OGH 4Ob283/00x

OGH4Ob283/00x14.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundesarbeitskammer, *****, vertreten durch Dr. Heinz Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei L***** AG, *****, vertreten durch Lansky & Prohaska, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 500.000 S), infolge Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 25. August 2000, GZ 5 R 138/00a-17, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Handelsgericht vom 3. Juli 2000, GZ 20 Cg 160/00s-11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagte betreibt (ua) im Bereich des Wiener Westbahnhofs eine L*****-Filiale und im Bereich des Bahnhofs Wien-Mitte einen A*****-Markt, von dem zwei Rolltreppen zu den Bahnsteigen führen. Der A*****-Markt wurde am 12. 5. 2000 eröffnet und ist jeweils von Montag bis Samstag von 9.00 bis 22.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 11.00 bis 22.00 Uhr geöffnet. Dort werden bespielte und unbespielte Tonträger, Mobiltelefone, Büromaterial etc vertrieben.

Die Beklagte erhielt die vorliegende Klage am 8. 6. 2000 zugestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt bot die Beklagte ihr gesamtes Sortiment während der Öffnungszeiten ohne Einschränkung an. Nach Zustellung der Klage wies der Geschäftsführer der Beklagten seine Mitarbeiter an, außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten nur mehr Artikel des notwendigen Reisebedarfs und Reiseandenken zu verkaufen. Die Kunden wurden auf Aushängen und Flugzetteln wie folgt informiert:

"Aufgrund der derzeitigen Rechtslage können wir leider an Montagen bis Freitagen nach 19.30 Uhr, Samstagen nach 17.00 Uhr und Sonn- und Feiertagen Teile unseres Sortiments nicht zum Verkauf frei geben. Wir werden jedoch alles rechtlich Mögliche unternehmen, damit wir Ihnen in Zukunft wieder das gesamte Sortiment des A***** bieten können."

Bei der durch Absperrung vorgenommenen Abgrenzung der Artikel ließ sich die Beklagte von einer Auskunft leiten, die ein Mitarbeiter der Beklagtenvertreter bei der Wirtschaftskammer Wien eingeholt hatte. Danach soll die Verwendbarkeit einer Ware während einer Reise entscheiden. Reisebedarf seien daher jedenfalls CDs, MCs, DVDs (DVD-ROMs = Digital Versatile Disc ROMs) und jede Art von Reiselektüre, Reiseandenken und einfache Geschenkartikel.

Am 14. 6. 2000 bot die Klägerin der Beklagten an, auf die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung zu verzichten, wenn sich die Beklagte in einem gerichtlichen Vergleich zur begehrten Unterlassung verpflichtete. Die Beklagte antwortete nicht.

Die Klägerin ließ mehrere Testkäufe vornehmen. Am 19. 6. 2000, gegen

20.30 Uhr, erwarb Karl D***** im A*****-Markt einen rund 4 kg schweren zweibändigen Bildband "Venedig Kunst und Architektur", einen multimedialen-interaktiven Englisch-Sprachkurs auf CD-Rom mit Kopfhörer und Mikrophon, das Computerprogramm "Familienstammbaum" auf CD-ROM, eine 5-fach CD-Sammlung mit Werken Mozarts und eine DVD-ROM des Films "Aus Mangel an Beweisen". Am 25. 6. 2000, gegen 18.30 Uhr, kaufte Karl D***** in der L*****-Filiale im Bereich des Wiener Westbahnhofs einen rahmenlosen Glasbilderhalter im Format 30 x 40 cm und eine bespielte Videokassette im VHS-Format mit dem Film "Pretty Woman".

Die Beklagte beauftragte ein Architekturbüro, die baulichen Maßnahmen für die räumliche Abgrenzung des Sortiments durchzuführen. Die Begehung des Geschäftslokals fand am 26. 6. 2000 statt.

