OGH 4Ob71/99s

OGH4Ob71/99s27.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Thomas Höhne und Mag. Thomas In der Maur, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. G***** OHG, *****, 2. Mag. Helmut R*****, beide vertreten durch Dr. Robert Krasa, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 420.000 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 3. Februar 1999, GZ 6 R 184/98w-40, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes Leoben vom 6. Juni 1998, GZ 7 Cg 142/96b-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Zweitbeklagten wird Folge gegeben; dem Revisionsrekurs der Erstbeklagten wird nicht Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie, einschließlich des bestätigten Teils, insgesamt wie folgt zu lauten haben:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wird der Erstbeklagten für die Dauer dieses Rechtsstreites verboten,

1. das Produkt Melatonin und/oder melatoninhaltige Produkte im Versandhandel zu vertreiben,

2. das Produkt Melatonin und/oder melatoninhaltige Produkte ohne vorherige ärztliche Verschreibung innerhalb von Apotheken an Letztverbraucher abzugeben oder für die Abgabe im Inland bereitzuhalten,

3. das Produkt und/oder melatoninhaltige Produkte ohne vorherige ärztliche Verschreibung in der Apotheke herzustellen und auf welche Weise auch immer zu vertreiben.

Das gegen den Zweitbeklagten gerichtete gleichlautende Begehren wird abgewiesen."

Die Klägerin hat die Kosten des Provisorialverfahrens in Ansehung der Erstbeklagten vorläufig selbst zu tragen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Zweitbeklagten die mit 38.309,04 S bestimmten anteiligen Kosten (darin 6.384,84 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Erstbeklagte hat die Kosten des Provisorialverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Erstbeklagte betreibt die Stiftsapotheke S*****; der Zweitbeklagte ist nicht vertretungsbefugter Gesellschafter der Erstbeklagten. Er ist für die Buchhaltung zuständig und weder mit der Herstellung von Arzneimitteln noch mit dem Verkauf in der Apotheke befaßt.

Konzessionär der Apotheke ist Mag. Dieter G*****, der unter der Firma "G*****-Pharma" auch ein Einzelhandelsunternehmen betreibt. Er ist vertretungsbefugter Gesellschafter der Erstbeklagten. Die G*****-Pharma und die Apotheke sind organisatorisch getrennt; Mag. Dieter G***** ist für beide Unternehmen verantwortlich.

Die G*****-Pharma warb in der Ausgabe Nr. 3/1996 der Gratiszeitung "Ihr Einkauf" für Melatoninkapseln und bot diese im Versandhandel an. Der Ausgabe Nr. 1/1996 des Magazins "Da Capo" vom 13. 5. 1996 war eine Antwortkarte der G*****-Pharma beigeschlossen, mit welcher Informationen zum Produkt Melatonin angefordert werden konnten. Wer die Karte einsandte, erhielt Informationsmaterial sowie eine Bestellkarte.

Mit einstweiliger Verfügung vom 25. 7. 1996, 7 Cg 104/96i, untersagte das Erstgericht Mag. Dieter G*****, für Melatoninkapseln zu werben und diese im Versandhandel anzubieten. Wegen dieses Verbots leitete Mag. Dieter G***** in der Folge Bestellungen von Melatoninkapseln an die Erstbeklagte weiter.

Am 19. 8. 1996 bestellte Gabriela G***** im Auftrag der Klägerin Melatoninkapseln. Die Kapseln wurden ihr von der Erstbeklagten geliefert; auf der Rechnung, der Verpackung und als Absenderin schien die "Stiftsapotheke S*****, St. S*****-Produkte, G***** OHG" auf. Auf der Rechnung war die Bankverbindung der Erstbeklagten angegeben; der Sendung lagen Werbebroschüren der G*****-Pharma bei. Eine Gebrauchsanweisung war nicht enthalten.

Am 24. 10. 1996 bestellte Josef E***** bei der G*****-Pharma Melatoninkapseln. Auch ihm wurden die Kapseln von der Erstbeklagten geliefert. Hersteller der Kapseln war Mag. Dieter G***** bzw. einer seiner Angestellten; die Kapseln wurden jeweils auf Bestellung hergestellt und ohne ärztliche Verschreibung abgegeben.

