OGH 3Ob216/06w

OGH3Ob216/06w25.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingrid T*****, vertreten durch Dr. Lukas Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei B***** Gesellschaft mbH & Co. Leasing OHG, *****, vertreten durch Doralt, Seist, Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei S***** AG, *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 107.990,01 EUR s.A., infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 12. Juni 2006, GZ 54 R 36/06t-54, womit infolge Berufung aller Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 11. November 2005, GZ 34 C 910/02i-43, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in Ansehung der vorinstanzlichen Teilabweisung von 48.991,04 EUR s.A. als unangefochten unberührt bleibt, wird in Ansehung eines Zuspruchs von 57.941,66 EUR samt 6,75 % Zinsen seit 1. November 2002 als Teilurteil bestätigt, in Ansehung des weiteren Zuspruchs sowie im Kostenpunkt jedoch aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin mietete am 8. Mai 1995 von der beklagten Partei das im A*****-Hof mit Passage (im Folgenden nur Haus) in der Stadt Salzburg im Erdgeschoss befindliche Eck-Geschäftslokal top E 11 samt Lager (im Nordteil des Hauses mit Schaufenstern zur Passage und zum F*****Kai) und betreibt dort unter der Bezeichnung „Mutter und Kind" ein Fachgeschäft für Baby- und Kinderbekleidung gehobener Qualität sowie sonstiger Bedarfsartikel und Accessoires für Babies, Kinder und werdende Mütter.

Bereits ab Beginn des Jahres 2001 verlängerte die beklagte Partei auslaufende Mietverträge nicht mehr und schloss neue Mietverträge nicht mehr ab, weshalb immer mehr Geschäftslokale im Haus leer standen. Damit verlor es für die Kunden zunehmend an Attraktivität und vermittelte einen verschmutzten, ungepflegten und verwahrlosten Eindruck. Aufgrund der mit einzelnen Mietern im Laufe des März 2001 geführten Gespräche wurde klar, dass es zum ursprünglich geplanten großen Umbau in zwei Abschnitten mit acht bis zehn verbliebenen Geschäftsraummietern, die, um einen möglichst ungestörten Geschäftsablauf zu garantieren, jeweils in eine Hälfte des Hauses ziehen sollten, während die andere Hälfte renoviert wurde, nicht kommen werde. Dennoch wurde diese zweistufige Art des Umbaus den Mietern in allgemeinen Gesprächen dargelegt und in der Folge individuell mit einzelnen Mietern besprochen. Beim Einzelgespräch mit der Klägerin sicherte man dieser über mehrmaliges Befragen ausdrücklich zu, dass der Umbau auf möglichst schonende Art durchgeführt, die Passage offen bleiben und ihr Geschäftsbetrieb vom Umbau nicht wesentlich betroffen sein werde. Eine andere Vorgangsweise als der Umbau in zwei Etappen wurde der Klägerin gegenüber niemals erwähnt. Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Zusagen akzeptierte die Klägerin letztlich am 5./6. Juli 2001 eine Vereinbarung (Beilagen K bis M, im Folgenden nur Vereinbarung vom Juli 2001) mit der beklagten Partei auf Erhalt eines nicht rückführbaren Kostenbeitrags von 400.000 ATS netto = 29.069,13 EUR netto sowie als neues Bestandsobjekt das um rund 32 m² größere Geschäftslokal top E 04. In der Vereinbarung wurde festgehalten, dass damit die Ansprüche der Klägerin im Zusammenhang mit der Generalsanierung, insbesondere die Kosten der Übersiedlung, einer allfälligen Beeinträchtigung der Benützbarkeit des Bestandsobjekts im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen sowie des Ersatzobjekts, allfällige Umsatzrückgänge und alle sonstigen Ansprüche im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen zur Sanierung des Hauses endgültig abgegolten seien. Die Klägerin wurde zur Unterfertigung dieser Vereinbarung gedrängt und ihr tatsachenwidrig gesagt, dass alle anderen Mieter mit der Vereinbarung einverstanden wären und solche Vereinbarungen bereits unterfertigt hätten, sie mehr oder weniger die Letzte sei und der gesamte Umbau von ihrer Zustimmung abhängig sei. Für die beklagte Partei bzw. deren Rechtsvorgänger war spätestens Ende Juni 2001 klar, dass keiner der Geschäftsraummieter vom Südteil in den Nordteil des Hauses übersiedeln werde. Die Klägerin wurde darüber nicht informiert. Ab Oktober/November 2001 war auch bekannt, dass der Umbau nicht wie ursprünglich geplant, in zwei Abschnitten erfolgen werde; auch darüber wurde die Klägerin nicht informiert. Da die Klägerin ab Mai 2001 die einzige im Nordteil des Hauses verbliebene Geschäftsraummieterin war, wurde der Bereich rund um ihr Geschäftslokal immer mehr vernachlässigt, verschmutzt und verwahrlost.

