OGH 1Ob176/12g

OGH1Ob176/12g11.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Andreas H*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in Neusiedl am See, gegen die beklagte Partei Maria K*****, vertreten durch Dr. Ingrid Herzog-Müller, Rechtsanwältin in Bruck an der Leitha, wegen 3.230 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 19. Juni 2012, GZ 22 R 2/12t-32, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha vom 21. November 2011, GZ 1 C 11/11i-27, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

1. Die Parteien - beide Private - schlossen am 1. 4. 2008 einen befristeten Mietvertrag über ein Einfamilienhaus. Das Bestandverhältnis fällt gemäß § 1 Abs 2 Z 5 MRG (unstrittig) nicht in den Anwendungsbereich des MRG. Der Mietvertrag enthält folgende Bestimmung:

Die Erhaltungspflicht des Vermieters gemäß § 1096 ABGB wird hiermit ausdrücklich auf die Mieter überbunden. Diese Erhaltungspflicht der Mieter umfasst alle Teile der Bestandsache, also auch den Garten samt Einfriedung sowie sämtliche Installationen und die Außenhaut des Gebäudes.

Die Beklagte zahlte dem Kläger bis einschließlich Oktober 2010 den vereinbarten monatlichen Mietzins von 470 EUR. Ab November 2010 bezahlte sie wegen behaupteter Mietzinsminderungsansprüche nur noch reduzierte Mietzinse.

2. Die Vorinstanzen gestanden der Beklagten einen Mietzinsminderungsanspruch von 5 % aufgrund des unbenutzbaren Teils des Innenhofs zu, verpflichteten sie zur Zahlung des verbliebenen Mietzinsrückstands von 2.948 EUR sA und gaben dem auf den eingemahnten Mietzinsrückstand gestützten Räumungsbegehren gemäß § 1118 ABGB statt.

3. Mit ihrer außerordentlichen Revision strebt die Beklagte eine Mietzinsminderung von 90 % an, sodass das Zahlungs- und Räumungsbegehren abzuweisen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

4. Im Teil- und - wie hier - Nichtanwendungsbereich des MRG ist gemäß § 1096 Abs 1 erster Satz ABGB der Bestandgeber nach Übergabe des Bestandobjekts grundsätzlich zur umfassenden Erhaltung des Mietgegenstands im vertraglich vereinbarten, das heißt im Zweifel im „brauchbaren“ Zustand verpflichtet. Diese Verpflichtung erfasst auch jene allgemeinen Teile des Hauses, die der Mieter aufgrund einer Vereinbarung oder der Verkehrsübung zu benützen berechtigt ist (2 Ob 215/10x mwN).

Die Erhaltungspflicht nach § 1096 ABGB ist abdingbar. Eine im Nichtanwendungs- oder Teilanwendungsbereich des MRG geschlossene, (wie hier) nicht dem KSchG unterliegende Vereinbarung, womit dem Mieter in Abänderung der dispositiven Regelung des § 1096 Abs 1 erster Satz ABGB die Instandhaltungspflichten für die Zeit ab Übergabe des Bestandobjekts auferlegt werden, ist als Mietzinsvereinbarung zu qualifizieren, die jedenfalls bei freier Mietzinsbildung zulässig ist. Eine solche Vereinbarung über die Erhaltungspflicht könnte nur allenfalls wegen Verletzung besonderer gesetzlicher Bestimmungen (§ 879 ABGB; § 934 ABGB) als unwirksam angefochten werden (3 Ob 20/09a = SZ 2009/70 = immolex 2009/82, 224 [zust H. Böhm] mwN; dazu Pletzer, Die aktuelle mietrechtliche „Erhaltungsjudikatur“ im Überblick, Zak 2009/591, 363; Prader, Zulässigkeit und Entgeltcharakter von Erhaltungsvereinbarungen, RdW 2009/564, 563; H. Böhm, OGH 5 Ob 17/09z: Ein Pyrrhussieg für die Vermieter!, immolex 2009, 198). Die umfassende Formulierung der Überbindung der Erhaltungspflicht des Klägers auf die beklagte Mieterin im Mietvertrag bezieht sich - wie das Erstgericht zutreffend ausführte - auch auf Arbeiten, die „ernste Schäden“ betreffen. Unter der „Außenhaut“ des Gebäudes ist auch das Dach zu verstehen (vgl 5 Ob 97/09i). Aufgrund der der Beklagten zulässig überbundenen Erhaltungspflicht besteht ihre Verpflichtung, nicht nur Mängel in den Räumlichkeiten, sondern auch am Dach und der Dachkonstruktion selbst zu beheben. Damit scheidet aber ein Mietzinsminderungsanspruch der Beklagten infolge des schadhaften Dachstuhls und der bis 1. 12. 2010 bestehenden Schimmelbildung von etwa 1 m² im Schlafzimmer aus.

Dass die Überbindung der Erhaltungspflicht nicht wirksam zustande gekommen sein soll, trifft aufgrund der Feststellungen nicht zu. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren eine Unwirksamkeit der Überwälzung der Erhaltungspflicht oder eine Sittenwidrigkeit nicht geltend gemacht. Sie brachte lediglich vor, dass der Inhalt des Mietvertrags nicht dem tatsächlichen Zustand entspreche. Ihre diesbezüglich erstmals in der Berufung erhobenen Einwände verstoßen gegen das Neuerungsverbot (§ 482 Abs 1 ZPO), was auch für das Revisionsverfahren gilt (§ 504 Abs 2 ZPO; vgl 6 Ob 42/02y). Gleichfalls unbeachtlich ist aus diesem Grund der erstmals in der außerordentlichen Revision erhobene Einwand der Unbestimmtheit der Instandhaltungs-(Instandsetzungs-)Vereinbarung.

Da die Erhaltungspflicht nach § 1096 Abs 1 ABGB wirksam abbedungen wurde, steht der Beklagten - wie schon das Erstgericht zutreffend ausführte - wegen des schadhaften Daches kein weiterer Mietzinsminderungsanspruch zu.

5. Damit kommt es nicht mehr darauf an, dass das Berufungsgericht - abweichend von der Rechtsansicht des Erstgerichts - den weiteren Mietzinsminderungsanspruch der Beklagten allein deshalb verneinte, weil sie trotz statischer Unzulänglichkeiten der Dachkonstruktion die davon betroffenen Teile des Bestandobjekts weiter uneingeschränkt nutzte und zwar die Gefahr des Eindringens von Nässe in das Bauwerk bestanden habe, Nässeschäden aufgrund der baulichen Mängel jedoch nicht eingetreten seien.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte