Spruch:
Beiden Revisionsrekursen wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
"Die Mutter hat dem minderjährigen Sohn folgende Unterhaltsbeiträge zu Handen des Vaters zu zahlen:
1. Für die Zeit von Jänner bis September 1997 monatlich 1.000 S;
2. für die Zeit von Oktober bis Dezember 1997 monatlich 3.300 S;
3. für das Jahr 1998 monatlich 3.100 S;
4. für die Zeit von Jänner bis Mai 1999 monatlich 2.600 S;
5. ab dem 1. 6. 1999 monatlich 1.100 S.
Die Mutter hat dem Kind ferner aus den monatlichen rückständigen Unterhaltsbeiträgen jeweils 4 % Zinsen ab der Fälligkeit zum Ersten eines jeden Monats zu zahlen.
Die bereits fällig gewordenen Unterhaltsbeiträge samt Zinsen sind binnen 14 Tagen, die in Hinkunft fällig werdenden Unterhaltsbeiträge am Ersten eines jeden Monats im Vorhinein zu zahlen.
Die Unterhaltsmehrbegehren von 2.700 S für die Zeit von Jänner bis September 1997, von 400 S für die Zeit von Oktober bis Dezember 1997, von 600 S monatlich für das Jahr 1998, von 1.100 S für die Zeit von Jänner bis Mai 1999 sowie von 2.600 S ab dem 1. 6. 1999 und das Zinsenbegehren aus diesen Beträgen werden abgewiesen.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern wurde 1991 geschieden. Der Mann verpflichtete sich, der Frau einen Unterhalt von 7.300 S monatlich zu zahlen. Das gemeinsame Kind ist in Obsorge des Vaters.
Der Minderjährige beantragt, die Mutter zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von 3.700 S ab 1. 1. 1997 zu verpflichten. Die Mutter gehe einer Beschäftigung nach und verfüge über ein regelmäßiges Einkommen. Sie erhalte auch regelmäßig Unterhaltszahlungen von ihrem geschiedenen Mann.
Die Mutter sprach sich gegen die Unterhaltsfestsetzung aus. Sie könne auf Grund ihrer psychischen Verfassung keiner regelmäßigen beruflichen Tätigkeit nachgehen. Sie erhalte lediglich im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme ein therapeutisch bedingt geringfügiges Anerkennungsgeld.
Das Erstgericht verpflichtete im dritten Rechtsgang die Mutter zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von 1.750 S für die Zeit vom 1. 1. 1997 bis 31. 12. 1997, von 1.800 S für das Jahr 1998 und von 1.900 S ab 1. 1. 1999 und wies das Unterhaltsmehrbegehren ab. Das Erstgericht legte seiner Entscheidung die in der Entscheidungsbegründung nicht enthaltenen Feststellungen aus den ersten beiden Rechtsgängen zu Grunde und traf ergänzend folgende Feststellungen:
Die Mutter habe seit 1. 1. 1997 aus Mitteln der freien und öffentlichen Wohlfahrt für die Teilnahme an einer sozialpsychiatrischen Beschäftigungstherapie ein Taschengeld erhalten, das 1997 durchschnittlich 1.435 S monatlich, 1998 1.693 S monatlich und 1999 2.013 S monatlich ausgemacht habe. Der Vater habe ab 1. 1. 1997 als Angehöriger des Bundesheers folgende Einkommen erzielt (die Sonderzahlungen, Zulagen, Überstundenentgelte, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag seien darin enthalten, die Reisegebühren und Aufwandsentschädigungen aber ausgeschieden, die Abzüge für die Dienstwohnung, den Gewerkschaftsbeitrag und Exekutionen aber hinzugerechnet):
Jänner 1997: S 14.079,10
Februar 1997: S 15.894,90
März 1997: S 20.535,--
April 1997: S 14.030,90
Mai 1997: S 14.094,90
Juni 1997: S 20.149,90
Juli 1997: S 14.078,90
August 1997: S 14.094,90
September 1997: S 31.850,20
Oktober 1997: S 26.494,10
November 1997: S 19.551,80
Dezember 1997: S 35.385,60
Jänner 1998: S 23.261,90
Februar 1998: S 23.250,70
März 1998: S 36.310,90
April 1998: S 23.228,20
Mai 1998: S 23.251,30
Juni 1998: S 35.540,50
Juli 1998: S 70.755,70
August 1998: S 23.247,--
September 1998: S 30.895,60
Oktober 1998: S 23.261,90
November 1998: S 23.693,90
Dezember 1998: S 30.459,90
Jänner 1999: S 24.246,70
Februar 1999: S 24.281,70
März 1999: S 37.733,40
April 1999: S 24.281,70
Mai 1999: S 24.281,70.
