Erhaltungspflicht nach § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB
Da der Vermieter den Mietgegenstand nicht nur in brauchbarem Zustand übergeben, sondern ihn auch in diesem Zustand zu erhalten hat, kommt der Brauchbarkeit des Bestandobjekts für die Erhaltungspflicht des Vermieters gem § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB wesentliche Bedeutung zu.1 Diese richtet sich in erster Linie nach der Vereinbarung bzw dem dem Mietvertrag im jeweiligen Einzelfall2 zugrunde liegenden Verwendungszweck, wobei das Bestandobjekt grundsätzlich einen Gebrauch zulassen muss, der nach dem Vertragszweck und der Verkehrssitte erfolgt. Mangels entsprechender Vereinbarung gilt eine mittlere Brauchbarkeit als geschuldet.3
Die volle Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB ist grundsätzlich abdingbar.4 Eine entsprechende Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter ist als Mietzinsvereinbarung zu qualifizieren und daher jedenfalls bei freier Mietzinsbildung möglich;5 ob und inwieweit eine Überwälzung von Erhaltungspflichten auf den Mieter tatsächlich zulässig ist, ist stets im Einzelfall zu beurteilen.
Hinweis
Durch die WRN 2015 wurde bei Wohnmietverträgen, die dem Teilanwendungsbereich des § 1 Abs 4 MRG unterliegen, eine zwingende Erhaltungspflicht des Vermieters betreffend mitvermietete Heizthermen, Warmwasserboiler oder sonstige Wärmebereitungsgeräte eingeführt.6 Diese Erhaltungsmaßnahmen kann der Vermieter im Teilanwendungsbereich des § 1 Abs 4 MRG also jedenfalls nicht mehr auf den Mieter überbinden.
Umfang
Nach § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB ist der Vermieter insoweit zur Erhaltung des Mietobjekts verpflichtet, als dies für den bedungenen Gebrauch erforderlich ist.7 Dabei ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen, sodass der Vermieter nach § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB grundsätzlich nicht zur laufenden Anpassung oder Modernisierung des Bestandobjekts verpflichtet ist. Man spricht insofern von einem „statischen Erhaltungsbegriff“.8
Die Erhaltungspflicht des Vermieters, der eine entsprechende Duldungspflicht des Mieters gegenübersteht,9 erfasst dabei nicht nur
- das Mietobjekt an sich, sondern erstreckt sich auch auf
- Versorgungsleitungen10 sowie auf
- allgemeine Teile des Hauses,11 die der Mieter (mit-)benützen darf.
- Ferner ist der Vermieter zur (auch: vorbeugenden12) Beseitigung von Gefahrenquellen,13 die mit dem Mietobjekt zusammenhängen, verpflichtet.
- Schließlich hat der Vermieter im Rahmen seiner Erhaltungspflicht iwS auch dafür zu sorgen, dass all diese Teile gefahrlos benützt werden können.14
Beschränkungen der Erhaltungspflicht ergeben sich insb dadurch, dass
- der Vermieter idR nicht zur Durchführung unwirtschaftlicher oder unerschwinglicher Maßnahmen verpflichtet ist,15
- seine Leistungspflicht bei außerordentlichen Zufällen iSd § 1104 ABGB entfällt,16
- die Gebrauchsbeeinträchtigung iSd § 1111 ABGB vom Mieter selbst zu vertreten ist,17 sowie dadurch, dass
- der Mieter für kleinere Ausbesserungen selbst aufzukommen hat.18
Rechtsbehelfe des Mieters
Bei nicht gehöriger Erfüllung der Erhaltungspflichten durch den Vermieter kann sich der Mieter mit der ex lege eintretenden, sich nach Grad und Dauer der Beeinträchtigung richtenden Mietzinsminderung19 nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB begnügen oder auch
- auf die Zuhaltung des Vertrages (insb Durchführung von Erhaltungsarbeiten) dringen,
- die Arbeiten selbst erbringen und Investitionsersatz (§§ 1097, 1036 ABGB) begehren oder
- nach § 1117 Satz 1 ABGB vom Vertrag zurücktreten.20
Bei Verschulden wird der Vermieter darüber hinaus schadenersatzpflichtig.21
Erhaltungspflicht nach § 3 MRG
Im Vollanwendungsbereich des MRG wird die Erhaltungspflicht des Vermieters von § 3 MRG geregelt. Anders als § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB sieht § 3 MRG eine bloß eingeschränkte Erhaltungspflicht des Vermieters vor, was mit den im Vollanwendungsbereich des MRG typischerweise eingreifenden Mietzinsbegrenzungen gerechtfertigt wird.22
