OGH 4Ob124/06y

OGH4Ob124/06y28.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Günther W*****, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, gegen die beklagten Parteien 1. Matthias K*****, 2. H***** GmbH & Co KG, *****, 3. „H*****" GmbH & Co KG, *****, alle vertreten durch Aichinger, Bucher & Partner, Rechtsanwälte in Villach, wegen Unterlassung (Streitwert: 36.336,42 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. April 2006, GZ 6 R 46/06s-58, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. Jänner 2006, GZ 22 Cg 72/99a-53, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr zu lauten hat:

„Die beklagten Parteien sind schuldig, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Bezeichnung „Harmony Hotel" als Kennzeichnung der Dienstleistung ihrer Hotelbetriebe zu verwenden.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 24.870,73 EUR bestimmten Prozesskosten (darin 3.276,53 EUR USt und 5.211,58 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagten Parteien sind weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 6.042,40 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 803,70 EUR USt und 1.220,20 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger betreibt unter der Bezeichnung „Hotel Harmonie" ein Hotel in Wien 9. Er ist Inhaber der mit Schutzdauer ab 14. September 1989 national und international registrierten Wortmarke Nr. 127.093 „Hotel Harmonie". Diese ist für die Klasse 42 eingetragen, welche Dienstleistungen und Führung von Hotels, Hotelreservierung sowie die Verpflegung von Gästen in Hotels umfasst. Der Kläger verwendet die Wortmarkt „Hotel Harmonie" seit Registrierung. Er betreibt zwei weitere Hotels, eines in Wien und eines in Lienz, aber unter anderen Bezeichnungen.

Seit 2. Dezember 1998 ist der Kläger in Kenntnis darüber, dass die Hotels der Beklagten in Bad Kleinkirchheim als „Harmony Hotels" vermarktet werden. Unter dieser Bezeichnung traten zunächst vier, später nur mehr drei Hotelbetriebe auf, die im Eigentum der Beklagten stehen. Diese Hotels werden von einer eigenen Betriebsgesellschaft mbH & Co KG betrieben, deren persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagte und die Geschäftsführer der Zweit- und der Drittbeklagten gegründet haben. Die Beklagten sind überdies Kommanditisten der Betriebsgesellschaft mbH & Co KG. Handelsrechtliche Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft sind deren Gründer, Geschäftsführerin der Betriebsgesellschaft mbH & CO KG ist die Geschäftsführerin der Drittbeklagten.

Der Kläger brachte am 4. Mai 1999 eine Unterlassungsklage ein, weil er fürchtete, dass sein „Hotel Harmonie" mit den „Harmony Hotels" verwechselt werden könnte. Am 17. November 1999 vereinbarten die Streitteile Ruhen des Verfahrens, um die Entscheidung des Österreichischen Patentamts über den von der Betriebsgesellschaft mbH & Co KG eingebrachten Antrag auf Löschung der Wortmarke des Klägers abzuwarten. Der Antrag war im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger die angefochtene Marke nicht benütze und die Bezeichnung „Hotel Harmonie" nicht ausreichend unterscheidungskräftig sei. Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts wies den Löschungsantrag am 26. April 2001 ab, diese Entscheidung blieb unangefochten.

Der Kläger beantragte am 16. März 2004 die Verfahrensfortsetzung. Zwischen Ruhensvereinbarung und Fortsetzungsantrag des Klägers fanden keine Vergleichsgespräche zwischen den Streitteilen statt, ein Berater der Beklagten bemühte sich allerdings um einen Vergleich, ungeachtet dessen, dass ihn die Beklagten nicht zur Führung von Vergleichsgesprächen autorisiert hatten.

Sowohl das „Hotel Harmonie" als auch die „Harmony Hotels" werden national und international stark beworben und treten auf denselben Märkten auf. Das „Hotel Harmonie" ist ein Wiener Stadthotel, das im Rahmen der „Best Western"-Gruppe vermarktet wird, die „Harmony Hotels" werden als Hotelbetriebe in Bad Kleinkirchheim, einem Wintersport-, Kur- und Erholungsort in den Kärntner Nockbergen, beworben.

Der Kläger begehrte, den Beklagten die Benützung der Bezeichnung „Harmony Hotel" als Kennzeichnung der Dienstleistungen ihrer Hotelbetriebe im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu verbieten. Die Beklagten verletzten die Rechte aus seiner Wortmarke „Hotel Harmonie" durch Verwendung der nahezu identen Bezeichnung „Harmony Hotel" für ihre Hotels in Bad Kleinkirchheim. Er beabsichtige, auch seine weiteren Hotels in Lienz und Wien zum Zweck der Vereinheitlichung des Dienstleistungsangebots in Zukunft unter der Bezeichnung „Hotel Harmonie" zu führen, dadurch trete er zum Teil auf dem selben Markt auf wie die Beklagten, wodurch es vermehrt zu Verwechslungen kommen könne.