Bis 25. 6. 2000 war die L*****-Filiale im Bereich des Wiener Westbahnhofs auch am Sonntag geöffnet. Seit diesem Zeitpunkt hält die Beklagte ihre Filialen auf dem Westbahnhof, auf dem Bahnhof Floridsdorf und auf dem Bahnhof Praterstern außerhalb der Normalöffnungszeiten geschlossen. Auch für diese Filialen hat die Beklagte den Auftrag erteilt, die für die Abgrenzung des Sortiments notwendigen Baumaßnahmen durchzuführen.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,

a) Verkaufsstellen, insbesondere die Verkaufsstelle in 1030 Wien, Invalidenstraße/Landstraßer Hauptstraße 2a/2b, und/oder in 1150 Wien, Europaplatz 1, an Montagen bis Freitagen nach 19.30 Uhr, an Samstagen nach 17.00 Uhr oder/sowie an Sonn- und Feiertagen zum Zwecke des Verkehrs mit Kunden offenzuhalten, wenn dabei Waren, die nicht unter die Sonderregelung des § 5 lit a ÖffnZeitG für Reiseproviant, Reiseandenken und notwendigen Reisebedarf oder die Sonderregelung des § 18 Abs 1 ARG für Reiseproviant, Reiseandenken, nowendigen Reisebedarf und Artikel des Tabaksortiments fallen, angeboten und/oder verkauft werden;

b) zum Zwecke derartiger Verkäufe nach lit a) Dienstnehmer entgegen den Vorschriften des Arbeitsruhegesetzes an Samstagen, Sonn- und Feiertagen einzusetzen.

Die Beklagte biete außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten Waren an, die nicht unter die Ausnahmebestimmungen für Bahnhöfe fielen. Die Beklagte handle damit sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen. Die Beklagte habe nicht freiwillig Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Gesetzesverstöße getroffen, sondern unter dem Druck der Klage gehandelt.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Sie habe ihr Sortiment außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten auf Waren eingeschränkt, die bei "strengster Auslegung" unter die Ausnahmebestimmungen fielen. Ihre Dienstnehmer seien ensprechend angewiesen und würden kontrolliert. Die Beklagte baue ein neues logistisches System auf; sie unternehme aber auch schon jetzt alles Mögliche, um die Einhaltung der Gesetze zu gewährleisten. Die durch Testkäufe erworbenen Waren fielen unter die Ausnahmebestimmungen.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Die Beklagte habe zwar Maßnahmen getroffen, um künftige Verstöße zu verhindern; sie habe aber dennoch weiterhin gegen die Ausnahmebestimmungen verstoßen.

Die am 19. und 25. 6. 2000 verkauften Waren seien weder Reisebedarf noch Reiseandenken. Reisebedarf seien nur Waren, die einen naheliegenden Bezug zu einer unmittelbar bevorstehenden Reise aufweisen; für Reiseandenken gelte das Gleiche. Der durch den Wandel der Technik bedingte Gebrauch von CDs und DVDs-ROMs mache diese nicht zum Standardgeschenk.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Beklagte habe zahlreiche Maßnahmen getroffen, um künftige Gesetzesverstöße zu verhindern. Dass sie ihre Willensänderung erst nach Klagezustellung durch ihr geändertes Verhalten gezeigt habe, schade nicht. Auch der Inhalt der Kundeninformation spreche nicht dafür, dass die Beklagte in Zukunft gegen das Gesetz verstoßen werde. Maßgebend sei, ob die bei den Testkäufen erworbenen Artikel unter die Ausnahmebestimmungen fallen. Der Gesetzgeber nenne als Beispiel für Reisebedarf Reiselektüre; dem Reisenden müsse überlassen bleiben, für welche Art von Reiselektüre er sich entscheide. Wesentlich sei nur, dass es sich um ein Werk handle, das nach Inhalt und Umfang grundsätzlich geeignet sei, der Beschäftigung des Reisenden zu dienen. Angesichts des technischen Fortschritts sei nicht zweifelhaft, dass CDs jeder Art notwendiger Reisebedarf seien. Das Gleiche gelte für CD-ROMs jeder Art, nachdem viele Reisende Laptops mit sich führten. Ein multimedial-interaktiver Englisch-Sprachkurs auf CD-Rom mit Kopfhörer und Mikrophon sei ebenso ein geeigneter Zeitvertreib für eine Reise wie die Beschäftigung mit dem Familienstammbaum. Ob der Stammbaum auf Papier oder Karton gedruckt oder Teil eines Computerprogramms sei, spiele keine Rolle. Auch DVD-ROMs seien angesichts der technischen Möglichkeiten Reisebedarf, weil es naheliegend sei, dass Reisende Entspannung suchten. Ein rahmenloser Glasbilderhalter eigne sich "in geradezu klassischer Weise, ein vergrößertes Foto etwa vom schönsten Urlaubseindruck zu halten"; es handle sich daher um ein Reiseandenken. Bespielte Videokassetten seien, ebenso wie CDs, beliebte Geschenke. Derartige kleinere Geschenke seien wie die beispielhafte Nennung von Blumen zeige von der Ausnahmebestimmung umfasst. Videokassetten seien für den Transport besser geeignet als Blumen. Ein Bezug zu einem bestimmten Ort sei nicht erforderlich. Die Willensänderung der Beklagten möge zwar auf das Einschreiten der Klägerin zurückzuführen sein; sie sei aber dennoch als freiwillig zu werten, weil gegen die Beklagte noch nicht Exekution geführt worden sei. Das auf eine deutliche Warenabgrenzung hinzielende Verhalten der Beklagten lasse eindeutig erkennen, dass die Beklagte gewillt sei, sich auch weiterhin gesetzeskonform zu verhalten. Eine Wiederholung des gesetzwidrigen Verhaltens sei demnach äußerst unwahrscheinlich.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung widerspricht; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Die Klägerin bekämpft die Auffassung des Rekursgerichts, dass keine Wiederholungsgefahr bestehe. Die Maßnahmen der Beklagten reichten nicht aus, um eine Wiederholung ihres gesetzwidrigen Verhaltens ausgeschlossen oder auch nur äußerst unwahrscheinlich erscheinen zu lassen. Die Beklagte habe die Maßnahmen unter dem Druck der vorliegenden Klage getroffen und auch weiterhin außerhalb der Normalöffnungszeiten Artikel verkauft, die nicht unter die Ausnahmebestimmungen fielen. Dem ist zu folgen:

