AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W263.2180096.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Christina KERSCHBAUMER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2017, Zl. 1092106401/151606546, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: "BF"), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 22.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
2. Bei seiner Erstbefragung am 23.10.2015 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF zusammengefasst an, er sei am XXXX in XXXX , Afghanistan, geboren. Er sei ledig, seine Muttersprache sei Dari (er beherrsche Dari in Wort und Schrift), er gehöre der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er habe ungefähr fünf Jahre lang die Grundschule besucht. Zuletzt habe er als Verkäufer und Hilfsarbeiter gearbeitet. Als Familienangehörige im Herkunftsstaat oder anderem Drittstaat gab der BF seine Stiefmutter und seinen XXXX -jährigen Bruder XXXX an. Seine Eltern seien verstorben. Als seinen Wohnsitz in Afghanistan gab er XXXX an. Er habe dort eben als Hilfsarbeiter gearbeitet. Seine finanzielle Situation sei wie die finanzielle Situation der Familie schlecht gewesen. Sein Bruder und er hätten die Familie versorgt.
Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, seit sein Vater verstorben sei, habe er die Familie versorgen müssen und habe nur mehr gearbeitet. Er habe als Hilfsarbeiter und Verkäufer die Familie versorgt. Die Grundstücke und das Haus habe seine Stiefmutter für sich beansprucht. Sie hätten nicht einmal zu essen bekommen. Er habe seine Ausbildung abbrechen und arbeiten müssen, um für seinen Bruder und für ihn Essen zu kaufen. Er habe sich weiterbilden wollen, aber ihm hätten die Möglichkeiten gefehlt. Darum habe er beschlossen, das Land zu verlassen, um sich in Europa ein besseres Leben zu ermöglichen.
Nach Afghanistan möchte er nicht zurückkehren, weil es ein unsicheres Land sei. Er habe dort keine Möglichkeit sich weiterzubilden oder ein anständiges Leben zu führen. Er habe in Afghanistan nichts mehr.
3. Mit Verfahrensanordnung vom 15.02.2016 stellte das BFA fest, dass es sich beim BF um eine volljährige Person (bereits vor dem Zeitpunkt der Asylantragstellung in Österreich) handelt, und setzte unter Zugrundlegung des Altersgutachtens als errechnetes "fiktives" Geburtsdatum den XXXX fest.
4. Am 23.02.2016 langte eine Stellungnahme zur Feststellung der Volljährigkeit des BF beim BFA ein.
5. Im weiteren Verfahrensverlauf gab der BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 10.10.2017 zusammengefasst weiter an:
Er habe derzeit keine Erkrankung, aber öfters Herzschmerzen. Er sei wegen dieser Beschwerden noch nicht beim Arzt gewesen. Die gesundheitlichen Probleme hätten nach dem Tod seines Vaters angefangen, das sei vor ca. drei oder vier Jahren in Afghanistan gewesen, einige Monate vor seiner Ausreise. Auf die Frage, ob er deswegen schon in Afghanistan medizinisch behandelt worden sei, antwortete der BF: Nein, als sein Vater getötet worden sei, sei der BF nicht mehr in Afghanistan geblieben, er sei noch in der Nacht geflüchtet.
Er sei Hazara. Er sei schiitischer Muslim gewesen. Seit ca. einem Jahr habe er kein Bekenntnis mehr. Er habe keinen Glauben haben wollen; ein Glaube sei sinnlos.
Er habe in der Stadt XXXX im Bezirk XXXX in der Gasse XXXX gewohnt. Dort habe er sein ganzes Leben verbracht. Sie hätten aber auch noch andere Häuser und ein Geschäft gehabt. Er habe mit seinem Vater und seiner Stiefmutter und einem Stiefbruder zusammengelebt.
Der BF habe fünf Jahre lang eine öffentliche Schule besucht und anschließend sechs Jahre lang eine Privatschule. Weiters gab der BF u. a. an, sein Vater habe eine Konditorei gehabt, dort habe er dem Vater auch immer wieder geholfen. Die wirtschaftliche Situation der Familie sei gut gewesen, sie seien nicht reich, aber auch nicht arm gewesen.
Eine Tante mütterlicherseits des BF befinde sich im Iran. Er wolle keinen Kontakt zu seiner Stiefmutter und seinem Stiefbruder, wegen ihnen sei sein Vater getötet worden.
Er habe in Afghanistan manchmal in der Bäckerei gearbeitet bzw. geholfen, sonst habe er nur Hausarbeit gemacht.
Er persönlich habe kein Problem mit dem Staat gehabt, aber der Anwalt des Bezirks habe mit ihm ein Problem gehabt und dieser Mann sei für den Staat tätig gewesen. Es sei kein Gerichtsverfahren gegen ihn anhängig; es hätte kommen können, aber er sei geflüchtet.
Zu seinen Fluchtgründen gab der BF zusammengefasst an, seine Familie sei aufgrund des Besitzes seiner verstorbenen Mutter wohlhabend gewesen. Der Bruder seiner Stiefmutter sei mit den Bezirksanwälten sehr gut befreundet gewesen. Er habe alle möglichen kriminellen Tätigkeiten gemacht und habe auch in jeder Provinz Kontakte. Der BF sei auch selbst darüber informiert, dass er zwei Menschen in Ghazni getötet habe. Der Bruder seiner Stiefmutter habe auch seinen Vater wegen des Besitzes getötet. Über diese Geschichte wisse er nicht Bescheid; es sei, so glaube er, um ein Grundstück gegangen. Um dieses Grundstück herum sei ein Park gebaut worden. Sein Stiefonkel habe seinem Vater das Grundstück wegnehmen wollen. Die Bezirksanwälte hätten seinen Vater immer wieder darauf angesprochen, dass sie auf seinem Grundstück einen Park bauen wollten. Sein Vater habe gesagt, dass das Grundstück ein Erbe seiner Mutter gewesen sei und er daraus einen Friedhof machen wolle, für jene Leute, die finanziell eher schwach gewesen seien. Damals sei der BF XXXX Jahre alt gewesen. Als es dann zu diesen Unstimmigkeiten zwischen seinem Vater und dem Stiefonkel gekommen sei, habe sein Vater den ganzen Besitz auf seinen Namen umgeschrieben. An einem Abend sei der Stiefonkel gekommen und habe zu seinem Vater gesagt, dass es das Recht seiner Schwester wäre, dieses Grundstück zu besitzen, weil er dort einen Park bauen wolle. Sein Vater habe geantwortet, dass er alles auf den Namen des BF umschreiben werde und dass sich der BF dann überlegen könne, was er damit mache. Der Stiefonkel habe dann gesagt, dass sein Vater entweder ihm das Grundstück übergebe oder er ihn umbringen werde. Es seien zwei Wochen vergangen. An einem Abend sei an der Haustür geklingelt worden. Sein Vater sei in den Vorhof gegangen. Der BF sei im Haus geblieben. Es seien 30 Minuten vergangen. Der BF sei rausgegangen, um nachzusehen und habe seinen Vater blutüberströmt am Boden liegen gesehen. Jemand habe ihn mit dem Messer erstochen; der BF wisse aber nicht, wer es getan habe. Der BF habe dann gleich einen Freund angerufen, welcher der Bodyguard seines Stiefonkels gewesen sei. Dieser habe gemeint, dass der Stiefonkel seinen Vater getötet habe. In derselben Nacht sei er dann noch geflüchtet.
Der BF habe die Rettung verständigt, diese habe seinen Vater geholt. Er sei nicht zur Polizei gegangen, weil es in Afghanistan "anders" sei. Wenn es zu einem Mord komme, dann werde zuerst das Krankenhaus verständigt. Der BF habe keine Zeit mehr gehabt, die Polizei zu verständigen. Im Krankenhaus habe der Arzt gemeint, dass der BF nach Hause gehen solle um Geld zu holen, falls ein Medikament oder sonst etwas notwendig sein sollte, falls sein Vater noch leben sollte.
Zuhause habe er dann einen Anruf von seinem Freund, dem Bodyguard des Stiefonkels, bekommen, welcher ihm erzählt habe, dass der Stiefonkel seinen Vater getötet habe. Der BF habe das nicht geglaubt. Sein Freund sei dann zum BF nach Hause gekommen und habe ihm ein Foto des Stiefonkels bei der Tat gezeigt. Sein Freund sei bei dieser Tat dabei gewesen.
