OGH 7Ob172/99s

OGH7Ob172/99s14.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Iris M*****, geboren am 30. August 1982, ***** vertreten durch ihre Mutter Margaretha M*****, ebendort, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 19. April 1999, GZ 2 R 139/99x-184, mit dem infolge Rekurses des Vaters Josef M***** der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 4. März 1999, GZ 15 P 1853/95d-181, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der Minderjährigen wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die mj. Iris ist eine eheliche Tochtet ihrer aus dem Kopf dieser Entscheidung ersichtlichen und mit Beschluß des Bezirksgerichtes L***** vom 24. 10. 1985 gemäß § 55a EheG geschiedenen Eltern. Am 27. 11. 1997 stellte die Mutter, der laut pflegschaftsgerichtlich genehmigter Scheidungsvereinbarung die Obsorge über ihre Tochter zusteht, den Antrag, den Vater zu Sonderzahlungen in Höhe von insgesamt S 20.433 (hievon S 16.700 für kieferorthopädische Behandlungen, S 2.503 für eine Schulschiwoche und S 1.230 für eine Schulexkursion) zu verpflichten; mit weiterem Antrag vom 10. 9. 1988 beantragte die Kindesmutter die Erhöhung der bisher vom Vater geleisteten Unterhaltszahlungen von monatlich S 2.500 auf nunmehr S

4.500.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur Zahlung eines erhöhten Unterhaltsbetrages von S 4.000 ab 10. 10. 1998 sowie zur Zahlung einmaliger Zuschußleistungen in Höhe von S 5.250 und S 3.100 für kieferorthopädische Behandlungen seiner Tochter; die darüber hinausgehenden Mehrbegehren wurden - unangefochten und damit rechtskräftig - abgewiesen. Das Erstgericht ging dabei davon aus, daß der Vater von Oktober 1997 bis 10. 10. 1998 nur geringfügig (10 Stunden) beschäftigt war, weil er in dieser Zeit von seiner Dienstgeberfirma auf bezahlte Schulungen geschickt wurde. Erst aufgrund dieser Schulungsmaßnahmen war es ihm sodann möglich, ab 10. 10. 1998 einen neuen Beruf anzutreten, wobei sein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen inklusive Sonderzahlungen rund S 19.395 beträgt. Die Mutter bezieht als Angestellte ihrerseits monatlich rund S 22.000.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die sog Anspannungstheorie im vorliegenden Fall für den Zeitraum vor dem 10. 10. 1998 nicht zum Tragen komme, weil es dem Vater trotz intensiver Arbeitsplatzsuche und Umschulungsmaßnahmen erst ab diesem Datum möglich gewesen sei, eine adäquate Arbeit zu finden. Seine Schulden aus früherer selbständiger Tätigkeit seien hiebei von der ermittelten Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht in Abzug zu bringen. Bei der kieferorthopädischen Behandlung handle es sich um notwendige medizinische Sonderkosten, für welche der Vater zur Hälfte derselben zu verpflichten sei.

Das Rekursgericht gab einem lediglich vom Vater erhobenen Rekurs teilweise Folge. Es bestätigte die Auferlegung der bereits wiedergegebenen Sonderbedarfzahlungen (in diesem Punkte ist die Entscheidung des Rekursgerichtes zwischenzeitlich unangefochten in Rechtskraft erwachsen) und änderte im übrigen den angefochtenen Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Begehren auf Erhöhung des laufenden monatlichen Unterhaltsbetrages von S 2.500 zur Gänze abwies. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für nicht zulässig erklärt. Das Rekursgericht ergänzte die maßgebliche Feststellungsgrundlage nach der Aktenlage dahin, daß es dem Vater aufgrund seiner Bemühungen gelungen sei, frühere Geschäftsschulden von ca S 11,000.000 auf derzeit S 3,5 Mio zu reduzieren; aufgrund eines außergerichtlichen Ausgleiches und vereinbarter Kapitaltilgungen habe er hiefür monatlich ca S 15.000, bei Einsetzen der vereinbarten Kapitaltilgungen S 23.200 an die Gläubigerbank zurückzuzahlen.

