OGH 8Ob64/13i

OGH8Ob64/13i17.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** D*****, vertreten durch Dr. Ihor‑Andrij Maritczak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei MR DI H***** D*****, vertreten durch Ganzert & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterhalt, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. April 2013, GZ 45 R 47/13i‑112, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 18. Dezember 2012, GZ 1 C 10/09b‑106, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0080OB00064.13I.1217.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 373,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die 1973 zwischen den Streitteilen geschlossene Ehe wurde mit Urteil vom 23. 5. 2002 rechtskräftig nach § 55 EheG mit dem Ausspruch, dass das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Beklagten trifft, geschieden. Mit Urteil vom 17. 6. 2005 wurde der Beklagte zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 730 EUR ab dem 1. 1. 2005 verpflichtet. Dem lag ein monatliches Durchschnittseinkommen des Beklagten von 2.625,60 EUR zuzüglich Mieteinnahmen aus einer früher beiden Streitteilen gehörenden Wohnung in Meidling von 300 EUR zugrunde, wobei ein Eigeneinkommen der Klägerin von 300 EUR monatlich an Mieteinnahmen aus der genannten Wohnung angerechnet wurde. Die Klägerin lebte in der Ehewohnung, die sich auf einer damals beiden Streitteilen zu gleichen Teilen gehörenden Liegenschaft in Hietzing befindet. 2006 schenkte die Klägerin ihren Hälfteanteil an dieser Liegenschaft der gemeinsamen Tochter der Streitteile, die ihr dafür ein Wohnrecht iSd § 521 ABGB einräumte, das weiter eine Grundlage für die Nutzung der Wohnung durch die Klägerin ist.

Im zwischen den Streitteilen geführten Aufteilungsverfahren wurde die Klägerin mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. 1. 2008 verpflichtet, dem Antragsgegner für ihren (vormaligen) Anteil an der Liegenschaft in Hietzing eine Ausgleichszahlung in Höhe von 58.600 EUR in monatlichen Raten von 400 EUR zu zahlen. Die Eigentumsrechte an der genannten Liegenschaft blieben unverändert, jene an der Wohnung in Meidling wurden an den Kläger übertragen.

2011 verkaufte der Beklagte seinen Hälfteanteil an der Liegenschaft in Hietzing an seine Tochter, die nunmehr Alleineigentümerin der Liegenschaft ist. Die Parteien vereinbarten, dass dieser Verkauf keinen Einfluss auf die Rechtspositionen hinsichtlich des Unterhalts haben soll.

Das Erstgericht hat mit seinem Urteil den Beklagten schuldig erkannt, der Klägerin zusätzlich zum bisher festgesetzten Unterhalt von 730 EUR monatlich ab 1. 9. 2006 weitere 107 EUR, ab 1. 1. 2007 weitere 125 EUR, ab 1. 1. 2008 weitere 97 EUR, ab 1. 1. 2009 weitere 132 EUR, ab 1. 10. 2009 weitere 250 EUR, ab 1. 1. 2010 weitere 258 EUR und ab 1. 1. 2011 weitere 251 EUR monatlich an Unterhalt zu zahlen.

Für die Benützung der vormaligen Ehewohnung durch die Klägerin hat das Erstgericht keinen Abzug von ihrem Unterhaltsanspruch vorgenommen. Soweit die Anrechnung von fiktiven Mietkosten hier überhaupt in Betracht komme, zumal ja die Klägerin dem Beklagten 400 EUR monatlich zahlen müsse, könne sie nur in angemessenem Umfang erfolgen. Der Unterhaltsberechtigte könne nicht allein von seiner Wohnung leben. Daher halte die Rechtsprechung den Abzug von einem Viertel des Unterhalts als Naturalunterhalt für Wohnungskosten als angemessen, und zwar nur dann, wenn der Restunterhalt zur Befriedigung der Restbedürfnisse reiche. Selbst bei Anrechnung von fiktiven Wohnkosten würde der Restunterhalt lediglich knapp 750 EUR monatlich betragen. Davon seien die Ablöseraten von 400 EUR monatlich abzurechnen, sodass der Klägerin bei einem Eigeneinkommen von rund 100 bis 260 EUR monatlich ein Betrag von 450 bis 600 EUR zum Leben verbliebe. Dieser Betrag erreiche nicht einmal das Existenzminimum, sodass keine Anrechnung einer fiktiven Miete in Frage komme.

Das Berufungsgericht nahm ebenfalls keinen Abzug von fiktiven Wohnkosten vor, wobei es dazu auf den Umstand verwies, dass die Klägerin als Gegenleistung für ihr Wohnrecht ihren Hälfteanteil an der Wohnung an die Tochter übertragen habe. Es liege also eine gemischte Schenkung vor, weshalb die Dienstbarkeit der Klägerin entgeltlich eingeräumt worden sei. Die Kosten der Wohnversorgung der Klägerin bestünden daher hier in der Übereignung des Hälfteanteils der Klägerin an der Liegenschaft an die Tochter.

Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass zu seiner eben wiedergegebenen Rechtsauffassung Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Beklagten ist nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof ist an den Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulassung der Revision nicht gebunden. Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Der Beklagte strebt mit dem Schwerpunkt seiner Revisionsausführungen eine Reduzierung des Unterhaltsbeitrags mit der Begründung an, dass die Klägerin keine Wohnkosten zu tragen habe.

I. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin ist zufolge § 69 Abs 2 EheG wie jener bei aufrechter Ehe nach § 94 ABGB zu bemessen.

