BVwG L502 2111717-1

BVwGL502 2111717-130.11.2015

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:L502.2111717.1.00

 

Spruch:

L502 2111717-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2015, Zl. 1052412304, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, §§ 57 und 55, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte im Gefolge seiner nicht rechtmäßigen Einreise nach Österreich am 24.02.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am selben Tag fand an der Erstaufnahmestelle-West des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die asylgesetzliche Erstbefragung des BF statt.

Der BF legte als Identitätsnachweis seinen türkischen Führerschein, ausgestellt am 24.11.2008, vor.

Zu seiner Person gab dieser an, er sei türkischer Staatsangehöriger, Kurde und Alevite, seit 2011 geschieden und stamme aus dem Dorf XXXX , Kreis XXXX , Provinz XXXX , wo er zuletzt seinen Wohnsitz hatte. Er habe zwischen 1986 und 1991 in XXXX die Grundschule und von 1991 bis 1994 in XXXX die Hauptschule besucht und sei zuletzt als Kellner beschäftigt gewesen.

Zu seinen Verwandtschaftsverhältnissen gab der BF an, seine Mutter, sein Sohn sowie zwei Schwestern und zwei Brüder seien in der Türkei, eine weitere Schwester sowie ein weiterer Bruder in Österreich aufhältig. Sein Vater sei 1998 verstorben.

Seine Ausreise habe er am 17./18.02.2015 von XXXX ausgehend in einem LKW unter Verwendung seines türkischen Reisepasses, den er zwischenzeitig weggeworfen habe, angetreten und sei er am 21.02.2015 nach Österreich gelangt, wo er vorerst seine Schwester aufgesucht habe.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er stamme aus XXXX / XXXX und sei dort auch gemeldet, habe aber zwischen 2003 und 2013 mit Unterbrechungen immer wieder in XXXX gearbeitet. Auch im Juni 2013 während der sogen. Gezi-Park-Aufstände habe er als Kellner in der Nähe des Parks gearbeitet. Als er um Mitternacht von der Arbeit weggegangen sei, habe es polizeiliche Ausweiskontrollen gegeben. Als ein Polizist die Bezeichnung der Heimatprovinz des BF in dessen Personalausweis gesehen habe, habe dieser den Befehl gegeben den BF festzunehmen. Der BF sei sodann zwei Tage lang an der Polizeiinspektion in der Nähe des XXXX -Platzes angehalten worden. Danach sei er wieder freigelassen worden. Zu diesem Zeitpunkt habe er bei Freunden im Stadtviertel XXXX gewohnt. Fast alle Bewohner des Bezirkes seien von der Polizei bzw. von Zivilbeamten Tage lang beobachtet worden. Da der BF Angst bekommen habe, sei er in die Provinzstadt XXXX zurückgefahren.

Auch habe er am 08.10.2014 gemeinsam mit einem Bruder in XXXX an Demonstrationen für Kobane teilgenommen. Dabei seien sie beide festgenommen worden. Nach ca. fünf Tagen sei er wieder freigelassen worden und anschließend nach XXXX gereist. Er habe dann eine Möglichkeit gesucht nach Österreich zu flüchten, weil er Angst um sein Leben gehabt habe. Die Polizei habe die Festgenommenen mehrfach damit bedroht sie "auszurotten".

Er habe im Falle der Rückkehr Angst um sein Leben sowie dass er unschuldig verurteilt werden würde.

Im Gefolge dessen wurde das Verfahren zugelassen.

3. Der BF wurde am 09.07.2015 beim BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, in türkischer Sprache niederschriftlich einvernommen.

Vorweg gab der BF an, dass keine Hinderungsgründe bestünden die an ihn gerichteten Fragen zu beantworten, er sei auch gesund bzw. immer gesund gewesen. Er habe im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und seien diese rückübersetzt und korrekt protokolliert worden.

Befragt, ob er weitere Personaldokumente vorlegen könne, verneinte er dies. Er habe zwar einen Personalausweis, dieser sei ihm aber von der Polizei in der Türkei abgenommen worden. Sein in Österreich lebender Bruder werde jedoch in die Türkei reisen und ihm den Personalausweis mitbringen.

Zu seinen bisherigen Angaben seine früheren Lebensumstände betreffend ergänzte er, dass er im Elternhaus aufgewachsen sei und dort zuletzt alleine mit seiner Mutter bis ca. zwei Tage vor der Ausreise gelebt habe. Von 2003 bis Mai 2013 habe er in XXXX gelebt, danach sei er wieder ins Heimatdorf zurückgekehrt, am 17./18.06.2013 sei er dann ausgereist. In XXXX habe er als Kellner gearbeitet, im Heimatdorf habe die Familie einige Schafe besessen, wodurch sie den Lebensunterhalt bestreiten hätte können. Die früheren Angaben zu seinen sonstigen Familienangehörigen berichtigte er dahingehend, dass er zwei Brüder in Österreich und zwei in der Türkei habe.

Zu etwaigen Inhaftierungen in der Türkei befragt gab er an, er sei zweimal in Arrest genommen worden, in XXXX am 08.10.2013 und in XXXX im September 2013. Über Vorhalt des Umstandes, dass er nicht im Oktober 2013 von der Polizei in Arrest genommen worden sein kann, wenn er - wie zuvor behauptet - im Juni 2013 ausgereist sei, erwiderte er, dass er wohl das Jahr verwechselt habe und 2014 ausgereist sei.

Zum Grund der Festnahmen befragt verwies der BF darauf, dass er im Zuge einer Personenkontrolle in XXXX festgenommen worden sei, weil er aus XXXX stamme. In XXXX sei er dann vier Tage lang angehalten worden. Bei der zweiten Festnahme in XXXX sei er 14 Tage lang angehalten worden, weil er an Demonstrationen für Kobane teilgenommen habe. In XXXX sei er gemeinsam mit einem Bruder festgenommen worden, der Bruder sei schon nach vier oder fünf Tagen wieder freigelassen worden.

Nochmals zu seinen Ausreisegründen befragt führte der BF aus, er sei ein alevitischer Kurde und auch deshalb unter Druck gesetzt sowie festgenommen worden. Wegen des Druckes auf die Kurden habe er auch an einer Demonstration für die Kurden in Kobane teilgenommen, wo er dann festgenommen worden sei. Er und sein Bruder seien nach der Freilassung von der Zivilpolizei verfolgt worden. Auch sei ihnen während der Anhaltung gedroht worden, dass sie "ausgerottet" werden.

Im Übrigen habe er als alevitischer Kurde Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche gehabt. Zwar habe er während des zehnjährigen Aufenthaltes in XXXX durchgängig gearbeitet, alle Arbeitgeber seien jedoch alevitische Kurden gewesen, bei türkischen Arbeitgebern hätte er keine Chance gehabt und hätte er auch Aussicht auf mehr Gehalt, wenn er die freie Berufswahl hätte.

Über Aufforderung schilderte der BF sodann den näheren Ablauf der behaupteten Festnahmen in XXXX und in XXXX . So hätten bei der Demonstration in XXXX mindestens 1000 Personen aus XXXX und anderen Städten teilgenommen und habe man dort willkürlich einzelne Teilnehmer festgenommen. Nach der Entlassung aus der Anhaltung in XXXX sei er nach Hause in sein Elternhaus gegangen und dort zwei oder drei Tage, höchstens eine Woche lang, geblieben. Dann sei er nach XXXX gereist. Auch trotz seiner Ausreise werde noch nach ihm gefragt.