Er sei nicht zur Polizei gegangen, weil es keinen Sinn gemacht hätte, weil die Bezirksanwälte selbst mit der Polizei in Kontakt stehen würden. Trotz des Beweises sei es nicht möglich gewesen, den Mann zu beschuldigen. Er sei dann nicht mehr ins Krankenhaus gefahren, weil als er seinen Vater damals am Boden liegen gesehen habe, habe er gewusst, dass dieser tot gewesen sei. Die Unterlagen, welche die Überschreibung des Besitzes dokumentieren, habe er in Griechenland im Meer verloren.
Er sei nicht persönlich vom Stiefonkel bedroht worden; nach dem Tod seines Vaters hätte dieser sicher auch den BF getötet. Wenn jemand einen töten wolle, dann werde der sich nicht persönlich gegenüberstellen, sondern er töte einfach. Der Stiefonkel wäre sicher bereit gewesen, das Leben des BF zu nehmen für dieses Grundstück.
Befragt, warum er bisher im Verfahren vom Mord und der Bedrohung nichts gesagt habe, gab der BF an, wenn er nicht gefragt werde, wem solle er es dann sagen. Es könne schon sein, dass diese Frage zum Fluchtgrund bei der Erstbefragung vom Referenten gestellt worden sei; aber der Dolmetscher habe ihm diese Frage, warum er sein Heimatland verlassen habe, definitiv nicht gestellt.
Bei einer Rückkehr würde er das gleiche Schicksal wie sein Vater haben. Er glaube das, weil er die Grundbuchseintragungen verloren habe und bei seiner Rückkehr würde er sicher getötet werden. Nach Kabul könne er nicht zurück, weil dieser Mann überall seine Kontakte habe. Ein Mörder habe überall seine Kontakte. Er kenne ihn. Er könne ihn einschätzen, wie er sei. Jemand, der seit seinem 15. Lebensjahr kriminell und ein Mörder sei, werde schon in jeder Stadt in Afghanistan seine Leute haben, die ihn finden können.
6. In der Stellungnahme vom 17.10.2017 brachte der BF u.a. vor, er sei nicht zur Polizei gegangen, weil der Mörder seines Vaters ein Verbrecher sei und beste Verbindungen zu den Bezirksbehörden und das nicht nur in Mazar-e-Sharif habe. Sein Stiefonkel habe sehr gute Kontakte zum Provinzchef von Mazar-e-Sharif namens Ostad Atta Mohammad Nor. Die Dolmetscherin habe das mit Bezirksanwalt übersetzt, was nicht richtig sei. Tatsächlich sei dieser Mann sehr mächtig und habe sogar eine eigene Armee. Nicht einmal der Präsident könne ihn kontrollieren oder absetzen. Er beeinflusste auch die Polizei und die Gerichte und ein einzelner Mensch könne sich dagegen nicht wehren. Das sei der Grund, warum er so schnell wie möglich flüchten habe wollen.
7. Mit Bescheid vom 16.11.2017 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.).
8. Mit Verfahrensanordnung vom 19.11.2017 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
9. Der BF erhob gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht Beschwerde, welche am 14.12.2017 beim BFA einlangte und in der Folge an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet wurde (eingelangt am 18.12.2017). Nach dem Beschwerdevorbringen sei der BF schiitischer Hazara (s. S. 2).
10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.06.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF und seine Rechtsvertreterin teilnahmen und der ein Dolmetscher für die Sprache Dari beigezogen wurde. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil; die Verhandlungsschrift wurde dem BFA übermittelt.
11. In der Folge langten insbesondere zwei Stellungnahmen seitens des BF zu Länderberichten beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
Der volljährige BF führt den Namen XXXX , geb. am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Seine Muttersprache ist Dari. Der BF ist nicht verheiratet oder verlobt, er hat keine Kinder.
Der BF stammt aus der Stadt Mazar-e-Sharif, Provinz Balkh, Afghanistan. Der BF besuchte dort ungefähr elf Jahre lang die Schule, davon etwa die Hälfte eine staatliche Schule und etwa die Hälfte eine Privatschule. Er konnte dort auch bereits erste Arbeitserfahrungen im Hilfsbereich sammeln.
Die Stiefmutter und der Stiefbruder des BF, XXXX , leben noch in Mazar-e Sharif.
Eine Tante des BF lebt im Iran.