Im Juli 1998 habe der Vater eine Jubiläumszuwendung von 62.000 S brutto erhalten. Er sei vom 1. 9. 1995 bis 31. 8. 1997 halbtags beschäftigt gewesen, seit 1. 9. 1997 sei er wieder vollbeschäftigt.
Für die Mutter seien folgende Unterhaltsbeträge (Unterhaltsrückstand) exekutiv hereingebracht worden:
Jänner 1997: S 3.723,40
Feber 1997: S 5.568,60
März 1997: S 6.739,10
April 1997: S 4.328,70
Mai 1997: S 4.328,70
Juni 1997: S 6.473,60
Juli 1997: S 4.328,70
August 1997: S 3.635,70
September 1997: S 6.039,90
Oktober 1997: S 18.189,60
November 1997: S 10.484,09
Dezember 1997: S 17.758,50
Jänner 1998: S 10.669,40
Feber 1998: S 13.817,50
März 1998: S 17.522,70
April 1998: S 10.699,40
Mai 1998: S 10.797,10
Juni 1998: S 17.111,50
Juli 1998: S 54.846,50
August 1998: S 12.563,60
September 1998: S 13.576,60
Oktober 1998: S 10.669,40
November 1998: S 11.248,30
Dezember 1998: S 13.727,30
Jänner 1999: S 11.181,20
Feber 1999: S 11.181,20
März 1999: S 18.400,50
April 1999: S 11.131,20
Mai 1999: S 12.775,80.
Zu 21 E 1510/95w des Bezirksgerichtes Innsbruck sei die Exekution zur Hereinbringung des rückständigen Ehegattenunterhalts für den Zeitraum April 1992 bis März 1995 und des laufenden Unterhalts von monatlich 7.300 S bewilligt worden. In der Folge sei die Exekution mit Beschluss vom 21. 11. 1995 um den rückständigen Unterhalt für den Zeitraum April 1992 bis September 1993 eingeschränkt worden. Im Oppositionsstreit zu 20 C 19/95 des Bezirksgerichtes Innsbruck sei der Anspruch auf eingeschränkten rückständigen Unterhalt für den Zeitraum Oktober 1993 bis März 1995 als erloschen erkannt worden. Die Exekution sei mit Beschluss vom 8. 7. 1999 um den rückständigen Unterhalt für Oktober 1993 bis März 1995 eingeschränkt worden.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass der sogenannte Regelbedarf des Kindes monatlich 3.740 S betrage. Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen sei nach der "Prozentsatzmethode" zu beurteilen. Das Kind habe Anspruch auf 20 % des durchschnittlichen monatlichen Einkommens des Unterhaltspflichtigen. Eine Arbeitsfähigkeit der Mutter bestehe nach wie vor nicht. Das von ihr bezogene Taschengeld sei in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. 1997 betrage die Bemessungsgrundlage 8.735 S, 1998 8.993 S und seit 1. 1. 1997 9.313