Auf Befragen verneinte er verheiratet zu sein oder sonstige maßgebliche Kontakte in Österreich zu haben. In Österreich würden sich eine Schwester und zwei Brüder sowie Onkel väterlicherseits aufhalten. In der Heimat befänden sich die Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern. Er gehe in Österreich keiner Beschäftigung nach und beziehe Leistungen der Grundversorgung für Asylwerber.

Zum Vorhalt, dass sich aus den Länderfeststellungen keine Bedrohung für den BF ergebe, führte der BF nur aus, dass es Behörden in der Türkei gäbe, wo Personen aus XXXX nicht hingehen könnten, man bezeichne sie dort als Terroristen.

4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.).

Im Rahmen ihrer Entscheidungsbegründung wurde von der belangten Behörde zur Person des BF festgestellt, dass er türkischer Staatsangehöriger, Kurde, Alevite und ledig sei und seine genaue Identität feststehe. Zu seinen Antragsgründen wurde ausgeführt, dass diese nicht als glaubhaft festgestellt werden konnten, der BF sei keiner individuellen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen oder pro futuro ausgesetzt. Er verfüge im Herkunftsstaat über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte und dementsprechende Unterkunfts- und Unterstützungsmöglichkeiten und sei darüber hinaus arbeitsfähig, sein Lebensunterhalt sei sohin gewährleistet. Über den Umstand der Niederlassung von drei Geschwistern in Österreich hinaus gebe es keine sonstigen Anknüpfungspunkte hierorts. Im Weiteren wurden umfangreiche länderkundliche Feststellungen zur allgemeinen Lage in der Türkei getroffen.

In ihrer Beweiswürdigung verwies die Behörde auf verschiedene Widersprüche im Vortrag des BF zu den von ihm behaupteten Ausreisegründen und führte diese dort im Einzelnen aus.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die Behörde daraus, dass mangels glaubhaft gemachter bzw. asylrelevanter Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat das Asylbegehren abzuweisen war. Auch eine subsidiäre Schutzgewährung sei weder im Lichte der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat noch angesichts der persönlichen Lebenssituation des BF angezeigt gewesen. Abschiebungshindernisse seien keine festgestellt worden und die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" (§ 57 AsylG 2005) nicht vorgelegen. Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Artikel 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005) von Amts wegen sei wegen des Überwiegens öffentlichen Interesses an der Außerlandesbringung des BF nicht geboten, der Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht rechtmäßig und die Entscheidung daher mit einer gerechtfertigten Rückkehrentscheidung (§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005) zu verbinden gewesen.

5. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.07.2015 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

6. Gegen den dem BF am 16.07.2015 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz des nunmehrigen Vertreters des BF vom 29.07.2015 innerhalb offener Frist in vollem Umfang Beschwerde erhoben.

Als Beschwerdegründe wurden Mangelhaftigkeit des Beweisverfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Der BF habe im Zuge seiner Einvernahme angegeben, dass er "im Juni

2013" ... in XXXX und "am 08.10.2013" in XXXX polizeilich angehalten

bzw. festgenommen und beim ersten Anlaßfall auch zwei Tage lang festgehalten bzw. beim zweiten Anlaßfall auch misshandelt worden sei. Von Amts wegen wäre die Behörde bei korrekter und vollständiger Durchführung des Beweisverfahrens verpflichtet gewesen, diese Angaben hinsichtlich ihrer Plausibilität durch Einholung eines länderkundlichen Gutachtens zu überprüfen. Diesfalls wäre die Behörde jedenfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass die Angaben des Beschwerdeführers korrekt und vollständig waren.

Auch sei es vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen in der Türkei nachvollziehbar, dass gerade in der Region der Osttürkei, aus welcher der Beschwerdeführer stamme, Kurden und Aleviten Verfolgungshandlungen ausgesetzt und darüber hinaus auch terroristische Angriffe auf die kurdische Bevölkerung festzustellen seien.

Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der BF zwischenzeitig in Österreich sehr gut integriert sei, er bereits mehrere Deutschkurse auf dem Niveau A2 abgeschlossen habe und in einer aufrechten Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin türkischer Herkunft lebe, weshalb eine Abschiebung des BF in die Türkei jedenfalls einen unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF darstelle.

7. Am 04.08.2015 langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht (auch: BVwG) ein und wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der nunmehr zuständigen Abteilung zugewiesen.

Im Gefolge dessen wurden Auszüge aus dem zentralen Melderegister, dem Strafregister sowie dem Grundversorgungsinformationssystem den BF betreffend erstellt.

8. Der BF wurde mit Schreiben des BVwG vom 10.08.2015 aufgefordert, Nachweise für die von ihm behaupteter Weise absolvierten Deutschkurse vorzulegen. Des Weiteren wurde ihm aufgetragen, eine Stellungnahme zur Identität und zum Aufenthaltsstatus seiner Lebensgefährtin und zum Beziehungsverlauf mit dieser abzugeben sowie etwaige Nachweise dafür vorzulegen.

9. Mit Telefax des Vertreters des BF vom 24.08.2015 wurde eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses durch den BF im Ausmaß von zwei Wochenstunden zwischen 10.02.2015 und 30.06.2015 sowie die Heiratsurkunde des BF vom 19.08.2015 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität des BF steht fest. Er ist türkischer Staatsbürger, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe sowie der alevitischen Glaubensgemeinschaft. Er stammt aus dem Dorf XXXX , Kreis XXXX , Provinz XXXX , wo er auch seinen ordentlichen Wohnsitz hatte. Er hat zwischen 1986 und 1991 in XXXX die Grundschule und von 1991 bis 1994 in XXXX die Hauptschule besucht.

Zwischen 2003 und 2013 war der BF überwiegend in XXXX aufhältig und dort zuletzt als Kellner beschäftigt. In der Folge hielt er sich wieder in seiner Heimatgemeinde auf. Von dort trat er am 17./18.02.2015 seine Ausreise an und reiste anschließend ausgehend von XXXX schlepperunterstützt aus der Türkei aus und am 21.02.2015 nach Österreich ein, wo er sich seither aufhält.

Verschiedene Verwandte des BF (Mutter, Sohn, Geschwister) leben nach wie vor in der Türkei. Zwei Brüder sowie eine Schwester, bei welcher der BF auch nach seiner Einreise für fünf Monate lebte, sind in Österreich aufhältig.

Der BF ist seit 2011 geschieden und teilt mit seiner in der Türkei geborenen und seit 16.06.2015 die österreichische Staatsangehörigkeit innehabenden Ehegattin seit 20.08.2015 einen gemeinsamen Wohnsitz.

Der BF ist in Österreich noch keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen und bezieht bis dato Leistungen der Grundversorgung für Asylwerber.

Der BF spricht Kurdisch und Türkisch. Er besuchte im Gefolge seiner Einreise für die Dauer von ca. 4,5 Monaten im Ausmaß von zwei Wochenstunden einen Deutschkurs.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig und hierorts strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in der Türkei vor seiner Ausreise der von ihm behaupteten individuellen Verfolgung durch staatliche Organe ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in die Türkei der Gefahr einer solchen ausgesetzt wäre.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF bei einer Rückkehr aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder er als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre.