Der BF lebte ungefähr bis September 2015 in Afghanistan.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF stellte am 22.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der Vater des BF wurde nicht unmittelbar vor dessen Ausreise wegen Grundstückstreitigkeiten ermordet. Der BF ist in Afghanistan keiner Verfolgung und damit einhergehenden physischen und/oder psychischen Gewalt in Zusammenhang mit der Ermordung seines Vaters bzw. Grundstücksstreitigkeiten durch seine Stiefmutter bzw. (kriminellen) Stiefonkel bzw. ihnen nahestehenden Personen ausgesetzt.
Weiters ist konkret der BF aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw. aufgrund einer schiitischen Glaubensrichtung in Afghanistan - konkret auch in seiner Heimatprovinz Balkh oder der Stadt Herat - keiner gegen seine Person gerichteten psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt bzw. hat er eine solche im Falle seiner Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Damit im Zusammenhang stehend ist ebenso wenig jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion in Afghanistan und konkret in der Provinz Balkh oder der Stadt Herat physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.
Konkret der BF ist auf Grund der Tatsache, dass er sich in Europa aufgehalten hat und damit einhergehend "westlicher" orientiert ist, in Afghanistan keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt bzw. hat er (oder jeder derartige "Rückkehrer") eine solche im Falle seiner Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten.
Der BF wurde als schiitischer Moslem sozialisiert. Der BF steht seit ungefähr zweieinhalb Jahren in engem Kontakt mit dem einvernommenen Zeugen XXXX , welcher selbst liberal und atheistisch eingestellt ist und dessen Familie. Der BF übt derzeit den schiitischen Glauben nicht aus und hat sich auch emotional von ihm distanziert. Der BF hat seine Religionszugehörigkeit aber nicht aus ideellen Gründen gezielt aufgegeben und abgelegt und ist eine atheistische bzw. areligiöse Überzeugung auch kein wesentlicher Bestandteil der Identität des BF geworden.
Es ist nicht davon auszugehen, dass der BF atheistischen bzw. areligiöse Interessen im Falle der Rückkehr nach Afghanistan nachkommen würde oder diese nach außen zur Schau tragen würde. Es ist nicht davon auszugehen, dass die afghanischen Behörden und/oder das persönliche Umfeld des BF von einer atheistische bzw. areligiöse Überzeugung bei einer Rückkehr nach Afghanistan Kenntnis erlangen würde oder bereits erlangt hätten. Es ist insgesamt nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund einer atheistische bzw. areligiöse Überzeugung bzw. eines Abfalls vom islamischen Glauben psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.
Insgesamt ist der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.
1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF:
Im Falle einer Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention. Dem BF steht auch eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt Herat zur Verfügung.
Der BF liefe im Falle einer Rückkehr dorthin keiner Gefahr grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Der BF leidet an keiner ernsthaften Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde. Der BF ist mobil, anpassungsfähig, befindet sich im erwerbsfähigen Alter und ist auch arbeitsfähig.
Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF ausschließen könnten, liegen nicht vor. Die kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates sind dem BF vertraut und verfügt dieser über langjährige (staatliche und private) Schulbildung, erste Arbeitserfahrungen und beherrscht Dari in Wort und Schrift.
1.4. Zum Leben in Österreich
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Nach seinen eigenen Angaben ist er auch in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft. Er ist kein Mitglied einer politischen Partei und war auch sonst nicht politisch aktiv.
Der BF hält sich seit Oktober 2015 in Österreich auf. Er hat keine Familienangehörige bzw. Verwandte in Österreich. Der BF hat in Österreich österreichische und afghanische Freunde.
Der BF besuchte zwischenzeitlich Kurse (Deutschkurse) und absolvierte Deutschprüfungen. Er treibt in seiner Freizeit Sport, indem er Fußball spielt (auch beim XXXX ) und ist der BF auch Mitglied in einem XXXX -Verein. Er war (gemeinnützig) tätig, so in XXXX drei Monate und in den Monaten Februar, August, Dezember 2017 und Februar, April 2018 bei der Stadtgemeinde XXXX . Der BF war bis zuletzt in Österreich nicht erwerbstätig und lebte von der Grundversorgung. Mit Bescheid vom 20.11.2018 wurde dem BF aber eine Beschäftigungsbewilligung (Branchenkontingent) erteilt, für die berufliche Tätigkeit als XXXX für die Zeit vom XXXX bis XXXX , mit einem monatlichen Bruttoentgelt von XXXX ,- Euro (Vollzeit).
