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Erhaltungspflicht - Miete

Miet- und WohnrechtMieteTamerlMärz 2024

Nach § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB ist der Vermieter verpflichtet, das Bestandobjekt während der gesamten Vertragsdauer auf eigene Kosten in brauchbarem Zustand zu erhalten. Diese Regelung ist dispositiv und normiert eine für den Nicht- und Teilanwendungsbereich des MRG maßgebliche umfassende Erhaltungspflicht des Vermieters. Im Vollanwendungsbereich des MRG sind die Erhaltungspflichten des Vermieters dagegen durch die zugunsten des Hauptmieters relativ zwingende Regelung des § 3 MRG beschränkt.

Erhaltungspflicht nach § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB

Da der Vermieter den Mietgegenstand nicht nur in brauchbarem Zustand übergeben, sondern ihn auch in diesem Zustand zu erhalten hat, kommt der Brauchbarkeit des Bestandobjekts für die Erhaltungspflicht des Vermieters gem § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB wesentliche Bedeutung zu.11Ausführlich dazu Pesek in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 1096 Rz 4 ff. Diese richtet sich in erster Linie nach der Vereinbarung bzw dem dem Mietvertrag im jeweiligen Einzelfall22Dazu 7 Ob 56/17m = immolex 2017, 283 (Hauswurz) = Zak 2017/337; 4 Ob 83/19p. zugrunde liegenden Verwendungszweck, wobei das Bestandobjekt grundsätzlich einen Gebrauch zulassen muss, der nach dem Vertragszweck und der Verkehrssitte erfolgt. Mangels entsprechender Vereinbarung gilt eine mittlere Brauchbarkeit als geschuldet.33RIS-Justiz RS0020926, zB 9 Ob 53/16h = wobl 2017, 200/65 = Zak 2017/439; ausführlich dazu jüngst Pesek, Zwingende Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 1096 ABGB bei einer Gesundheitsgefährdung des Mieters? wobl 2019, 77; jüngst 5 Ob 88/23m.

Die volle Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB ist grundsätzlich abdingbar.44RIS-Justiz RS0021525, RS0020841, RS0021233. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter ist als Mietzinsvereinbarung zu qualifizieren und daher jedenfalls bei freier Mietzinsbildung möglich;55RIS-Justiz RS 0124826, dazu etwa 1 Ob 176/12g = MietSlg 64.151 = wobl 2013, 26/9 (Riss), jüngst 5 Ob 37/22k. ob und inwieweit eine Überwälzung von Erhaltungspflichten auf den Mieter tatsächlich zulässig ist, ist stets im Einzelfall zu beurteilen.

Hinweis

Durch die WRN 2015 wurde bei Wohnmietverträgen, die dem Teilanwendungsbereich des § 1 Abs 4 MRG unterliegen, eine zwingende Erhaltungspflicht des Vermieters betreffend mitvermietete Heizthermen, Warmwasserboiler oder sonstige Wärmebereitungsgeräte eingeführt.66BGBl I 2014/100. Diese Erhaltungsmaßnahmen kann der Vermieter im Teilanwendungsbereich des § 1 Abs 4 MRG also jedenfalls nicht mehr auf den Mieter überbinden.

Umfang

Nach § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB ist der Vermieter insoweit zur Erhaltung des Mietobjekts verpflichtet, als dies für den bedungenen Gebrauch erforderlich ist.77Übersichtlich dazu Pesek in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 1096 Rz 33 ff. Dabei ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen, sodass der Vermieter nach § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB grundsätzlich nicht zur laufenden Anpassung oder Modernisierung des Bestandobjekts verpflichtet ist. Man spricht insofern von einem „statischen Erhaltungsbegriff“.88Dazu etwa Pesek in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 1096 Rz 36.