Die tatsächlichen Bauarbeiten - durch die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei - begannen im Jänner 2002 und zwar sofort im gesamten Haus. Es kam zu massivsten Beeinträchtigungen der Geschäftstätigkeit der Klägerin (Sperre der Passage mit Trennwänden; Einrichtung der Baustelle entlang der gesamten Front des Hauses im Bereich F*****-Kai; Lagerung des Großteils der Baustelleneinrichtung wie etwa eine Schuttmulde und benötigte Baumaterialien direkt vor dem Geschäftslokal der Klägerin; der zum Geschäft der Klägerin führende Eingang war auch die Zufahrt für die Baufahrzeuge; vor den Auslagen der Klägerin Ablagerung von Sandhaufen und Mischen von Zement, Schuttablagerung im Innenhof; starke Lärm- und Staubentwicklung durch die Abbruch- und Betonarbeiten; teilweise fehlende Erreichbarkeit des Geschäftslokals der Klägerin für Kunden; Eindringen von Baustaub und einer schmierigen schwarzen Substanz in das Geschäftslokal der Klägerin durch die Abbruch- und Bohrarbeiten; im März 2002 Anfahren eines Baggers gegen eine Trennwand des Geschäftslokals der Klägerin und dadurch bedingt Umfallen eines Regals und noch größere Verschmutzungen und Verstaubungen der gesamten Ware). Weil die Situation sich völlig anders als versprochen darstellte, wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 21. Jänner 2002 an die Liegenschaftseigentümerin, die jedoch eine Mietzinsbefreiung ablehnte. Auch in den Schreiben vom 13. und 27. März 2002 wies die Klägerin auf die nicht eingehaltenen Zusagen hin und behielt sich eine Irrtumsanfechtung (der Vereinbarung vom Juli 2001) vor. Die Beschädigungen der Ware der Klägerin durch Baustaub und Baugrieß führten zu einer Wertminderung der Ware von 55 % vom Verkaufswert, was 73.304 EUR entspricht. Die Umsätze der Klägerin entwickelten sich in den Jahren 1997 plus 12 %, 1998 plus 11 %, 1999 plus 13 %, 2000 plus 5 %, 2001 minus 32 %, 2002 minus 68 % und 2003 minus 16 %. Der Umsatzrückgang im Zeitraum Juli 2001 bis inklusive August 2002 betrug insgesamt 117.964 EUR, der Rohgewinnentgang unter Annahme eines Mischkalkulationsaufschlags von 160 % 72.427,20 EUR.

Aufgrund der ursprünglich nicht absehbaren, groben Beeinträchtigungen

durch die Baumaßnahmen zahlte die Klägerin von Jänner bis

einschließlich Oktober 2001 keinen Mietzins. Die beklagte Partei zog

daher den offenen Mietzins für diesen Zeitraum von 12.267,97 EUR

brutto von dem der Klägerin auf die vereinbarte Pauschalentschädigung

von 400.000 ATS = 29.069,13 EUR (jeweils netto) - dies entspricht

480.000 ATS = 34.882,96 EUR (jeweils brutto) - ab und zahlte daher an

die Klägerin nur 19.951,65 EUR.

