OLG Wien 34R144/14t

OLG Wien34R144/14t14.1.2015

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen der Widersprüche gegen die Marken AT 271768 (= 34 R 144/14t) und AT 271767 (= 34 R 145/14i) über die Rekurse der Antragstellerin gegen die Beschlüsse der Rechtsabteilung des Patentamts jeweils vom 29.4.2014, WM 137/2013‑3 (= 34 R 144/14t) und WM 138/2013‑3 (= 34 R 145/14i), in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0009:2015:03400R00144.14T.0114.000

 

Spruch:

I. Die Rechtsmittelverfahren 34 R 144/14t und 34 R 145/14i werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führendes Verfahren ist 34 R 144/14t.

II. Dem Rekurs gegen den Beschluss WM 137/2013‑3 wird nicht Folge gegeben.

III. Dem Rekurs gegen den Beschluss WM 138/2013‑3 wird teilweise Folge gegeben. Die Entscheidung wird geändert und lautet:

«Dem Widerspruch gegen die Marke AT 271767 wird teilweise Folge gegeben und die Registrierung in Bezug auf die Waren- und Dienstleistungsklassen 16 (Flyer), 25 (Bekleidungsstücke), 35 (Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Organisation von Modeschauen zu Werbezwecken; Kundengewinnung und -pflege durch Versandwerbung [Mailing]; Marketing; Produktion von Werbefilmen) und 40 (Bedrucken von Textilien) mit Wirksamkeit vom 29.3.2013 (Zeitpunkt der Registrierung) aufgehoben.»

IV. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt jeweils EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

 

Begründung

Die Antragstellerin widersprach

a) einerseits dieser Wortbildmarke (erstangegriffene Marke) AT 271768 mit dem Anmeldedatum 2.1.2013 (34 R 144/14t):

b) andererseits dieser Wortmarke (zweitangegriffene Marke) AT 271767 mit dem Anmeldedatum 2.1.2013 (Verfahren 34 R 145/14i):

HOLY SHIT.,

deren Eintragung die Antragsgegnerin jeweils beantragt hatte und die beide in den Waren- und Dienstleistungsklassen

16 Flyer;

25 Bekleidungsstücke;

35 Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Organisation von Modeschauen zu Werbezwecken; Kundengewinnung und -pflege durch Versandwerbung (Mailing); Marketing; Produktion von Werbefilmen;

40 Bedrucken von Textilien; sowie

41 Party-Planung (Unterhaltung)

eingetragen sind.

Die Antragstellerin berief sich dabei auf die jüngere Gemeinschaftsmarke CTM 11306545 mit dem Anmeldedatum 30.10.2012

HOLY

eingetragen für die Waren- und Dienstleistungsklassen

18 Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer, Taschen, Handtaschen, Brieftaschen, Geldbörsen, Schlüsseletuis, Rucksäcke, Beutel; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren;

25 Bekleidungstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; sowie

35 Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Einzelhandelsdienstleistungen, auch über Websites und Teleshopping, in Bezug auf Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Wasch- und Bleichmittel, Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel, Seifen, Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel, Sonnenbrillen, Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine, Uhren und Zeitmessinstrumente, Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, Häute und Felle, Reise- und Handkoffer, Taschen, Handtaschen, Brieftaschen, Geldbörsen, Schlüsseletuis, Rucksäcke, Beutel, Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke, Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen und Kundenbindungsprogrammen.

Die beiden angegriffenen Marken seien als hochgradig ähnlich zur Verwechslung mit der Widerspruchsmarke hinsichtlich aller Waren und Dienstleistungen geeignet.

Die Antragsgegnerin bestritt die Verwechslungsgefahr, zumal sich auch das Logo der erstangegriffenen Marke von der Widerspruchsmarke als Wortmarke unterscheide und HOLY schon für sich allein nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft aufweise.