Die Beklagten wendeten ein, der Unterlassungsanspruch bestehe schon mangels gehöriger Fortsetzung des Verfahrens nicht zu Recht, weil der Kläger fast drei Jahre nach Rechtskraft jener Entscheidung des Österreichischen Patentamts, welche abgewartet werden sollte, das ruhende Verfahren nicht fortgesetzt habe. Der Unterlassungsanspruch sei daher verjährt. Die Bezeichnungen „Hotel Harmonie" und „Harmony Hotels" seien nicht verwechselbar ähnlich; sie seien vielmehr deutlich unterscheidbar, und zwar sowohl durch die unterschiedlichen Sprachen als auch durch eine unterschiedliche Schreibweise und Wortstellung. Die Betriebe der Streitteile träten auf vollkommen unterschiedlichen Märkten auf, in Wien einerseits und in Bad Kleinkirchheim/Kärnten andererseits. Eine unterschiedliche Betriebskonzeption sowie das äußere Erscheinungsbild der Betriebe und ihrer Darbietung innerhalb der Verkehrskreise führten zu einfacher Unterscheidbarkeit. Die Bezeichnung „Hotel Harmonie" sei überdies nicht schutzfähig. Vor allem hätten die Beklagten weder mit dem Betrieb der zu einem gemeinschaftlichen Unternehmen verbundenen Hotels noch mit der Bewerbung zu tun, die Beklagten seien lediglich Kommanditisten der Betreibergesellschaft und daher auch nicht für die Bezeichnung „Harmony Hotels" verantwortlich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mangels Verwechslungsfähigkeit der beiden Kennzeichen ab.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Wer ein Hotel in Wien suche, werde völlig andere Zielvorstellungen haben als jemand, der an einem Hotel in Bad Kleinkirchheim interessiert sei. Eine theoretisch mögliche zufällige „Umlenkung" eines Interesses an einem Hotel in Wien auf ein Hotel in Kärnten oder umgekehrt, stehe mit dem Unternehmenskennzeichen in keinem Zusammenhang.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

1. Das Berufungsgericht hat die Identität der streitgegenständlichen Unternehmenskennzeichen zu Recht verneint. Nach § 10 Abs 1 Z 1 MSchG ist nur die Verwendung eines mit der geschützten Marke gleichen Zeichens (= identisch nach der Richtlinie 89/104/EWG und der Verordnung [EG] Nr. 40/94) verboten. Gleich (im Sinn von identisch) sind die beiden hier zu beurteilenden Zeichen aber nicht, mag deren phonetische Wiedergabe auch gleich klingen. § 10 Abs 1 Z 1 MSchG scheidet daher als Anspruchsgrundlage für den vom Kläger erhobenen Unterlassungsanspruch aus.

2. Der Unterlassungsanspruch nach § 10 Abs 1 Z 2 MSchG setzt Verwechslungsgefahr voraus. Ob das im Einzelfall zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller Umstände umfassend zu beurteilen (4 Ob 325/00y = ÖBl 2001, 159 - T-ONE mwN; zuletzt etwa 4 Ob 15/06v - Weekend). Für den Begriff der Verwechslungsgefahr gilt gemeinschaftsweit ein einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (4 Ob 325/00y mwN). Umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren Bedacht zu nehmen ist. So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr hängt damit insbesondere vom Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt und dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und dem Grad der Gleichartigkeit zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen ab (EuGH-Sammlung 1998, I-5507 - Cannon/canon, RNr 17).

Die Verwechslungsgefahr ist umso größer, je höher die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist; die Kennzeichnungskraft bestimmt damit den Schutzbereich der Marke (EuGH-Sammlung 1997, I-6191 = ÖBl 1998, 106 - Sabel/Puma, RNr 24). Um die Kennzeichnungskraft einer Marke zu bestimmen, ist zu prüfen, ob die Marke geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Waren oder Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH-Sammlung 1999, I-2779 = ÖBl 1999, 255 - Chiemsee, RNr 49). Bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ist daher ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen erforderlich als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RIS-Justiz RS0116294; zuletzt etwa 4 Ob 140/05t - Dorfmühle).

Ob die Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung ähnlich sind, richtet sich nach dem Gesamteindruck, den sie hervorrufen. Entscheidend ist, wie die Marke auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher wirkt; dieser nimmt die Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die Einzelheiten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die beiden Marken regelmäßig nicht gleichzeitig wahrgenommen werden und dass der Grad der Aufmerksamkeit von der Art der Ware und der Dienstleistung abhängt (EuGH-Sammlung 1999, I-3819 = ÖBl 1999, 305 - Lloyd/Lloint´s, RNr 26 mwN).