Die Klägerin begehrte von der beklagten Vermieterin, inhaltlich unter Anfechtung der Vereinbarung vom Juli 2001 wegen eines wesentlichen Geschäftsirrtums, aus dem Titel des Schadenersatzes und des § 1096 Abs 1 ABGB zuletzt (Klageausdehnung ON 39 AS 331) die Zahlung von 156.981,05 EUR s.A., nämlich 73.304 EUR als Wertminderung ihrer Ware, 72.427,08 EUR an Gewinnentgang für die Zeit vom Juli 2001 bis August 2002 und 11.249,97 EUR an Restschuld aus der Vereinbarung vom Juli 2001 und brachte dazu, soweit noch relevant, vor:

Die beklagte Partei habe ab Beginn des Jahres 2001 den Umbau des Hauses geplant. Im Zuge dessen sei der Klägerin tatsachenwidrig eine „schonende" Durchführung unter Aufrechterhaltung einer „Passagen-Situation" mit acht bis zehn anderen Geschäftsraummietern und ein ungestörter Geschäftsbetrieb in einem Ersatzlokal in einem anderen Gebäudeteil für maximal ein Jahr in Aussicht gestellt und sie auf diese Weise zum Abschluss der Vereinbarung vom Juli 2001 veranlasst worden, mit der sie einer Pauschalabgeltung von 400.000 ATS als Beitrag zu den Übersiedlungs- und Adaptierungskosten und Abgeltung aller mit der Beeinträchtigung der Benutzbarkeit des Geschäftslokals und allfälliger Umsatzrückgänge im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen stehender Einbußen, zugestimmt habe. Tatsächlich sei die Klägerin die einzige verbliebene Geschäftsraummieterin gewesen und der Umbau auf rücksichtsloseste Art - die oben dazu wiedergegebenen Feststellungen entsprechen dem Klagevorbringen - durchgeführt worden, sodass ihre im Bestandslokal gelagerte Ware teilweise irreparabel verschmutzt und gänzlich entwertet worden sei. Dies habe zu einer Wertminderung der Ware von 73.304 EUR geführt. Die beklagte Partei wandte, soweit jetzt relevant, ein, die von der Klägerin dargestellte Variante der Renovierung des Hauses sei lediglich ein unverbindliches Konzept gewesen, eine verbindliche Zusage sei insoweit nie gemacht worden. Die Vereinbarung vom Juli 2001 beinhalte einen Generalverzicht. Die Bauarbeiten seien nicht rücksichtslos durchgeführt worden. Lediglich einmal sei ein Kleinbagger versehentlich gegen die Wände des Geschäftslokals der Klägerin gefahren und dadurch eine - unverzüglich wieder beseitigte - Öffnung entstanden. Schäden durch Verschmutzung des Geschäftslokals bzw. der Ware seien nicht geltend gemacht worden. Ein Schadenseintritt werde bestritten. Allfällige Umsatzrückgänge seien nicht auf die Sanierungsmaßnahmen zurückzuführen. In eventu wurde vorgebracht, dass jedenfalls der aufgrund der Vereinbarung vom Juli 2001 bezahlte Betrag von 19.951,65 EUR zu berücksichtigen sei. Die Erstrichterin gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von 107.990,01 EUR s.A. (70.000 EUR als Wertminderung der Ware und 57.941,66 EUR als Gewinnentgang abzüglich des von der Klägerin aufgrund der Vereinbarung Beilagen L bis K bezahlten Betrags von 19.951,65 EUR) statt und wies das Mehrbegehren von 48.991,04 EUR s.A.

Rechtliche Beurteilung

a) Voranzustellen ist, dass die Klägerin in dritter Instanz die Teilabweisung von 48.991,04 EUR nicht mehr bekämpfte. Es bedarf daher keines weiteren Eingehens auf die begehrte, aber abgewiesene Restzahlung von 11.249,97 EUR aus der wegen Irrtums erfolgreich - wie noch zu zeigen sein wird - angefochtenen Vereinbarung vom Juli 2001 noch auf die von den Vorinstanzen vom erfolgreichen Klagebegehren aus den gleichen Erwägungen abgezogenen Teilzahlung der beklagten Partei von 19.951,65 EUR, und ebenso darauf, ob die beklagte Partei insoweit inhaltlich zu Recht mit offenen Mietzinsforderungen kompensieren konnte. Der von der Klägerin zur Begründung ihres Zahlungsbegehrens von 11.249,97 EUR behauptete Mietzinsminderungsanspruch von 70 % wegen Unbenützbarkeit des Geschäftslokals im Zeitraum Jänner bis Oktober 2002 ist damit gleichfalls erledigt. Auch die aus § 1487 ABGB resultierende Verjährung von Teilen des Klagsansprüche hat schon das Erstgericht berücksichtigt und ist nicht mehr strittig.