Mit den angefochtenen Beschlüssen wies das Patentamt die beiden Widersprüche jeweils als unberechtigt ab. Es verneinte trotz teilweiser Identität (Bekleidungsstücke) und teilweiser Ähnlichkeit der Waren und/oder Dienstleistungen die Verwechslungsgefahr, weil HOLY als „heilig“ zu verstehen sei und damit einen völlig anderen Sinngehalt als das angegriffene Zeichen habe, das als „heilige Scheiße“ und als Ausruf verstanden werde. Insoweit würden die Abweichungen genügen, die die angefochtene Zeichen gegenüber der Marke der Antragstellerin aufweisen. Zudem sei die erstangegriffene Marke bildlich anders ausgestaltet.

Dagegen richten sich Rekurse der Antragstellerin jeweils mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass dem Widerspruch Folge gegeben werde.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Rekursen jeweils nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs zu 34 R 145/14i ist teilweise berechtigt, hingegen jener zu 34 R 144/14t nicht berechtigt.

1. Gemäß § 187 ZPO, gegen den heranzuziehen das Rekursgericht ungeachtet des Fehlens einer allgemeinen Verweisungsnorm im nach § 139 PatG iVm § 77c Abs 1 MSchG anzuwenden Außerstreitgesetz keine Bedenken hat (dogmatisch ist in Bezug auf § 12 Abs 2 AußStrG ein Größen- oder ein Analogieschluss zu ziehen; vgl RIS-Justiz RS0035344 [für das Insolvenzverfahren]), kann der Senat Verfahren verbinden, die zwischen den nämlichen Personen geführt werden, wenn dadurch zum Beispiel die Kosten und der Aufwand vermindert werden. Die verbundenen Verfahren können auch durch ein gemeinschaftliches Urteil entschieden werden (§ 404 Abs 2 ZPO). Die Anwendung dieser Bestimmungen ist nicht auf das Verfahren erster Instanz beschränkt (vgl Schragel in Fasching/Konecny 2 § 187 ZPO Rz 2; RIS-Justiz RS0037216).

Die Voraussetzung der Verbindung zur gemeinschaftlichen Entscheidung erachtet das Rekursgericht – neben der evidenten Parteiidentität – schon allein deswegen als gegeben, weil die Entscheidung im gegebenen Fall durch ein Rechtsmittel bekämpft werden könnte.

2. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

2.1. Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]; RW0000786). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden (Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 30 Rz 5 f mwN).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl EuGH C‑39/97 = ÖBl 1999, 105 – Cannon/Canon, Rn 23; Koppensteiner, Markenrecht4 117 mwN bei FN 108).

2.2. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB EuGH C‑191/11 P – Yorma’s, Rn 43; EuG T‑599/10 – Eurocool, Rn 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159 – T‑One mwN; ÖBl 2003, 182 – Kleiner Feigling ua; R

IS‑Justiz RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 10 Rz 51 ff mwN).

2.3. Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0121482).

So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH C‑39/97 = ÖBl 1999, 105 – Cannon/Canon; ecolex 2002, 444). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RIS‑Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d – FIRN; 17 Ob 36/08f – KOBRA/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht4 111 mwN).

2.4. Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (RIS‑Justiz RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 10 Rz 94 mwN; Koppensteiner, Markenrecht4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1979, 45 – Texhages/Texmoden; ÖBl 1991, 93 – quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y – Summer Splash;ecolex 2003, 608 – More; RIS‑Justiz RS0078944; EuGH C‑342/97 – Lloyd, Rn 26).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight; RIS-Justiz RW0000786).

2.5. Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246 – GO; 4 Ob 55/04y = RIS‑Justiz RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g – Ionit/Isonit). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp ua ÖBl 1993, 156 – Loctite mwN; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82 – AMC/ATC; EuGH Slg 1997, I‑6191 – Sabel/Puma, Rn 23; 4 Ob 139/02y – Summer Splash; ecolex 2003, 608 – More; RIS-Justiz RS0117324; EuGH C‑120/04 – Thomson life, Rn 28). Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (EuGH C‑342/97 – Lloyd, Rn 26; C‑291/00 – LTJ Diffusion Rn 52; C‑104/01 – Orange, Rn 64).