Nach ständiger Rechtsprechung wird die Vermutung der Wiederholungsgefahr nur entkräftet, wenn der Beklagte besondere Umstände darlegt, die eine Wiederholung seiner Handlung als ausgeschlossen oder zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Die Rechtsprechung stellt darauf ab, ob dem Verhalten des Verletzers in seiner Gesamtheit wichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (stRsp SZ 51/87 = EvBl 1978/205 = ÖBl 1978, 127 - Umsatzbonus II; ÖBl 1995, 42 - Gebäudereinigung, jeweils mwN, uva).

Hat sich der Beklagte nicht bloß irrtümlich, sondern willentlich wettbewerbswidrig verhalten, so kann die Wiederholungsgefahr nur verneint werden, wenn er nach außen hin Handlungen vornimmt, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, er werde sich in Zukunft wohlverhalten. Die Zusage, von künftigen Störungen Abstand nehmen zu wollen, reicht im Allgemeinen nicht aus; dies gilt vor allem dann, wenn die Erklärung unter dem Druck eines drohenden Prozesses abgegeben wird (ÖBl 1991, 134 - Stadtplan Innsbruck mwN; 4 Ob 158/98h). Belehrungen der Dienstnehmer können die Wiederholungsgefahr ebenso wenig ausschließen wie ein ausdrückliches Verbot von Wettbewerbsverstößen (ÖBl 1972, 130 - Ski-Rabatte; ÖBl 1973, 105 - Espressomaschinen; 4 Ob 1039/95).

Ob eine ernstliche Willensänderung angenommen werden kann, hängt auch entscheidend davon ab, wie sich der Beklagte im Verfahren verhält. Wer im Prozess weiterhin die Auffassung vertritt, zur beanstandeten Handlung berechtigt zu sein, und seinen Wettbewerbsverstoß verteidigt, gibt im Allgemeinen schon dadurch zu erkennen, dass es ihm um die Vermeidung weiterer Eingriffe dieser Art nicht ernstlich zu tun ist (stRsp SZ 51/87 = EvBl 1978/205 = ÖBl 1978, 127 - Umsatzbonus II uva). Hält er im Verfahren daran fest, zur beanstandeten Handlung berechtigt gewesen zu sein oder ist sein Prozessverhalten zwiespältig, so kann die Wiederholungsgefahr regelmäßig nur verneint werden, wenn er dem Kläger einen vollstreckbaren Exekutionstitel verschafft, der dem Kläger all das bietet, was er im Verfahren erreichen kann (ÖBl 1980, 70 - Arzneimittel-Versandhandel; ÖBl 1984, 135 - Superaktionsspanne; ÖBl 1985, 16 - Linzer Torte; ÖBl 1994, 227 - Ritter/Knight, jeweils mwN, uva).