In rechtlicher Hinsicht ging das Rekursgericht davon aus, daß Schuldenrückzahlungen dann als Abzugspost zu berücksichtigen seien, wenn diese zur Sicherung und Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltspflichtigen geleistet würden. Auch wenn mit dem laufenden monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.500 der statistische Regelbedarf seiner Tochter nicht abgedeckt werden könne, so scheine es doch auch in deren Interesse gelegen, dem Vater die Aufrechterhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz durch Rückzahlung seiner Schulden, um die er sich offensichtlich bemühe, zu ermöglichen, zumal die Mutter mit ihrem Einkommen von monatlich selbst rund S 22.000 den Bedarf der Minderjährigen abdecken könne. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde deshalb für nicht zulässig erklärt, weil das Rekursgericht der Judikatur gefolgt sei.

Gegen diese Entscheidung stellte die unterhaltsberechtigte Tochter, vertreten durch ihre Mutter, einen Abänderungsantrag an das Rekursgericht gemäß § 14a AußStrG samt ausgeführtem ordentlichen Revisionsrekurs unter (erkennbarer) Geltendmachung des Rekursgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Rekursentscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht änderte daraufhin gemäß § 14a Abs 3 AußStrG seinen Nichtzulassungsausspruch dahin ab, daß der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG für doch zulässig erklärt wurde, und zwar mit der - nicht näher ausgeführten (zur Unzulässigkeit bloßer "Scheinbegründungen" siehe jüngst 1 Ob 8/99d) - Kurzbegründung, daß "der Antragstellerin zu konzedieren ist, daß man über das Vorliegen derartiger Umstände im vorliegenden Fall verschiedener Meinung sein kann".

