über 10 Millionen Menschen sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen (UNOCHA 4.1.2016). Außerdem befinden sich im Irak rund 245.000 syrische Flüchtlinge (WFP 15.12.2015).
Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und dem IS führten dazu, dass fast 3,2 Mio. Menschen aus den Provinzen Anbar, Niniveh und Salah al-Din ihre Heimat verließen und in anderen Teilen des Landes Schutz suchten. Viele flohen in die Region Kurdistan oder in andere Provinzen. Einige der Binnenvertriebenen wurden mehr als einmal vertrieben. Im Mai 2015 flohen etwa 500.000 Menschen aus der Provinz Anbar, nachdem der IS die Provinzhauptstadt Ramadi eingenommen hatte. Vielen von ihnen wurde eine Aufnahme in Bagdad von den Behörden verwehrt. Die humanitären Bedingungen für die Binnenvertriebenen waren nach wie vor hart; in vielen Fällen hatten sie keinen Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen. Einige Vertriebene sollen in der kurdischen Stadt Sulaimaniyah von der dortigen Bevölkerung tätlich angegriffen und verletzt worden sein. Andere, die in die Region Kurdistan geflohen waren, wurden inhaftiert, weil man sie verdächtigte, mit dem IS in Verbindung zu stehen.
IOM dokumentierte für den Zeitraum 1. Jänner 2014 bis 3. Dezember 2015 3.195.390 internvertriebene Iraker (532.565 Familien). In den Provinzen Bagdad und Anbar befinden sich mit jeweils 18 Prozent die größten Anteile dieser IDPs, in Dahuk 13 Prozent, Kirkuk 12, Erbil 10, Ninewa 7 und in Suleimaniya 5 Prozent. Bis Dezember 2015 seien Berichten zufolge 458.358 Personen zu ihrem Herkunftsort zurückgekehrt (IOM 18.12.2015). Die folgende Grafik zeigt die Herkunftsregionen der IDPs in Prozent:
Bild kann nicht dargestellt werden
(Quelle: IOM 3.2016)
Die Hauptstadt Bagdad (ca. 570.000) und in geringerem Maße der schiitisch geprägte Südirak (ca. 200.000) haben zahlreiche Binnenvertriebene aus umkämpften Gebieten aufgenommen. Aus Furcht vor der Infiltration von Terroristen kam es jedoch zeitweise zur Schließung von Provinzgrenzen. So wurde z.B. im Mai 2015 Flüchtlingen, besonders jungen Männern, aus Anbar der Zugang nach Bagdad verwehrt (AA 18.2.2016). Es gab Berichte, dass IDPs aufgrund ihrer Identität oder Herkunft der Zugang zu sicheren Gebieten versperrt wurde, wodurch sie potentieller Gefahr ausgesetzt wurden. In zahlreichen Gebieten waren IDPs Einschränkungen der Bewegungsfreiheit ausgesetzt, die gegen internationale Standards verstoßen. Der für diese Einschränkungen angegebene Grund ist zumeist die Furcht vor militanten Gruppen, die in Checkpoints eindringen oder Schläferzellen aufbauen könnten. Seit Jänner 2015, als der IS in Anbar erstmals aktiv wurde, wurden Berichte von Menschen, die an Checkpoints festgehalten wurden und daran gehindert wurden, bestimmte Provinzen des Irak zu betreten, immer häufiger. Es gibt regelmäßige Berichte von Zugangssperren in von der irakischen Regierung kontrollierte Gebiete, sowie auch in unter der Kontrolle der Autonomieregion Kurdistan stehende Gebiete. Laut OCHA sind zahlreiche Checkpoints für IDPs geschlossen, zuletzt v.a. im Süden von Sulaymaniyah und in der Provinz Kirkuk. Im Süden verhindern die Zugangsbeschränkungen das Vorankommen von sunnitischen IDPs in die vorwiegend schiitischen Provinzen. Das betrifft viele Familien aus Anbar, die z.B. nach Bagdad, Karbala und Basra wollen. Generell gibt es starke Einschränkungen der Bewegungsfreiheit aufgrund von konfessionellen Spannungen, insbesondere in Bagdad und Salah al-Din, und dies beeinträchtigt die Möglichkeit der Menschen, Zugang zu Versorgungsleistungen und Unterstützung zu finden (IRIN 19.5.2015).