Die Bestimmung enthält zugunsten des Hauptmieters relativ zwingendes Recht und verdrängt die volle Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB in dem von § 3 MRG geregelten Bereich zur Gänze, sodass hinsichtlich Erhaltungspflichten auch eine subsidiäre Geltung des § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB ausgeschlossen ist. § 3 MRG trifft also im Bereich der Erhaltung des Mietobjekts eine abschließende und auch inhaltlich andere Regelung als der in diesem Umfang verdrängte § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB.23
Praxistipp
Von „nützlichen Verbesserungen“ nach § 4 MRG unterscheiden sich Erhaltungsarbeiten gem § 3 MRG vor allem dadurch, dass sie eine Reparaturbedürftigkeit im Sinne einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit, Brauchbarkeit oder zumindest eine Schadensgeneigtheit voraussetzen.24
Umfang
Im Gegensatz zu § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB normiert § 3 Abs 1 MRG einen dynamischen Erhaltungsbegriff, sodass der Vermieter bei der Erfüllung seiner Erhaltungspflichten auf Entwicklungen der Bautechnik und zeitgemäße Wohnkultur Rücksicht nehmen muss,25 ohne dass aber eine generelle Verpflichtung zur permanenten Modernisierung besteht.26
Die dem Vermieter obliegenden Arbeiten, die der Mieter nach § 8 Abs 2 und 3 MRG zu dulden hat, sind in § 3 Abs 2 MRG taxativ aufgezählt und umfassen
- die Erhaltung der allgemeinen Teile des Hauses (§ 3 Abs 2 Z 1 MRG) einschließlich Gemeinschaftsanlagen (§ 3 Abs 2 Z 3 MRG),
- die Erhaltung der Mietgegenstände selbst, sofern es sich um die Behebung ernster Schäden des Hauses, die Beseitigung einer erheblichen Gesundheitsgefährdung, die Brauchbarmachung der Mietobjekte vor deren Vermietung (§ 3 Abs 2 Z 2 MRG) oder um die Erhaltung von mitvermieteten Heizthermen, mitvermieteten Warmwasserboilern und sonstigen mitvermieteten Wärmebereitungsgeräten handelt (§ 3 Abs 2 Z 2a MRG),
- Neueinführungen oder Umgestaltungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung (Z 4),27
- Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs (§ 3 Abs 2 Z 5 MRG) sowie
- die Anbringung von Messgeräten (§ 3 Abs 2 Z 6 MRG).28
Diese abschließende Aufzählung hat zur Folge, dass sich im Vollanwendungsbereich des MRG die beschränkte Erhaltungspflicht des Vermieters gem § 3 MRG und die ebenso eingeschränkte Wartungs- und Instandhaltungspflicht des Mieters nach § 8 MRG gegenüberstehen. Zwischen den beiden Regelungsregimen besteht ein sog „Regelungsvakuum“. Dieses „Regelungsvakuum“, das auch nicht durch § 1096 ABGB aufgefüllt wird, wurde durch die WRN 2015 betreffend Wärmebereitungsgeräte zwar verkleinert. Es besteht aber nach wie vor und zwar vor allem hinsichtlich anderer mitvermieteter Gegenstände oder Geräte (zB Klimaanlage, Herd, Kühlschrank).29 Von den Fällen des § 3 Abs 2 Z 2 und 2a MRG abgesehen ist der Vermieter nämlich nach wie vor nicht verpflichtet, Mängel im Inneren des Mietgegenstandes zu beheben.30
Rechtsbehelfe des Mieters
Bei nicht gehöriger Erfüllung durch den Vermieter tritt auch im Vollanwendungsbereich des MRG die Rechtsfolge der Mietzinsminderung nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB ein. Darüber hinaus kann der Mieter die Erhaltungspflichten des Vermieters im außerstreitigen Auftragsverfahren nach § 6 iVm § 37 Abs 1 Z 2 MRG durchsetzen.
Bei schuldhafter Verletzung der Erhaltungspflichten wird der Vermieter darüber hinaus schadenersatzpflichtig.31
Hinweis
- Sind Erhaltungsarbeiten erforderlich, die dem Vermieter obliegen, trifft den Hauptmieter eine Anzeigepflicht nach § 8 Abs 1 Satz 3 MRG.32
- Die Finanzierung und Verrechnung der Erhaltungskosten richtet sich nach § 3 Abs 3 MRG.
- Im Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht sind die Erhaltungsregelungen des § 14a WGG zu beachten (§ 20 Abs 1 Z 1 lit a WGG).33