1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.5.1. Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation idF vom 11.09.2018 (verbliebene Fehler im Original):
"1.5.1.1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)
[...]
KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018; (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)
[...]
1.5.1.2. Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).
[...]
Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).
[...]
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).
Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).
Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der USAmerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).
Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).
Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).
[...]
Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017) Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).
Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):
[...]
* Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).
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Zivilist/innen
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Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.200931.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA
2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).
Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nichtziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).
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Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).
Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).
Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).
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Regierungsfeindliche Gruppierungen: Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische
Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfereinschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).
Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).
Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).
Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).
Taliban Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSFOperationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017). Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).
Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch USamerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen FriendensKonferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).
Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018). IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der ISKämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).
Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).
Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).
Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).
Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).
Haqqani-Netzwerk
Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).
Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).
Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).
Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).
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1.5.1.3. Balkh
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).
Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).
Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:
Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).
Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).
Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).
In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:
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Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Balkh Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).
Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).
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1.5.1.4. Herat
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist HeratStadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).
Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der SafranProduktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).
Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).
Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).
Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).
Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:
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Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Herat In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o.D.).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;
vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;
vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten TalibanGruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018). ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).
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1.5.1.5. Erreichbarkeit
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Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif
Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).
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Internationaler Flughafen Herat
Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vgl. TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).
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1.5.1.6. Sicherheitsbehörden
In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS) (USDOS 20.4.2018). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist (USDOD 6.2017).
Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte (CIA 2018). Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANAKommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anm.). Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) (USDOD 6.2017; vgl. USDOD 2.2018, SIGAR 30.4.2018a, Tolonews 6.11.2017). Auch das NDS ist Teil der ANDSF (USDOS 3.3.2017).
Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u. a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen (USDOD 6.2017; vgl. USDOD 2.2018).
Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt 313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat (SIGAR 30.4.2018b). Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt (USDOD 6.2017).
Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats." (AA 5 .2018). Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt (TG 26.5.2018; vgl. E1 2.12.2017).
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Aktuelle Tendenzen und Aktivitäten der ANDSF
Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).
Die USA erhöhten ihren militärischen Einsatz in Afghanistan: Im ersten Quartal des Jahres 2018 wurden USamerikanische Militärflugzeuge nach Afghanistan gesandt; auch ist die erste U.S. Army Security Force Assistance Brigade, welche die NATO-Kapazität zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte verstärken soll, in Afghanistan angekommen (SIGAR 30.4.2018a). Während eines Treffens der NATO-Leitung am 25.5.2017 wurde verlautbart, dass sich die ANDSFStreitkräfte zwar verbessert hätten, diese jedoch weiterhin Unterstützung benötigen würden (NATO o.D.).
Die ANDSF haben in den vergangenen Monaten ihren Druck auf Aufständische in den afghanischen Provinzen erhöht; dies resultierte in einem Anstieg der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Zivilisten in der Hauptstadt. Wegen der steigenden Unsicherheit in Kabul verlautbarte der für die Resolute Support Mission (RS) zuständige US-General John Nicholson, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt sein primärer Fokus sei (SIGAR 30.4.2018a). Die ANDSF weisen Erfolge in urbanen Zentren auf, hingegen sind die Taliban in ländlichen Gebieten, wo die Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte gering ist, erfolgreich (USDOD 6.2017). Für das erste Quartal des Jahres 2018 weisen die ANDSF einige Erfolge wie die Sicherung der Konferenz zum Kabuler Prozess im Februar und den Schutz der Einweihungszeremonie des TAPIProjekts in Herat auf (SIGAR 30.4.2018a). Nachdem die Operation Shafaq II beendet wurde, sind die ANDSF-Streitkräfte nun an der Operation Khalid beteiligt und unterstützen somit Präsident Ghanis Sicherheitsplan bis 2020 (USDOD 6.2017).
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1.5.1.7. Allgemeine Menschenrechtslage
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen (AA 5 .2018).