Laut UK Home Office hängen die beobachteten Zugangsbeschränkungen meist mit bestimmten Kriterien zusammen, wie der Zusammensetzung der Familie, dem religiösen und ethnischen Hintergrund, dem Herkunftsort, dem Alter, in der betreffenden Provinz und dem Mangel an Aufnahmekapazitäten (Home Office 11.2015, bzgl. des Kriteriums Alter: UNAMI 13.7.2015). Männern, die älter sind als 18 Jahre, ist beispielsweise die Einreise in die Provinz Qadisiya verwehrt worden, während die Provinzen Najaf und Wassit im Berichtszeitraum Dezember 2014 - April 2015 gar keinen neuen IDPs Einlass gewährten (UNAMI 13.7.2015). Die Provinz Babil (Anm.: auch Babylon) hat ab Mai 2015 ebenfalls keine IDPs mehr eingelassen (IOM 11.2015). Die Kriterien, die an solchen Zugangs-Checkpoints gelten, müssen nicht unbedingt klar definiert sein oder können sich plötzlich ändern. Eine häufig angewandte Beschränkung der Bewegungsfreiheit ist das sogenannte "Sponsorensystem". Personen, die in eine Provinz einreisen wollen, müssen einen Sponsor (eine Referenzperson, die im Zielgebiet lebt) vorweisen (Home Office 11.2015). Ein solches Sponsorensystem wird z. B. angewendet auf IDPs aus Anbar, die nach Bagdad flüchten wollen, sowie für viele IDPs, die in die kurdische Autonomieregion flüchten wollen (Home Office 11.2015) [Anm.: Für die Kurdenregion hat es diesbezüglich Änderungen gegeben, s. dazu Abschnitt 11.1.]. Im November 2015 berichtete auch IOM, dass die Bewegungsmöglichkeiten der Flüchtlinge nun noch mehr eingeschränkt seien, da die meisten Provinzen ein neues Gesetz angenommen hätten, das Binnenvertriebene dazu verpflichte, bei der Ankunft einen lokalen Bürgen vorzuweisen (IOM 11.2015).
Selbst wenn der Zugang gewährt wird, kann es für IDPs zusätzliche Anforderungen geben, um sich bei den lokalen Behörden zu registrieren (Home Office 11.2015). Der UNHCR berichtete bereits im Oktober 2014, dass speziell im Süden des Irak Binnenvertriebene von Provinz zu Provinz reisen, um Behörden zu finden, die sie registrieren, damit sie Zugang zu Leistungen wie z.B. Grundversorgung, Bildung und Bargeldversorgung erhalten. Darüber hinaus wird berichtet, dass die Fortbewegungsfreiheit der IDPs zusätzlich durch Unsicherheit (auch auf Grund konfessioneller Spannungen) und laufende militärische Operationen eingeschränkt ist. Der Großteil der Verbindungswege wird von bewaffneten Gruppen kontrolliert (UNHCR 10.2014). Zum Teil werden IDP-Familien nur dann durch einen Checkpoint gelassen, wenn sich die erwachsenen Männer bereit erklären den paramilitärischen Einheiten der Volksmobilisierung (PMU) beizutreten (UNAMI 13.7.2015). Die Ankunft von IDPs in einem bestimmten Gebiet verschärft immer auch die Spannungen zwischen den ethno-religiösen Gruppen (Home Office 11.2015).