1.3. Zur aktuellen Lage in der Türkei wird auf die länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid verwiesen, die auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes, durch ergänzende Ermittlungen des Gerichtes zum aktuellen Privat- und Familienleben des BF in Österreich sowie durch amtswegige Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems den BF bzw. die Ehegattin des BF betreffend.

Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangte das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu nachfolgenden entscheidungswesentlichen Feststellungen.

2.2. Die Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Religionszugehörigkeit sowie regionale Herkunft des Beschwerdeführers konnten aufgrund der diesbezüglich glaubwürdigen, weil über den Verfahrensverlauf hinweg in sich konsistenten Angaben des BF und des von ihm vorgelegten Ausweisdokuments festgestellt werden.

Gleiches gilt für die Feststellungen zu seiner Schulbildung und seiner Berufstätigkeit sowie seinen wirtschaftlichen und familiären Verhältnissen vor der Ausreise im Herkunftsstaat.

Die Feststellungen zum aktuellen Privat- und Familienleben des BF stützen sich auf dessen Vorbringen vor dem Bundesamt sowie in der Beschwerde und die dazu vorgenommenen ergänzenden Erhebungen des Gerichtes.

2.3. Zu den von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Feststellungen die aktuelle Lage im Herkunftsstaat betreffend ist in Ansehung des betreffenden Teils der Entscheidungsbegründung anzuführen, dass sich die Behörde um eine umfassende und ausgewogene Auswahl an Quellen sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs bemühte.

Weiter ist festzuhalten, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Berichte verschiedener allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt hat und vom BF der Wahrheitsgehalt der ausgewählten Berichte weder widerlegt noch substantiiert angezweifelt wurde.

2.4. Zur Feststellung fehlender individueller Verfolgung des BF vor der Ausreise bzw. der fehlenden Gefahr einer solchen pro futuro gelangte das erkennende Gericht auf der Grundlage folgender Erwägungen.

2.4.1. Die belangte Behörde führte im Rahmen ihrer Beweiswürdigung aus, dass dem Vorbringen des BF angesichts zahlreicher Widersprüche nicht glaubhaft entnommen werden konnte, dass er die Heimat tatsächlich aus den behaupteten Gründen verlassen habe. Zudem habe er seine Fluchtgründe vor der belangten Behörde nicht hinreichend konkretisieren können.

Der im Wesentlichen auf die Widersprüchlichkeit des Vorbringens des BF verweisenden Beweiswürdigung der belangten Behörde war aus Sicht des BVwG aus nachstehenden Gründen zu folgen.

So hielt die belangte Behörde zu Recht fest, dass der BF im Rahmen seiner Erstbefragung Aussagen zu den Ausreisegründen machte, hinsichtlich derer er sich in der nachfolgenden Einvernahme in mehrere gravierende Widersprüche verwickelte.

Ungereimtheiten zwischen den Angaben eines Asylwerbers vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und jenen vor einem Organwalter der belangten Behörde sind zwar mit Blick auf das Erkenntnis des VfGH vom 27.6.2012, U 98/12, differenziert zu beurteilen. In dieser Entscheidung hielt der VfGH im Zusammenhang mit einem psychisch angeschlagenen und von den Strapazen der Schleppung gezeichneten jugendlichen Afghanen, der über traumatische Ereignisse aus seiner Kindheit berichtete, fest, dass gerade diese Umstände besonders zu berücksichtigen sind. Konkret wurde festgehalten, dass das entscheidende Gericht bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zur umfassenden Auseinandersetzung mit allen relevanten Gesichtspunkten verpflichtet ist. Dazu gehört beispielsweise auch seine psychische Gesundheit, bei deren Beeinträchtigung ein großzügigerer Maßstab an die Detailliertheit seines Vorbringens zu legen ist (VfSlg. 18.701/2009). Auch das Alter und der Entwicklungsstand des Beschwerdeführers sind zu berücksichtigen.

Der BF hat jedoch keine gesundheitlichen Einschränkungen zum Zeitpunkt seiner Einvernahmen geltend gemacht und reichten auch seine Entgegnungen auf Vorhalt der entsprechenden Widersprüche, nämlich dass er sich plötzlich nicht mehr genau erinnern könne bzw. sein Denkvermögen seit seiner Anhaltung in Mitleidenschaft genommen sei, nicht aus um die festgestellten Divergenzen im Kern seines Vorbringens zu erklären. Zumal es von einem volljährigen und psychisch gesunden Antragsteller grundsätzlich zu erwarten ist, dass er seine Ausreisegründe zumindest in den Eckpunkten und bei der ersten Möglichkeit sich hierzu zu äußern wahrheitsgemäß angibt und in weiterer Folge auch bei den jeweiligen Befragungen in den Grundzügen damit übereinstimmend vorträgt.

Zutreffend verwies die belangte Behörde in diesem Zusammenhang insbesondere darauf, dass der BF vorerst im Rahmen der Erstbefragung gänzlich andere Anhaltezeiträume und -zeitpunkte nannte als im Rahmen der folgenden Einvernahme.

So gab er ursprünglich an, in XXXX im Rahmen einer Ausweiskontrolle im Juni 2013 zum Zeitpunkt der GEZI-Park-Demonstrationen erstmals festgenommen und für zwei Tage angehalten worden zu sein. Am 08.10.2014 sei er sodann in XXXX im Rahmen einer Demonstration für Kobane das zweite Mal festgenommen worden und nach ca. fünf Tagen wieder freigelassen worden.

Demgegenüber führte er später in der Einvernahme vor der belangten Behörde aus, dass er in XXXX im September 2013 festgenommen und für vier Tage angehalten und in XXXX am 08.10.2013 festgenommen und für 14 Tage angehalten worden sei.

Dem entsprechenden Vorhalt der darin enthaltenen Widersprüche durch die belangte Behörde vermochte der BF in der Folge nicht substantiiert entgegen zu treten, sondern verwies er lediglich vage und nur pauschal auf Erinnerungsprobleme, Missverständnisse und vermeintlich unrichtige Protokollierungen, womit er diese Ungereimtheiten nicht einmal ansatzweise aufklären konnte.

Auch in seiner Beschwerde ging er nicht auf seine in sich widersprüchliche erstinstanzliche Darstellung ein, sondern behauptete dort bloß, dass er "im Zuge seiner Einvernahme" angegeben habe, er sei im Juni 2013 im Rahmen der GEZI-Park-Aufstände in XXXX für zwei Tage angehalten worden. Weder erklärte diese Behauptung aber seine unterschiedliche erstinstanzliche Darstellung noch stimmte diese wiederum per se damit überein, dass er diese Version eben nicht "im Zuge seiner Einvernahme", sondern demgegenüber schon in seiner Erstbefragung dargeboten hatte, während er "im Zuge seiner Einvernahme" eben gänzlich anderslautende Angaben gemacht hatte.

Neben seinen widersprüchlichen Ausführungen zum Anhaltezeitpunkt und zur Dauer der Anhaltungen gelang es dem BF auch nicht, den Aufenthaltsort nach der Entlassung bzw. den Ort, von welchem aus er die Flucht begonnen habe, übereinstimmend anzugeben.