Mag. Dieter G***** informierte den Zweitbeklagten über die Erzeugung und den Vertrieb von Melatoninprodukten. Der Zweitbeklagte war der Auffassung, daß damit gegen kein Verbot verstoßen werde. Er billigte das Vorgehen von Mag. Dieter G*****.

Mit Erlaß vom 5. 12. 1995 gab das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz bekannt, daß ein Inverkehrbringen von Melatonin als Verzehrprodukt auszuschließen sei, weil es sich dabei um ein Arzneimittel handle. Das Produkt Melatonin dürfe erst nach seiner Zulassung als Arzneispezialität in Verkehr gebracht werden.

Diese Auffassung hatte die Klägerin schon in ihrem an die Apotheker gerichteten Rundschreiben vom 9. 11. 1995 vertreten. Mit Rundschreiben vom 6. 12. 1995 brachte die Klägerin ihren Mitgliedern den oben erwähnten Erlaß zur Kenntnis. Der Erlaß wurde auch in der "Österreichischen Apothekerzeitung" vom 18. 12. 1995 veröffentlicht.

Melatonin ist ein Hormon, das in der Hypophyse gebildet wird. Wegen seiner Wirkungen als Fänger freier Radikale und dem daraus folgenden Schutz der Nerven, der Zellen und des Zellkerns wird es in der Krebstherapie eingesetzt. Melatonin hat auch einen hypnotischen Effekt und verkürzt die Einschlafdauer, verbessert die Schlaftiefe und verändert das Schlafmuster. Daraus folgt seine Eignung als Medikament gegen Jet-Lag-Symptome, gleichzeitig aber auch die Gefahr einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit.

Melatonin wird in Deutschland, ebenso wie in Großbritannien, Belgien, Finnland, Frankreich, Luxemburg, Spanien und Schweden, als zulassungspflichtiges Arzneimittel eingestuft.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,

1. das Produkt Melatonin und/oder melatoninhaltige Produkte im Versandhandel zu vertreiben,

2. das Produkt Melatonin und/oder melatoninhaltige Produkte ohne vorherige ärztliche Verschreibung innerhalb von Apotheken an Letztverbraucher abzugeben oder für die Abgabe im Inland bereitzuhalten,

3. das Produkt und/oder melatoninhaltige Produkte ohne vorherige ärztliche Verschreibung in der Apotheke herzustellen und auf welche Weise auch immer zu vertreiben.

Die von der Erstbeklagten gelieferten Melatoninkapseln seien eine Arzneispezialität, die dem Rezeptpflichtgesetz unterliege. Der Zweitbeklagte hafte als persönlich haftender Gesellschafter der Erstbeklagten.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Melatoninkapseln seien kein Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes und auch nicht rezeptpflichtig. Der Zweitbeklagte sei nicht passiv legitimiert, weil er in der Stiftsapotheke S***** nur buchhalterische Tätigkeiten ausführe.

Das Erstgericht erließ im ersten Rechtsgang am 9. 1. 1997 die einstweilige Verfügung; das Rekursgericht hob die Entscheidung auf und verwies die Rechtssache mit Beschluß vom 14. 7. 1997 zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Erstgericht gab auch im zweiten Rechtsgang dem Sicherungsbegehren statt. Die Klägerin habe sowohl die Gefährdung als auch die Wiederholungsgefahr bescheinigt; damit sei ihr Verfügungsinteresse gegeben.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Melatonin sei aufgrund seiner Eigenschaften als Arzneimittel einzustufen; der festgestellte Bestell- und Abgabevorgang sei als Versandhandel zu qualifizieren. Mag. Dieter G***** versuche, durch die von ihm gewählte Vertriebsform jene Gesetzesbestimmungen zu umgehen, die die Abgabe von Arzneimitteln im Versandhandel verbieten. Melatonin sei als endogenes Hormon rezeptpflichtig. Der Zweitbeklagte hafte auch dann für die Wettbewerbsverstöße der Erstbeklagten, wenn er daran nicht beteiligt war. Er habe die beanstandeten Handlungen im übrigen gebilligt und nicht einmal behauptet, daß er versucht hätte, auf Mag. Dieter G***** entsprechend einzuwirken.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage besteht, ob der persönlich haftende Gesellschafter einer OHG für Wettbewerbsverstöße des Unternehmens haftet, wenn er kraft Gesetzes von der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ausgeschlossen ist; der Revisionsrekurs des Zweitbeklagten ist auch berechtigt; der der Erstbeklagten ist nicht berechtigt.