In den Gebieten, die die Kurden vom IS zurückerkämpft haben, insbesondere in den von den Kurden neu besetzten Gebieten werden arabische IDPs von kurdischen Sicherheits-/Streitkräften zu tausenden in sogenannten Sicherheitszonen festgehalten. Sie werden davon abgehalten, in ihre Wohngebiete zurückzukehren, während die kurdischen IDPs zurückkehren dürfen. Teilweise werden auch gezielt Häuser von Arabern zerstört, damit diese nicht zurückkehren. Außerdem kommt es vor, dass Araber von KRI-Streitkräften ohne Anklage für längere Zeit inhaftiert werden (HRW 25.2.2015). Auch für die Stadt Kirkuk und Umgebung liegen Berichte vor, denen zufolge Sunniten von Kurden aus ihren Gebieten vertrieben werden (Deutschlandfunk 15.7.2015).
Die IDPs leben in gemieteten Unterkünften, unfertigen Gebäuden, Notunterkünften, oft ohne adäquate Ernährung, Wasserversorgung oder medizinische Versorgung. Von den 3,2 Millionen IDPs befinden sich in etwa 2,3 Millionen im Zentral- und Südirak (RI 2.11.2015). Das World Food Programme setzte sich das Ziel, 2,2 Millionen Vertriebene und vom Konflikt betroffene Personen im Irak mit einer monatlichen Essensration zu versorgen. Auf Grund der Zugangsbeschränkungen musste das Word Food Programme seine Hilfsleistungen zurückstufen und versorgt nun lediglich 1,5 Millionen Menschen jeden Monat (WFP 1.12.2015). Das World Food Programme war auf Grund von Unterfinanzierung dazu gezwungen, die Essensrationen um bis zu 50 Prozent zu verringern, was dazu führt, dass viele Familien, die bisher versorgt waren, nun ebenfalls unter Nahrungsmittel-Unsicherheiten leiden (UN News Service 27.11.2015).
In den nicht-kurdischen Gebieten erreicht die humanitäre Hilfe die Menschen weitaus seltener als in der kurdischen Autonomieregion teilweise, weil es an Information mangelt, welche Güter/Leistungen benötigt werden und wie diese dorthin transportiert werden sollen, und teilweise, weil gewaltsame Konflikte es den humanitären Organisationen praktisch unmöglich machen, in diesen Gegenden zu operieren (RI 2.11.2015).
Neben dem IS sind auch die Preisfluktuationen und die reduzierte Wasserversorgung dafür verantwortlich, dass die Nahrungsmittelproduktion im Irak lahm gelegt ist, was die Lage der 2,4 Millionen Iraker, die an unsicherer Nahrungsmittelzufuhr leiden, verschärft (UN News Service 27.11.2015).
Ein UN-Beobachter hat bereits im Mai 2015 die irakischen Behörden für ihr Versagen, den fast 3 Millionen IDPs im Irak adäquate Unterstützung und Schutz zu bieten, massiv kritisiert (IRIN 19.5.2015).
Beispiele für die Rückkehr von Flüchtlingen, die vor dem Terror des IS geflohen waren, gibt es auch. So sind seit der Rückeroberung von Tikrit im vergangenen März durch schiitische Freiwilligenmilizen und die irakische Armee zwei Drittel der einst 200.000 - überwiegend sunnitischen - Einwohner in die Stadt zurückgekehrt (FAZ 15.11.2015).
Humanitäre Lage sowie Zugang zur Autonomieregion Kurdistan (LIB 08.04.2016 mit Stand 16.02.2017)
Der mit Abstand größte Teil der IDPs flüchtet in die vergleichsweise sichere kurdische Autonomieregion (Home Office 11.2015). Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht. Durch den Zustrom von Binnenvertriebenen ist die Region Kurdistan-Irak an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit angelangt. Mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge sind allein seit Anfang des Jahres 2014 nach Kurdistan-Irak geflohen. Hinzu kommen mehr als 250.000 syrische Flüchtlinge (AA 18.2.2016).