Hatte er in der Erstbefragung noch dargelegt, er sei nach seiner ersten Anhaltung in XXXX im Juni 2013 in seine engere Heimat zurückgekehrt, wo er sich bis zur zweiten Anhaltung am 08.10.2014 aufgehalten habe, und sei er nach seiner Freilassung nach ca. fünf Tagen wieder nach XXXX gereist, wo er sich seinen weiteren Angaben folgend bis zur Ausreise im Februar 2015 weiter bei einem Freund aufgehalten habe, so legte er in der Einvernahme dazu befragt in vollkommen anderslautender Weise dar, dass er, vorerst über etwa zehn Jahre hinweg bis Mai 2013 in XXXX wohnhaft gewesen, in der Folge bis Mitte Juni 2013 in der Heimatgemeinde in seinem Elternhaus aufhältig war um sodann von dort nach XXXX zu reisen und nach nur zwei Tagen am 17./18.06.2013 (!) die Türkei zu verlassen. In der Folge vermeinte er jedoch, zu etwaigen Festnahmen oder Anhaltungen vor der Ausreise befragt, er sei im September 2013 in XXXX und am 08.10.2013 in XXXX in Arrest genommen worden. Auf den dadurch entstandenen Widerspruch zu den vorhergehenden Zeitangaben verwiesen erwiderte er lediglich lapidar, dass er sich wohl geirrt habe und sei er dann wohl 2014 ausgereist. Wie schon oben erwähnt wurde, vermochte er auch noch auf weitere Nachfragen hin keine nachvollziehbare Aufklärung dieser widersprüchlichen Aussagen anzubieten. Ebenso blieben diese gravierenden Widersprüche in der Beschwerde unaufgeklärt und unwidersprochen.

In einer Gesamtbetrachtung dessen mußte sich daher das erkennende Gericht der Feststellung der belangten Behörde anschließen, dass es dem BF nicht einmal ansatzweise gelungen war ein zumindest in den Grundzügen in sich konsistentes Vorbringen zu den angeblichen Ausreisegründen zu erstatten.

In seiner Beschwerde blieben eben diese maßgeblichen Divergenzen ohne Erklärung, substantiierte Entgegnung oder Richtigstellung bestehen.

Was in diesem Zusammenhang die Feststellung oben zum Zeitpunkt und Ausgangsort der Ausreise aus der Türkei angeht, stützte sich das erkennende Gericht diesbezüglich auf die ursprüngliche Version des BF, die er zum Zeitpunkt seiner Antragstellung anbot, wobei er auch zuletzt in seiner Beschwerde keine anderslautenden oder näheren Äußerungen machte.

In Bezug auf den in der Beschwerde gestellten Beweisantrag, einen länderkundigen Sachverständigen "zum Beweis der Richtigkeit der Angaben und dem Vorliegen eines asylrelevanten Sachverhaltes" zu bestellen, ist festzuhalten, dass damit schon kein tauglicher Beweisantrag vorliegt. Ein tauglicher Beweisantrag liegt nach der Rsp des VwGH nur dann vor, wenn darin sowohl das Beweisthema wie auch das Beweismittel genannt sind und wenn das Beweisthema sachverhaltserheblich ist (VwGH 24.1.1996, 94/13/0152; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 174). Weder Beweisthema noch Beweismittel sind konkret angeführt und handelt es sich bei diesem Antrag letztlich um einen als unzulässig zu erachtenden Erkundungsbeweis. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen, sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren - und somit auch im asylgerichtlichen Verfahren - unzulässig. Daher ist die Behörde [das ho. Gericht] einerseits nicht gem. §§ 37 iVm 39 Abs 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet. (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).

2.4.2. Neben diesen die gg. Entscheidung tragenden Erwägungen der belangten Behörde wie auch des erkennenden Gerichtes ist ergänzend darauf zu verweisen, dass der BF offenbar im Hinblick auf seine erst nach der Bescheiderlassung erfolgte Eheschließung vor anderen Behörden Unterlagen aus der Heimat beischaffte bzw. vorlegte, die er im gg. Verfahren vor dem Bundesamt und dem BVwG nicht vorlegte.

Nach dem Hinweis des Bundesamtes auf seine Mitwirkungspflicht vermeinte der BF noch in der Einvernahme am 09.07.2015, er sei erst mit Hilfe seines Bruders später in der Lage seinen Personalausweis aus der Türkei, wo er ihm von der Polizei abgenommen worden sei, zu besorgen und diesen dann vorzulegen, was er jedoch bis dato nicht befolgte. Bereits in einem ZMR-Auszug vom 20.05.2015 (vgl. AS 25) war demgegenüber ersichtlich, dass sich der BF schon zuvor vor den österr. Meldebehörden mit seinem Personalausweis, ausgestellt am 28.05.2013 in XXXX , ausgewiesen hat. Zusätzlich hat der BF vor der belangten Behörde noch am 09.07.2015 angegeben, dass er auf Geheiß des Schleppers den Reisepass "in irgendeinem Land weggeworfen" habe. Dem aktuellen, dem Gericht vorliegenden ZMR-Auszug zufolge hat sich der BF jedoch im Gefolge der Eheschließung zum Zeitpunkt der Ummeldung an den Wohnsitz der Ehegattin mit seinem am 13.05.2013 in XXXX ausgestellten Reisepass ausgewiesen.

Auch dieses Verhalten des BF zeigte, dass er offenbar aus bloßen Opportunitätserwägungen bereit war im gg. Verfahren unrichtige Angaben zu machen.

2.4.3. Hinsichtlich der kurdischen Abstammung des Beschwerdeführers sowie der alevitischen Glaubenszugehörigkeit ist darauf hinzuweisen, dass es entsprechend der vorliegenden Länderberichte der belangten Behörde keine Anhaltspunkte für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen alleine wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, sozialen Gruppe oder allein wegen ihrer politischen Überzeugung gibt. Es existieren keine von Amts wegen aufzugreifenden Anhaltspunkte dafür, dass gegenwärtig Personen bestimmter Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder Religionsgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten - im Sinne einer maßgebliche Intensität erreichenden - Bedrohung ausgesetzt oder staatlichen Repressionen unterworfen sein würden.

Der BF selbst traf auch in diesem Zusammenhang keine substantiierten Ausführungen zu einer etwaigen individuellen Verfolgung aufgrund seiner ethnischen Abstammung oder religiösen Zugehörigkeit. Er relativierte seine vorhergehenden Angaben zu einer behaupteten wirtschaftlichen Benachteiligung letztlich auch durch seinen Hinweis darauf, dass er vor seiner Ausreise über zehn Jahre hinweg einer Beschäftigung nachgehen konnte.

Sofern in der Beschwerde diesbezüglich behauptet wurde, dem BF drohe bei einer Rückkehr Verhaftung und seien gerade kurdische Aleviten aus der Osttürkei der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt, so war dieses Vorbringen als bloße Behauptung ohne entsprechende Tatsachengrundlage zu werten, zumal auch keine länderkundlichen Berichte in diesem Zusammenhang vorgelegt wurden.

2.4.4. Im Ergebnis konnte der Beschwerdeführer somit keine Übergriffe durch Dritte oder behördliche Maßnahmen glaubhaft darstellen, aus denen auf eine individuelle Verfolgung seiner Person zu schließen gewesen wäre.