Zu den bedeutendsten Menschenrechtsfragen zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen, Festnahmen (u. a. von Frauen wegen "moralischer Straftaten") und sexueller Missbrauch von Kindern durch Mitglieder der Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind Gewalt gegenüber Journalisten, Verleumdungsklagen, durchdringende Korruption und fehlende Verantwortlichkeit und Untersuchung bei Fällen von Gewalt gegen Frauen. Diskriminierung von Behinderten, ethnischen Minderheiten sowie aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung, besteht weiterhin mit geringem Zuschreiben von Verantwortlichkeit. Die weit verbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Straffreiheit derjenigen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, sind ernsthafte Probleme. Missbrauchsfälle durch Beamte, einschließlich der Sicherheitskräfte, werden von der Regierung nicht konsequent bzw. wirksam verfolgt. Bewaffnete aufständische Gruppierungen greifen mitunter Zivilisten, Ausländer und Angestellte von medizinischen und nicht-staatlichen Organisationen an und begehen gezielte Tötungen regierungsnaher Personen (USDOS 20.4.2018). Regierungsfreundlichen Kräfte verursachen eine geringere - dennoch erhebliche - Zahl an zivilen Opfern (AI 22.2.2018).
Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 5 .2018). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 5 .2018). Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen operieren in der Regel ohne staatliche Einschränkungen und veröffentlichen ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbedienstete sind in dieser Hinsicht einigermaßen kooperativ und ansprechbar (USDOS 20.4.2018). Die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Afghanistan Independent Human Rights Commission AIHRC bekämpft weiterhin Menschenrechtsverletzungen. Sie erhält nur minimale staatliche Mittel und stützt sich fast ausschließlich auf internationale Geldgeber. Innerhalb der Wolesi Jirga beschäftigen sich drei Arbeitsgruppen mit Menschenrechtsverletzungen: der Ausschuss für Geschlechterfragen, Zivilgesellschaft und Menschenrechte, das Komitee für Drogenbekämpfung, berauschende Drogen und ethischen Missbrauch sowie der Jusitz-, Verwaltungsreform- und Antikorruptionsausschuss (USDOS 20.4.2018).
Im Februar 2016 hat Präsident Ghani den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).
Seit 1.1.2018 ist Afghanistan für drei Jahre Mitglied des Human Rights Council (HRC) der Vereinten Nationen. Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Zuschreibung von Verantwortlichkeit (HRC 21.2.2018).
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1.2.1.8. Religionsfreiheit
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5 .2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (DeobandiHanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).
Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).
Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5 .2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5 .2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für NichtMuslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nichtmuslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).
Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).
Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).
Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).
Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).
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Schiiten
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS 15.8.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017).
Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.4.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.8.2017).
Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 7.6.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.8.2017).
Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017).
Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.8.2017).
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1.5.1.9. Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt:
"Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5 .2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).
Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).
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Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der TalibanHerrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5 .2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).
So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).
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1.5.1.10. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge
Wegen des Konflikts wurden im Jahr 2017 insgesamt 475.433 Menschen in Afghanistan neu zu Binnenvertriebenen (IDPs) (UN GASC 27.2.2018). Im Zeitraum 2012-2017 wurden insgesamt 1.728.157 Menschen im Land zu Binnenvertriebenen (IOM/DTM 26.3.2018).
Zwischen 1.1.2018 und 15.5.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23% davon sind erwachsene Männer, 21% erwachsene Frauen und 55% minderjährige Kinder (UN OCHA 15.5.2018).
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Zwischen 1.1.2018 und 29.4.2018 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Kunduz und Faryab (USAID 30.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Herat, Nangarhar, Kabul, Kandahar, Takhar, Baghlan, Farah, Balkh, Herat, Kunduz, Kunar, Khost, Nimroz, Logar, Laghman und Paktya (IOM 8.5.2018; vgl. IOM/DTM 26.3.2018). Vertriebene Bevölkerungsgruppen befinden sich häufig in schwer zugänglichen und unsicheren Gebieten, was die afghanischen Regierungsbehörden und Hilfsorganisationen bei der Beurteilung der Lage bzw. bei Hilfeleistungen behindert. Ungefähr 30% der 2018 vertriebenen Personen waren mit Stand 21.3.2018 in schwer zugänglichen Gebieten angesiedelt (USAID 30.4.2018).
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Die meisten IDPs stammen aus unsicheren ländlichen Ortschaften und kleinen Städten und suchen nach relativ besseren Sicherheitsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz (USDOS 20.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 lebten 54% der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten. Dies führte zu weiterem Druck auf die bereits überlasteten Dienstleistungen sowie die Infrastruktur sowie zu einem zunehmenden Kampf um die Ressourcen zwischen den Neuankömmlingen und der einheimischen Bevölkerung (UN OCHA 12.2017).
Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflüchtlinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen (AA 5 .2018).
Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führt zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und rechtzeitigen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlt weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft. Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben oft Schwierigkeiten grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen. Berichten zufolge werden viele Binnenvertriebene diskriminiert, haben keinen Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen sowie anderen grundlegenden Dienstleistungen und leben unter dem ständigen Risiko, aus ihren illegal besetzten Quartieren delogiert zu werden (USDOS 20.4.2018).
Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Rückkehrende sind wegen des Mangels an landwirtschaftlichem Besitz und Vermögen besonders gefährdet. Berichten zufolge brauchen mehr als 80% der Binnenvertriebenen Nahrungsmittelhilfe (USAID 30.4.2018). Die afghanische Regierung kooperierte mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, um die erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen zu fördern (USDOS 20.4.2018). Im Rahmen der humanitären Hilfe wurden IDPs je nach Region und klimatischen Bedingungen unterschiedlich unterstützt, darunter Nahrungspakete, Non-Food-Items (NFI), grundlegende Gesundheitsdienstleistungen, Hygienekits usw. (UN OCHA 27.5.2018; vgl. UN OCHA 20.5.2018, UN OCHA 21.1.2018).
Organisationen wie Afghanaid, Action Contre La Faim (ACF), Agency for Technical Cooperation and Development (ACTED), Afghan Red Crescent Society (ARCS), Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA), CARE, Danish Committee for Aid to Afghan Refugees (DACAAR), IOM, Danish Refugee Council (DRC), New Consultancy and Relief Organization (NCRO), Save the Children International (SCI), UN's Children Fund (UNICEF), UNHCR, World Food Programme (WFP) bieten u.a. Binnenvertriebenen Hilfeleistungen in Afghanistan an (UN OCHA 27.5.2018; vgl. UN OCHA 20.5.2018).
[...]
1.5.1.11. Grundversorgung und Wirtschaft
Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188 (UNDP 2016). Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (IWF 8.12.2017; vgl. WB 10.4.2018). Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden (SCA 22.5.2018). Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (WB 10.4.2018).
Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert (IWF 8.12.2017). Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (UN GASC 27.2.2018).
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018).
Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).
Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).
Projekte der afghanischen Regierung Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern (UN GASC 27.2.2018). Darunter fällt u. a. der fünfjährige (2017 - 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind u. a. der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. (WP 10.4.2018.; vgl. GEC 29.1.2017). Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program" ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien (UN GASC 27.2.2018).
Das "Citizens' Charter National Priority Program" z. B. hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen. Die erste Phase des Projektes sollte ein Drittel der 34 Provinzen erfassen und konzentrierte sich auf Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar. Ziel des Projekts ist es, 3,4 Mio. Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, die Gesundheitsdienstleistungen, das Bildungswesen, das Straßennetz und die Stromversorgung zu verbessern, sowie die Zufriedenheit und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu steigern. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Behinderte, Arme und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).
[...]
1.5.1.12. Medizinische Versorgung
Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5 .2018).
In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen (WHO o.D.). Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht (TWBG 10.2016; vgl. USAID 25.5.2018). Gründe dafür waren u. a. eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. (TWBG 10.2016). Einer Umfrage der Asia Foundation (AF) zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (AF 11.2017).
Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011-2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012-2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren (WHO o.D.).
[...]
Krankenkassen und Gesundheitsversicherung
Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden (MoPH 7.2005; vgl. MedCOI 4.1.2018). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen dieKosten nicht ausreichend decken (MedCOI 24.2.2017). Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (IOM 5.2.2018).
Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen (MoPH 7.2005; vgl. AP&C 9.2016). 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 5 .2018).
Beispiele für Behandlung psychischer erkrankter Personen in Afghanistan
In der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Die afghanische Regierung ist sich der Problematik bewusst und hat geistige Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt. Jedoch ist der Fortschritt schleppend und die Leistungen außerhalb von Kabul sind dürftig. In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen und psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet. Sie sind Teil der Familie und werden genauso wie Kranke und Alte gepflegt. Daher müssen körperlich und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch eine starke familiäre und gemeinschaftliche Unterstützung sicherstellen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 2017). Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam. So existieren z. B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können beim RotenHalbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. Einige dieser NGOs sind die International Psychological Organisation (IPSO) in Kabul, die Medica Afghanistan und die PARSA (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt" oder es wird ihnen durch eine "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben (AA 9 .2016; vgl. AP 18.8.2016). Beispielweise wurde in der Provinz Badakhshan durch internationale Zusammenarbeit ein Projekt durchgeführt, bei dem konventionelle und kostengünstige e-Gesundheitslösungen angewendet werden, um die vier häufigsten psychischen Erkrankungen zu behandeln: Depressionen, Psychosen, posttraumatische Belastungsstörungen und Suchterkrankungen. Erste Evaluierungen deuten darauf hin, dass in abgelegenen Regionen die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessert werden konnte. Auch die gesellschaftliche Stigmatisierung psychisch Erkrankter konnte reduziert werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. NCBI 12.2016).
