OGH 4Ob154/06k

OGH4Ob154/06k21.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedhelm H*****, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei D*****, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. jur. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Beseitigung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 19. Juni 2006, GZ 5 R 76/06t-14, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 20. März 2006, GZ 34 Cg 9/05p-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts in ihren Punkten 3. und 5. (einstweilige Verfügung und Kostenentscheidung) wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Inhaber der am 26. 11. 1990 angemeldeten und seit 26. 2. 1991 registrierten österreichischen Wortmarke „Amadeus" und einer gleichlautenden seit 1991 registrierten internationalen Wortmarke. Beide Marken sind für die Warenklasse 3 (Parfümeriewaren) eingetragen. Der Kläger erzeugt und vertreibt unter diesen Marken Eau de Toilette, Feuchtigkeitscremen und Parfums im Einzel- und Großhandel.

Die Beklagte ist Inhaberin der am 16. 2. 2002 angemeldeten und am 9. 10. 2002 registrierten Wortmarke „Amadeo by living dimension". Sie vertreibt unter ihrer Marke Parfümerie- und Kosmetikartikel im Internet. Auf ihrer Website, in Werbeeinschaltungen und zur Bezeichnung ihrer Homepage „www.amadeo-cosmetic.com " verwendete sie zunächst die Abkürzung „Amadeo". Nach einer Abmahnung durch den Klagevertreter erklärte sie sich am 9. 9. 2004 bereit, diese Abkürzung in Hinkunft nicht mehr zu verwenden. Tatsächlich schien die Kurzbezeichnung danach nur mehr als Bestandteil der Domain „www.amadeo-cosmetic.com " auf. Benutzer, die diese Domain aufrufen, erhalten einen Hinweis auf die richtige Domain „www.amadeo.living-dimension.com " und werden dorthin umgeleitet. Die neue Website zeigt die Wortmarke der Beklagten in nachstehender Gestaltung:

Zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs begehrt der Kläger, der Beklagten bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die anhängige Unterlassungsklage mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, die Abkürzung „Amadeo" der seit 9. 10. 2002 im Markenregister des österreichischen Patentamtes unter Register Nr 206305 registrierten Wortmarke „Amadeo by living dimension" sowie die bildliche Darstellung in Form der Hervorhebung des Wortmarkenteils „Amadeo" durch ein im Verhältnis zur restlichen Wortmarke „by living dimension" übermäßig großes und fettgedrucktes Schriftbild und Darstellung in einem Notenspiegel im geschäftlichen Verkehr, insbesondere zu Werbezwecken, zu verwenden. Das Zeichen der Beklagten greife sowohl als Ganzes als auch als Abkürzung in seine Markenrechte ein. Die Wiederholungsgefahr sei nicht - auch nicht in Bezug auf die in Alleinstellung verwendete Bezeichnung „Amadeo" - weggefallen. Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Weder der volle Wortlaut ihrer Marke noch deren Abkürzung seien geeignet, die Gefahr von Verwechslungen mit der Marke des Klägers hervorzurufen. Sie verwende die Kurzbezeichnung seit September 2004 nicht mehr und habe dem Kläger einen Unterlassungsvergleich angeboten. Die Wiederholungsgefahr sei somit weggefallen.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung antragsgemäß. Der der Marke des Klägers ähnliche Zeichenbestandteil „Amadeo" sei sowohl in seinem Bedeutungsinhalt als auch in der graphischen Darstellung dominierendes Element im Zeichen der Beklagten. Der hinzugefügte klein geschriebene Zusatz reiche zur Unterscheidung nicht aus. Der flüchtige Interessent gewinne den Eindruck, die Produkte der Beklagten stammten vom Kläger.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Unter Berücksichtigung der die Marke des Klägers und das Wort-Bildzeichen der Beklagten unterscheidenden und sie dominierenden Elemente bestehe keine Verwechslungsgefahr. Der Wortbestandteil „Amadeo" sei zwar nach Wortklang und Wortsinn der Marke der Klägerin verwechselbar ähnlich, in der bildlichen Darstellung aber nicht derart dominant, dass die übrigen Teile des Wort-Bildzeichens völlig in den Hintergrund träten. Auch die Darstellung des Wortes „Amadeo" in schwungvoller ansteigender Schreibschrift mit einem nicht leicht lesbaren „A" am Anfang des Wortes über Notenlinien sei auffällig und bestimme den Gesamteindruck entscheidend. Die Marke der Beklagten unterscheide sich daher ausreichend von jener des Klägers. Die Wortfolge „by living dimension" erwecke dabei den Eindruck, das beworbene Produkt stamme von einem Unternehmen mit dieser Firma. Soweit die Beklagte früher die Abkürzung „Amadeo" verwendet habe, sei die Wiederholungsgefahr weggefallen. Die Beklagte habe sich nicht nur bereit erklärt, die Abkürzung in Zukunft nicht mehr zu gebrauchen, sie habe dem Kläger auch ausdrücklich den Abschluss eines Unterlassungsvergleichs angeboten. Es schade nicht, dass sie seine Aufforderung, in Zukunft den Markennamen „Amade" nicht mehr zu verwenden, abgelehnt habe. Sie habe diese Bezeichnung nämlich nie verwendet.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung von den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Verwechslungsgefahr bei Übernahme eines Zeichens und zum Wegfall der Wiederholungsgefahr abweicht. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