b) Gemäß §§ 877, 1487 ABGB muss das Anfechtungsrecht vom Irrenden gerichtlich geltend gemacht werden, doch kann dies nach neuerer stRsp und Lehre (vgl. dazu nur Rummel in Rummel3, § 871 ABGB Rz 19 und Apathy/Riedler in Schwimann3 § 871 ABGB Rz 30, je mwN) auch in der Form geschehen, dass der Irrende unter Behauptung der Ungültigkeit des Geschäfts auf Rückstellung der von ihm bewirkten Leistung klagt oder gegen die Leistungsklage des anderen Teils die Einrede der Ungültigkeit erhebt. Schon die im Prozess abgegebene Erklärung des Irrenden führt die Rechtsänderung herbei, sobald sie den Prozessgegner zugegangen ist. Es ist daher ein Begehren an das Gericht, eine solche Rechtsänderung durch seinen Spruch zu bewirken, nicht mehr möglich, sondern das Vorbringen des Irrtumstatbestands ausreichend (RIS-Justiz RS0016253 [T5]). Es genügt, wenn nur die anspruchsbegründenden Tatsachen vorgebracht werden (vgl. RIS-Justiz RS0014773). Dem Klagevorbringen ist hier zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Klägerin bei Abschluss der Vereinbarung vom Juli 2001 von der beklagten Partei über den tatsächlichen Ablauf der Renovierung des Hauses in Irrtum geführt worden sei und daher nicht mehr an diese Vereinbarung gebunden sein wolle. Zwar ist, wie die Revision durchaus zu Recht ausführt, die Klägerin ursprünglich offensichtlich davon ausgegangen, nur den sie belastenden Teil der Vereinbarung vom Juli 2001 - im Speziellen die Generalverzichtsklausel - anfechten und die sie begünstigenden Teile, insbesondere die vereinbarte Abschlagszahlung durch die beklagte Partei von 400.000 ATS, aufrechterhalten zu können, allerdings sind dem bereits die Vorinstanzen mit dem Hinweis begegnet, dass bei einem wesentlichen Irrtum - wie hier - im Hinblick auf §§ 871, 872 ABGB ein teilweises Aufrechtbleiben des Vertrags bzw. eine Vertragsanpassung nicht in Frage kommt. Dass die Klägerin insgesamt aber nicht länger an die Vereinbarung vom Juli 2001 gebunden sein wollte, ist nach ihrem Vorbringen unzweifelhaft. Es bedarf daher keines Eingehens auf die Ausführungen der Revision zur Vertragsanpassung und - im Hinblick auf die ohnehin vorgenommene gerichtliche Geltendmachung des Irrtums - auch nicht auf die Frage einer auch außergerichtlichen Wahrnehmbarkeit (vgl. dazu Apathy/Riedler aaO § 871 ABGB Rz 30).

c) Die Rechtsmeinung der Revision, aufgrund der den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen könne von einer Irreführung der Klägerin durch die beklagte Partei bzw. deren Rechtsvorgänger nicht gesprochen werden, befremdet. Auch wenn nach den erstinstanzlichen Constatierungen erst ab Oktober/November 2001 - für die beklagte Partei - klar war, dass das Haus nicht in zwei Abschnitten umgebaut wird und die tatsächlichen Bauarbeiten erst im Jänner 2002 begannen, ergibt sich doch aus der Gesamtheit der Feststellungen der Vorinstanzen, insbesondere dem von der beklagten Partei zugesagten weitgehend ungestörten Geschäftsbetrieb und die weiter bestehende „Passagesituation" mit acht bis zehn weiteren Geschäften - deren Undurchführbarkeit bereits Ende Juni 2001, also vor Unterfertigung der Vereinbarung vom Juli 2001 klar war - eine bewusste Irreführung der davon nicht informierten Klägerin. Veranlassen iSd § 871 ABGB bedeutet adäquate Verursachung; auf ein Verschulden des den Irrtum veranlassenden Vertragspartners kommt es nicht an (RIS-Justiz RS0016195).

