European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00105.23V.0426.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Vater hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Der Vater ist gelernter Schlosser und seit 2015 selbständiger Einzelunternehmer (Metallbau). In dritter Instanz ist nicht strittig, dass er wegen der damit erzielten geringen Einkünfte auf eine unselbständige Tätigkeit als CNC‑Maschinenbediener anzuspannen ist, wodurch er ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.190 EUR erzielen könnte. Weiters bezieht der Vater eine Versehrtenrente von monatlich 686 EUR. Neben dem minderjährigen Antragsteller hat er Sorgepflichten für drei weitere minderjährige Kinder.
[2] Der Vater ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ * KG *, die er aufgrund eines Übergabsvertrags im Jahr 2012 von seiner Mutter übergeben erhalten hat. Bei dieser Liegenschaft handelt es sich um einen nunmehr aufgelassenen landwirtschaftlichen Betrieb. Die Liegenschaft, die der Vater bewohnt und auf der sich auch sein Metallbaubetrieb befindet, ist mit fünf Höchstbetragspfandrechten über insgesamt 500.000 EUR belastet. Der Minderjährige lebt mit zwei weiteren Geschwistern (ebenfalls Kinder des Vaters) bei seiner Mutter, die im Jahr 2018 von der Liegenschaft ausgezogen ist.
[3] Der Minderjährige begehrte, den mit Beschluss des Erstgerichts vom 19. 10. 2021 mit monatlich 370 EUR ab 1. 11. 2021 festgesetzten Unterhalt auf 660 EUR monatlich ab 1. 2. 2022 zu erhöhen. Er sei am 9. 1. 2022 sechs Jahre alt geworden, weshalb er aufgrund seines gestiegenen Bedarfs Anspruch auf 18 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage habe. Unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten des Vaters ergebe sich ein Unterhaltsanspruch von 15 % der Bemessungsgrundlage. Der Vater sei Alleineigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, auf dem er auch wohnhaft sei. Die dadurch herbeigeführte Ersparnis der Aufwendungen für Wohnkosten sei als sonstiges wirtschaftliches Einkommen analog einem Sachbezug mit dem fiktiven Mietwert in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, wobei diesbezüglich vom fiktiven Mietwert in Höhe von 1.500 EUR monatlich auszugehen sei. Dass die gegenständliche Wohnmöglichkeit mit Hypotheken behaftet sei, könne hierbei keinen Unterschied machen, weil die auf der Liegenschaft haftenden, dem Zeitraum 2014 bis 2019 entstammenden Pfandrechte nicht mit dem im Jahr 2012 stattgefundenen Erwerb oder der Erhaltung der Liegenschaft im Zusammenhang stünden. Soweit bekannt sei eine allfällige Kreditaufnahme in Zusammenhang mit der Immobilie ausschließlich zur Anschaffung des luxuriösen Schwimmbades verwendet worden, nicht jedoch zum Erwerb oder der notwendigen Erhaltung der Liegenschaft per se. Ein solcher Luxusaufwand könne die Bemessungsgrundlage zu Lasten der Kinder nicht mindern.
[4] Der Vater wendete ein, die dem Antrag zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage sei wesentlich überhöht. Der Vater habe erhebliche Kreditsummen im Zuge seines Unternehmens zur Leistungssteigerung bzw zum Unternehmensaufbau mit Zustimmung der Mutter aufgenommen, weshalb die Kreditraten in Abzug gebracht werden müssten. Eine Wohnkostenersparnis sei bei der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht zu berücksichtigen.
[5] Das Erstgericht erhöhte (unangefochten) den Unterhalt ab 1. 2. 2022 auf monatlich 430 EUR. Das darüber hinausgehende Erhöhungsbegehren wies es ab. Eine Wohnkostenersparnis des Unterhaltspflichtigen sei nicht anzurechnen. Es sei daher unerheblich, wie die Pfandrechte konkret zuzuordnen seien (privat oder betrieblich), weil der Vater persönlich mit seinem Vermögen bzw seiner Liegenschaft hafte. Es sei auch realitätsfremd, davon auszugehen, dass die Erhaltung eines Gebäudes nicht mit Kosten verbunden sei. Die Wohnkostenersparnis könnte im konkreten Fall allenfalls im Rahmen der Belastbarkeitskontrollrechnung berücksichtigt werden, die im gegenständlichen Fall aufgrund der Höhe der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht relevant sei. Wenn der Vater auf seiner Liegenschaft ein Poolhaus errichte und hiefür einen Kredit aufnehme, könne dies weder zu einem höheren noch zu einem niedrigeren Unterhalt für das Kind führen, weil Kreditrückzahlungen grundsätzlich nicht als Abzugsposten bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt würden. Es habe daher bei der Bemessungsgrundlage in Höhe von 2.876 EUR zu bleiben, woraus sich ein monatlicher Unterhalt für den Minderjährigen in Höhe von 430 EUR (15 % der Bemessungsgrundlage) ergäbe.