Die humanitäre Lage verschlechtert sich zunehmend, u.a. auf Grund des beschränkten Zugangs zu Jobs und wirtschaftlichen Möglichkeiten, was dafür verantwortlich ist, dass viele gezwungen sind, auf den Körper schädigende Hunger-Bewältigungsstrategien umzustellen. Der Bevölkerungszuwachs erhöht den Druck auf die bereits beschränkten Ressourcen und die aufnehmenden Gemeinden. IDP-Familien müssen meist mehrmals innerhalb von Kurdistan übersiedeln, um Arbeit zu finden und ihre Familien ernähren zu können. (UN News Service 27.11.2015).
Die Bevölkerung der Autonomieregion hat sich durch die Flüchtlingswellen um 28 Prozent erhöht. Der kurdischen Regierung (KRG) gelingt es durch diese Situation kaum, den 1,6 Millionen Flüchtlingen und IDPs, die Zuflucht in der Autonomieregion gesucht haben, Unterstützung, Ansiedelungsmöglichkeiten und Schutz bieten zu können. Auch das Gesundheitssystem ist überlastet (HRC 10.2015).
Der Zugang in die KRI kann für IDPs jedoch äußerst schwierig sein und hängt vom religiösen und ethnischen Profil der jeweiligen Personen ab. Die Möglichkeit, Zutritt zur KRI zu bekommen, indem man einen Bürgen vorweist, der in der KRI lebt (diese Regelung gab es v. a. für Araber, Turkmenen und Schabakis), wurde weitgehend wieder abgeschafft, weil dieses Bürgen-System offenbar vorwiegend zu einem Geschäft für Menschen innerhalb der KRI wurde, die gegen Geld als Bürgen auftraten. Seit November 2014 wurde die Aufnahme (über den Landweg) von turkmenischen und arabischen IDPs in die KRI weitgehend gestoppt, abgesehen von jenen, die bereits im Besitz von KRI-Aufenthaltsgenehmigungen sind. Bezüglich Personen, die Minderheiten wie z.B. der jesidischen Minderheit angehören, scheint es so zu sein, dass der Zutritt zur KRI im Normalfall gewährt wird. Die Zugangsbeschränkungen zur KRI folgen keinem konsistenten Muster/ keiner konsistenten Politik und können sich laufend ändern. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses UNHCR-Berichts (März 2016) ist es arabischen, turkmenischen und christlichen IDPs im Normalfall möglich, über den Flughafen in Erbil oder jenen in Sulaymaniyah in die KRI zu gelangen. Araber oder Turkmenen sind (in der KRI) wesentlich häufiger in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, als beispielsweise Jesiden. Araber haben regelmäßig das Problem, dass ihre Papiere konfisziert werden, was ihre Bewegungsfreiheit stark einschränkt (UNHCR 3.2016).
Für nicht aus der KRI stammende Kurden kann es durchaus möglich sein, in die KRI zu übersiedeln/zu flüchten. Das hängt von den besonderen Umständen und der Reiseroute ab. Sie können einen 10-Tages-Besuchsaufenthalt in der KRI beantragen, den sie danach für weitere 10 Tage verlängern können. Falls sie Arbeit finden, können sie länger bleiben, sofern sie sich bei den Behörden registrieren und Details ihres Arbeitgebers preisgeben. Es gibt keine Hinweise, dass die Behörden der KRI pro-aktiv Kurden aus der KRI ausweisen, deren Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist (UK Home Office 11.2015).
Behandlung zurückgeführter Iraker (AA 07.02.2017)
Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u. a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Darauf stellen auch die "Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus Irak" des UNHCR vom Mai 2012 ab.
Während Rückführungen in die Region Kurdistan-Irak auch von Deutschland aus regelmäßig stattfinden, werden Abschiebungen nach Zentralirak aus Deutschland gar nicht und von anderen Staaten sehr verhalten durchgeführt. Schweden, Großbritannien und Australien führen vereinzelt Abschiebungen durch und planen dies auch für die Zukunft. Im September 2016 begann ein informeller Migrationsdialog zwischen EU-Mitgliedstaaten und dem irakischen Innenministerium, der auch das Thema Rückführungen umfassen soll.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
* Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend unter anderem die Niederschriften der Erstbefragung und der Einvernahmen des Beschwerdeführers und seines Onkels sowie den Beschwerdeschriftsatz.