Darüber hinaus wäre selbst bei einer Wahrunterstellung der Angaben des BF zu kurzfristigen behördlichen Anhaltungen seiner Person darauf zu verweisen, dass mangels damit einhergegangener Eingriffsintensität nicht von einem als Verfolgung zu wertenden Geschehen auszugehen wäre, zumal in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs unter Verfolgung ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 09.03.1999, Zl. 98/01/0370;

06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233;

21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Schon allgemein kurzfristige Anhaltungen, Verhöre und Hausdurchsuchungen durch die Sicherheitsbehörden sind für sich allein nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die asylrechtliche Relevanz aufweisen - nicht geeignet, die Flüchtlingseigenschaft zu indizieren (VwGH vom 05.06.1996, 96/20/0323, VwGH vom 18.12.1996, 95/20/0651, VwGH vom 11.12.1997, 95/20/0610).

Geringfügige körperliche Übergriffe behauptete der BF zwar bezüglich einer der beiden von ihm genannten polizeilichen Anhaltungen, jedoch wären auch die diesbezüglichen Ausführungen nicht geeignet gewesen diesem rechtlichen Maßstab zu genügen.

2.4.5. Die beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesasylamtes waren insofern in sich schlüssig und nachvollziehbar und die Beschwerde in ihrer Gesamtheit nicht geeignet diese in Zweifel zu ziehen bzw. das erkennende Gericht eventuell zu einer abweichenden Gesamteinschätzung gelangen zu lassen.

2.5. Die Feststellung, dass der BF bei einer Rückkehr in die Türkei in keine existenzbedrohende Notlage geraten würde, stützte die belangte Behörde zu Recht darauf, dass es sich beim BF um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann handelt, der bereits vor der Ausreise aus der Türkei in der Lage gewesen ist für seinen Lebensunterhalt aufzukommen, weshalb nicht ersichtlich wäre, warum es ihm nicht möglich sein sollte seinen Lebensunterhalt bei einer Rückkehr wieder zu bestreiten. Zudem verfügt der BF über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in der Türkei.

Dieser Einschätzung trat der BF auch in seiner Beschwerde nicht substantiiert entgegen.

III. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen des Verwaltungsgerichts durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-G obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 144/2013, und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden. Nachdem der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz nach dem 1.1.2006 stellte, sind gemäß § 75 AsylG die Bestimmungen des AsylG 2005 in der geltenden Fassung anzuwenden.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Die belangte Behörde kam - wie oben bereits ausgeführt wurde - zu Recht zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war mit seinem Vorbringen glaubhaft zu machen, dass er einer individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war oder für den Fall der Rückkehr ausgesetzt wäre.

1.3. Im Übrigen wäre auch bei Wahrunterstellung der Angaben des Beschwerdeführers keine asylrelevante Verfolgung abzuleiten gewesen.

Unter Zugrundelegung der Angaben des BF war im Ergebnis festzustellen, dass mangels erfolgter bzw. drohender Eingriffe in die Rechtssphäre des BF von hinreichender Intensität nicht von einer asylrechtlich relevanten Verfolgung auszugehen war, zumal in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs unter Verfolgung ein solcherart ungerechtfertigter Eingriff in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist auch nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Dieser Grad der Unzumutbarkeit sowie der Wahrscheinlichkeit drohender maßgeblicher Eingriffe wurde jedoch durch das Vorbringen des BF nicht glaubhaft gemacht.

1.4. Im gegenständlichen Fall waren daher auch nach Ansicht des BVwG die Voraussetzungen in Form der Glaubhaftmachung einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grunde nicht gegeben.

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

2.2. Aus dem erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt ergab sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorliegen:

Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Beim BF handelt es sich darüber hinaus um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei welchem die Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und hat er vor seiner Ausreise über Jahre hinweg in XXXX gearbeitet. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der BF im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein wird sich wieder ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass dem BF im Fall seiner Rückkehr auch im Rahmen seines Familienverbandes eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteil wird. So gab der Beschwerdeführer selbst an, dass zumindest ein Teil seiner Familie noch in der Türkei lebt und dort ein Haus und Tiere besitzt. Auch ist nicht ersichtlich, dass ihn nicht seine in Österreich lebenden Verwandten bei der Reintegration unterstützen könnten.

Der EGMR geht davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht bietet, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet und kann nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen {EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964 ("St. Kitts-Fall")}. Im Zusammenhang mit einer Erkrankung des Beschwerdeführers nahm der EGMR außerordentliche, ausnahmsweise vorliegende Umstände im "St. Kitts-Fall" an. Im Mai 1997 hatte der EGMR die Abschiebung eines HIV-infizierten Drogenhändlers, welcher laut medizinischen Erkenntnissen auch in Großbritannien bei entsprechender Behandlung nur mehr ca. 8 - 14 Monate zu leben gehabt hätte und sich somit im fortgeschrittenen Krankheitsstadium befand, aus Großbritannien auf seine Heimatinsel St. Kitts/kleine Antillen (Karibik) als "unmenschliche Behandlung" im Sinne des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention angesehen. Die im zitierten Erkenntnis beschriebene außergewöhnliche, exzeptionelle Notlage (er hätte dort keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und Betreuung, nicht einmal zu einem Pflegebett gehabt und wäre so qualvollst, einsam und in extremer Armut gestorben) die ihn dort erwarte, würde seine Lebenserwartung deutlich reduzieren und ihn psychischem und physischem Leiden aussetzen. Diese Abschiebung war daher in diesem Einzelfall unzulässig (EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964).

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt somit nicht vor.

Zudem war zu berücksichtigen, dass der BF in der Beschwerde den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und Erwägungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in die Türkei nicht substantiiert entgegengetreten ist und in weiterer Folge auch nicht dargelegt hat, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit der Beschwerdeführer durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.

2.3. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht ihm im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte noch bestünde die Gefahr der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

2.4. Insoweit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.1. § 10 AsylG 2005 lautet:

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

§ 57 AsylG 2005 lautet:

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von

Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

§ 55 AsylG 2005 lautet:

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von

Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

§ 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

Art. 8 EMRK lautet:

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

§ 58 AsylG 2005 lautet:

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels

gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

§ 52 FPG lautet:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.

§ 55 FPG lautet:

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich

eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.

3.2. Der gegenständliche Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz wurde vom BFA zu Recht gemäß §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen, die dagegen vom BF erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag als unbegründet abgewiesen. Die Einreise des BF in das Gebiet der europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich ist nicht rechtmäßig erfolgt. Bisher stützte sich der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet alleine auf die Bestimmungen des AsylG für die Dauer seines nunmehr abgeschlossenen Verfahrens. Ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht behauptet. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt des BF im Bundesgebiet mehr vor und fällt er damit nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG betreffend Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung.

Es liegen keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

3.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts des BF auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

3.3.1. Hinsichtlich der in Österreich lebenden Schwester, Brüder und Onkel des Beschwerdeführers ist Folgendes festzuhalten:

Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine solche Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, müssen neben der Verwandtschaft noch weitere Umstände hinzutreten. So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgehen (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff).

In Anbetracht des diesbezüglichen Vorbringens des Beschwerdeführers kann von dieser besonderen Beziehungsintensität nicht ausgegangen werden, zumal der BF in keinem gemeinsamen Haushalt mit diesen Personen lebt und auch kein darüber hinaus gehendes besonderes Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis (Pflege, besondere familiäre Beziehungen, emotionale Abhängigkeit) dargelegt wurde. Gerade in Anbetracht des Umstandes, dass Onkel nicht der Kernfamilie des BF angehören, und es sich bei der Schwester und den Brüdern um Beziehungen zwischen volljährigen Geschwistern handelt und somit besonders intensive Beziehungen nachgewiesen werden müssten, wurde somit kein spezielles Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis des Beschwerdeführers zu seinen Verwandten in Österreich vorgebracht, welches eine - im Lichte der Rechtsprechung des EGMR - ausreichende Beziehungsintensität begründen würde. Auch in der Beschwerde finden sich diesbezüglich keine Ausführungen, die daran Zweifel aufkommen ließen. Eine bloße finanzielle Unterstützung alleine würde dafür jedenfalls nicht ausreichen.

3.3.2. Der Begriff der Familie muss auf alle Fälle die Beziehung umfassen, die sich aus einer echten und rechtmäßigen Ehe ergibt, selbst wenn sich ein Familienleben noch nicht voll entwickelt hat (Abdulaziz, Cabales und Balkandali gegen Vereinigtes Königreich, EGMR vom 28.05.1985).

Zum Prüfungsumfang des Begriffes des 'Familienlebens' in Art. Bild kann nicht dargestellt werden

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EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. Bild kann nicht dargestellt werden

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besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. Bild kann nicht dargestellt werden

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setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, Bild kann nicht dargestellt werden

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; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Art 8 EMRK fällt, werden von ihrer Geburt an ipso iure Teil der Familie (Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74; VfSlg 16.777/2003; ferner Gül gg Schweiz, ÖJZ 1996, 593; 5. 2 2004, 60457/00, Kosmopoulou gg Griechenland; 18. 1. 2007, 73819/01, Estrikh gg Litauen). Umgekehrt werden Kinder erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Einer Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in dem Sinne, ob dieser Eingriff iSd Art 8 Abs 2 EMRK notwendig und verhältnismäßig ist, ist vorauszuschicken, dass die Rückkehrentscheidung bzw. Abschiebung jedenfalls der innerstaatlichen Rechtslage nach einen gesetzlich zulässigen Eingriff darstellt.

Nach dem Urteil des EGMR im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Berufungswerbers abzuwägen sind.

Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.).

Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Berufungswerbers ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten idR ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegen getreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien (vgl. dazu insbesondere VfGH B 328/07) herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;

20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;

22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124;

11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren - was bei einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens jedenfalls als gegeben angenommen werden kann -, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562). Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).

Bereits vor Inkrafttreten der Vorgängerbestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-VG in der Form des AsylG 2005 idF BGBl 29/2009 entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Richtlinien (in den Medien der vielgenannte "Kriterienkatalog") im Rahmen der Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. EMRK, welche zu berücksichtigen sind:

Auch

Ebenso bereits vor Inkrafttreten des durch BGBl I 38/2011 in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG eingefügten lit. i, welcher der nunmehrigen Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, S. 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).

Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiter dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes [vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169]), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich [vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246] (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN). Es wird dadurch nur jener Zustand hergestellt, der bestünde, wenn er sich rechtmäßig (hinsichtlich der Zuwanderung) verhalten hätte und wird dadurch lediglich anderen Fremden gleichgestellt, welche ebenfalls gemäß dem Grundsatz der Auslandsantragsstellung ihren Antrag gem. FPG bzw. NAG vom Ausland aus stellen müssen und die Entscheidung der zuständigen österreichischen Behörde dort abzuwarten haben.

Die Schaffung eines Ordnungssystems, mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt werden, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.). Die öffentliche Ordnung, hier va. das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird z.B. schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den sensiblen Arbeitsmarkt als auch für das Sozialsystem gravierende Auswirkung hat. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass insbesondere nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Fremde, welche daher auch über keine arbeitsrechtliche Berechtigung verfügen, idR die reale Gefahr besteht, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes auf den inoffiziellen Arbeitsmarkt drängen, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf den offiziellen Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit auf das wirtschaftliche Wohl des Landes hat (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).

3.4. Das Recht auf Achtung des Familienlebens gebietet jedenfalls, eine wie im vorliegenden Fall vom BF mit 19.08.2015 standesamtlich geschlossene Ehe grundsätzlich dem Schutz des Art. 8 EMRK zu unterstellen, auch wenn die Ehepartner erst seit kurzem, hier seit 20.08.2015, im gemeinsamen Haushalt leben und der BF weder anläßlich der Antragstellung am 24.02.2015 noch anläßlich seiner Einvernahme am 09.07.2015 eine Beziehung zur späteren Ehegattin, ja nicht einmal einen Kontakt zu dieser vorgebracht hatte. Diese Nebenumstände sind aber im Rahmen der Interessensabwägung zu berücksichtigen, in dieser sind das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und die Intensität desselben zu untersuchen. Weiters ist zu prüfen, ob es in Österreich aufhältigen Familienmitgliedern, zu welchen ein besonderes Naheverhältnis besteht, auch zumutbar wäre Österreich gemeinsam mit dem von der Rückkehrentscheidung Betroffenen zu verlassen.

3.4.1. Entscheidungen des VfGH hinsichtlich der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsstaat im Zusammenhang mit Rückkehrentscheidungen:

U 1104/08, 01.07.2009

"Auch aus der jüngsten Rechtsprechung des EGMR (so etwa EGMR 31.7.2008, Fall Darren Omoregie and others vs. Norway, Appl. 265/07) kann nicht abgeleitet werden, dass der EGMR von den im Fall Boultif entwickelten Kriterien abgehen wollte und diese bei Heirat eines Asylwerbers nicht zu beachten wären. Das Bestehen eines unsicheren Aufenthaltes des Asylwerbers bei Eheschließung ist aber nur eines der bei der Interessenabwägung zu beachtenden Kriterien.

Der Unterschied des Falles Darren Omoregie and others vs. Norway zum vorliegenden Beschwerdefall besteht auch darin, dass im erstgenannten Fall bereits eine rechtskräftige Ausweisung vorlag, während im vorliegenden Fall das Asyl- und Ausweisungsverfahren zum Zeitpunkt der Heirat nicht abgeschlossen war, sodass auch die näheren persönlichen Umstände der Zumutbarkeit der Übersiedlung der österreichischen Ehegattin in das Heimatland des Beschwerdeführers zu untersuchen gewesen wären."

U992/08, 01.07.2009

"Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der EGMR im Fall Boultif festhielt, dass diese Leitlinien festzulegen waren, da es Fälle gibt, in denen das Haupthindernis bei einer Ausweisung eines Fremden darin bestehen kann, dass der jeweilige Ehegatte im Falle der Fortführung des Familienlebens im Heimatland des Fremden Schwierigkeiten bekommen könne.