[6] Das nur vom Minderjährigen gegen die Abweisung seines Mehrbegehrens angerufene Rekursgericht hob diesen Beschluss im Umfang der Abweisung des Mehrbegehrens auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Der Anstieg der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen durch den Wohnvorteil sei zu berücksichtigen; eine diesbezügliche Ungleichbehandlung von Unterhaltspflichtigen und Unterhaltsberechtigten sei abzulehnen. Aufgrund des Vorbringens, dass die auf der Liegenschaft haftenden Pfandrechte nicht mit dem im Jahr 2012 stattgefundenen Erwerb oder Erhaltung der Liegenschaft im Zusammenhang stünden, wären Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen gewesen. Es sei notwendig zu erheben und festzustellen, welche Verbindlichkeiten in welcher Höhe vorhanden und ob diese betrieblich oder privat zuzuordnen seien. Die Entscheidung sei daher im angefochtenen Umfang aufzuheben. Im fortzusetzenden Verfahren werde insbesondere zu erheben sein, mit welchen Beträgen die den einverleibten Pfandrechten zugrundeliegenden Verbindlichkeiten aushaften und welche monatlichen Raten bezahlt werden. Weiters ob die Verbindlichkeiten betrieblich oder privat veranlasst seien und ob und allenfalls welche Aufwendungen durch diese Kredite in Zusammenhang mit der Wohnmöglichkeit finanziert und investiert wurden. Auch Feststellungen zur Größe und Ausstattung der Wohnung seien erforderlich.
[7] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, der Oberste Gerichtshof habe in mehreren Entscheidungen die Berücksichtigung jenes Wohnvorteils zu Lasten des Unterhaltspflichtigen abgelehnt, der dadurch entstehe, dass dieser seinen Wohnbedarf in einer Wohnung decke, für die er keine Aufwendungen zu tragen habe und diese Frage jüngst in der Entscheidung 6 Ob 52/22y offen gelassen. Vor diesem Hintergrund sei das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen.
[8] DerRevisionsrekurs des Vaters ist zur Klarstellungzulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[9] 1.1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Unterhaltsberechtigte, wenn er nicht für die Kosten seiner Wohnversorgung aufzukommen hat, regelmäßig nicht mehr des gesamten festgesetzten Geldunterhalts bedarf, um seinen vollständigen Unterhalt zu decken (RS0047254).
[10] Es wurde überdies bereits mehrfach ausgesprochen, dass das Wohnbedürfnis des Unterhaltsberechtigten auch dann befriedigt ist, wenn er nicht für die Kosten seiner Wohnversorgung aufzukommen hat, weil er seinen Wohnbedarf in einer ihm selbst gehörenden Eigentumswohnung (Haus) deckt. Er bedarf auch in diesem Fall nicht mehr des gesamten festgesetzten Geldunterhalts, um sein vollständiges Unterhaltsbedürfnis zu decken (9 Ob 30/23m [ErwGr 4.2.]; 10 Ob 82/19k [ErwGr 1.2.]; 7 Ob 179/11s; 2 Ob 230/00p; offenlassend 3 Ob 187/20a [ErwGr I.3.2.]; einschränkend auf eine dem Unterhaltspflichtigen zuzurechnende Wohnung 9 Ob 57/21d [ErwGr 3.]; aA Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht10 [2022] 196).