* Einsicht in die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers.
* AA: Bericht des deutschen Auswertigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 07.02.2017
* LIB: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak vom 08.04.2016 (letzte Einfügung am 27.12.2016) unter Beachtung der Kurzinformation der Staatendokumentation vom 16.02.2017
* UNHCR Anfrage: UNHCR Vermerk zur Situation von Jesiden in der Region Kurdistan im Irak (KR-I) vom 04.03.2016
* Einsicht in die vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten Unterlagen.
* Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 09.06.2017.
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet und des Datums seiner Asylantragstellung in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen und die seines Onkels in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren und die diesbezüglichen Unterlagen.
2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:
2.3.1. Das Bundesverwaltungsgericht vermag in den Angaben des Onkels des Beschwerdeführers keine aktuelle und individuelle GFK relevante Verfolgung zu erkennen. In diesem Zusammenhang wird auf die beweiswürdigenden Ausführungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag den Onkel des Beschwerdeführers betreffend verwiesen. Eigene individuelle ausreisegründe wurden für den Beschwerdeführer nicht dargetan.
Was die Einnahme des Dorfes des Beschwerdeführers durch den IS anbelangt, ist Folgendes festzuhalten: Dass Jeziden aus dem XXXX seitens des IS vertrieben bzw getötet wurden, ist als notorisch bekannt vorauszusetzen. Der Onkel des Beschwerdeführers gab auf Nachfrage in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, dass er und seine Familie samt seines Neffen noch vor Einnahme seines Dorfes durch den IS nach XXXX, wo die Familie ein Feld besitzt, flüchten habe können, es somit keinen direkten Kontakt mit dem IS gegeben habe (OZ 6 S 8). Ihm und seiner Familie sei es in der Folge auch gelungen, sich in einem Flüchtlingslager nahe XXXX niederzulassen, wo der Onkel des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführer selbst etwa ein Jahr lang geblieben sseien. Problemen war dort weder er noch seine Familie oder sein Neffe - abgesehen von dem behaupteten Telefonanruf - ausgesetzt.
Die aktuelle Situation im Irak ist entsprechend der herangezogenen Länderberichte derart gestaltet, dass davon auszugehen ist, dass der IS aus dem XXXX Gebiet vertrieben wurde. Mehrere Medien berichten am 31.08.2017 in diesem Zusammenhang übereinstimmend, dass die Provinz XXXX befreit worden sei. Viele Jesiden leben derzeit in Flüchtlingslagern, besonders in der Region Kurdistan-Irak, ein großer Teil trägt sich mit Auswanderungsplänen. Außerdem gibt es in der Stadt Dohuk, nahe des jesidischen Heiligtums Lalesh, sehr viele Jesiden, die dort weitgehend ohne Unterdrückung oder Verfolgung leben. Eine Rückkehr nach Sindschar war bis Ende 2016 kaum möglich, da sich nach der Befreiung aus den Händen des IS im Stadtgebiet verschiedene Milizen bekämpfen.
Es wurde weiters festgestellt, dass jesidische Binnenflüchtlinge (IDPs) im Allgemeinen mit weniger Beschränkungen in der KR-I konfrontiert sind, als Binnenflüchtlinge mit arabischer oder turkmenischer Volkszugehörigkeit. Beispielsweise wird es jesidischen Binnenvertriebenen und Zugehörigen anderer Minderheiten erlaubt, ihre Identitätspapiere zu behalten, während die Identitätspapiere von arabischen IDPs häufig konfisziert werden und dadurch ihre Bewegungsfreiheit weitgehend eingeschränkt wird. Des Weiteren ist es für jedsidische Binnenflüchtlinge nicht erforderlich, Aufenthaltserlaubnisse in der KR-I zu besitzen. Jedoch wird von ihnen gefordert, ein Wohnungs-Schreiben von ihrem lokalen Asayish (kurdisch für Sicherheit) einzuholen, wenn sie eine Unterkunft in einer urbanen Gegend mieten wollen. Diese Wohnungserlaubnis wird ebenfalls benötigt, um sich beim Ministerium für Vertreibung und Migration (MoMD) registrieren zu können.