S.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Minderjährigen keine Folge (aus dem weiteren Spruch und der Entscheidungsbegründung ist allerdings ersichtlich, dass auch diesem Rekurs teilweise Folge gegeben wurde, sodass im Spruch der Rekursentscheidung eine zu berichtigende offenbare Unrichtigkeit vorliegt) und dem Rekurs der Mutter (ebenfalls) teilweise Folge und änderte die Unterhaltsfestsetzung dahin ab, dass die Mutter zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von 2.200 S für die Zeit vom 1. 10. 1997 bis 31. 12. 1997, von 1.800 S für das Jahr 1998 und von 1.850 S ab dem 1. 1. 1999 verpflichtet wurde. Das Rekursgericht ging dabei von den in den ersten beiden Rechtsgängen getroffenen Feststellungen aus, die es wie folgt zusammenfasste: Die Mutter sei auf Grund ihrer psychischen Situation und ihres Krankheitsbildes nicht in der Lage, einer regelmäßigen beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Sie sei bereits seit November 1995 arbeitsunfähig. Seit 31. 3. 1995 befinde sie sich in einer Rehabilitationsmaßnahme. Sie nehme an einer Beschäftigungstherapie im Sinne des § 7 Tiroler Beschäftigungsgesetz teil, deren Kosten vom Land Tirol getragen werden. Die Mutter befinde sich in keinem Arbeitsverhältnis, erhalte aber ein monatlich variierendes Taschengeld, das aus Mitteln der freien und öffentlichen Wohlfahrt bezahlt werde. Die Mutter beziehe ferner seit 1. 2. 1994 ein Pflegegeld der Stufe 1 von monatlich 2.635 S und erhalte eine Mietzinsbeihilfe von 2.500 S monatlich. Von April 1997 bis Dezember 1997 habe sie vom Land Tirol eine Überbrückungshilfe für unregelmäßig geleistete Unterhaltszahlungen ihres geschiedenen Ehemanns von 2.265 S monatlich erhalten. Der Mann sei auf Grund des Scheidungsvergleiches zu monatlichen Unterhaltsleistungen an die Frau von 7.300 S, wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex 1986, verpflichtet. Der wertgesicherte Unterhaltsbeitrag errechne sich seit Oktober 1997 mit 8.490 S. Der Vater sei vom 1. 9. 1995 bis 31. 8. 1997 halbtags beschäftigt gewesen, wobei er bis August 1997 durchschnittlich 15.869,90 S verdiente. Nach Wiederaufnahme der Vollbeschäftigung habe er im Jahr 1997 durchschnittlich 28.320,20 S verdient, 1998 unter Einbeziehung einer Jubiläumszuwendung 30.596,50 S und zwischen Jänner und Mai 1999 26.965 S monatlich netto. Die Exekutionsführung zur Hereinbringung des Ehegattenunterhalts sei hinsichtlich des rückständigen Unterhalts für den Zeitraum 1993 bis März 1995 erloschen. Der laufende Unterhaltsanspruch danach werde neben den noch offenen Rückständen seit Mai 1995 exekutiv hereingebracht. Die Frau habe Unterhaltszahlungen ihres geschiedenen Mannes mit folgenden durchschnittlichen Monatsbeträgen hereingebracht: Von Jänner bis September 1997 5.018,40 S, von Oktober bis Dezember 1997 15.447,40 S, im Jahr 1998 16.437,40 S und von Jänner bis Mai 1999 12.934 S. Per Juni 1999 sei der gesamte Unterhaltsrückstand beglichen. Seit 1. 7. 1999 werde der laufende Unterhalt von 7.300 S exekutiv hereingebracht.