Die Beklagte ist auf das Angebot der Klägerin, das Verfahren durch einen Unterlassungsvergleich zu beenden, nicht eingegangen. Sie hat sich darauf berufen, seit Zustellung der Klage nicht mehr gegen die Öffnungszeitenregelung zu verstoßen und sich auch in Zukunft gesetzeskonform verhalten zu wollen. Dabei hat sie auf Anweisungen an ihre Dienstnehmer und auf organisatorische Maßnahmen verwiesen, durch die künftige Gesetzesverstöße verhindern werden sollen, wobei sie allerdings durch äußerst großzügige Auslegung des § 5 lit a ÖffnZeitG und des § 18 Abs 1 ARG die Möglichkeit für Gesetzesverstöße auf ein Minimum reduzieren will.

Nach § 5 lit a Öffnungszeitengesetz 1991 (ÖffnZeitG) dürfen Verkaufsstellen in Bahnhöfen, auf Flugplätzen und an Schiffslandeplätzen für den Verkauf von Reiseproviant, Reiseandenken und notwendigem Reisebedarf (Reiselektüre, Schreibmaterialien, Blumen, Reise-Toiletteartikel, Filme und dergleichen) nach Maßgabe der Verkehrszeiten offengehalten werden; nach § 18 Abs 1 Arbeitsruhegesetz (ARG) dürfen für den Verkauf von Reiseproviant, Reiseandenken und notwendigem Reisebedarf (insbesondere Reiselektüre, Scheibmaterialien, Blumen, Reise-Toiletteartikel, Filme) und Artikel des Trafiksortiments Arbeitnehmer auch während der Wochenend- und Feiertagsruhe in Verkaufsstellen unmittelbar in Bahnhöfen und Autobusbahnhöfen, auf Flugplätzen und an Schiffslandeplätzen beschäftigt werden. In den Materialien zu § 5 lit a LadenschlussG, der Vorgängerbestimmung des § 5 lit a ÖffnZeitG, wird darauf hingewiesen, dass die Regelung "im Interesse des reisenden Publikums" notwendig sei (478 BlgNR 8. GP 7). Auch in den Materialien zu § 18 ARG wird ausgeführt, dass "offensichtlich ein Bedürfnis besteht, die Versorgung der Reisenden mit verschiedenen Artikeln sicherzustellen" (1289 BlgNR 15. GP 24).

Zweck beider Bestimmungen ist es demnach, dem Reisenden die Möglichkeit zu geben, seinen Bedarf an bestimmten Artikeln auch außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten zu decken. Die beispielsweise angeführten Waren zeigen, dass der Gesetzgeber die Freigabe auf Artikel beschränken wollte, die nicht zur auch sonst benötigten Ausstattung gehören, sondern an denen ein Bedarf üblicherweise im Zusammenhang mit dem Antritt einer Reise entsteht. Das zeigt die Erwägung von Reiseproviant, Reiseandenken und Reisebedarf. Beim Reisebedarf ist die Ausnahme noch weiter eingeschränkt, indem nur der notwendige Reisebedarf außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten verkauft werden darf. "Notwendig" kann nicht nur als für eine Reise unerlässlich aufgefasst werden, sondern muss auch dahin verstanden werden, dass ein Bedarf an derartigen Artikeln üblicherweise erst unmittelbar vor Reiseantritt wahrgenommen wird. Andernfalls wären die Reisenden gegenüber anderen Personengruppen privilegiert, die ihren Bedarf an gleichartigen Artikeln nur innerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten decken können.

Es kann daher entgegen der Auffassung der Beklagten nicht alles "notwendiger Reisebedarf" sein, was der Reisende während der Reise ge- oder verbrauchen kann. Andernfalls müssten auch Reisekleidung und Reisegepäck von diesem Begriff umfasst sein. Das behauptet nicht einmal die Beklagte; sie meint aber, dass der technischen Entwicklung Rechnung getragen werden müsste. Damit will sie ihre - vom Rekursgericht geteilte - Auffassung begründen, dass unter "Reiselektüre" alle modernen Datenträger zu verstehen seien.