Die Erhaltungspflicht des Vermieters, der eine entsprechende Duldungspflicht des Mieters gegenübersteht,99So ausdrücklich Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 1096 ABGB Rz 6. erfasst dabei nicht nur

  • das Mietobjekt an sich, sondern erstreckt sich auch auf
  • Versorgungsleitungen1010RIS-Justiz RS0106104, insb 2 Ob 215/10x = EvBl-LS 2012/98 (Rohrer) = MietSlg LXIV/5. sowie auf
  • allgemeine Teile des Hauses,1111ZB 5 Ob 72/97t = immolex 1997/137 (Pfiel) = MietSlg 49.111 (Reparatur eines defekten Liftes). die der Mieter (mit-)benützen darf.
  • Ferner ist der Vermieter zur (auch: vorbeugenden1212ZB 7 Ob 133/10x = immolex 2011/4 (Edelhauser) = MietSlg 62.138 (vorbeugende Überprüfung der Wasserrohrleitungen).) Beseitigung von Gefahrenquellen,1313ZB 2 Ob 513/96 = MietSlg 48.120; 2 Ob 116/20b = immolex 2021/33 (Holzer); siehe dazu auch Pesek, wobl 2019, 77 ff. die mit dem Mietobjekt zusammenhängen, verpflichtet.
  • Schließlich hat der Vermieter im Rahmen seiner Erhaltungspflicht iwS auch dafür zu sorgen, dass all diese Teile gefahrlos benützt werden können.1414ZB RIS-Justiz RS0104241.

Beschränkungen der Erhaltungspflicht ergeben sich insb dadurch, dass

  • der Vermieter idR nicht zur Durchführung unwirtschaftlicher oder unerschwinglicher Maßnahmen verpflichtet ist,15157 Ob 3/03x = immolex 2003/76 (Pfiel) = wobl 2004, 342/86 (Vonkilch); LGZ Wien 41 R 572/80 = MietSlg 32.169; LGZ Wien 38 R 141/19w = MietSlg 71.118.
  • seine Leistungspflicht bei außerordentlichen Zufällen iSd § 1104 ABGB entfällt,1616Vgl dazu zB Lovrek, COVID-19: Auswirkungen auf Bestandverträge, ZIK 2020/60; Flume/Laimer, Periculum est locatoris, ImmoZak 2020/14; Tamerl, Die Gefahrtragung im Bestandrecht im Lichte der COVID-19-Pandemie, Zak 2020/190.
  • die Gebrauchsbeeinträchtigung iSd § 1111 ABGB vom Mieter selbst zu vertreten ist,1717LGZ Wien 38 R 123/19y = MietSlg 71.129; Würth/ Zingher/ Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 1096 ABGB Rz 15 (mwN). sowie dadurch, dass
  • der Mieter für kleinere Ausbesserungen selbst aufzukommen hat.1818S bloß Pesek in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 1096 Rz 50.
Rechtsbehelfe des Mieters

Bei nicht gehöriger Erfüllung der Erhaltungspflichten durch den Vermieter kann sich der Mieter mit der ex lege eintretenden, sich nach Grad und Dauer der Beeinträchtigung richtenden Mietzinsminderung1919S dazu jüngst 8 Ob 34/17h = wobl 2018, 27/8 = Zak 2018/18. nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB begnügen oder auch

  • auf die Zuhaltung des Vertrages (insb Durchführung von Erhaltungsarbeiten) dringen,
  • die Arbeiten selbst erbringen und Investitionsersatz (§§ 1097, 1036 ABGB) begehren oder
  • nach § 1117 Satz 1 ABGB vom Vertrag zurücktreten.2020S nur Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 1096 ABGB Rz 2 (mwN).

Bei Verschulden wird der Vermieter darüber hinaus schadenersatzpflichtig.2121ZB 3 Ob 216/06w = MietSlg 59.133.

Erhaltungspflicht nach § 3 MRG

Im Vollanwendungsbereich des MRG wird die Erhaltungspflicht des Vermieters von § 3 MRG geregelt. Anders als § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB sieht § 3 MRG eine bloß eingeschränkte Erhaltungspflicht des Vermieters vor, was mit den im Vollanwendungsbereich des MRG typischerweise eingreifenden Mietzinsbegrenzungen gerechtfertigt wird.2222Ausführlich dazu Riss in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 3 MRG Rz 6d ff.