Die Sicherheitssituation in der Region Kurdistan bleibt relativ stabil. Die Sicherheitskräfte befinden sich in Alarmbereitschaft und ergreifen verschärfte Sicherheitsmaßnahmen, damit Angriffe seitens der ISIS und der ihr assoziierten Gruppierungen verhindert werden können. An den Grenzen der Region Kurdistan kommt es weiterhin zu bewaffneten Übergriffen zwischen den kurdischen Kräften und der ISIS, die es bewältigt, ihre Angriffe hauptsächlich gegen Regierungs- und Sicherheitseinrichtungen in Gebieten unter de facto, und in einem viel geringerem Ausmaß in Gebieten unter de jure Kontrolle der KRG (Regionalregierung Kurdistan) durchzuführen.
Daraus ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht, dass der Beschwerdeführer im von der kurdischen Regionalregierung kontrollierten autonomen Teil des Nordiraks, der die Provinzen Erbil, Dohuk und Sulaimaniya umfasst, nicht der Gefahr einer individuellen Verfolgung aus religiösen Gründen, sei es ausgehend von staatlichen Organen oder von Dritten, oder allenfalls aus anderen Gründen ausgesetzt wären. Auch der Beschwerdeführer selbst bzw sein Onkel hat diesbezüglich über den gesamten Verfahrensverlauf hinweg nichts Substantiiertes vorgebracht, das dem entgegenstehen würde. Des Weiteren ist festzuhalten, dass das Heimatgebiet des Beschwerdeführers mittlerweile vom IS befreit wurde, somit die behauptete Gefährdung aufgrund der Religionszugehörigkeit zum Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) besteht.
2.3.2. Der Vollständigkeit halber ist weiters festzuhalten, dass die für eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative nötigen Voraussetzungen jedenfalls weiterhin gegeben sind. Die geforderte Beständigkeit der im fraglichen Gebiet herrschenden Umstände, insbesondere auch hinsichtlich einer Verfolgungsfreiheit, ist im Lichte der seit August 2014 im Wesentlichen unverändert gebliebenen Lage innerhalb des autonomen Teils des Nordiraks ebenso feststellbar, wobei ergänzend anzumerken ist, dass entgegen der ursprünglich aufgrund der ehemaligen Bedrohung durch Milizen des IS herrschenden Unsicherheit in der Region mittlerweile den Sicherheitskräften der kurdischen Regionalregierung nicht nur die Sicherung der Grenzen ihrer Provinzen, sondern auch die (Rück)Eroberung von zusätzlichen Teilen der Provinzen gelang. Was die zu erwartenden generellen Lebensumstände im Falle einer Einreise in dieses Gebiet angeht, ist aus den länderkundlichen Informationen des Bundesverwaltungsgerichtes zu gewinnen, dass die große Zahl an Flüchtlingen und Binnenvertriebenen, die sich dort seit dem Sommer 2014 angesammelt haben, sowohl die Kapazitäten der regionalen Behörden als auch der regionalen wie internationalen Hilfsorganisationen, was die Unterbringung und Versorgung des nicht bzw. nicht zur Gänze selbsterhaltungsfähigen Anteils der Betroffenen angeht, in größtem Maße beanspruchen. Dennoch gelingt es den Behörden und Organisationen über einen nun schon maßgeblichen Zeitraum von drei Jahren hinweg diese Aufgaben jedenfalls in der Form zu bewältigen, dass die existentiellen Lebensbedürfnisse auch der hilfsbedürftigen Flüchtlinge befriedigt werden können. Im Lichte dieser Erwägungen ist zur Einschätzung zu gelangen, dass der Beschwerdeführer zwar bei einer Rückkehr in die betreffende Region allenfalls mit Einschränkungen des Lebensstandards konfrontiert sein könnte. Aus der Versorgung von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen durch die regionalen Behörden sowie die dort aktiven Hilfsorganisationen in einem so großem Umfang naturgemäß resultierende Einschränkungen des Lebensstandards von Betroffenen erreichen jedoch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht jenes Ausmaß, bei dem davon auszugehen wäre, dass diese Personen Gefahr laufen würden in eine ausweglose Lage zu geraten. Zudem verfügt der Beschwerdeführer über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte, woraus ebenso zu schließen ist, dass er bei einer Rückkehr dorthin nicht mit einer ausweglosen Lage im Hinblick auf die Befriedigung seiner existentiellen Lebensbedürfnisse zu rechnen hätte. Alleine ein solches Risiko würde eine Inanspruchnahme der im von der kurdischen Regionalregierung kontrollierten autonomen Teil des Nordiraks bestehenden innerstaatlichen Fluchtalternative für den Beschwerdeführer unzumutbar machen, was jedoch nach Abwägung aller relevanten Umstände zu verneinen ist. Im Falle des Beschwerdeführers ist weiters hervorzuheben, dass er bereits ein Jahr lang in einem Flüchtlingslager nahe XXXX aufhältig gewesen ist.