Der Markenschutz ist nicht regional begrenzt (4 Ob 15/06v mwN).

3. Werden diese Grundsätze im vorliegenden Fall angewandt, so ist die Verwechslungsgefahr zu bejahen. Nach dem festgestellten Sachverhalt werben die Streitteile für ihre Hotels national und international; sie treten auf denselben Märkten auf. Die Bezeichnungen „Hotel Harmonie" und „Harmony Hotels" haben denselben Sinngehalt und klingen gleich; sie sind einander sehr ähnlich. Die damit bezeichneten Hotels befinden sich zwar in verschiedenen Gegenden und auch ihr konkretes Angebot mag verschieden sein; die von ihnen erbrachte Dienstleistung ist aber gleich. Die sehr ähnliche Bezeichnung legt damit die Annahme nahe, dass zwischen den Hotels der Streitteile besondere Beziehungen wirtschaftlicher oder organisatorischer Art bestehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger Teilnehmer des Buchungssystems „Best Western" ist und darauf auch bei Verwendung seiner Marke stets hinweist. Es ist allgemein bekannt, dass es sich bei „Best Western" nicht um eine Hotelkette, sondern um ein Buchungssystem für selbstständige Hotels handelt, sodass die Zugehörigkeit zu diesem System nichts darüber aussagt, in wessen Eigentum das Hotel steht und ob und mit welchen anderen Hotels es wirtschaftlich oder organisatorisch verbunden ist.

4. Die Beklagten halten auch in dritter Instanz ihren Einwand aufrecht, sie selbst führten die „Harmony Hotels" gar nicht, weshalb ihnen eine allfällige Verletzung der Markenrechte des Klägers nicht angelastet werden könne. Die Beklagten sind die Eigentümer der „Harmony Hotels"; der Erstbeklagte und die Geschäftsführer der Zweit- und Drittbeklagten haben eine GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der die Hotels betreibenden Betriebsgesellschaft, einer GmbH & Co KG, gegründet; sie sind auch Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft und Kommanditisten der Betriebsgesellschaft. Die Verwendung der Bezeichnung „Harmony Hotels" geht damit von ihnen aus und beruht auf ihrem maßgeblichen Willen; sie kann von ihnen auch jederzeit geändert werden. Ihre Stellung kann nicht der eines (persönlich haftenden) Gesellschafters gleichgehalten werden, dem kein Einfluss auf die Geschäftsführung zukommt (4 Ob 71/99s = ÖBl 2000, 16 - Melatonin), sondern sie haben als Täter für den Markeneingriff einzustehen.

5. Die Beklagten machen schließlich noch geltend, der Kläger habe durch langjährige Nichtfortsetzung des Verfahrens, und zwar durch Zuwarten auch noch lange nach Rechtskraft der den Löschungsantrag abweisenden Entscheidung des Patentamts, zumindest schlüssig auf die Verfolgung seines Anspruchs gegen die Beklagten verzichtet. Schlüssiger Verzicht nach § 863 Abs 1 ABGB darf nur dann angenommen werden, wenn das Verhalten bei Berücksichtigung aller Umstände keinen Zweifel an seiner Bedeutung offen lässt, stets wird ein strenger Maßstab gefordert (Bollenberger in KBB, § 863 ABGB, Rz 7; Rummel in Rummel3 § 863 ABGB Rz 14 je mwN; RIS-Justiz RS0014190). Soweit die Beklagten im Übrigen pauschal auf früheres Vorbringen oder ihre Ausführungen in früheren Rechtsmittelschriftsätzen verweisen, ist dies unbeachtlich (Zechner in Fasching/Konecny2 § 503 ZPO, Rz 25 mwN zur Rsp).

6. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verjährt, weil die Hotels der Beklagten nach wie vor als „Harmony Hotels" vermarktet werden und der gesetzwidrige Zustand daher fortbesteht (vgl RIS-Justiz RS0079953; 4 Ob 317, 318/85 = ÖBl 1985, 129 - UNO-City; Tonninger in Kucsko, marken.schutz 783 mwN).

7. Der vom Kläger auf die Verletzung seiner Marke gestützte Unterlassungsanspruch ist somit berechtigt. Der Revision war Folge zu geben und die Urteile der Vorinstanzen waren im Sinne der Klagestattgebung abzuändern.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1 ZPO, im Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO. Bei der Kostenberechnung war zu berücksichtigen, dass dem Kläger lediglich drei Parteien gegenüber standen, abgewiesene Vertagungsansuchen nicht zu honorieren sind, im Gebührenbestimmungsverfahren kein Kostenersatz stattfindet, weshalb keine Rekurskosten gebühren und über die Pauschalgebühren und Sachverständigengebühren hinausgehende Barauslagen nicht bescheinigt wurden.

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