Nach § 12 Abs 2 Apothekengesetz ist die Errichtung und der Betrieb einer öffentlichen Apotheke in der Rechtsform einer Personengesellschaft nach handels- und sonstigen zivilrechtlichen Vorschriften nur zulässig, wenn zur Gewährleistung ausreichender rechtlicher und wirtschaftlicher Verfügungsmacht im Apothekenunternehmen der Konzessionsinhaber

1. Gesellschafter mit ausschließlicher Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis, insbesondere allein berechtigt ist, sämtliche für die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendigen Maßnahmen durchzuführen, und

2. über eine Beteiligung am gesamten Apothekenunternehmen von mehr als der Hälfte verfügt.

§ 12 ApothekenG soll die alleinige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht des Konzessionärs im Apothekenunternehmen absichern (s Schwamberger, Apothekengesetz § 12 Rz 1).

Der Zweitbeklagte ist zwar persönlich haftender Gesellschafter der OHG, er ist aber nicht Konzessionär der Apotheke. Er ist demnach kraft Gesetzes sowohl von der Vertretung der Erstbeklagten als auch von der Geschäftsführung der Apotheke ausgeschlossen.

Das Rekursgericht hat seine Haftung für die Wettbewerbsverstöße der Erstbeklagten unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung dennoch bejaht. Danach haftet der persönlich haftende Gesellschafter einer OHG oder KG auch dann für Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft, wenn er daran nicht beteiligt war. Seine Haftung wird mit § 18 UWG, §§ 128, 161 HGB begründet (stRsp ua RdW 1989, 192; ÖBl 1990, 158 - Österreichs Großmarkt; WBl 1991, 203 - Multimillionär). § 128 HGB normiert die persönliche Haftung des Gesellschafters als Gesamtschuldner der Gesellschaft; nach § 18 UWG haftet der Inhaber eines Unternehmens für die im Betrieb des Unternehmens begangenen Wettbewerbsverstöße. § 18 UWG kann nur herangezogen werden, wenn auch der persönlich haftende Gesellschafter als Inhaber des Unternehmens betrachtet wird.

Koppensteiner (Wettbewerbsrecht3 § 34 Rz 42; ders in Straube, HGB**2 § 128 Rz 13) hat die Rechtsprechung des OGH wiederholt kritisiert. Er will den persönlich haftenden Gesellschafter für Wettbewerbsverstöße nur haften lassen, wenn dieser sie selbst begangen hat, daran beteiligt war oder - bei Begehung durch einen im Unternehmen tätigen Dritten - trotz Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Verstoßes nicht dagegen eingeschritten ist. § 18 UWG sei nicht anzuwenden, weil der persönlich haftende Gesellschafter nicht Inhaber des Unternehmens sei. Die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters lasse sich auch nicht auf § 128 HGB stützen, weil die Haftung für Unterlassungspflichten keine Gesamtschuld sei. Die Erfüllung dieser Pflichten durch den Gesellschafter würde an einem entsprechenden Anspruch gegen die Gesellschaft nichts ändern und umgekehrt.

Auch ein Teil der deutschen Lehre lehnt es ab, die Haftung des Gesellschafters für Wettbewerbsverstöße mit § 128 HGB zu begründen. Emmerich (Erfüllungstheorie oder Haftungstheorie, FS Lukes 639 [650]) weist nach, daß es hier allein um die Frage geht, ob nach den Umständen des Falls die Gesellschafter neben der Gesellschaft als Störer in Frage kommen, weil sie selbst wettbewerbswidrig gehandelt oder die Zuwiderhandlungen ihrer Mitarbeiter oder Mitgesellschafter pflichtwidrig nicht verhindert haben. Mit § 128 HGB habe dies nichts zu tun (s auch Heymann/Emmerich**2 § 128 Rz 23; Schlegelberger/K. Schmidt5 § 128 Rz 29; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht3, 1424 ff).