In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, dass das von der Mutter bezogene Pflegegeld nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sei. Die der Mutter ausgezahlte Mietzinsbeihilfe decke den Wohnungsaufwand und stelle eine öffentlich-rechtliche Leistung mit einer ausdrücklichen Zweckbestimmung dar. Sie sei daher nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei der Unterhaltsfestsetzung des Kindes sei der Ehegattenunterhalt als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, dies aber nur im Rahmen der tatsächlich hereingebrachten Unterhaltsbeiträge. Auf den Erhöhungsbetrag auf Grund der Wertsicherung sei nicht Bedacht zu nehmen. Bei der Unterhaltsbemessung sei jedes Vermögen des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Nach der jüngeren oberstgerichtlichen Judikatur (7 Ob 526/93; 5 Ob 3/97w; 6 Ob 2126/96g) stelle ein dem Unterhaltspflichtigen selbst zustehender Unterhalt die Unterhaltsbemessungsgrundlage dar. Dies werde auch von der Lehre vertreten (Pichler in ÖA 187, 92). Eltern hätten gemäß § 140 Abs 1 ABGB nach ihren Kräften zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes anteilig beizutragen. Wenn der das Kind betreuende Vater über ein im Vergleich zur Mutter beträchtlich höheres Einkommen verfüge, so könne dies bei der Festsetzung des Kindesunterhalts berücksichtigt und ein unter den üblichen Prozentsätzen liegender Unterhaltsbeitrag festgesetzt werden. Zur Unterhaltsbemessungsgrundlage gehörten alle tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen, über die er verfügen könne. Ausgenommen seien nur solche Einnahmen, die der Abgeltung von effektiven Auslagen dienten. Es bestehe kein Grund, Unterhaltsempfänge aus dem Einkommen auszuscheiden, wenn es um den Unterhaltsanspruch von Kindern gehe. Danach sei hier von folgenen monatlichen Einkommen der Mutter auszugehen:
1 bis 3/97 (Unterhalt, Taschengeld) S 6.453,40
4 bis 9/97 (Unterhalt, Überbrückungshilfe,
Taschengeld) S 8.718,40
10 bis 12/97 (Unterhalt, Überbrückungshilfe,
Taschengeld) S 19.147,40
1 bis 12/98 (Unterhalt, Taschengeld) S 18.130,40
1 bis 5/99 (Unterhalt, Taschengeld) S 14.947,--
ab 7/99 (Unterhalt, Taschengeld) S 9.313,--.
Es seien nicht alle im Exekutionsweg der Mutter zugekommenen Unterhaltsbeiträge in voller Höhe als Bemessungsgrundlage zu beurteilen. Damit würde im Ergebnis die Weigerung des Ehegatten und Vaters zur Zahlung der titulierten Unterhaltsforderung seiner Frau honoriert werden. Wenn er seiner Unterhaltsverpflichtung regelmäßig nachgekommen wäre, hätte die Mutter im Zeitraum Oktober 1997 bis Mai 1999 ebenfalls nur die auf Grund des gerichtlichen Vergleichs vereinbarten Unterhaltsbeiträge erhalten. Es sei daher vom Unterhaltsanspruch in Titelhöhe und nicht von den tatsächlich hereingebrachten Unterhaltsrückständen auszugehen. Als weiteres Einkommen sei auch das von der Mutter bezogene Taschengeld zu berücksichtigen. Der Vater komme durch seine Betreuungsleistungen seiner Unterhaltspflicht voll nach. Daraus folge, dass die Mutter sich selbst den strengsten finanziellen Einschränkungen zu unterwerfen habe. Der Vater erziele zwar ein über dem Durchschnitt liegendes Einkommen, deshalb sei ihm aber nicht der volle Geldunterhaltsanspruch des Kindes aufzuerlegen. Da die Mutter in der Zeit von Jänner bis September 1997 nicht einmal den titulierten Unterhaltsbeitrag erhalten habe, sei in diesem Zeitraum ein Unterhaltsbeitrag für das Kind nicht festzusetzen. Von Oktober bis Dezember 1997 sei von einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von 11.000 S (Unterhaltsanspruch, Überbrückungshilfe, Taschengeld), für das Jahr 1998 von 8.993 S (Unterhaltsanspruch, Taschengeld) und ab Jänner 1999 von 9.313 S (Unterhaltsanspruch, Taschengeld) auszugehen. Der Minderjährige habe für diese Zeiträume einen monatlichen Unterhaltsanspruch für das restliche Jahr 1997 von 2.200 S, für das Jahr 1998 von 1.800 S und ab Jänner 1999 von 1.850 S.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Das Kind beantragt mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs erkennbar die Abänderung dahin, dass dem Unterhaltsantrag zur Gänze stattgegeben werde.