II. Der Oberste Gerichtshof hat in der ebenfalls diese Streitteile betreffenden Entscheidung 7 Ob 197/06f die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach sich die Beklagte keine aus der Benützung der früheren Ehewohnung resultierende Ersparnis anrechnen muss, als vertretbar erachtet und mit ausführlicher Begründung das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage verneint. Der Beklagte vermag nicht darzustellen, weshalb unter Berücksichtigung der zusätzlichen Belastungen der Klägerin (400 EUR monatlich Ratenzahlungen an den Beklagten) und des Wegfalls der Mieteinnahmen für die Wohnung in Meidling diese auch nunmehr zugrunde gelegte Rechtsansicht des Berufungsgerichts unvertretbar sein sollte.

III. Die vom Kläger ins Treffen geführten Entscheidungen 6 Ob 43/12k, 4 Ob 42/10w und 1 Ob 212/10y betreffen Fälle, in denen Wohnungen vom Unterhaltspflichtigen dem Unterhaltsberechtigten überlassen wurde, was hier von vornherein nicht zutrifft, da Rechtsgrund für die Nutzung der Wohnung durch die Klägerin das ihr von ihrer Tochter eingeräumte Wohnrecht an dem vormals der Klägerin gehörigen Hälfteanteil an der Liegenschaft darstellt. Dazu kommt, dass die Klägerin für den früher ihr gehörenden Anteil an der Liegenschaft dem Beklagten nach dem Ergebnis des Aufteilungsverfahrens 400 EUR monatlich zu zahlen hat. Dass der Beklagte Betriebskosten für die Wohnung zahlt, hat er nicht einmal behauptet.

IV. Richtig ist allerdings, dass nach den Entscheidungen 1 Ob 226/99p und 2 Ob 230/00p eine angemessene Verringerung des Unterhaltsbedarfs aus dem Titel fiktiver Mietersparnis auch bei Abdeckung des Wohnbedürfnisses aus dem eigenem Vermögen des Unterhaltsverpflichteten in Betracht kommt (s auch Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR § 94 ABGB Rz 207). Auch aus diesen hier nicht näher zu erörternden Entscheidungen ist aber für den Beklagten im hier zu beurteilenden Fall nichts zu gewinnen:

V. Eine Anrechnung des fiktiven Mietwerts einer vom Unterhaltsberechtigten bewohnten Wohnung kommt in jedem Fall nur im angemessenen Umfang in Betracht. Es darf nicht zu einer fiktiven Überalimentierung des Unterhaltsberechtigten im Unterhaltsbereich „Wohnen“ und damit zu einer unangemessenen Verkürzung des Geldunterhalts kommen. Der Naturalunterhalt ist nach der ständigen Rechtsprechung grundsätzlich nur im angemessenen Umfang anzurechnen (7 Ob 178/02f; 7 Ob 191/05x, 4 Ob 42/10w mwN). Dem Unterhaltsberechtigten hat stets ein in Geld zu leistender Unterhalt zuzukommen, weil er ja von der Wohnung allein nicht leben kann (4 Ob 42/10w mwN). In der Entscheidung 4 Ob 42/10w ging der Oberste Gerichtshof davon aus, dass in Österreich durchschnittlich 22,3 % der Haushaltsausgaben auf Wohnkosten entfielen. Jedenfalls dann, wenn sich der Geldunterhalt aufgrund der Wohnversorgung um mehr als ein Viertel mindere, muss überprüft werden, ob der Restunterhalt noch zur angemessenen Deckung der Restbedürfnisse ausreicht. Wo die Angemessenheitsgrenze liegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (7 Ob 226/11b mwN; 4 Ob 42/10w; 4 Ob 41/05s; 7 Ob 95/05d; 6 Ob 5/08s).

VI. Vor diesem Hintergrund kommt hier eine Anrechnung von fiktiven Mietkosten von vornherein nicht in Betracht. Wie das Erstgericht richtig ausgeführt hat, beträgt der vom Beklagten der Klägerin zu leistende Unterhaltsbeitrag ohne jegliche Anrechnung von Mietkosten weniger als 1.000 EUR. Auch unter Einrechnung des geringen Eigeneinkommens der Klägerin wird der Betrag von 1.000 EUR nur geringfügig überschritten. Allerdings hat die Klägerin auch noch 400 EUR monatlich an den Beklagten zu zahlen. Eine weitere Reduzierung des Unerhaltsbetrags kommt unter diesen Umständen nicht mehr in Betracht.

Einer Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage, ob zusätzlich auch die Übereignung des Hälfteanteils an die gemeinsame Tochter als Gegenleistung für die Einräumung des Wohnrechts der Annahme einer beim Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten zur berücksichtigenden Wohnversorgung entgegensteht (allgemein dazu Gitschthaler aaO, Rz 204), ist daher nicht erforderlich.

VII. Soweit der Beklagte Mängel des Verfahrens erster Instanz geltend macht, ist er auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach vom Berufungsgericht verneinte Mängel mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden können (RIS‑Justiz RS0042963 mzwN).

VIII. Soweit sich der Beklagte gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts wendet, wonach er in erster Instanz kein Vorbringen zur Anrechnung seines Wohnungsrechts an der Wohnung in Meidling erstattet hat, stellt er ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage dar. Er verweist dazu nur auf einen Schriftsatz, in dem er verschiedene Beilagen vorgelegt hat, die aber allein durch ihre Vorlage noch nicht zum Vorbringen werden (RIS‑Justiz RS0037915).

Da somit die Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, war sie zurückzuweisen.

IX. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Stichworte