Der Oberste Gerichtshof ist an einen derartigen Zulassungsausspruch nicht gebunden (§ 508a ZPO iVm § 16 Abs 4 AußStrG). Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO (§ 16 Abs 4 AußStrG) kann sich die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 14 Abs 1 AußStrG) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Revisionsrekurswerberin gesteht in ihrem Rechtsmittel selbst zu, daß Schulden eines Unterhaltspflichtigen - wie in der vorliegenden Fallkonstellation - aus einer früheren Erwerbstätigkeit (hier: Gasthofbetrieb) bei Vorliegen konkret geltend gemachter Umstände durchaus bei der Ermittlung dessen Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen sind, etwa wenn sich der Unterhaltsschuldner - ohne ihm einen Vorwurf machen zu können - verschuldet hat; wieso hiebei (nach Ansicht der Rechtsmittelwerberin) durch die Abdeckung dieser "existenznotwendigen" Schulden die nunmehrige - unselbständige - Arbeitsstelle des Unterhaltspflichtigen gefährdet wäre, ist freilich nicht einsichtig. Hiezu kann es vielmehr genügen, auf die von den Vorinstanzen hiezu getroffenen (und unbekämpft gebliebenen) Tatsachenfeststellungen zur Einkommenssituation hinzuweisen, wonach der unterhaltspflichtige Vater zwar monatlich (seit 10. 10. 1998) inklusive Sonderzahlungen netto rund S 19.395 ins Verdienen bringt, gleichzeitig jedoch zur Erfüllung seines außergerichtlichen Ausgleiches monatlich ca S 15.000, bei Einsetzen der vereinbarten Kapitaltilgungen sogar monatlich S 23.200 leisten muß. Bereits daraus erhellt die Offenkundigkeit der Existenzgefährdung des Unterhaltsschuldners, ohne daß es hiezu weitergehender näherer Ausführungen bedurfte. Davon, daß der Genannte auf diese ihn finanziell stark belastenden Umstände nicht bereits in erster Instanz hingewiesen und diese dargetan hätte, kann in Anbetracht der diesbezüglichen Vernehmungsprotokolle (ON 162, 173 und 175) samt Bankunterlagen ebenfalls keine Rede sein. Die Revisionsrekurswerberin bekämpft dabei auch nicht die Annahme der Vorinstanzen, daß sich der Vater bis zu dem ihm äußerst Möglichen bemüht hat, nicht nur den großen Schuldensaldo von S 11,000.000 durch Umschuldungen, Hausverkauf etc innerhalb weniger Jahre auf immerhin unter ein Drittel zu mindern, sondern auch durch intensive Arbeitssuche und Absolvierung von Umschulungen einen Beruf und damit ein Einkommen zu finden, das ihm derzeit die Erfüllung der noch ausständigen Schuldentilgung ermöglicht. Damit hat er jedoch - und diesbezüglich reichen die Feststellungen der Vorinstanzen durchaus aus - ein Verhalten an den Tag gelegt, das durchaus dem eines pflichtbewußten Familienvaters (bei intaktem Familienverband) gleichgesetzt werden kann (vgl 5 Ob 60/97b; RIS-Justiz RS0047590 und 0106935). Auch wenn Schulden eines Unterhaltspflichtigen nicht schlechthin die Bemessungsgrundlage zu vermindern vermögen (RS0047491), so ist doch im Rahmen der Unterhaltsnorm des § 140 ABGB stets auf die Lebensverhältnisse der Eltern und nicht bloß den (Regel)Bedarf des Kindes abzustellen (RS0047416). Diese Beurteilung ist grundsätzlich immer einzelfallbezogen, weil sie auf die individuelle persönliche, familiäre und finanzielle Situation der beteiligten Kindeseltern einerseits und der anspruchsberechtigten Minderjährigen andererseits abstellen muß. In diesem Sinne widerstreitet die vom Rekursgericht getroffene Entscheidung nicht den wie vor wiedergegebenen Judikaturgrundsätzen zur Unterhaltsbemessung im Zusammenhang mit in der Vergangenheit aufgehäuften Schulden eines Unterhaltspflichtigen. Daß diese dabei vom Vater im vorliegenden Fall leichtfertig, seine Sorgepflicht mißachtend oder gar deren Schädigung beabsichtigend eingegangen worden wären, behauptet nicht einmal die Rechtsmittelwerberin.

Der Oberste Gerichtshof erachtet es daher in der konkret zur Beurteilung anstehenden Situation für (noch) sachgerecht und angemessen, das Unterhaltsmehrbegehren des Vaters im verfahrensgegenständlichen strittigen Zeitraum abzuweisen, zumal es sich um die Anfangsperiode seines neu angetretenen Arbeitsverhältnisses handelt, die Schuldentilgung (unstrittig) der Existenzsicherung bzw -wiedererlangung des Vaters dient und durch eine fast Verdoppelung des bisher auferlegten Kindesunterhaltes unmittelbar und überproportional gefährdet wäre. Dabei ist auch der vom Rekursgericht ins Treffen geführte Aspekt, daß die Mutter selbst ein nicht unbeträchtlich über dem Einkommen des Vaters liegendes Eigeneinkommen hat und daher im Rahmen ihrer Möglichkeiten (§ 140 ABGB) ihrerseits zum Unterhaltsaufkommen der Tochter beitragen kann, nicht zu übersehen.

Damit erweist sich aber die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes als eine Entscheidung, gegen die im Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zielführend ins Treffen geführt wird. Damit wird auch keinesfalls - wie im Rechtsmittel zum Abschluß ausgeführt - perpetuiert, daß sich die Minderjährige nunmehr bis zu ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit mit Beträgen begnügen müßte, die unter dem ansonst üblichen Unterhaltsanspruch liegen. Diesbezüglich wird vielmehr die Entwicklung der Verhältnisse in der nächsten Zukunft abzuwarten sein.

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