Die Mutter beantragt mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs die Abänderung dahin, dass der Unterhaltsantrag des Kindes zur Gänze abgewiesen werde, hilfsweise die Abänderung auf Festsetzung des Unterhaltsbeitrags mit 500 S monatlich. Sie beantragt ferner hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionsrekurse sind zulässig und jeweils teilweise auch berechtigt.
1. Zur Frage, ob der mit dem Scheidungsvergleich vom 12. 7. 1991 vereinbarte Ehegattenunterhalt von monatlich 7.300 S Bemessungsgrundlage für den Kindesunterhalt ist und zur weiteren Frage, ob dies auch für die hereingebrachten Unterhaltsrückstände gilt:
Es entsprach der älteren ständigen oberstgerichtlichen Judikatur, dass Geldunterhaltsansprüche des nicht verdienenden Elternteils keine Grundlage für die Unterhaltsbemessung des Kindes seien, das sich beim anderen Elternteil befindet. Der erkennende Senat hat dies bei zumindest gehobenen Unterhaltseinnahmen der Mutter aus der zweiten Ehe verneint und ließ das Kind an den Verhältnissen der Mutter dadurch teilhaben, dass der durchsetzbare Taschengeldanspruch der Frau als Einkommen gewertet wurde (6 Ob 2126/96g = JBl 1997, 35). Dieser Auffassung sind andere Senate gefolgt (9 Ob 373/97m; 5 Ob 140/98v). Der 5. Senat ging einen Schritt weiter und qualifizierte Unterhaltsempfänge eines Ehegatten als frei verfügbares Einkommen, das gegenüber Unterhaltsansprüchen von Kindern nicht "immunisiert" werden dürfe. Den gegen diesen Judikaturwandel erhobenen Einwänden Schwimanns (Leistung von Kindesunterhalt aus eigenen Unterhaltseinnahmen der Eltern? in NZ 1998, 289) trat der 1. Senat mit überzeugenden Argumenten entgegen und setzte die eingeschlagene Linie fort. Jedes tatsächliche Einkommen, das nicht der Abgeltung effektiver Auslagen dient, sei Bemessungsgrundlage. Aus den Bestimmungen der EO (§§ 290a Abs 1 Z 10, 291b Abs 2, 292b Z 1 und § 292 Abs 1 und 4 Z 4 sowie Abs 5 EO) sei der dem Familienrecht immanente Leitgedanke des Teilens ableitbar. Wenn der Gesetzgeber mit den Pfändungsvorschriften die Hereinbringung von Unterhaltsforderungen privilegiere, müsse die Schaffung von Unterhaltstiteln innerhalb der definierten Grenzen möglich sein (1 Ob 337/99m). Der erkennende Senat hält diese Begründung für stichhältig.
Nach § 140 ABGB sind die Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen
maßgebend. Zu diesen Verhältnissen gehört aber auch sein eigener
Unterhaltsanspruch. Damit er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem
Kind erfüllen kann, ist es geradezu selbstverständliche und
notwendige Voraussetzung, dass der eigene Unterhaltsanspruch des
Elternteils vom ihm gegenüber Unterhaltspflichtigen auch erfüllt
wird. In die Bemessungsgrundlage kann - was das Rekursgericht
zutreffend erkannte - nur der tatsächlich hereingebrachte eigene
Unterhalt herangezogen werden, es sei denn, der unterhaltsberechtigte
Elternteil hätte die Hereinbringung des eigenen Unterhalts schuldhaft
unterlassen. In einem solchen Fall wäre im Sinne der herrschenden
Anspannungstheorie vorzugehen.