[11] 1.2. Die Höhe der Wohnkostenersparnis des Unterhaltsberechtigten orientiert sich am fiktiven Mietwert der Wohnung. Da dem Unterhaltsberechtigten die Vermietung der von ihm bewohnten eigenen Wohnung nicht zugemutet werden kann (vgl RS0102053), ist dieser Mietwert aber nicht als fiktives Einkommen zu berücksichtigen (2 Ob 230/00p). Es hat (nur) eine angemessene Kürzung des Unterhaltsanspruchs zu erfolgen (9 Ob 30/23m [ErwGr 4.2.]; 8 Ob 64/13i [ErwGr V.]; 2 Ob 230/00p). Denn dem Unterhaltsberechtigten muss dennoch stets ein in Geld zu leistender Unterhalt zukommen, weil er ja von der Wohnung allein nicht leben kann. Zumindest bei durchschnittlichen Verhältnissen lässt die Rechtsprechung eine Kürzung des Geldunterhaltsanspruchs aus dem Titel der Wohnversorgung daher lediglich um rund ein Viertel zu (8 Ob 164/22h [ErwGr 3.]; 2 Ob 95/22t [ErwGr 2.1.]; 10 Ob 82/19k [ErwGr 1.1.]; 8 Ob 64/13i [ErwGr V.]; vgl 4 Ob 42/10w [ErwGr 4.2.]).
[12] 2. Der Oberste Gerichtshof hat in mehreren Entscheidungen die Berücksichtigung jenes „Wohnvorteils“ zu Lasten des Unterhaltspflichtigen abgelehnt, der dadurch entsteht, dass dieser seinen Wohnbedarf in einer Wohnung deckt, für die er – mit Ausnahme der Wohnungsbenützungskosten – keine Aufwendungen (etwa Mietzinszahlungen, Darlehenstilgungen udgl) zu tragen hat (6 Ob 5/04k und 10 Ob 96/05y – Wohnung von Dritten freiwillig zur Verfügung gestellt; 10 Ob 8/07k EF‑Z 2007/83 [Gitschthaler] – geschenkte Wohnung).
[13] 3. Die Rechtsprechung berücksichtigte eine erhöhte Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen wegen einesWohnvorteils aufgrund einer Wohnkostenersparnis allerdings insoweit, als dadurch im Einzelfall die Belastungsgrenze des Unterhaltspflichtigen unterschritten werden konnte (6 Ob 97/00h [Mietzinsbeihilfe beziehende beschäftigungslose Mutter]; aus der zweitinstanzlichen Judikatur LGZ Wien EFSlg 170.840 [wenn auch nicht unbelastete Eigentumswohnung]; LG Linz EFSlg 166.945 [Ausgedinge];LG Linz EFSlg 153.419 [unbelastetes Eigenheim]).
[14] 4. Darüber hinaus wurde in der höchstgerichtlichen Judikatur ein Wohnvorteil in Sonderkonstellationen bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigt. So wies der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 106/13s (EF‑Z 2014/160 [Gitschthaler]) darauf hin, dass bei einem einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb betreibenden Landwirt bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage Naturalbezüge, die in Geld bewertbar sind, zu berücksichtigen sind, so unter anderem auch die Wohnmöglichkeit des Unterhaltspflichtigen auf seinem Hof (8 Ob 106/13s [ErwGr 8.]). In der Entscheidung 9 Ob 23/21d wurde die zweitinstanzliche Ansicht gebilligt, eine Wohnkostenersparnis gleichermaßen auf Seiten der Unterhaltsberechtigten wie auch des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen, die ein in ihrem Miteigentum stehendes Haus einem gemeinsamen Sohn ins Alleineigentum übertragen hatten, sich dabei aber an je einer Wohnung ein lebenslanges und unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht einräumen hatten lassen. Gerade in dieser Konstellation, in der überdies jeweils ein Rechtsanspruch auf das eingeräumte Wohnrecht bestehe, sei auch unter dem Aspekt der Gleichbehandlung ein anderes Ergebnis nicht geboten.
[15] Zuletzt ließen die Entscheidungen 3 Ob 109/20f (EF‑Z 2021/16 [Gitschthaler]) und 6 Ob 52/22y die Frage der Folgen einer freiwilligen Zuwendung einer Wohnung durch Dritte bzw der Wohnkostenersparnis bei ausbezahltem Eigenheim im Zusammenhang mit der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage ausdrücklich offen.
[16] 5. Zweitinstanzliche Rechtsprechung hielt vereinzelt die Berücksichtigung des Wohnvorteils auch beim Unterhaltspflichtigen für sachgerecht, konkret durch Erhöhung dessen Unterhaltsbemessungsgrundlage um den fiktiven Mietwert seiner Wohngelegenheit. So führte das Landesgericht Linz in EFSlg 156.773 unter Hinweis auf Gitschthaler (in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR1 [2011] § 94 ABGB Rz 93 und Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht8 [2017] 25) aus: Verfügt der Unterhaltspflichtige neben einem ausreichenden Einkommen über eine billige Wohnmöglichkeit, etwa in einem ausbezahlten Eigenheim, so ist kein Grund ersichtlich, warum dieser Vermögensvorteil bei der Unterhaltsbemessung nicht zu berücksichtigen wäre. Würde der Unterhaltspflichtige sein Wohnhaus vermieten und in eine Mietwohnung ziehen, würden die Mieteinnahmen als Einkommen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sein, die Mietausgaben wären aber als Ausgaben des täglichen Lebens nicht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen. Das Landesgericht Salzburg in EFSlg 129.943 behandelte den Wohnvorteil des Unterhaltspflichtigen aufgrund eines Wohnungsgebrauchsrechts unterhaltsrechtlich wie ein Einkommen, hingegen lehnte es in der selben Entscheidung die Behandlung der Eigennutzung des Wohnraums durch den Eigentümers als geldwerten Sachbezug ab.
[17] 6. In der Literatur wird – soweit zu dieser Frage Stellung genommen wird – nahezu einhellig die Auffassung vertreten, da durch den Wohnvorteil (oben Punkt 2.) die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen deutlich ansteige (ihm bleiben ja höhere Mittel für andere Ausgaben), sollte die Unterhaltsbemessungsgrundlage um die objektive Marktmiete bzw – wenn diese aufgrund der besonders guten Lage, Größe oder Ausstattung der Wohnung den sonstigen Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen nicht angemessen wäre – um einen noch angemessenen Wohnwert erhöht werden (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht10 29 unter Hinweis auf Wieland, Auswirkungen der unentgeltlichen Nutzung einer Eigentumswohnung auf die Unterhaltsbemessung, ÖA 2005, 138; ebenso Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR² [2022] § 94 ABGB Rz 93; ders, EF‑Z 2014/79, 2014/113, 2014/160, 2021/16 [alle Entscheidungsanmerkungen]; ders, Unterhaltsrecht4 [2019] Rz 306/2; Neuhauser in Schwimann/Neumayr, TaKomm‑ABGB5 [2020] § 231 Rz 136 aE; Wieland, Unterhaltsrecht und steuerliche Abschreibungen, iFamZ 2013, 222 FN 17). Die Rechtsprechung berücksichtige die Verminderung des Unterhaltsbedarfs auf Seiten des Unterhaltsberechtigten, der wohnversorgt ist. Ein Grund für eine Differenzierung könne nicht erkannt werden. Es erschiene daher sachgerecht, auch beim Unterhaltspflichtigen die Ersparnis an Wohnkostenaufwand in Form der Hinzurechnung des (fiktiven) Mietwerts zur Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen; dies jedenfalls in den Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige nichts zum Erwerb der Eigentumswohnung (des Hauses) beigetragen habe (Schenkung, Erbe, freiwillige Zurverfügungstellung, Verwendung einer Betriebsliegenschaft etc; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht² § 94 ABGB Rz 93).
[18] 7. Zur Berücksichtigung eines „Wohnvorteils“ des Unterhaltspflichtigen hat der Senat erwogen:
[19] 7.1. Maßgeblich für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners ist in erster Linie dessen Gesamteinkommen (RS0013386). Nach ständiger Rechtsprechung bilden Wohnkosten (etwa Betriebskosten, Miete, Kaution, Wohnkreditraten, Wohnungseinrichtungskosten, Wohnungsverbesserungskosten) des Unterhaltsschuldners für die eigene Wohnung grundsätzlich keinen Abzugsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage (2 Ob 185/23d [ErwGr 1.]; RS0047508; RS0085255).
[20] 7.2. Die Kosten einer Wohnung betreffen die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen (vgl 3 Ob 109/20f [ErwGr 3.4.]). Nach den online öffentlich zugänglichen Erhebungen der Statistik Austria (www.statistik.at/statistiken/ bevoelkerung-und-soziales/wohnen/wohnkosten, Publikation „Wohnen 2022“ S. 55; vgl auch www.statistik.at/ statistiken/bevoelkerung-und-soziales/wohnen/wohnsituation, Tabelle: Anteil der Rechtsverhältnisse nach Bundesland 2023 – in Prozent [Mikrozensus Wohnen 2023]) wohnen österreichweit etwa 45 % der Haushalte im Eigenheim (35 % Häuser, 10 % Eigentumswohnungen) und 45 % in Bestandobjekten (24 % Gemeinde‑ und Genossenschaftswohnungen, 20 % andere Hauptmiete). Insgesamt haben rund zwei Drittel der österreichischen Haushalte Wohnkosten in Form von Miete oder Kreditrückzahlungen für ein Eigenheim zu tragen (www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/wohnen/wohnkosten , Publikation „Wohnen 2022“ S. 55).
[21] 7.3. Die Unterhaltsbemessung nach der Prozentwertmethode trägt dem Rechnung. Die danach für den Regelfall ermittelte Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen berücksichtigt, dass dieser eigene Wohnkosten in Form von laufenden Kreditkosten oder Miete zu tragen hat (vgl zum Unterhaltsberechtigten 4 Ob 42/10w [ErwGr 3.2.]). Durch den „Wohnvorteil“, der dadurch entsteht, dass der Unterhaltspflichtige seinen Wohnbedarf in einer Wohnung deckt, für die er solche Kosten nicht zu tragen hat, steigt seine Leistungsfähigkeit somit im Regelfall an, weil ihm höhere Mittel für andere Ausgaben bleiben.
[22] 7.4. Zutreffend zeigen daher die erörterten Literaturstimmen auf, dass es sachgerecht sein kann, den Unterhaltsberechtigten an der gestiegenen Leistungsfähigkeit aufgrund des „Wohnvorteils“ eines im unbelasteten Eigenheim wohnenden Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen. Im Hinblick auf die angeführte jüngere Judikatur, wonach das Wohnbedürfnis des Unterhaltsberechtigten auch dann befriedigt ist, wenn er seinen Wohnbedarf in einer ihm selbst gehörenden Eigentumswohnung (Haus) deckt und er auch in diesem Fall nicht mehr des gesamten festgesetzten Geldunterhalts bedarf, um sein vollständiges Unterhaltsbedürfnis zu decken (Punkt 1.2.), würde es auch eine Ungleichbehandlung bedeuten, jeglichen „Wohnvorteil“ auf Seiten des Unterhaltspflichtigen außer Betracht zu lassen.
[23] 8.1. Hier hat der Vater das Eigentum an der Liegenschaft nicht selbst erwirtschaftet, sondern – wie sich dem Grundbuchstand sowie dem in der Urkundensammlung enthaltenen Übergabsvertrag vom 23. 8. 2012 entnehmen lässt und vom Vater auch nicht bestritten wurde – von seiner Mutter (der väterlichen Großmutter des Minderjährigen) geldlastenfrei übergeben erhalten. Nachdem diese Übergabe zeitnah vor der Geburt des ersten Kindes des Vaters erfolgte, sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass diese Zuwendung nach dem Willen der väterlichen (Groß-)Mutter nicht auch den (künftigen) unterhaltsberechtigten Nachkommen ihres Sohnes zugutekommen sollte (vgl 4 Ob 42/23i; 10 Ob 8/07k).
[24] 8.2. Träfe es zu, dass auch die in der Folge vom Vater aufgenommenen und durch Hypotheken gesicherten Kredite nicht der Schaffung oder der Erhaltung der Wohnmöglichkeit dienten, also etwa für notwendige oder zweckmäßige Sanierungs- oder Verbesserungsmaßnahmen erforderlich waren, hätte der Vater nichts zu seiner Wohnversorgung beigetragen, für die er – mit Ausnahme der regelmäßig jeden Liegenschaftseigentümer treffenden laufenden Benützungs- und Erhaltungskosten – keine Aufwendungen zu tragen hätte. Es wäre dann im vorliegenden Fall sachgerecht, die aufgrund der Wohnmöglichkeit im unbelasteten Eigenheim gestiegene Leistungsfähigkeit des Vaters bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen (in diesem Sinne auch Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht² § 94 ABGB Rz 93). Er würde bei zumutbarer Anspannung seiner Kräfte auch über ein ausreichendes Einkommen verfügen, um erhöhte Unterhaltsleistungen zu bestreiten (vgl 4 Ob 42/23i [ErwGr 3.1.]).
[25] 8.3. Für den Betrieb seines Unternehmens bestehende Kreditverbindlichkeiten (siehe dazu noch Punkt 9.2.) könnten eine solcherart gestiegene Leistungsfähigkeit durch den erörterten „Wohnvorteil“ des Vaters (Punkt 7.3.) hingegen selbst dann nicht beseitigen, wenn sie auf seiner Liegenschaft hypothekarisch gesichert wären. Denn solche Kreditkosten fielen einem Unterhaltspflichtigen im Regelfall zusätzlich zu Miet- oder Wohnkreditkosten an.
[26] 8.4. Die vom Rekursgericht in seinem Aufhebungsbeschluss angeordnete Verfahrensergänzung erweist sich somit – mit Ausnahme von Feststellungen zu Größe und Ausstattung der auf der Liegenschaft befindlichen Wohnmöglichkeit (siehe dazu sogleich Punkt 9.1.) – als erforderlich.
[27] 9. Im fortgesetzten Verfahren wird überdies folgendes zu beachten sein:
[28] 9.1. Ein sich allenfalls ergebender Wohnvorteil des Vaters wäre durch eine Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage angemessen zu berücksichtigen:
[29] 9.1.1. Die Berücksichtigung eines allfälligen Wohnvorteils des Vaters (Punkt 8.2.) geschieht – wie auch beim Unterhaltsberechtigten – im Allgemeinen durch Anrechnung eines fiktiven Mietwerts in angemessenem Umfang. Wie dem Unterhaltsberechtigten kann auch dem Unterhaltspflichtigen die Vermietung der von ihm bewohnten eigenen Wohnung im Regelfall nicht zugemutet werden (Punkt 1.2.). Dazu kommt, dass der Vater angesichts seiner Einkommensverhältnisse und seiner Sorgepflichten, müsste er eine Wohnung mieten oder kaufen, alleine in bescheideneren Verhältnissen wohnen würde, als nun auf der von seiner Mutter erhaltenen Liegenschaft. Diesen Umständen ist bei der Bemessung des Unterhalts dadurch Rechnung zu tragen, dass lediglich der fiktive Mietzins einer angemessenen kleineren Wohnung herangezogen wird (vgl 3 Ob 109/20f [ErwGr 3.5.]; 10 Ob 4/07x [ErwGr d)]; idS auch 7 Ob 178/02f [zur Anrechnung beim Unterhaltsberechtigten]). Mit dem (fiktiven) Mietzins werden regelmäßig auch die vom Vermieter zu tragenden Erhaltungskosten des Bestandobjekts mit abgegolten. Erhaltungskosten fallen hier aber dem Vater für seine Liegenschaft ohnehin an. Zur Vermeidung einer diesbezüglichen „doppelten“ Belastung des Vaters ist dieser fiktive Mietzins daher angemessen zu mindern. Der verbleibende Betrag ist dann als Wohnvorteil zur Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzurechnen.
[30] 9.1.2. Fiktive laufende Benützungskosten (Betriebskosten udgl) einer angemessenen kleineren Wohnung sind nicht zusätzlich erhöhend in Anschlag zu bringen, weil der Vater derartige Kosten für die von ihm bewohnte Liegenschaft ohnehin zu tragen hat und sich daraus kein „Wohnvorteil“ (Punkt 7.3.) ergibt.
[31] 9.1.3. Was eine angemessene kleinere Wohnung ist und in welcher Höhe dafür fiktive Mietkosten (abzüglich der Abgeltung vom Vermieter zu tragender Erhaltungskosten) anfallen würden, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl 10 Ob 4/07x [ErwGr e)].
[32] Sind durchschnittliche Verhältnisse zu beurteilen, lässt sich die Höhe der durchschnittlichen Hauptmietzinse für Einpersonenhaushalte und deren Wohnungsgröße aber etwa –auch aufgeschlüsselt nach Bundesländern – den online öffentlich zugänglichen Erhebungen der Statistik Austria entnehmen („Mikrozensus Wohnen 2022“). Danach betrug im Jahr 2022 in Oberösterreich die durchschnittliche monatliche Hauptmiete (Gemeindewohnung/Genossenschaftswohnung/andere Hauptmiete) ohne Betriebskosten, aber inklusive der gesetzlichen Umsatzsteuer für einen Einpersonenhaushalt 344,20 EUR (bei 6,1 EUR pro m²), was eine durchschnittliche Wohnungsgröße von 56,4m² ergibt (www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/wohnen/wohnkosten , Tabellenband Wohnen 2022 [Tabelle 1.17: Durchschnittliche Wohnkosten von Hauptmietwohnungen – Oberösterreich]; Definitionen der Tabellenbegriffe: „Definitionen zu Personen,- Haushalts-, Familien-, und Wohnungsmerkmalen" in Punkt 8 „Anlagen“ der „Standard-Dokumentation Metainformationen zum Mikrozensus ab 2004 Arbeitskräfte- und Wohnungserhebung“). Die in der Miete regelmäßig enthaltene Abgeltung für Erhaltungskosten des Vermieters (Punkt 9.1.1.) kann dabei mit jenem Betrag erfasst werden, wie er gemäß § 31 Abs 1 WEG Wohnungseigentümern als Mindestbeitrag zur Bildung der Rücklage für künftig notwendig werdende Aufwendungen vorzuschreiben ist; im Jahr 2022 waren das monatlich 0,90 EUR pro m² Nutzfläche.
[33] 9.2. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage aufgrund eines Wohnvorteils des Vaters wäre relevant, ob berücksichtigungswürdige Schuldtilgungen von Unternehmenskrediten bestehen:
[34] 9.2.1. Ergäbe sich im fortgesetzten Verfahren eine Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage aufgrund eines Wohnvorteils des Vaters, weist der Revisionsrekurs im Ergebnis zutreffend auf das – bisher allerdings (noch) nicht näher konkretisierte – erstinstanzliche Vorbringen des Vaters hin, wonach er nach wie vor Kredite zu bedienen habe, die zur Erhaltung und Verbesserung der existenzsichernden Ertragskraft seines Unternehmens erforderlich gewesen seien.
[35] 9.2.2. Es wurde bereits dargelegt, dass für den Betrieb seines Unternehmens bestehende Kreditverbindlichkeiten die gestiegene Leistungsfähigkeit des Vaters durch einen Wohnvorteil selbst dann nicht beseitigen, wenn sie auf seiner Liegenschaft hypothekarisch gesichert wären (Punkt 8.3.).
[36] 9.2.3. Ungeachtet dessen können aber nach allgemeinen Regeln Kosten für Kreditrückzahlungen bei der Bemessung des Unterhalts ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn der Kredit zur Erhaltung der Arbeitskraft des Unterhaltsschuldners oder für existenznotwendige Bedürfnisse aufgenommen worden oder er ex ante erforderlich war, die Existenz sichernde Ertragskraft eines Unternehmens des Unterhaltspflichtigen zu erhalten bzw zu verbessern (RS0007202 [T12]). Letzteres ist etwa der Fall, wenn der Unterhaltspflichtige die Schulden nach vernünftigen wirtschaftlichen Kriterien eingehen musste (vgl 3 Ob 201/02h; 1 Ob 217/99i), nicht aber, wenn ein pflichtbewusster Familienvater aufgrund des vorhersehbaren Misserfolgs eine verlustbringende Tätigkeit nicht mehr fortgeführt hätte (vgl 1 Ob 179/00f [ErwGr 3.2.]), ihm also die Verschuldung vorwerfbar ist (vgl 7 Ob 172/99s).
[37] 9.2.4. Die näheren Umstände für die ausnahmsweise Berücksichtigung von Belastungen durch Schuldtilgungen beziehungsweise Kreditrückzahlungen sind vom Unterhaltsschuldner zu behaupten und zu beweisen (RS0079451 [T7]). Es wird daher dem Vater obliegen, die Abzugsfähigkeit von Kreditrückzahlungsraten darzutun (vgl RS0007202 [T2]).
[38] 9.2.5. Ergäbe sich im vorliegenden Fall aufgrund eines Wohnvorteils des Vaters eine Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage, wäre dies daher für eine Entscheidung über das (weitere) Erhöhungsbegehren noch nicht ausreichend. Denn solcherart berücksichtigungswürdige Schuldtilgungen von Unternehmenskrediten würden wieder zu einer Minderung dieser (erhöhten) Bemessungsgrundlage führen.
[39] 10. Dem unberechtigten Revisionsrekurs ist somit ein Erfolg zu versagen. Im fortgesetzten Verfahren wird mit den Parteien die Sach- und Rechtslage zu erörtern und ihnen Gelegenheit zu geben sein, ihr Vorbringen zu ergänzen. In der Folge werden die erforderlichen weiteren Feststellungen zu treffen und es wird über den noch nicht rechtskräftig erledigten Teil des Erhöhungsbegehrens neuerlich zu entscheiden sein.
[40] 11. Gemäß § 101 Abs 2 AußStrG findet in Verfahren über Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder ein Kostenersatz nicht statt.
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