2.6. Bei ausschließlich aus Worten bestehenden Zeichen ist für die Ähnlichkeitsprüfung auf Wortklang, -bild und -sinn Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0117324, RS0066753, insb [T9]; EuGH C‑251/95 – Sabel/Puma; C‑206/04 – Muelhens). Für das Bejahen von Verwechslungsgefahr muss eine Übereinstimmung in einem der drei genannten Kriterien bestehen (RIS-Justiz RS0079571, RS0079190 [T22]; Om 4/02 – Kathreiner). Auch hier sind der Gesamteindruck und die Wirkung auf einen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen maßgebend (RIS-Justiz RS0117324; 4 Ob 124/06y – Hotel Harmonie/Harmony Hotels; 4 Ob 57/14g – Ionit/Isonit). Schutzunfähige oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum jeweiligen Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74 = SZ 47/103 – Pregnex/Pregtest; RIS-Justiz RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11p – Junkerschinken).

2.7. In klanglicher Hinsicht haben Endungen im Allgemeinen einen erheblichen Auffälligkeitswert (ÖBl 1976, 164 – Palmers/Falmers mwN; 4 Ob 29/98b – GARANTA; 4 Ob 225/03x – luminos/LUMINA; RIS-Justiz RS0079438).

2.8. Ob Begriffe, die einer Fremdsprache entnommen sind, unterscheidungskräftig sind, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s – car care; 4 Ob 28/06f – Firekiller; 17 Ob 21/07y – Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t – Expressglass). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache selbst nicht gebräuchlich ist (4 Ob 277/04w – Powerfood; 4 Ob 28/06f – Firekiller; 4 Ob 38/06a – Shopping City).

2.9. Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil für den Gesamteindruck maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RIS-Justiz RS0066779; Koppensteiner, Markenrecht4 116). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154 – Preishammer; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d – More).

2.10. Für die Beurteilung der Ähnlichkeit einer zusammengesetzten Marke – insb die erstangegriffene Marke besteht aus zwei Worten und einer bildlichen Gestaltung – kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Bestandteile zu vernachlässigen sind (C‑193/06 P – Quick/Quicky).

2.11. Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b – gotv; 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t – Peter Max/Spannmax; RIS-Justiz RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01 = PBl 2002, 135 – Jack&Jones; RIS-Justiz RS0079033 [T20], 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t – Jukebox; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]).

Auch nach der Judikatur des EuGH (vgl C‑120/04 , ÖBl 2006, 143 – Thomson life)kann – übereinstimmend mit der vorgenannten, jüngeren Rechtsprechung – bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl 7 Ob 32/08t – Jukebox; Om 12/10 PBl 2011, 67 – PeakZero; jüngst 4 Ob 181/14t – Peter Max/Spannmax).

3. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so ist die Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die erstangegriffene Wortbildmarke AT 271768 (konkordant mit der angefochtenen Entscheidung) zu verneinen, hingegen hinsichtlich der zweitangegriffenen Wortmarke AT 271767 großteils zu bejahen.

3.1. Die Waren und Dienstleistungen der einander gegenüberstehenden Marken sind in der Klasse 25 im Umfang von Bekleidungsstücken ident. Die Dienstleistungen der angegriffenen Zeichen in der Klasse 35 sind jenen der Widerspruchsmarke teilweise ähnlich, geht es doch im Wesentlichen um Werbung und Marketing (wenngleich die angreifende Marke noch über einen darüber hinausgehenden weitergehenden Schutzumfang verfügt); dies gilt auch für die Klasse 16 der beiden angefochtenen Zeichen, denn „Flyer“ sind ein typisches Werbeinstrument. Auch die Dienstleistungen der angefochtenen Marken in der Klasse 40 (Bedrucken von Textilien) weisen Ähnlichkeit zu den Waren der Klasse 25 der Widerspruchsmarke (Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen) auf.

Zur Vermeidung von Wiederholungen kann im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen des Patentamts in den beiden angefochtenen Entscheidungen verwiesen werden (§ 139 Einleitungssatz PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG), weil die Antragstellerin in ihren Rekursen die fundiert begründete Einschätzung der Rechtsabteilung auch nur in Bezug auf die Klasse 41 anzweifelt. Allerdings teilt das Rekursgericht ungeachtet des Umstands, dass kein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen ist (Om 10/11 – ISS mwN), auch insoweit die erstinstanzliche Einschätzung, dass „Party-Planung“ in keiner Ähnlichkeitsrelation zum Schutzumfang der Widerspruchsmarke steht, weil die Organisation von Unterhaltungsveranstaltungen darin nicht beansprucht wird. Auf die von der Antragstellerin behauptete tatsächliche (angeblich unterschiedliche) Verwendung der angegriffenen Zeichen im Rahmen der Party-Planung allein zur Verkaufsförderung eigener Produkte kommt es wegen der abstrakten Prüfung nach dem Registerstand nicht an (oben Pkt 2.1.; RIS-Justiz RW0000786), sodass die Rechtsabteilung dazu auch mit Recht keine Feststellungen getroffen hat. Im Übrigen übersieht die Antragstellerin auch, dass sich die Registrierung der angegriffenen Zeichen in diesem Umfang als Dienstleistungsangebot an Dritte, also nach außen, richtet.

Auch wenn sich die Antragstellerin in ihren Widersprüchen auf alle registrierten Klassen der Widerspruchsmarke stützte, so ist hinsichtlich der verbleibenden Klasse 18 eine Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit nicht zu erkennen. Diese Einschätzung kritisiert auch die Antragstellerin nicht.

3.2. Diese identen oder ähnlichen Waren sind überwiegend solche des täglichen Bedarfs, daher ist der Grad der Aufmerksamkeit des Konsumenten bei ihrer Inanspruchnahme eher gering (Koppensteiner, Markenrecht4 114). Auch beim Erwerb von Bekleidungsstücken ist von keiner darüber hinausgehenden, gar hohen Aufmerksamkeit auszugehen; die gegenteilige Argumentation der Antragsgegnerin verfängt nicht. Bei der Inanspruchnahme von Werbedienstleistungen ist das Publikum durchschnittlich alert. Der Durchschnittskunde, der die einander ähnlichen Bezeichnungen so gut wie niemals gleichzeitig nebeneinander sieht, sondern immer nur den Eindruck des später wahrgenommenen Zeichens mit einem mehr oder weniger blassen Erinnerungsbild des anderen Zeichens vergleichen kann (RIS-Justiz RS0117324), wird daher fast immer nur einzelne charakteristische und daher auffällige Bestandteile im Gedächtnis behalten.

3.3. Im Wortbild stimmen die Zeichen im Begriff HOLY jeweils überein; die gleichnamige Widerspruchsmarke wurde damit zur Gänze in die angefochtenen Zeichen aufgenommen. Unterschiede resultieren daraus, dass die angegriffenen Marken aus dem weiteren Wort SHIT und einem abschließenden Satzzeichen – einem Punkt – und damit aus weiteren fünf Zeichen bestehen. Die erstangegriffene Marke weist darüber hinaus einen signifikanten und einprägsamen Bildbestandteil auf, der sich von der Widerspruchsmarke allein dadurch kennzeichnungskräftig unterscheidet, dass der Schriftzug HOLY SHIT. gegenüber dem Bildbestandteil nicht nur wegen der geringeren Größe, sondern auch wegen der Anordnung am unteren Rand des Zeichens deutlich in den Hintergrund tritt. Dieser Bildteil zeigt in Weiß auf schwarzem Kreis entweder ein auf dem Kopf stehendes Kreuz oder aber ein senkrecht in die Höhe ragendes Schwert. Das Rekursgericht ist daher anders als das Patentamt und die Antragstellerin nicht der Ansicht, dass es sich eindeutig um ein Kreuz handelt. Gerade diese Unklarheit der Darstellung ist originell, fantasievoll und interpretationsbedürftig.

Klanglich besteht eine Gemeinsamkeit in der Sprechweise darin, dass die angegriffenen Marken im ersten Wort HOLY durch eine lang gesprochene und betonte Silbe geprägt und nach Auffassung des Rekursgerichts als Ausruf gängigerweise auf dem ersten Wort betont werden. HOLY prägt daher die Widerspruchsmarke mit, sodass ein gewisser, aber geringer Abstand besteht: Liegt auf dem (Wort‑)Anfang die Betonung, ist er für den Gesamteindruck bedeutend (Fezer, Markenrecht4 § 14 MarkenG Rz 497 f; Ingerl/Rohnke, MarkenG3 § 14 Rz 864 und 886; Om 6/11 – Evolution/Revolution), andererseits haben auch Endungen einen Auffälligkeitswert (oben Pkt 2.7.).

Zur Wortbedeutung ist das Rekursgericht im Einklang mit dem Patentamt der Auffassung, dass das gemeinsame englische Wort HOLY unter Bedachtnahme auf den Schutzumfang zumindest durchschnittlich unterscheidungskräftig ist, denn es bedeutet „heilig“; dies gesteht auch die Antragstellerin als richtig zu. Sowohl bei Bekleidungsstücken als auch bei Werbemaßnahmen liegt es daher nicht nahe, den Zeichenbestandteil HOLY ohne Denkprozess und Interpretationsaufwand genau mit dieser Wortbedeutung in Beziehung zu setzen.

Ob und in welchem Umfang die Antragstellerin die Widerspruchsmarke verwendet, ist entgegen der Argumentation der Antragsgegnerin in der Rekursbeantwortung irrelevant, weil auf den Registerstand und nicht auf die tatsächliche Verwendung abzustellen ist (oben Pkt 2.1. und 3.1.). Es steht auch nicht fest, dass HOLY ein Familienname ist. Zudem ist es unerheblich, dass ein Wort mehrere unterschiedliche Bedeutungen haben oder auch als Eigenname verwendet werden kann (weiterführend Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 4 Rz 82 mwN).

SHIT ist bei den grammatikalisch richtig gebildeten angegriffenen Marken ein auf dieses Adjektiv folgendes Nomen. Die angegriffenen Marken werden als – vulgärer oder zumindest umgangssprachlicher – Ausruf der Verwunderung oder als Fluch verstanden (www.dict.cc ; abgefragt am 12.12.2014), wie bereits das Patentamt richtig dargelegt hat. Dieses Begriffsverständnis führt von jenem der Widerspruchsmarke weg, der ein derartiger, die darunter beworbenen Waren und Dienstleistungen determinierender vulgärer und derber Sinngehalt gerade nicht beigemessen werden kann. SHIT weist das angesprochene Publikum für sich allein und auch in der Gesamtbedeutung von HOLY SHIT. in eine signifikant andere Richtung als die angreifende Marke und ist damit zur Eigenschaft als Herkunftsbezeichnung prägend. Mit anderen Worten spielt HOLY im Sinngehalt der Zeichen der Antragsgegnerin zwar keine untergeordnete Rolle, bekommt jedoch darin eine paradoxe oder zynische Bedeutung. Dem Argument der Antragstellerin, die Bedeutungen von HOLY und HOLY SHIT. seien zueinander komplementär, also einander ergänzend, schließt sich das Rekursgericht nicht an. Mit Recht macht die Antragsgegnerin geltend, dass es sich dabei um kein Begriffspaar handelt.