1. Der Kläger nimmt markenrechtlichen Schutz für seine österreichische und internationale Wortmarke „Amadeus" in Anspruch.

1.1 Nach der Rechtsprechung des EuGH und der daran orientierten

nationalen Rechtsprechung ist Verwechslungsgefahr unter

Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu

beurteilen. Zu berücksichtigen sind die Kennzeichnungskraft der

verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden

Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren. Ein

geringerer Grad der Zeichenähnlichkeit kann durch einen höheren Grad

an Warenähnlichkeit ausgeglichen werden. Warenidentität erfordert

einen wesentlich größeren Abstand der Zeichen selbst, um

Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 273/02d = ÖBl 2003/50 -

Kleiner Feigling; 4 Ob 36/04d = ÖBl 2004/55 - Firn; 4 Ob 119/06p;

RIS-Justiz RS0116294).

1.2 Entscheidend ist der Gesamteindruck, den ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher gewinnt. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Elemente, die die Marken und das sie nach den Behauptungen der Klägerin verletzende Zeichen unterscheiden und dominieren. Es ist im Einzelfall zu prüfen, welcher Einfluss den einzelnen Markenbestandteilen auf den Gesamteindruck des Zeichens zukommt, den ein Durchschnittsverbraucher, der die Ware normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf Einzelheiten achtet, von diesem Zeichen erhält. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die beiden Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrgenommen werden und dass der Grad der Aufmerksamkeit von der Art der Ware oder Dienstleistung abhängt (4 Ob 239/04g = ÖBl 2005/28 - Goldhase; 4 Ob 5/06y mwN, 4 Ob 119/06p; RIS-Justiz RS0119660; EuGH, Rs C-361/04 p - PICARO- PICASSO = ecolex 2006/371).

1.3 Wird eine registrierte Marke vollständig in ein anderes Zeichen aufgenommen, ist regelmäßig - und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind - Ähnlichkeit anzunehmen (4 Ob 138/03b = ÖBl 2004/24 - gotv; RIS-Justiz RS0079033). Sogar ein schwaches Zeichen wird verletzt, wenn es zur Gänze übernommen wird, innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des jüngeren Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (4 Ob 138/03b = ÖBl 2004/24 - gotv; OPM PBl 2002, 135 - Jack & Jones).

1.4 Diese Auffassung hat auch der EuGH in seiner Entscheidung C-120/04 vom 6. 10. 2005 (= ÖBl 2006/34 - Thomson life) bestätigt:

Danach kann bei identischen Waren oder Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das streitige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die (prioritätsältere eingetragene) Marke in dem zusammengesetzten Zeichen - ohne allein seinen Gesamteindruck zu prägen - eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält.

2. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt an, ist Verwechslungsgefahr im engeren wie auch im weiteren Sinn zu bejahen. Die Marken beider Streitteile sind für dieselbe Warengruppe (Parfümeriewaren) geschützt. Es handelt sich dabei um Waren des täglichen Gebrauchs, bei deren Anschaffung der Verbraucher keine besondere Aufmerksamkeit aufwendet.

Die von der Beklagten gebrauchte Kurzbezeichnung „Amadeo" weicht nur im letzten Buchstaben von der Wortmarke der Klägerin ab, ohne deren Bedeutungsinhalt zu verändern. „Amadeo" wird wie „Amadeus" als Hinweis auf den Komponisten Mozart verstanden. Auch Wortklang und Wortbild stimmen soweit überein, dass die beim Kauf von Waren des täglichen Gebrauchs üblicherweise nicht besonders aufmerksamen Käufer diesen bloß im letzten Buchstaben des Namens bestehenden Unterschied kaum wahrnehmen werden.