Der Oberste Gerichtshof hat Koppensteiners Kritik schon mehrmals ausdrücklich abgelehnt (RdW 1989, 192; ÖBl 1990, 158 - Österreichs Großmarkt; ÖBl 1993, 177 - Steirerkrone - Die Nr. 1 mwN). In der Entscheidung RdW 1989, 192 hat sich der OGH ausführlich mit der Auffassung Koppensteiners auseinandergesetzt und ausgeführt, daß der Wortlaut des Gesetzes, wonach die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern (als Gesamtschuldner) persönlich haften, keine Handhabe dafür biete, einzelne Gesellschafter von der Haftung für deliktische Unterlassungspflichten auszunehmen, nur weil sie sich an der Begehung des Delikts nicht beteiligt haben. Auch bei Unterlassungspflichten bestehe eine Schuld jedes einzelnen Gesellschafters. Es treffe auch nicht zu, daß die Haftung des an einem Wettbewerbsverstoß nicht beteiligten Gesellschafters die Realisierbarkeit von Ansprüchen gegen die Gesellschaft nicht sichern könnte. Ein bisher nicht an einem Wettbewerbsverstoß beteiligter Gesellschafter werde um so eher daran interessiert sein, derartige Verstöße in Zukunft zu unterbinden, wenn auch er dafür hafte. In der Entscheidung MR 1995, 150 = ÖBl 1996, 38 - Städteflugreisen hat es der OGH für allein entscheidend erachtet, daß der persönlich haftende Gesellschafter selbst Unternehmer sei und daher nach § 18 UWG für alle im Betrieb dieses Unternehmens begangenen Wettbewerbsverletzungen hafte.

Nach § 18 UWG kann der persönlich haftende Gesellschafter nur dann für Wettbewerbsverletzungen verantwortlich gemacht werden, wenn er die Möglichkeit hat, die wettbewerbswidrige Handlung zu unterbinden. Die Haftung nach § 18 UWG setzt ganz allgemein voraus, daß der Unternehmer aufgrund seiner Beziehungen zum Dritten die rechtliche Möglichkeit hat, für die Abstellung des Wettbewerbsverstoßes zu sorgen. Diese rechtliche Möglichkeit muß sich aus dem Wesen des Rechtsverhältnisses zum Dritten ergeben (stRsp ua ÖBl 1993, 255 - Vorsicht bei Lockvogelangeboten II mwN).

Der Zweitbeklagte ist zwar persönlich haftender Gesellschafter der Erstbeklagten, er ist aber nicht Konzessionär der Apotheke. Gemäß § 12 Abs 2 ApothekenG fehlt ihm damit nicht nur die Befugnis, die Erstbeklagte zu vertreten, sondern er ist auch nicht berechtigt, auf die Geschäftsführung Einfluß zu nehmen. Das schließt es aus, ihn gemäß § 18 UWG für Wettbewerbsverstöße der Erstbeklagten einstehen zu lassen: Kann er die Geschäftsführung der Erstbeklagten in keiner Weise beeinflussen, so kann er auch nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn der allein vertretungsbefugte Gesellschafter wettbewerbswidrig handelt. Ob § 18 UWG überhaupt eine Grundlage für Unterlassungsansprüche gegen den Gesellschafter bilden kann und ob es einer derartigen Haftungsgrundlage bedarf (zur Mitunternehmerschaft des Gesellschafters und zur Beurteilung seiner Haftung aufgrund einer Interessenabwägung s K. Schmidt aaO 1428), kann demnach hier offen bleiben.