d) Daher kommt der Verzicht nach der Vereinbarung vom 6. Juli 2001 nicht zum Tragen. Bei nichtgehöriger Erfüllung (Verschaffung und Erhaltung des bedungenen oder nach dem Umständen üblichen Gebrauchs) des Bestandvertrags kann der Bestandnehmer nach seiner Wahl den Bestandgeber entweder auf Zuhaltung des Vertrags, etwa durch Unterlassung der Störungen, Maßnahmen gegen Dritte und dergleichen, anhalten oder gemäß § 1117 ABGB vom Vertrag zurücktreten oder sich - zunächst - mit der ex lege eintretenden Zinsbefreiung bzw. Zinsminderung begnügen. Bei Verschulden hat der Vermieter überdies Schadenersatz zu leisten (8 Ob 610/90 = SZ 63/220 u.v.a., zuletzt 3 Ob 286/05p; RIS-Justiz RS0021457; Würth in Rummel3 §§ 1096, 1097 ABGB Rz 12 mwN und dem Hinweis, dass auch für Schäden an Waren gehaftet werde).

e) Zur Schadenshöhe wendet sich die Revision gegen die Anwendung des § 273 ZPO bei der Festsetzung der aus den Beeinträchtigungen durch die Baumaßnahmen resultierenden Umsatzrückgänge des Klägerin und meint, dass einerseits die von den Vorinstanzen herangezogenen Beurteilungskriterien für die Anwendung des § 273 ZPO unzureichend und andererseits das Ergebnis der Anwendung unrichtig sei. Aus der Umsatzentwicklung in den Monaten Jänner 2000 bis Dezember 2003 seien massive Umsatzrückgänge auch in Zeiträumen ersichtlich, in denen noch keine Baumaßnahmen durchgeführt worden bzw. diese bereits abgeschlossen gewesen seien. Umgekehrt sei es in Zeiträumen tatsächlicher Baumaßnahmen zu Umsatzsteigerungen gekommen. Der Anteil von 80 % der Umsatzrückgänge für Baumaßnahmen sei überhöht. Bei der Frage, ob die Voraussetzungen des § 273 ZPO für die Bemessung des zu ersetzenden Schadens oder Interesses nach freier Überzeugung vorliegen, handelt es sich um eine Verfahrensfrage (Rechberger in Fasching/Konecny² § 273 ZPO Rz 12). Die Frage der Richtigkeit der Entscheidung nach dieser Bestimmung dagegen, also die Betragsfestsetzung, ist als rechtliche Beurteilung zu qualifizieren; es kann daher das Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO mit dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung in dritter Instanz bekämpft werden (Rechberger aaO Rz 13 mwN). Bei dieser Überprüfung sind die für die Schadenshöhe maßgebenden Faktoren, zu denen die Tatsacheninstanzen Feststellungen treffen konnten, zugrundezulegen. Nur in jenem Rahmen, in dem der Beweis der Höhe des Schadens nicht erbracht werden konnte, also nur mehr oder weniger wahrscheinliche Annahmen möglich sind, ist der Schaden nach Ermessen des Gerichts festzusetzen (RIS-Justiz RS0040341).

Die Gesamtumsatzentwicklung des Unternehmens der Klägerin wies ab 1997 bis zum Jahr 2000 jeweils ein (teilweise zweistelliges) Plus auf. Bereits ab Beginn des Jahres 2001 wurden dann von der beklagten Partei auslaufende Verträge über Geschäftsraummieten im Haus nicht mehr verlängert und neue Verträge nicht mehr abgeschlossen, was zu immer mehr leer stehenden Geschäftslokalen führte, die einen verschmutzten, ungepflegten und verwahrlosten Eindruck erweckten, sodass verbliebene Geschäftsraummieter seit diesem Zeitraum über Umsatzrückgänge klagten. Berücksichtigte Umsatzrückgänge der Klägerin ab diesem Zeitraum bis zum Beginn der Bauarbeiten können daher eine unrichtige Anwendung des § 273 ZPO durch die Vorinstanzen nicht begründen. Ähnliche Überlegungen gelten auch für die von der Revision angeführten rückläufigen Umsätze nach Beendigung der Baumaßnahmen. Dass „abgewanderte" Kunden erst im Zeitverlauf, wenn überhaupt, zurückgewonnen werden können und sich verringerte Umsätze daher nicht mit Beendigung der Baumaßnahmen schlagartig ändern, entspricht der Lebenserfahrung und ist nicht geeignet, an der Anwendung des § 273 ZPO durch die Vorinstanzen Zweifel zu erwecken. Wenn auch umgekehrt einige Monate während des Zeitraums der eigentlichen Umbauarbeiten höhere Umsätze ausweisen als im Jahr 2001, resultiert dies daraus, dass die Klägerin vorbestellte Möbel auslieferte und bezahlt erhielt und Sonderaktionen mit dem Abverkauf verschmutzter Ware um 5-10 EUR und sonstige Sonderaktionen mit einem Nachlass von 50 bis 70 % durchführte. Auch diese Argumentation der Revision spricht daher nicht gegen die vorinstanzliche Anwendung des § 273 ZPO. Bedenkt man die festgestellte positive Umsatzentwicklung im Geschäft der Klägerin bis zum Jahr 2000 und die massiven Beeinträchtigungen der Geschäftstätigkeit der Klägerin sowohl im Vorfeld als auch durch die eigentlichen Baumaßnahmen der beklagten Partei und ihrer Nebenintervenientin, kann in der vorinstanzlichen Auffassung, dass 80 % der Umsatzrückgänge gegenüber dem Jahr 2000 den Baumaßnahmen anzulasten sind, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden.