Verwechslungsgefahr besteht aber auch in Bezug auf die vollständige Wortmarke der Beklagten „Amadeo by living dimension" und deren graphische Ausgestaltung auf der Website der Beklagten. Der Zeichenbestandteil „Amadeo" wird auch in diesem Zusammenhang in derselben Bedeutung wie die Marke des Klägers verstanden. Er wird wesentlich größer und auffälliger geschrieben als der Beisatz „by living dimension" und fällt daher dem Betrachter ins Auge. Er prägt das Zeichen der Beklagten und tritt gegenüber dem englischsprachigen Beisatz keineswegs in den Hintergrund. Der beim Kauf derartiger Waren nicht besonders aufmerksame Verbraucher wird das Zeichen der Beklagten mit der Marke des Klägers in Verbindung bringen und annehmen, die so bezeichnete Ware stamme aus dem Unternehmen des Klägers oder aus einem mit ihm in wirtschaftlicher oder organisatorischer Art verbundenen Unternehmen.

Die Beklagte meint, der englischsprachige Zusatz „by living dimension" könne als Hinweis auf ein Unternehmen mit dieser Firma verstanden werden. Verwechslungsgefahr mit Waren aus dem Unternehmen des Klägers scheide daher aus. Abgesehen davon, dass dieser Zusatz keinen Hinweis auf den Firmenwortlaut der Beklagten enthält, schließt eine Kombination aus der geschützten Marke mit der Unternehmensbezeichnung eines Dritten die Verwechslungsgefahr nicht aus, wenn die Marke - wie hier - ihre selbstständig kennzeichnende Stellung behält (EuGH C-120/04 vom 6. 10. 2005 = ÖBl 2006/34 - Thomson life).

3. Das Rekursgericht ist in Ansehung der Kurzbezeichnung „Amadeo" vom Wegfall der Wiederholungsgefahr ausgegangen.

3.1 Um die Vermutung der Wiederholungsgefahr zu entkräften, hat der Beklagte nach ständiger Rechtsprechung besondere Umstände darzutun, die eine Wiederholung seiner Handlungen als völlig ausgeschlossen oder doch zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (stRsp 4 Ob 72/03x = ÖBl 2004/23 - Tintenpatronen; 4 Ob 24/05s; RIS-Justiz RS0012087 und RS0080065). Maßgebend ist, ob dem Verhalten des Verletzers in seiner Gesamtheit wichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen

Störungen Abstand zu nehmen (4 Ob 283/00x = ÖBl 2001, 105 -

Reisebedarf mwN; 4 Ob 72/03x = ÖBl 2004/23 - Tintenpatronen; 4 Ob

24/05s). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Verletzer einen den ganzen Unterlassungsanspruch umfassenden, an keinerlei Bedingungen geknüpften (vollstreckbaren) Vergleich anbietet und nach den Umständen keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit seiner Willensänderung bestehen. Die bloße Zusage, von künftigen Störungen Abstand nehmen zu wollen, reicht nach der Rechtsprechung insbesondere dann nicht aus, wenn die Erklärung unter dem Druck eines drohenden Prozesses abgegeben wurde (4 Ob 302/02v; 4 Ob 24/05s). Eine derartige Erklärung ist - anders als das Anbot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs - nämlich kein verlässliches Indiz für eine Willensänderung des Verletzers, bildet doch diese Zusage keine exekutionsfähige Verpflichtung.

3.2 Wendet man diese Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt an, so ist die Wiederholungsgefahr nach wie vor gegeben:

Der Beklagte hat sich nach Beanstandung seiner Marke zwiespältig verhalten. Er hat zwar erklärt, einen Unterlassungsvergleich für die Kurzbezeichnung „Amadeo" allein (und nur für diese) abschließen zu wollen, hat den Unterlassungsvergleich aber nie konkret formuliert und auch nie zu erkennen gegeben, dass er ihn in vollstreckbarer Form abschließen werde. Wäre der Beklagte tatsächlich bereit gewesen, sich in einem vollstreckbaren Unterlassungsvergleich zu verpflichten, „Amadeo" allein nicht mehr zu verwenden, so hätte er dies in seinem E-Mail vom 16. Dezember 2005, Beilage ./6, wohl angeboten. Stattdessen verwies er in diesem E-Mail nur darauf, im Schriftsatz vom 2. 5. 2005 den Abschluss eines Unterlassungsvergleichs bereits angeboten zu haben. Dieses Anbot war aber mangels Konkretisierung unzureichend.

Dass der Beklagte die Kurzbezeichnung nach der Beanstandung zunächst nicht mehr in Alleinstellung verwendete, führt nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr. Dieser Umstand reicht ebenso wenig wie die Entfernung einer die Irreführung des Publikums begründenden Ware aus dem Verkaufsprogramm nach Beanstandung (4 Ob 163/03d = ÖBl-LS 2003/153; 4 Ob 24/05s) zum Nachweis einer ernstlichen Willensänderung aus.

4. Dem Revisionsrekurs des Klägers war Folge zu geben und - in Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichts - die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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