2. Wenn es auf den tatsächlich bezogenen eigenen Unterhalt ankommt,
stellt sich die Frage, welchen Einfluss verspätete
Unterhaltszahlungen, also - wie hier - die Hereinbringung relativ
großer Unterhaltsrückstände in kurzer Zeit auf den Kindesunterhalt
haben. Das Rekursgericht ist hier aus Billigkeitserwägungen nur vom
vereinbarten (und auch hereingebrachten) Ehegattenunterhalt in
Titelhöhe ausgegangen und hat den exekutiv hereingebrachten
Unterhaltsrückstand gänzlich unberücksichtigt gelassen. Wohl ist es
richtig, dass die Mutter mangels freiwilliger Unterhaltszahlungen des
Mannes über mehrere Jahre offenkundig in ärmlichen Verhältnissen
leben musste, sodass es auf den ersten Blick unbillig erscheint, die
Bemessungsgrundlage nun um den hereingebrachten Unterhaltsrückstand
zu erhöhen. Diese Sicht vernachlässigt aber den Umstand, dass die
Mutter in der Zeit vor dem 1. 1. 1997 keinen Unterhalt an das Kind zu
zahlen hatte (ein Unterhaltsantrag des Kindes wurde rechtskräftig
abgewiesen), sie sich also in dieser Zeit jegliche Unterhaltsbeiträge
erspart hat. Die verspätete Zahlung des Ehegattenunterhalts soll sich
nicht zu Lasten der Mutter und zu Gunsten des Kindes auswirken. Wenn
dem Kind aber in der Zeit, in der die Mutter keinen eigenen Unterhalt
erhielt, kein Geldunterhaltsanspruch zustand, wäre es nicht
sachgerecht, für die Zeit danach die Bezahlung des
Unterhaltsrückstandes an die Frau nicht als ihr Einkommen zu
behandeln und nur von dem tatsächlich geleisteten Unterhalt in
Titelhöhe auszugehen. Anders läge der Fall, wenn die Mutter in der
Zeit vor dem Erhalt der Unterhaltszahlungen ihres geschiedenen Mannes
ihren Lebensaufwand nur durch Aufnahme von Schulden bestritten hätte,
sodass den einlangenden Rückstandsleistungen Verbindlichkeiten
gegenüberstünden, die als Abzugspost von der Bemessungsgrundlage
gewertet werden müssten. Ein solcher Sachverhalt wurde von der Mutter
aber nicht einmal behauptet. Auch im außerstreitigen
Unterhaltsverfahren gelten trotz des Untersuchungsgrundsatzes (§ 2
Abs 2 Z 5 AußStrG) subjektive Behauptungs- und Beweislastregeln (RZ
1991/35; SZ 63/202; 6 Ob 145/98m; 6 Ob 11/99g uva). Nach der
Aktenlage (insbesondere den Rechnungslegungen der Sachwalterin der
Mutter) kann davon ausgegangen werden, dass die Mutter in der Zeit
bis Oktober 1997 gezwungenermaßen in ärmlichsten Verhältnissen lebte
(ihr standen das Pflegegeld, die Mietzinsbeihilfe, das Taschengeld
aus der Beschäftigungstherapie und für einen kurzen Zeitraum die
Überbrückungshilfe zur Verfügung), dass sie danach aber bis Mai 1999
über ein "Gesamteinkommen" verfügte, das sogar über dem
Durchschnittseinkommen unselbständiger Arbeitnehmer lag. Die
schlechte Zahlungsmoral des Vaters darf sich - wie schon ausgeführt -
nicht zu Lasten des Kindes auswirken. Es hat Anspruch, an den
jeweiligen Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen
teilzunehmen. Es sind daher grundsätzlich auch die
Unterhaltsrückstände für die Monate, in denen sie hereingebracht
wurden, Teil der Bemessungsgrundlage.