f) Lediglich in einer Detailfrage kommt der Revision der beklagten Partei Berechtigung zu. Dies betrifft beim Zuspruch der Wertminderung der Ware die Heranziehung des Verkaufs- anstatt des Einkaufswerts der beschädigten und für den Weiterverkauf bestimmten Ware der Klägerin. Der beklagten Partei ist - abgesehen von den für den Abschluss des Vereinbarung vom Juli 2001 maßgebenden Verhalten - eine zumindest grob fahrlässige Nichterfüllung ihrer Pflichten als Bestandgeberin nach § 1096 Abs 1 ABGB vorzuwerfen. Weil die Ersatzfähigkeit entgangenen Gewinns wegen Nicht- oder Schlechterfüllung eines Handelsgeschäfts im Verhältnis zwischen Kaufleuten gemäß dem hier nach § 906 Abs 14 UGB noch anzuwendenden Art 8 Nr 2 EVHGB ohnehin nicht vom Verschuldensgrad abhängig ist, steht der Klägerin gegenüber dem beklagten Schädiger auch entgangener Gewinn zu (§§ 1293, 1323, 1324 ABGB). Dies darf aber nicht dazu führen, dass die Klägerin einen bestimmten Schaden zweimal ersetzt erhält.

Im vorliegenden Fall sprachen die Vorinstanzen der Klägerin zu a) für die Beschädigung von (zum Weiterverkauf bestimmter) Handelsware durch Baustaub und Baugrieß eine Wertminderung von 55 % vom Verkaufswert ihrer Ware von reduziert 70.000 EUR sowie b) für den fraglichen Zeitraum einen „Rohgewinnentgang" von 57.941,66 EUR. Ausgehend von einem unternehmerischen - vom Berufungsgericht im Tatsachenbereich gebilligten - Mischkalkulationsaufschlag von 160 % und einem Umsatzrückgang von 117.694 EUR ergebe sich (rechnerisch 117.694 EUR : 2,6) ein Einkaufspreis von 45.266,92 EUR und damit ein „Rohgewinnentgang" von 72.427,20 EUR, der gemäß § 273 ZPO wegen auch anderer denkbarer Schadensursachen als die Baumaßnahmen um 20 % auf 57.941,66 EUR gemindert wurde. Der Rohgewinn zeigt den Verdienst aus den Geschäften an, der zwischen Selbstkostenpreis und Verkaufspreis verbleibt und steht zur Deckung der Personalkosten, der sonstigen Sachaufwände und der geplanten Mittelverwendung für Privatentnahmen, Tilgungen und Investitionen zur Verfügung. Der zur Berechnung des „Rohgewinnentgangs" führende Aufschlag ist jener, den die Klägerin im Rahmen einer Mischkalkulation ihren Einkaufspreisen aufschlägt. Soweit der Klägerin zusätzlich zu dem aus dem Umsatzrückgang ermittelten „Rohgewinnentgang" auch noch eine Wertminderung von 55 % vom Verkaufspreis und nicht vom Einkaufspreis der von ihr vertriebenen Waren zugesprochen wurde, liegt in Wahrheit ein unzulässiger Doppelzuspruch vor, weil bei Ersatz des Verkaufswerts der geschädigte Verkäufer im Ergebnis den Gewinn aus dem Geschäft zweimal (durch den „Rohgewinnentgang" und den beim Verkauf der beschädigten Ware im reduzierten Verkaufspreis ebenfalls enthaltenen Rohgewinn) entschädigt würde. Beide Beträge betreffen denselben Schadenszeitraum (vgl. zum Problem auch Harrer in Schwimann3, § 1332 ABGB Rz 2 f, und Koziol, Östereichisches Haftplichtrecht3 I Rz 10/16, je mwN). Die doppelte Ersatzleistung verdeutlicht etwa auch die von der Erstrichterin getroffene Feststellung, dass die Klägerin offenkundig auch beschädigte Handelsware teils durch „Abverkäufe" um einen Bruchteil ihres Werts verkaufte (S 27 der erstgerichtlichen Urteilsausfertigung).