Die Bestimmung enthält zugunsten des Hauptmieters relativ zwingendes Recht und verdrängt die volle Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB in dem von § 3 MRG geregelten Bereich zur Gänze, sodass hinsichtlich Erhaltungspflichten auch eine subsidiäre Geltung des § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB ausgeschlossen ist. § 3 MRG trifft also im Bereich der Erhaltung des Mietobjekts eine abschließende und auch inhaltlich andere Regelung als der in diesem Umfang verdrängte § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB.2323RIS-Justiz RS0124632, insb 5 Ob 17/09z = immolex 2009/80 (Prader) = wobl 2009, 233/79 (Riss).

Praxistipp

Von „nützlichen Verbesserungen“ nach § 4 MRG unterscheiden sich Erhaltungsarbeiten gem § 3 MRG vor allem dadurch, dass sie eine Reparaturbedürftigkeit im Sinne einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit, Brauchbarkeit oder zumindest eine Schadensgeneigtheit voraussetzen.2424Dazu etwa RIS-Justiz RS0116998, RS0114109.

Umfang

Im Gegensatz zu § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB normiert § 3 Abs 1 MRG einen dynamischen Erhaltungsbegriff, sodass der Vermieter bei der Erfüllung seiner Erhaltungspflichten auf Entwicklungen der Bautechnik und zeitgemäße Wohnkultur Rücksicht nehmen muss,2525Dazu mwN 5 Ob 203/07z = MietSlg 59.230. ohne dass aber eine generelle Verpflichtung zur permanenten Modernisierung besteht.2626Ausführlich dazu Riss in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 3 MRG Rz 8 ff.

Die dem Vermieter obliegenden Arbeiten, die der Mieter nach § 8 Abs 2 und 3 MRG zu dulden hat, sind in § 3 Abs 2 MRG taxativ aufgezählt und umfassen

Diese abschließende Aufzählung hat zur Folge, dass sich im Vollanwendungsbereich des MRG die beschränkte Erhaltungspflicht des Vermieters gem § 3 MRG und die ebenso eingeschränkte Wartungs- und Instandhaltungspflicht des Mieters nach § 8 MRG gegenüberstehen. Zwischen den beiden Regelungsregimen besteht ein sog „Regelungsvakuum“. Dieses „Regelungsvakuum“, das auch nicht durch § 1096 ABGB aufgefüllt wird, wurde durch die WRN 2015 betreffend Wärmebereitungsgeräte zwar verkleinert. Es besteht aber nach wie vor und zwar vor allem hinsichtlich anderer mitvermieteter Gegenstände oder Geräte (zB Klimaanlage, Herd, Kühlschrank).2929Ausführlich Stabentheiner, Die Wohnrechtsnovelle 2015, wobl 2015, 2 (6); vgl auch Pesek, Die Erhaltung von Wärmebereitungsgeräten nach der WRN 2015, wobl 2016, 161 (162). Von den Fällen des § 3 Abs 2 Z 2 und 2a MRG abgesehen ist der Vermieter nämlich nach wie vor nicht verpflichtet, Mängel im Inneren des Mietgegenstandes zu beheben.3030Dazu Pesek, wobl 2016, 162.

Rechtsbehelfe des Mieters

Bei nicht gehöriger Erfüllung durch den Vermieter tritt auch im Vollanwendungsbereich des MRG die Rechtsfolge der Mietzinsminderung nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB ein. Darüber hinaus kann der Mieter die Erhaltungspflichten des Vermieters im außerstreitigen Auftragsverfahren nach § 6 iVm § 37 Abs 1 Z 2 MRG durchsetzen.

Bei schuldhafter Verletzung der Erhaltungspflichten wird der Vermieter darüber hinaus schadenersatzpflichtig.3131ZB 7 Ob 520/87 = MietSlg 39.111.

Hinweis

 



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