2.3.3. Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen der fehlenden Gefahr einer individuellen Verfolgung des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion ist sohin zur Feststellung zu gelangen, dass dem Beschwerdeführer im von der kurdischen Regionalregierung kontrollierten autonomen Teil des Nordiraks alternativ auch eine taugliche und zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stünde.
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus in das Verfahren eingebrachten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Dem Beschwerdeführer bzw seinem Onkel wurde die Möglichkeit eingeräumt, zu den getroffenen Feststellungen eine Stellungnahme abzugeben, wovon auch Gebrauch gemacht wurde. Im Rahmen der Stellungnahme wurde den Länderfeststellungen nicht Substantiiert entgegengetreten, zumal man sich damit begnügt hat, dass man den Ausführungen hinsichtlich des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative für Jeziden in Kurdistan nicht zustimmen würde. Gründe, die dem entgegenstehen würden, wurden jedoch nicht dargetan. Somit wurden keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;
09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;
19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;
25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Eine gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr aus solchen Gründen wurde weder im Verfahren vor dem BFA noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft gemacht.
3.1.3. Im Übrigen ist der Vollständigkeit halber auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative hinzuweisen:
3.1.3.1. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352). Nach der Rechtsprechung des VwGH muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Nach einer in der älteren Rechtsprechung verwendeten Formulierung darf in keinem Teil des Herkunftsstaates Verfolgungssicherheit bestehen (VwGH 10.3.1993, Zl. 03/01/002). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist mit dieser Formulierung jedoch nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, die Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken müsse (VwGH 9.11.2004, Zl 2003/01/0534; VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109).
Nur im Hinblick auf nichtstaatliche Verfolgung ist das Bestehen einer innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht zu ziehen und ist von der Behörde stets zu prüfen, ob die verfolgende Organisation als mächtig eingestuft werden könne beziehungsweise ob eine lokale Begrenztheit des Wirkungskreises dieser Organisation angenommen werden könne (VwGH 15.05.2003, 2002/01/0560).
Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH 8.9.1999, Zl. 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der internen Schutzalternative müsse es Sache der Behörde sein, die Existenz einer internen Schutzalternative aufzuzeigen und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Annahme einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen und nimmt der Verwaltungsgerichtshof mit dieser Rechtsprechung jedenfalls eine Beweislast der Asylbehörden an (VwGH 09.09.2003, 2002/01/0497 und 08.04.2003, 2002/01/0318 sowie zur Ermittlungspflicht VfGH 02.10.2001, B 2136/00).
Aufgrund des sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, Zl.95/20/0295; VwGH 20.3.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069).
Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslose Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, Zl. 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597; VwGH 19.10.2006, Zl. 2006/0297-6; VwGH 30.04.1997, 95/01/0529; VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 24.1.2008, Zl. 2006/19/0985-10). Auch wirtschaftliche Benachteiligungen können asylrelevant sein (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614; VwGH 30.04.1997, 95/01/0529; VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 08.11.2007, 2006/19/0341). Dem gegenüber seien gemäß ständiger Rechtsprechung allfällige aus der Situation des Asylwerbers ableitbare wirtschaftliche beziehungsweise soziale Benachteiligungen nicht geeignet, zu einer Verneinung der inländischen Fluchtalternative zu führen, zumal alleine in allgemeinen schlechten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen keine staatliche Verfolgung gesehen werden könne (VwGH 08.09.1999, 98/01/0620; VwGH 24.10.1996, 95/20/0321; VwGH 10.12.1996, 06/20/0753).
Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzliche ausschließen (siehe VwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427). Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen.
Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).
Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, Zl.95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, Zl. 95/21/0908, 6.11.1998, Zl. 95/21/1121; VwGH 21.11.2002, 2000/20/0185; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).
Darüber hinaus muss es dem Asylsuchenden auch möglich sein müsse, seine politischen oder religiösen Überzeugungen, sowie seine geschützten Merkmale beizubehalten (VwGH 19.12.2001, 98/20/0299).
Zum Wesen und den Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative siehe weiters: UNHCR, Richtlinie zum internationalen Schutz: "Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative" im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 23.07.2003, HCR/GIP/03/04; Artikel 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, Amtsblatt der Europäischen Union L 304 vom 30.09.2004 (Qualifikations- oder Statusrichtlinie) und § 11 AsylG 2005 (bei der Prüfung des "internen Schutzes" geht es nicht mehr um die Frage, ob im Zeitpunkt der Flucht innerhalb des Herkunftsstaates interne Schutzzonen als Alternative zur Flucht bestanden haben, sondern darum, ob im Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a) der Richtlinie) derartige Zonen, also interne Schutzzonen, nicht mehr als Alternative zur Flucht, sondern als Alternative zum internationalen Schutz bestehen), sowie Herzog-Liebminger, Die innerstaatliche Fluchtalternative, 69 bis
114.
3.1.3.2. Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall Folgendes:
Wie bereits in der Beweiswürdigung dargetan, ist davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer möglich ist, im Falle seiner Rückkehr in den Irak sich im Nordirak niederzulassen, zumal die Situation für Jeziden dort als ruhig und sicher bezeichnet werden kann. Weiters ist eine Einreisemöglichkeit über Erbil in den Nordirak gewährleistet, ohne durch jenes Gebiet reisen zu müssen, in dem ihm Bedrohung drohen würde und war die Erreichbarkeit auch schon zu jenem Zeitpunkt gegeben, als sich der Beschwerdeführer noch im Irak aufhielt. Weiters bestehen nicht die geringsten Hinweise, dass der Beschwerdeführer mangels Beständigkeit des Gebietes, auf das er ausweichen kann, damit rechnen muss, jederzeit auch dort wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen.
Die Möglichkeiten, sich im Nordirak eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängen sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und können durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden. Selbst für unqualifizierte aber gesunde Menschen wird es in der Regel möglich sein, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Falle als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler) ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Zu einer allfällig existenziellen Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr ist auszuführen, dass unter Berücksichtigung der getroffenen Länderfeststellungen, jedenfalls keine existentiellen Gefährdungen von Jeziden im Nordirak festgestellt werden kann. Zum Entscheidungszeitpunkt sind auch keine Umstände notorisch, aus denen sich eine ernste Verschlechterung der allgemeinen Lage oder der wirtschaftlich-sozialen Lage im Nordirak ergeben würde.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht weiters hervor, dass das erkennende Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Glaubwürdigkeit und zum Flüchtlingsbegriff, abgeht. Darüber hinaus wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf den Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem auf der Frage der Beweiswürdigung.
Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
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