Da Feststellungen zum Einkaufswert der beschädigten Ware und der davon ausgehenden Wertminderung nicht vorliegen, ist die Rechtssache insoweit noch nicht entscheidungsreif. Nur in diesem Umfang müssen die vorinstanzlichen Entscheidungen aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen werden.

g) Damit stellt sich die Frage, ob ein Teilurteil zulässig ist, weil ja die Vorinstanzen von der mit 127.941,66 EUR als zu Recht bestehenden Klageforderung noch den Betrag von 19.951,65 EUR (unbestrittene Zahlung der beklagten Partei auf Grund der Vereinbarung vom Juli 2001) in Abzug gebracht haben. Tatsächlich lag für einen derartigen Abzug keine ausreichende prozessuale Voraussetzung vor: Denn die beklagte Partei hat in ihrer Urkundenvorlage ON 38 (AS 309) nur vorgebracht: Selbst wenn man davon ausgeht, dass der klagenden Partei die von ihr behaupteten Ansprüche zustehen, was jedoch nochmals ausdrücklich bestritten wird, so wäre davon jedenfalls zunächst ein Betrag von 19.951,65 EUR in Abzug zu bringen; dieser Betrag wurde an die Klägerin bereits bezahlt und gibt die klagende Partei in ihrer Klagsausdehnung vom 13. Jänner 2003 (ON 6) die Zahlung dieses Betrages auch ausdrücklich zu. ... Für den Fall, dass das Gericht das Klagebegehren auch nur teilweise als zu Recht bestehend annimmt, wäre jedenfalls der genannte Betrag von 34.882,96 EUR (= 480.000 ATS) anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Mit diesem Vorbringen wurde weder eine gerichtliche Aufrechnungserklärung (vgl. dazu Rechberger in Rechberger³ § 391 ZPO Rz 10 ff mwN) erstattet noch eine außergerichtliche Kompensation mit dem aus dem naheliegenden Rechtsgrund der Bereicherung der Klägerin nach § 877 ABGB vorgenommen. Es fehlen somit die prozessualen Voraussetzungen dafür, die allein zur Berücksichtigung dieses Betrags infolge Wegfalls der Vereinbarung vom Juli 2001 (wegen erfolgreicher Irrtumsanfechtung) und nun notwendigen bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung zu Gunsten der beklagten Partei hätte führen können. Dieser zu Unrecht von der Klagsforderung vorgenommene Abzug von 19.951,65 EUR ist mangels Anfechtung nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens, verhindert aber jedenfalls nicht, ihn nicht von der vom Gewinnentgang der Klägerin durch Umsatzeinbußen von 57.941,66 EUR, sondern von der strittig verbliebenen Wertminderung der beschädigten klägerischen Ware von 70.000 EUR in Abzug zu bringen. Damit kann über den Gewinnentgang durch Umsatzeinbußen von 57.941,66 EUR s.A. abschließend mit bestätigendem Teilurteil entschieden werden; insoweit sind alle entsprechenden Streitpunkte abschließend erledigt und nicht mehr Gegenstand des fortzusetzenden Verfahrens. In Ansehung der noch zu klärenden Wertminderung der beschädigten klägerischen Ware von 70.000 EUR (abzüglich von 19.951,65 EUR) wird das Erstgericht neuerlich zu entscheiden haben. Auch hier sind alle Streitpunkte abschließend erledigt mit der Ausnahme, dass die Wertminderung der beschädigten klägerischen Ware nach Einkaufspreisen zu berechnen ist.

Demnach ist spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 392 Abs 2, 52 Abs 2 ZPO.

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