VwGH 96/20/0323

VwGH96/20/03235.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des Y in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. April 1996, Zl. 4.335.816/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Herkunft, ist nach Inhalt der mit der Beschwerde vorgelegten Bescheidausfertigung am 7. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 10. Dezember 1991 beantragt, ihm Asyl zu gewähren.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. April 1996 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers in Erledigung seiner Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 5. März 1992 abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer bei der durch die Asylbehörde erster Instanz am 27. Februar 1992 erfolgten niederschriftlichen Befragung im wesentlichen angegeben habe, er sei als Angehöriger der kurdischen Volksgruppe in seinem Heimatland diskriminiert gewesen. So dürften Kurden im öffentlichen Leben ihre Sprache nicht gebrauchen, würden in der Schule darin nicht unterrichtet werden und "gewähre man diesen auch keine Menschenrechte". Er habe nach Abschluß der Volksschule kein Diplom erhalten und sei deshalb bei der Arbeitssuche benachteiligt gewesen. Er habe selbst nie einer Partei oder einer politischen Organisation angehört.

Er stamme aus K, wo es überhaupt keine Aufständischen gebe, dennoch würden auch dort von der Gendarmerie Hausdurchsuchungen durchgeführt. Die Gendarmen seien in der Nacht ohne Voranmeldung in sein Haus gekommen und hätten dieses nach Waffen durchsucht. Innerhalb der letzten zwei Jahre sei er vier- oder fünfmal festgenommen und zur Polizeistation zur Durchführung von Verhören gebracht worden. Man habe ihm Kontakte zur PKK vorgeworfen, diese jedoch nie nachweisen können.

Da sich in letzter Zeit die Festnahmen und Inhaftierungen von Kurden vermehrt hätten, habe er sich zur Ausreise entschlossen. Er habe ohne Probleme einen Reisepaß erhalten und sei legal aus der Türkei ausgereist.

Rechtlich beurteilte die belangte Behörde dieses Vorbringen zusammengefaßt dahin, daß aus den allgemeinen sozialen Schwierigkeiten und Diskriminierungen der kurdischen Volksgruppe in der Türkei eine individuell konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungsabsicht der türkischen Behörden nicht abgeleitet werden könne. Die geltend gemachten Hausdurchsuchungen, Festnahmen und Einvernahmen begründeten aufgrund ihrer geringen Eingriffsintensität keinen ernsthaften Nachteil im Sinne des Asylgesetzes 1991. Es handle sich dabei um verhältnismäßig geringe, vorübergehende Beeinträchtigungen im Zuge behördlicher Ermittlungen, die keine Zwangslage herbeiführten, der sich der Beschwerdeführer nur durch Ausreise hätte entziehen können. Im übrigen habe sich der Beschwerdeführer ca. einen Monat in Istanbul aufgehalten und sei dort keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen. Es sei nicht ersichtlich, daß sich die geltend gemachten Verfolgungshandlungen auf das gesamte türkische Staatsgebiet erstreckt hätten. Der Beschwerdeführer habe vielmehr eine inländische Fluchtalternative in Istanbul gefunden bzw. hätte er eine solche außerhalb seiner Heimatregion finden können.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat in der Begründung ihres Bescheides in Einklang mit der hg. Judikatur ausgeführt, daß grundsätzlich nur solche Umstände zu einer Asylgewährung führen können, die eine Person unmittelbar betreffen, und allgemein herrschende politische Verhältnisse, insbesondere die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Benachteiligungen (Verbot der Verwendung der kurdischen Sprache, mangelnder Unterricht in dieser Sprache, allgemeine Benachteiligungen am Arbeitsplatz) keine Flüchtlingseigenschaft begründen. Weder Hausdurchsuchungen noch kurzfristige Festnahmen oder Verhöre rechtfertigen in der Regel die Annahme wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.

Wenn in der Beschwerde geltend gemacht wird, die belangte Behörde sei deshalb zu dem abweisenden Ergebnis gelangt, weil sie den Beschwerdeführer unter Verletzung ihrer Manuduktionspflicht nicht ausführlicher belehrt und nicht intensiv genug befragt habe, so ist nicht ersichtlich, zu welchen anderen Feststellungen die belangte Behörde bei einer dementsprechenden Belehrung und ausführlicheren Befragung hätte gelangen sollen. Auch in der Beschwerde macht der Beschwerdeführer nur geltend, daß sein Haus von den türkischen Behörden mehrmals nach Waffen erfolglos durchsucht worden sei. In Einklang mit seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren wird in der Beschwerde neuerlich darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise vier bis fünfmal zur Durchführung von Verhören festgenommen worden sei. Weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde wird behauptet, daß der Beschwerdeführer Mißhandlungen ausgesetzt gewesen wäre oder aber die Vorgangsweise der Behörden sonstige weitergehende Nachteile nach sich gezogen hätte. Nach den - nicht bestrittenen - Feststellungen im angefochtenen Bescheid habe der Beschwerdeführer angegeben, daß er bei einer allfälligen Rückkehr "Unterdrückung und Arbeitslosigkeit" zu erwarten hätte. Diesem Vorbringen kann nicht entnommen werden, daß mit dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in seinem Heimatland für ihn zwangsläufig der Entzug der Lebensgrundlage verbunden wäre (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1993, Zl. 93/01/0733), geschweige denn ihm ein solcher Umstand aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention drohte.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, er habe nicht erkennen können, daß seine geschilderten Asylgründe für die Asylgewährung nicht ausreichten. Anderen Asylwerbern sei bei einem gleichgelagerten Vorbringen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß jeder Fall für sich zu beurteilen ist und selbst bei unrichtiger Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einer anderen Asylsache der Beschwerdeführer daraus für sich keine Rechte ableiten kann. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber eine Verpflichtung der Behörde, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln, nicht abgeleitet werden (vgl. u.a. das hg. Erkenntis vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0756, und die dort wiedergegebene Judikatur). Ebensowenig besteht eine Verpflichtung, den Asylwerber materiellrechtlich über mögliche erfolgversprechende Asylgründe zu belehren und ihn zur Behauptung derartiger Umstände anzuleiten.

Letztlich ist noch darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer der Annahme der belangten Behörde, er habe innerhalb der Türkei, namentlich in Istanbul, eine inländische Fluchtalternative gefunden, in der Beschwerde nicht entgegengetreten ist.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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