Auch aus der jüngsten Rechtsprechung des EGMR (so etwa EGMR 31.7.2008, Fall Darren Omoregie and others vs. Norway, Appl. 265/07) kann nicht abgeleitet werden, dass von diesen Kriterien abgegangen werden sollte. In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass - wenn auch gewichtige Argumente präsentiert werden - diese Entscheidung keineswegs einen Freibrief für die Ausweisung eines Asylwerbers oder einer Asylwerberin trotz Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger oder einer österreichischen Staatsbürgerin während eines laufenden Asylverfahrens darstellt. In diesem Fall lag zum Zeitpunkt der Eheschließung im Jahre 2003 bereits ein rechtskräftig in allen Instanzen abgeschlossenes Asylverfahren vor und resultierte die beim EGMR bekämpfte Ausweisung aus einem in weiterer Folge eingeleiteten Verfahren über die Ausstellung einer Arbeitserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung. Diese Erlaubnis war verweigert worden, weil der Beschwerdeführer nicht ausreichend Unterhalt nachweisen und keine außergewöhnlichen humanitären Gründe geltend machen konnte. Der Beschwerdeführer wurde in diesem Verfahren ausgewiesen, bekam mehrfach Fristen zur Ausreise gesetzt, bekämpfte die Ausweisung aber wiederholt bis zum norwegischen Höchstgericht. Die gemeinsame Tochter des Beschwerdeführers und seiner norwegischen Gattin wurde 2006 geboren.

Im vorliegenden Fall war das Asyl- und Ausweisungsverfahren zum Zeitpunkt der Heirat nicht abgeschlossen, sodass die näheren Umstände der Zumutbarkeit der Übersiedlung der österreichischen Ehegattin in das Heimatland des Beschwerdeführers zu untersuchen gewesen wären."

U642/10, 29.09.2010

"Wenn der AsylGH darlegt und daraus nicht belegbare Schlussfolgerungen zieht, dass die Eheschließung der Beschwerdeführerin und ihres Mannes erst zu einem späten Zeitpunkt - nämlich in zeitlicher Nähe zur negativen Asylentscheidung - erfolgte, und es der Beschwerdeführerin auch zumutbar gewesen wäre unter Einhaltung der Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) legal zum Ehemann zuzuwandern, ersetzen diese Annahmen bzw. Auffassungen des AsylGH nicht die gebotene Abwägung der Auswirkungen einer Ausweisungsentscheidung auf ein existierendes gemeinsames Familienleben in Österreich."

U 119/12, 03.10.2012

"Der AsylGH geht offenbar davon aus, dass Lebensgemeinschaften nicht unter den Familienbegriff des Art8 EMRK fallen, wenn sie erst während der Dauer des Asylverfahrens begründet wurden. Doch ist weder die Eheschließung Voraussetzung für den Schutz von Art8 EMRK (vgl VfGH B1405/10 mwN; ua EGMR 18.12.1986, 9697/82 [Johnston ua gg Irland] Rz 56) noch beseitigt der bloße Hinweis auf den unsicheren Aufenthaltsstatus des Asylwerbers während der Dauer des Asylverfahrens den Schutz des Familienlebens. Einer mit der Ausweisung verbundenen Trennung von Familienmitgliedern kommt jedenfalls eine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, mit der sich der AsylGH auseinander setzen muss.

Der AsylGH verneint in seinen rechtlichen Erwägungen von vornherein einen Eingriff in das Familienlebendes Beschwerdeführers durch die Ausweisungsentscheidung und nimmt daher keine Interessensabwägung vor. Er misst der mit der Ausweisung verbundenen Trennung des Beschwerdeführers von seiner (mittlerweile) Ehefrau keine entscheidungswesentliche Bedeutung bei. Im Rahmen der gebotenen Interessensabwägung käme der Frage, ob das Familienleben in einem ungewissen Aufenthaltszustand entstanden ist, ein wesentliches Gewicht zu. Die öffentlichen Interessen an der Ausweisung sind aber den privaten Interessen gegenüberzustellen, ua die Frage der Zumutbarkeit der Fortführung des Familienlebens im Kosovo."

3.4.2. Entscheidungen des VwGH zur Zumutbarkeit der Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsstaat im Zusammenhang mit Rückkehrentscheidungen:

2013/22/0166, 11.06.2014

"Bei der Beurteilung, ob ein Eingriff nach Art. 8 MRK zulässig ist, ist zu beachten, ob eine Fortsetzung des gemeinsamen Familienlebens außerhalb Österreichs möglich ist bzw. ob auf Grund einer aus Asylgründen bedingten Trennung der Familie der Eingriff in das Familienleben als unzulässig zu werten wäre (vgl. E 11. November 2013, 2013/22/0224; E 13. November 2012, 2011/22/0081)."

2012/22/0226, 29.01.2013

(Lebensgemeinschaft mit einer Staatsangehörigen desselben Herkunftsstaates, Leben mit gemeinsamen Kind im gemeinsamen Haushalt)

"Demgegenüber verfügt der Beschwerdeführer zwar über (auch familiäre) Bindungen im Inland, ist aber unbestritten am Arbeitsmarkt nicht integriert und es werden auch keine besonderen integrationsbegründenden Umstände vorgebracht. Da auch nicht konkret behauptet wird, warum die Fortsetzung der Lebensgemeinschaft mit dem gemeinsamen Kind im gemeinsamen Heimatstaat unmöglich wäre, ist der belangten Behörde Recht zu geben, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich gegenüber den erwähnten öffentlichen Interessen zurückzutreten haben. In keiner Weise wird bei Zumutbarkeit der Fortsetzung der Lebensgemeinschaft im Heimatstaat eine "Sippenhaftung" angesprochen, wie dies die Beschwerde meint. In diesem Zusammenhang ist den Ausführungen zu einer Verfolgungssituation im Heimatstaat unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Asylverfahrens der Boden entzogen."

2007/01/0537, 15.03.2010

(Ehe mit österreichischer Staatsbürgerin)

"So hat die belangte Behörde ausdrücklich festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist und hat dem zufolge auch zutreffend festgehalten, dass die Ausweisung einen Eingriff unter anderem in das Recht des Beschwerdeführers auf (dieses) Familienleben darstellt. Dessen ungeachtet finden sich in der Begründung der Ausweisung keine fallbezogenen Ausführungen zu diesem Familienleben des Beschwerdeführers mit seiner Ehegattin österreichischer Staatsangehörigkeit und insbesondere keine diesbezügliche Abwägung. Die allgemein gehaltenen (textbausteinartigen) Verweise auf die Rechtsprechung sowie allgemeine Ausführungen über das Erfordernis einer Auslandsantragstellung können im Hinblick darauf, dass im Beschwerdefall das Asylverfahren zum Zeitpunkt der Heirat des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin noch nicht abgeschlossen war, eine Prüfung der näheren Umstände der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers oder auch (nach einer Legalisierung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers vom Ausland aus) im Bundesgebiet nicht ersetzen (vgl. hiezu das obzitierte Erkenntnis des VfGH vom 1. Juli 2009, U 992/08)."

2007/01/0745, 15.03.2010

"Dem angefochtenen Bescheid ist keine Auseinandersetzung mit der Frage zu entnehmen, ob dem Beschwerdeführer eine Fortsetzung des Familienlebens mit seiner Ehefrau und seinen drei Kindern in seinem Herkunftsstaat möglich und zumutbar ist (vgl. zu diesem Kriterium und insgesamt zu den nach Art. 8 EMRK bei der individuellen Abwägung zu berücksichtigenden Kriterien jüngst die Urteile des EGMR vom 24. November 2009, Omojudi gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 1820/08, Randnr. 41, sowie vom 12. Jänner 2010, A. W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 47.486/06, Randnr. 39 ff, beide mwH auf die maßgebliche Rechtsprechung des EGMR)."