Das weitere Argument des Patentamts, dass durch die einander gegenüberstehenden Zeichen unterschiedliche Abnehmerkreise angesprochen werden, mag vielleicht zutreffen, ihm kommt aber für den Ähnlichkeitsvergleich kein Gewicht zu, weil eben vom abstrakten Registerstand und allein vom daraus ersichtlichen Schutzumfang auszugehen ist.

3.4. Entscheidend ist daher im Rahmen der Gesamtbetrachtung, ob der Teil HOLY die Zeichen HOLY SHIT. gar nicht, schwach oder stark kennzeichnet. Aus den oben angestellten Überlegungen folgt auf das Wesentliche zusammengefasst die gänzliche Übernahme der Widerspruchsmarke CTM 11306545 in die angegriffenen Zeichen, die aber in HOLY SHIT. nicht bedeutungslos aufgeht, zumal das Adjektiv HOLY auch die Zeichen der Antragsgegnerin für sich und gesamt betrachtet prägt.

Für die abschließende Beurteilung ist zwischen den beiden angegriffenen Marken somit zu differenzieren:

Die zweitangegriffene Wortmarke ist der Widerspruchsmarke in all ihren Waren- und Dienstleistungsklassen mit Ausnahme der Klasse 41 (Party-Planung [Unterhaltung]), wo ein ausreichender großer Abstand zum Schutzumfang der Widerspruchsmarke besteht, visuell und phonetisch wegen der teilweisen Waren- und Dienstleistungsidentität und teilweise -ähnlichkeit verwechselbar ähnlich, was zur teilweisen Abänderung des angefochtenen Bescheides und damit zur Stattgebung des Widerspruchs in den Klassen 15, 25, 35 und 40 führt.

Die erstangegriffene Wortbildmarke hingegen wird durch den Bildbestandteil weitaus stärker als durch den Wortteil geprägt und ist auf eigenständige Art erinnerungskräftig. Die gegebene – allerdings bloß teilweise – Zeichenähnlichkeit im Wortklang reicht unter Berücksichtigung aller Faktoren für die Stattgebung des Löschungsantrags nicht aus, weil die dargestellten bildlichen und begrifflichen Abweichungen vom Verkehr sofort erfasst werden und so die phonetische Ähnlichkeit neutralisieren (allg RIS-Justiz RS0066749). Bei der gebotenen, nicht isoliert vorzunehmenden Gesamtwürdigung der Wirkung auf einen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen (jüngst zB 4 Ob 57/14g – Ionit/Isonit) ist daher trotz der ausgeprägten teilweisen Ähnlichkeit im Wortklang und -bild, was HOLY betrifft, der Zeichenabstand und die Kennzeichnungskraft des erstangegriffenen Wortbildzeichens vor allem wegen der signifikanten Grafik (RIS-Justiz RS079571 [T31]) als Ausnahme von der oben unter Pkt 2.9. dargestellten Grundregel noch ausreichend, um aus dem Ähnlichkeitsbereich herauszuführen und so die Verwechslungsgefahr im Ergebnis noch verneinen zu können.

3.5. Auf das weitere Argument der Antragstellerin, es sei in Widerspruchsverfahren vor anderen Behörden die Verwechslungsgefahr anderer Marken mit dem Bestandteil HOLY bejaht worden, ist nicht näher einzugehen, weil eine präjudizielle Bindung zu verneinen ist (für das insoweit vergleichbare Eintragungsverfahren: 4 Ob 11/14t – Expressglass; RIS-Justiz RS0125405; EuGH C-37/03 P – BioID, Rn 47; EuGH C‑39/08 – Schwabenpost, Rn 39; vgl auch Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 4 Rz 75 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht4 70).

4. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880; RIS-Justiz RS0066779 [T24]), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

5. Ein Kostenersatz findet im Widerspruchsverfahren nach § 29b Abs 7 MSchG und § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG nicht statt.

[Der Oberste Gerichtshof wies die außerordentlichen Revisionsrekurse zurück; 4 Ob 67/15d, 11.8.2015.]

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