Gegen diese Auffassung spricht, dass es - um die Versorgung der Reisenden sicherzustellen - einer Ausnahme von der Öffnungszeitenregelung nur für den Verkauf von Waren bedarf, welche typischerweise unmittelbar vor einer Reise erworben werden. Dazu gehören ebenso wenig wie rund 4 kg schwere Bildbände auch multimediale-interaktive Sprachkurse auf CD-ROM mit Kopfhörer und Mikrophon, Computerprogramme zur Erstellung eines Familienstammbaums, eine 5-fach CD-Sammlung mit klassischer Musik oder DVD-ROMs. Alle diese Artikel werden üblicherweise unabhängig von einer Reise erworben und genutzt. Dass es Fälle geben mag, in denen Reisende auf einer Bahnfahrt (zB) ihren Familienstammbaum mit Hilfe eines Computerprogramms erstellen, ändert nichts daran, dass ein Bedarf an einem derartigen Computerprogramm üblicherweise nicht erst bei Antritt der Reise wahrgenommen wird.

Die Beklagte will, und auch darin folgt ihr das Rekursgericht, aus der Ausnahme für "Blumen" schießen, dass "Reisebedarf" auch den am Zielort bestehenden Bedarf, jemandem ein Geschenk zu machen, einschließe. Sie meint daher, dass "Kleingeschenke" jeder Art von den Ausnahmebestimmungen umfasst seien.

Die Beklagte will damit § 5 lit a ÖffnZeitG und § 18 Abs 1 ARG offenbar analog auf "Kleingeschenke" anwenden, nachdem der Wortsinn beider Bestimmungen Geschenke nicht deckt. Die analoge Anwendung einer Gesetzesbestimmung setzt aber eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (Bydlinski in Rummel, ABGB2 § 7 Rz 2 mwN); schon daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Der Verkauf von Blumen ist nicht nur deshalb auch außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten zulässig, weil Blumen ein übliches Gastgeschenk sind, sondern auch deshalb, weil Blumen ihrer geringeren Haltbarkeit wegen zweckmäßigerweise unmittelbar vor dem Anlass gekauft werden, zu dem sie geschenkt werden. Für andere "Kleingeschenke" trifft dies nicht zu. Sie können, wie die vom Rekursgericht als "Kleingeschenke" gewerteten bespielten Videokassetten, auch lange vor dem Reiseantritt erworben werden.

Kein Bezug zu einer Reise besteht auch bei dem vom Testkäufer gekauften rahmenlosen Glasbilderhalter. Auch wenn sich ein solcher Bilderhalter, wie das Rekursgericht meint, "in geradezu klassischer Weise" dazu eignen mag, "ein vergrößertes Foto etwa vom schönsten Urlaubseindruck" zu halten, macht dies den Bilderhalter noch nicht zum Reiseandenken. Reiseandenken sind Erinnerungsstücke, die wegen ihres Bezugs zu den vom Reisenden besuchten Städten gekauft werden. Ein Glasbilderhalter hingegen ist völlig neutral, auch wenn er nach seinem Erwerb für Urlaubsfotos verwendet werden mag.

Die Beklagte hat demnach auch während des Verfahrens mehrfach gegen die Öffnungszeitenregelung verstoßen. Ihre weite Auslegung der Ausnahmebestimmungen ist, wie oben dargelegt, durch das Gesetz nicht gedeckt; sie kann daher nicht mit gutem Grund vertreten werden, auch wenn die Beklagte in ihrer Haltung durch Auskünfte von Bediensteten der Wirtschaftskammer Wien bestärkt worden sein mag. Damit fehlt aber für den vom Rekursgericht angenommenen Wegfall der Wiederholungsgefahr jede Grundlage, ohne dass es noch darauf ankommt, ob die Maßnahmen der Beklagten auch deshalb nicht auf eine Sinnesänderung schließen lassen, weil sie unter dem Druck der vorliegenden Klage getroffen wurden:

Die Beklagte hat zwar erklärt, sich an das Gesetz halten zu wollen, und sie hat auch organisatorische Maßnahmen getroffen, in Wahrheit hat sie aber, wie die Testkäufe beweisen, ihren Willen nicht geändert. Ob sie - wie vor Einbringung der Klage - die Öffnungszeitenregelung vollständig ignoriert oder ob sie sich - wie während des Verfahrens - durch eine Sinn und Zweck des Gesetzes missachtende Auslegung einen maximalen Handlungsspielraum zu schaffen sucht, kann keinen Unterschied bedeuten.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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