Als Haftungsgrundlage bliebe im vorliegenden Fall nur § 128 HGB. Danach haften die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Die bisherige Rechtsprechung hat als Verbindlichkeiten im Sinn des § 128 HGB auch deliktische Unterlassungspflichten verstanden. Die neuere Rechtsprechung lehnt jedoch eine gesamtschuldnerische Haftung für die Unterlassungsverbindlichkeiten mit der Begründung ab, daß die Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung durch den einen Schuldner die gleiche Verpflichtung des anderen nicht erfülle (ÖBl 1978, 154 - Markenski-Ausverkauf; ÖBl 1993, 177 - Steirerkrone - Die Nr 1 mwN).

Damit anerkennt die Rechtsprechung, daß Unterlassungspflichten einer Person nicht inhaltsgleich von einer anderen Person erfüllt werden können und die Unterlassung eines bestimmten Verhaltens durch eine Person an einem entsprechenden Anspruch gegen die andere Person nichts ändert. Für die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters für Wettbewerbsverstöße folgt daraus, daß sie nicht auf § 128 HGB gestützt werden kann: § 128 HGB soll die Realisierbarkeit von Ansprüchen gegen die Gesellschaft sichern und nicht Ansprüche schaffen, die mit dem gegen die Gesellschaft gerichteten Anspruch nichts zu tun haben (Koppensteiner aaO § 128 Rz 13; s auch Hermann, Zur Haftung gemäß § 128 HGB, ecolex 1996, 894 [898]). Es geht daher nicht um die Ausnahme bestimmter Gesellschafter vom Anwendungsbereich des § 128 HGB, sondern um den Inhalt der damit normierten Haftung, den die bisherige Rechtsprechung nicht weiter untersucht hat.

Koppensteiner weist darauf hin, daß es regelmäßig gar nicht notwendig ist, die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters mit §§ 128, 161 HGB zu begründen.. Entweder war der Gesellschafter ohnehin an der Handlung beteiligt (ua SZ 31/96; ÖBl 1961, 22) oder er hat, falls er nicht daran beteiligt war, gar nicht behauptet, daß er nicht dagegen hätte einschreiten können (ua ÖBl 1990, 158 - Österreichs Großmarkt; WBl 1991, 203 - Multimillionär). Der OGH hat der Kritik Koppensteiners in diesem Sinn auch entgegengehalten, daß ein bisher nicht an einem Wettbewerbsverstoß beteiligt gewesener Gesellschafter um so eher daran interessiert sein werde, die Wiederholung derartiger Verstöße zu verhindern, wenn auch er für jeden Verstoß unabhängig davon haftet, ob er daran beteiligt war (RdW 1989, 192).

Dies trifft nur für Gesellschafter zu, denen es möglich wäre, den Verstoß zu unterbinden. Ein solcher Gesellschafter haftet aber meist schon deshalb, weil er den Wettbewerbsverstoß nicht verhindert hat; § 128 HGB muß insoweit gar nicht herangezogen werden. Hat ein persönlich haftender Gesellschafter hingegen - wie hier - gar keine Einflußmöglichkeit, so kann ein gegen ihn erlassenes Verbot auch nichts dazu beitragen, daß sich die Gesellschaft in Zukunft gesetzeskonform verhält.

Die bisherige Rechtsprechung kann demnach insoweit nicht aufrecht erhalten werden, als sie die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters für Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft mit § 128 HGB begründet. Seine Haftung muß jedenfalls dann verneint werden, wenn er am Wettbewerbsverstoß nicht beteiligt war und schon kraft Gesetzes gar keine Möglichkeit hatte, den Wettbewerbsverstoß zu unterbinden.

Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß der Sicherungsantrag gegen den Zweitbeklagten nicht begründet ist. Der Zweitbeklagte ist nicht Konzessionär; es ist weder behauptet noch festgestellt, daß er an den der Erstbeklagten vorgeworfenen Handlungen beteiligt gewesen wäre. Daß er sie als rechtmäßig beurteilt und "gebilligt" hat, reicht für seine Haftung nicht aus.

Die Vorinstanzen haben demnach die Haftung des Zweitbeklagten zu Unrecht bejaht. Die gegen die Haftung der Erstbeklagten gerichteten Einwendungen der Beklagten sind hingegen nicht begründet:

Die Beklagten beanstanden, daß sich das Rekursgericht nicht mit der Frage befaßt hat, ob Melatonin ein Verzehrprodukt im Sinne des Lebensmittelgesetzes ist. Sie meinen, daß Melatonin nur als Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs 1 Z 5 AMG aufgefaßt werden könnte.