3.5. Im Rahmen einer Abwägung der relevanten Aspekte des Privat- und Familienlebens des BF in Österreich war hinsichtlich der Eheschließung des BF vom 19.08.2015 mit der nunmehrigen Ehegattin, die aus der Türkei stammend seit 16.06.2015 die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, zunächst zu berücksichtigen, dass diese zu einem Zeitpunkt erfolgte, in welchem dem BF grundsätzlich die Ungewissheit seines weiteren Aufenthalts bewusst sein musste. Er hielt sich zu diesem Zeitpunkt erst etwas mehr als ein halbes Jahr lang in Österreich auf und war auch sein Antrag auf internationalen Schutz bereits mit Bescheid vom 10.07.2015 erstinstanzlich abgewiesen worden. Auch der Ehegattin des BF musste im Zeitpunkt der Heirat bewusst sein, dass der weitere Aufenthalt ihres Gatten als Asylwerber ungewiss ist. Werden familiäre Beziehungen zu einem Zeitpunkt begründet, zu dem der Fremde nicht mit einem weiteren Verbleib im Inland rechnen konnte, so erfahren die aus dieser Beziehung abzuleitenden persönlichen Interessen des Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet eine wesentliche, die Interessensabwägung nachteilig beeinflussende Minderung (vgl. VwGH 27.02.2003, 2002/18/0207).

Der BF lebt mit seiner Ehegattin erst seit August 2015 zusammen. Davor lebte der BF bei seiner Schwester. Auch im Lichte dieses erst recht kurzen Zusammenlebens war noch nicht von einer besonders nachhaltigen Beziehung auszugehen, zumal der BF vor seiner Einreise in der Türkei gelebt und eine Beziehung zur nunmehrigen Ehegattin in der letzten Einvernahme vor der belangten Behörde noch nicht einmal erwähnt hat. Auch im Gefolge der jüngsten Aufforderung durch das BVwG, den Beziehungsverlauf näher darzulegen, hat der BF keine Ausführungen zu einer vor der Eheschließung bestehenden Beziehung getätigt, sondern lediglich die Hochzeitsurkunde vorgelegt. Insgesamt gesehen war daher zur Feststellung zu gelangen, dass sich die Ehegatten offenbar erst seit wenigen Monaten kennen.

Zwar wurde vom BF bzw. seinem anwaltlichen Vertreter zuletzt trotz der Möglichkeit sich im Rahmen des Parteigehörs dazu zu äußern nicht dargelegt, welche aktuellen Anknüpfungspunkte seine Ehegattin zur Türkei hat, aufgrund ihrer Herkunft aus der Türkei konnte aber davon ausgegangen werden, dass ihr zumindest die dortige Kultur und Gesellschaft sowie die türkische Sprache geläufig sind. In der Beschwerde wurde auch nichts dazu vorgebracht, warum es für sie unzumutbar wäre den BF allenfalls in die Türkei zu begleiten. Der BF wiederum hat in der Türkei jahrelang gearbeitet und verfügt über Verwandte dort. Was sohin das soziale Umfeld sowie eine allfällige Integration in der Türkei betrifft, so wäre es der Ehegattin des BF also auch möglich und zumutbar dort mit dem BF gemeinsam zu leben.

Darüber hinaus wäre es für den BF auch zumutbar im Gefolge einer freiwilligen Rückkehr in die Türkei vor dem Hintergrund der oben festgestellten Lebensumstände dort eine geordnete Familienzusammenführung auf legalem Wege mit seiner zwischenzeitig in Österreich verbleibenden Gattin abzuwarten bzw. abzuwickeln. Der Kontakt kann zwischenzeitlich auch über moderne Medien aufrechterhalten werden, so wie es dem BF ja auch jetzt möglich ist mit seinem in der Türkei lebenden Kind den Kontakt aufrecht zu erhalten. In diesem Zusammenhang wird zwar nicht verkannt, dass der Verweis auf Kommunikation über moderne Medien bei Kindern unzulässig ist (vgl. VfGH vom 25.02.2013, U2241/12; VfGH vom 19.06.2015, E426/2015). Dies gilt jedoch nicht für erwachsene Personen, welche sich auch der Konsequenzen ihrer Handlungen bewusst sein mussten, dass nämlich eine spätere Fortsetzung des gemeinsamen Familienlebens nur unter Einhaltung der entsprechenden rechtlichen Bestimmungen möglich ist.

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für den Beschwerdeführer grundsätzlich nicht mehr möglich seinen Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem Beschwerdeführer die Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus offen steht, sodass ihn mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Ausweisung des Fremden bedarf.

Hinsichtlich des sonstigen Privatlebens des BF in Österreich ist festzuhalten, dass der BF rechtswidrig in das Bundesgebiet eingereist ist und der Aufenthalt nur durch die Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz vorübergehend rechtmäßig geworden ist. Er ist seither als Asylwerber in Österreich aufhältig. Das Gewicht des sohin schon kurzen Aufenthalts des BF in Österreich ist noch dadurch abgeschwächt, dass der BF seinen Aufenthalt durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchte, er konnte alleine durch die Stellung seines Antrags jedoch nicht begründeter Weise von der zukünftigen dauerhaften Legalisierung seines Aufenthalts ausgehen.

Der BF hat hierorts keine Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit oder anderweitiger maßgeblicher wirtschaftlicher Interessen. Der BF hat zwar eine Bestätigung für den Besuch eines Deutschkurses für zwei Wochenstunden über 4,5 Monate hinweg vorgelegt, er hat aber kein Prüfungszeugnis vorgelegt, sodass insgesamt nicht davon ausgegangen werden konnte, dass er außergewöhnliche Deutschkenntnisse besitzen würde, was auch nicht vorgebracht wurde.

Der BF verbrachte den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat, wurde dort sozialisiert und spricht die Mehrheitssprache seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso war festzustellen, dass er dort über Bezugspersonen in Form seiner Angehörigen verfügt. Es deutete daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF stellt der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420).

Im gegenständlichen Verfahren waren keine unverhältnismäßig langen Verfahrensgänge festzustellen, die den zuständigen Behörden zur Last zu legen wären.

Der sohin relativ schwachen Rechtsposition des BF im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber.

3.6. Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten iSd Art 8 Abs 2 EMRK gelangt man gegenständlich zu dem Ergebnis, dass die individuellen Interessen des BF iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht so ausgeprägt sind, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gg. Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das BFA daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, rechtfertigen würden.

3.7. Die belangte Behörde ist sohin auch nach Abwägung aller dargelegten persönlichen Umstände des Beschwerdeführers zu Recht davon ausgegangen, dass ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen nicht zu erteilen ist. Es liegt im gegenständlichen Fall schon die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG (Aufrechterhaltung eines Privat- und Familienleben iSd Art. 8 EMRK) nicht vor.

3.8. Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in die Türkei unzulässig wäre.

3.9. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen des BF und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen in der Beschwerdeschrift getroffen.

Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, war die Beschwerde gegen den 3. Spruchteil des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 52 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 9 und 55 Abs. 1 FPG idgF sowie §§ 55 und 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abzuweisen.

4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, BGBl I Nr. 68/2013 idgF, kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, wie oben bereits im Einzelnen ausgeführt wurde.

5. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Insbesondere war die gegenständliche Entscheidung von bloßen Tatsachenfeststellungen abhängig, die anhand von Glaubwürdigkeitserwägungen im Rahmen der freien Beweiswürdigung getroffen wurden.

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