3. Das bezogene Pflegegeld der Mutter ist als reiner (pauschalierter) Aufwandsersatz anzusehen und nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (Schwimann, Unterhaltsrecht2 54; EFSlg 71.139).
4. Die der Mutter zukommende Mietzinsbeihilfe ist eine zweckbestimmte
öffentlich-rechtliche Leistung. Die Zweckbestimmung allein bewirkt
zwar noch nicht grundsätzlich das Ausscheiden aus der
Bemessungsgrundlage (EFSlg 83.471, 86.396), eine Einbeziehung
scheitert allerdings daran, dass die Beihilfe nicht als frei
verfügbares Einkommen behandelt werden kann. Allerdings wird bei der
Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Umstand mitberücksichtigt
werden können, dass sich die Mutter den Wohnungsaufwand als Teil der
allgemeinen Lebenshaltungskosten erspart.
5. Zur Behandlung des nach dem Tiroler Rehabilitationsgesetz (RehabG
LGBl 9210/3) bezogenen Taschengeldes sowie der Überbrückungshilfe als
Einkommen der Mutter:
Die §§ 1 und 7 leg cit normieren als Ziel der Beschäftigungs- und
Arbeitstherapie (Ergotherapie) die Eingliederung des Betroffenen in
die Gesellschaft. Gemäß § 13 leg cit kann dem Behinderten eine Hilfe
zum Lebensunterhalt in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des
Tiroler Sozialhilfegesetzes (SozHG LGBl 9200) gewährt werden. Eine
finanzielle Unterstützung des Behinderten ist ebenso wie die von den
Vorinstanzen festgestellte Überbrückungshilfe nach dem Tiroler
Sozialhilfegesetz eine öffentlich-rechtliche Sozialhilfeleistung.
Letztere wird im Notfall gewährt, dass der Lebensunterhalt nicht aus
eigenen Kräften und Mitteln und nicht von anderen Personen beschafft
werden kann (§ 1 Abs 3 lit a TirSozHG). Sozialhilfeleistungen sind
grundsätzlich frei verfügbares Einkommen und damit Grundlage für die
Unterhaltsbemessung, sofern sie nicht der Deckung eines bestimmten
Sonderbedarfs dienen (EFSlg 77.308, 86.441 f). Das Rekursgericht ist
davon im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung
ausgegangen. Die von der Mutter gegen eine Einbeziehung des
Taschengeldes vorgetragene Befürchtung eines negativen
Therapieeffektes, wenn das Taschengeld (auch und teilweise) zur
Deckung des Kindesunterhalts verwendet wird, ist - abgesehen von
fehlenden Feststellungen zu diesem Thema - kein im Unterhaltsrecht
stichhältiges Argument, andernfalls es ein Unterhaltsverpflichteter
in der Hand hätte, unter Hinweis auf psychische Missempfindungen
jegliche Arbeit und Einkommenserzielung und damit die Erfüllung der Unterhaltspflicht zu verweigern.
6. Zur Unterhaltshöhe nach den festgestellten unterschiedlichen
Einkommensverhältnissen beider Elternteile:
Die Mutter weist zutreffend darauf hin, dass der vorliegende Fall
sich in mehrfacher Hinsicht von Durchschnittsfällen unterscheidet und
daher eine Orientierung an die in der Praxis üblichen Prozentsätze
nur sehr eingeschränkt erfolgen kann. Die Besonderheit des
Einzelfalls liegt vor allem in der markanten Erhöhung der
Bemessungsgrundlage auf Grund der Einbringlichkeit des hohen
Unterhaltsrückstands ab Oktober 1997. Bis dahin betrug die
Bemessungsgrundlage 8.210,40 S (5.018,40 S hereingebrachter
monatlicher Unterhalt; Überbrückungshilfe 1.757 S und Taschengeld
1.435 S), von Oktober 1997 bis Dezember 1997 aber 19.147,40 S. Im
Jahr 1998 sind Einkünfte von 18.132,90 S Bemessungsgrundlage, von
Jänner bis Mai 1999 solche von 14.947 S. Ab 1. 6. 1999 reduziert sich
die Bemessungsgrundlage auf den hereingebrachten monatlichen
Ehegattenunterhalt in Titelhöhe zuzüglich des Taschengeldes (zusammen
9.313 S). Für die Perioden mit der festgestellten hohen
Bemessungsgrundlage erachtet der erkennende Senat Unterhaltsbeiträge
der Mutter von 3.300 S, 3.100 S und 2.600 S für angemessen.
In den ersten neun Monaten des Jahres 1997 sowie ab Juni 1999 liegt die Bemessungsgrundlage weit unter dem Durchschnittseinkommen, während der Vater nach den getroffenen Feststellungen überwiegend ein weit darüber liegendes Einkommen erzielte und erzielt. Die Mutter strebt unter Hinweis auf das pfändungsfreie Existenzminimum eine gänzliche Abweisung des Unterhaltsantrages des Kindes an. Im Exekutionsverfahren sieht zwar § 291b Abs 2 EO vor, dass dem Verpflichteten 75 % des unpfändbaren Freibetrags nach § 291a EO verbleiben müssen, gemäß § 292b EO kann bei Unterhaltsforderungen aber eine Herabsetzung dieses Betrages erfolgen. Nach der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung hat dem Verpflichteten nur der Betrag zu verbleiben, der zur Erhaltung der körperlichen und geistigen Persönlichkeit des Unterhaltsschuldners notwendig ist (RZ 1994/57 mwN). Unterhaltsforderungen genießen Priorität. Ein pflichtbewusster Unterhaltsschuldner wird seine Kinder im Normalfall an seinen - wenn auch kärglichen - Einkommensverhältnissen teilhaben lassen (1 Ob 590/95 mwN). In 3 Ob 5/94 wurde ein Freibetrag für den Unterhaltsschuldner in der Höhe von 3.619 S monatlich für unbedenklich erachtet, in RZ 1994/57 ein solcher von 4.000 S. Diese Grundsätze werden auch in der jüngsten oberstgerichtlichen Rechtsprechung vertreten (8 Ob 142/98k mwN; 6 Ob 99/97w). Eine Abschöpfung des Einkommens der Mutter in einem solchen Maß, dass dem Kind annähernd der Regelbedarf zukommt, kommt hier aber schon aus dem Grund nicht in Frage, weil der das Kind betreuende Vater über ein beträchtlich höheres Einkommen verfügt. Es wurde schon ausgesprochen, dass dies nach den Umständen des Einzelfalls sogar zum gänzlichen Entfall der Unterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils führen kann (10 Ob 502/96). Unter Berücksichtigung der vorliegenden besonderen Verhältnisse erachtet der erkennende Senat für die erste Periode des Jahres 1997 einen Geldunterhaltsanspruch des Kindes von 1.000 S und ab Juni 1999 einen solchen von 1.100 S für ausgewogen.
7. Abschließend ist zum Revisionsrekurs des Kindes noch zu bemerken, dass die vom Vater bezweifelte Arbeitsunfähigkeit der Mutter von den Vorinstanzen nach der Aktenlage in unbedenklicher Weise festgestellt wurde. Davon ist - weil der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist - auszugehen. Zu den Rekursausführungen zur Bemessungsgrundlage wurde schon eingehend Stellung genommen. Eine Unterbrechung des Unterhaltsverfahrens bis zur Erledigung des anhängigen Unterhaltserhöhungsverfahrens über den Ehegattenunterhalt ist weder zulässig noch geboten. Sollte die Mutter eine Erhöhung ihres eigenen Unterhalts erreichen, wird das Kind ab tatsächlicher Bezahlung der erhöhten Unterhaltsbeiträge seinerseits einen Unterhaltserhöhungsantrag stellen können.
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