Die Beklagten erkennen richtig, daß sich die Frage der Abgrenzung zwischen Arzneimittel und Verzehrprodukt nur bei Arzneimitteln im Sinne des § 1 Abs 1 Z 5 AMG stellt. Kein Arzneimittel liegt nämlich (ua) dann vor, wenn es sich um ein Verzehrprodukt im Sinne des Lebensmittelgesetzes 1975 handelt, das nach Art und Form des Inverkehrbringens nicht dazu bestimmt sind, die Zweckbestimmungen des Abs 1 Z 1 bis 4 zu erfüllen (§ 1 Abs 3 Z 2 AMG). Erfüllt ein Stoff oder eine Zubereitung aus Stoffen schon einen der in § 1 Abs 1 Z 1 bis 4 AMG geregelten Tatbestände, so ist eine Qualifikation als Verzehrprodukt ausgeschlossen.

Das trifft bei Melatonin zu. Melatonin ist schon gemäß § 1 Abs 1 Z 3 AMG als Arzneimittel einzustufen. Unter diese Bestimmung fallen Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen. Ein Stoff fällt nicht erst dann unter § 1 Abs 1 Z 3 AMG, wenn ein vom menschlichen Körper erzeugter Wirkstoff oder eine Körperflüssigkeit zur Gänze ersetzt wird. Es genügt vielmehr, daß ein Stoff zugeführt wird, der, wie die von der Erstbeklagten versandten Melatoninkapseln, den Plasmaspiegel an Melatonin erhöht. Unter § 1 Abs 1 Z 3 AMG fallen daher vor allem Enzym- und Hormonpräparate sowie Blut- bzw. Plasmamittel (Michtner/Schuster/Wrbka, Arzneimittelgesetz 19; s 4 Ob 261/98f). Als Hormonpräparat unterliegen die Melatoninkapseln auch der Rezeptpflicht (§§ 1, 2 RezeptpflichtG; RezeptpflichtVO Anhang II Teil 1).

Die Beklagten werfen dem Rekursgericht vor, von der im Aufhebungsbeschluß zum Verbot des Versandhandels vertretenen Rechtsauffassung abgegangen zu sein. Der damit gerügte Verfahrensmangel ist aber für die Entscheidung unerheblich, weil das Rekursgericht im Ergebnis richtig entschieden hat:

Für einen Wettbewerbsverstoß haftet nicht nur derjenige, der sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt, sondern auch derjenige, der den Wettbewerbsverstoß eines anderen durch sein Verhalten gefördert oder überhaupt erst ermöglicht hat. Auch Mittäter, Anstifter und Gehilfen sind demnach für den Unterlassungsanspruch passiv legitimiert (stRsp ua ÖBl 1995, 84 - Telefonstudien mwN; Koppensteiner aaO § 34 Rz 42 mwN).

Die Erstbeklagte ist Mittäterin des beanstandeten Arzneimittelversandhandels. Sie versendet das Melatoninpräparat, für das die G*****-Pharma in Inseraten wirbt und Bestellungen entgegennimmt. Damit verstößt sie gegen § 59 Abs 9 AMG iVm § 83 Z 5 AMG, § 50 Abs 2 GewO und, da sie im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs handelt und sich durch ihr gesetzwidriges Verhalten einen Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft, auch gegen § 1 UWG. Sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG begründet auch ihr Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz und gegen das Rezeptpflichtgesetz.

Das Unterlassungsgebot geht nicht zu weit. Nach der derzeitigen Rechtslage sind Melatoninpräparate rezeptpflichtige Arzneimittel. Ohne ärztliche Verschreibung dürfen sie weder in Apotheken noch auf andere Weise vertrieben werden; der Vertrieb von Arzneimitteln im Versandhandel ist überhaupt untersagt.

Dem Revisionsrekurs war teilweise Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 41, 50 ZPO.

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