Trotzdem findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt (AA 5 .2018).
Krankenhäuser in Afghanistan
Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw. schnellere medizinische Versorgung zu bekommen (IOM 5.2.2018). Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (RFG 2017). In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Beeinträchtigungen wie Herz-, Nieren-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, die eine komplexe, fortgeschrittene Behandlung erfordern, wegen mangelnder technischer bzw. fachlicher Expertise nicht behandelt werden können (IOM 5.2.2018). Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten gebotenwerden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen (RFG 2017). Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung (IOM 5.2.2018).
Es folgt eine Liste einiger staatlicher Krankenhäuser:
[...]
* Herat Regionalkrankenhaus: Khaja Ali Movafaq Rd, Herat (MoPH 2013; vgl. Pajhwok 3.8.2017)
* Luqmah Hakim: Bagh-e Azadi Ave, Herat, Tel.: +93 (0)79 232 5907 (IOM 5.2.2017; vgl. LHH o.D.)
* Alemi Krankenhaus: Mazar-e Sharif (BFA Staatendokumentation 4.2018)
[...]
1.5.1.13. Rückkehr
Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand
21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017). Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).
[...]
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).
[...]
Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig: IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM Belgium o. D.). IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 25.1.2018). ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IRARA o. D., IOM 25.1.2018). AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. FB o.D.). Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017).
[...]
UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl UNHCR 13.12.2017).
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) - alle Leistungen sind kostenfrei (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Info Migrants 2.1.2018). Diejenigen, die es benötigen und inabgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).
[...]"
1.5.2. Auszug aus einer ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan zur Situation von 1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen KonvertitInnen, 3) Personen die Kritik am Islam äußern,
4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa vom 01.06.2017:
"[...]
Nach Angaben des US-Nachrichtendiensts Central Intelligence Agency (CIA) seien 99,7 Prozent der Bevölkerung Afghanistans Muslime. Der Anteil der Sunniten liege bei 84,7 bis 89,7 Prozent, während jener der Schiiten bei 10 bis 15 Prozent liege. Nichtmuslimische Gruppen würden 0,3 Prozent der Bevölkerung ausmachen (CIA, Stand 1. Mai 2017). Laut US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) würden zu den nichtmuslimischen Gruppen vor allem Hindus, Sikhs, Bahá'í und Christen zählen. Bezüglich Zahl der christlichen Gemeinden im Land würden keine verlässlichen Schätzungen vorliegen (USDOS, 10. August 2016, Section 1). Nach Angaben des niederländischen Außenministeriums handle es sich dabei wahrscheinlich um einige Dutzend Personen (BZ, 15. November 2016, S. 65). Laut Angaben der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD), eines evangelikalen Netzwerks verschiedener Kirchen und Gemeinschaften in Deutschland, gehe ‚[e]ine optimistische Schätzung [...] davon aus, dass es mehrere Tausend einheimische Christen' im Land gebe (EAD, 9. Juni 2015). Die staatliche United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt unter Berufung auf Berichte afghanischer Flüchtlinge in Europa, dass unter anderem die Zahl der Christen in Afghanistan seit dem Wiedererstarken der Taliban im Jahr 2015 vermutlich erheblich zurückgegangen sei (USCIRF, 26. April 2017).
1) Vom Islam abgefallene Personen (Apostaten)
Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo schreibt in einem Bericht vom September 2013, dass Apostasie (Arabisch: ridda) in der klassischen Scharia als ‚Weggehen' vom Islam verstanden werde und ein Apostat (Arabisch: murtadd) ein Muslim sei, der den Islam verleugne. Apostasie müsse nicht unbedingt bedeuten, dass sich der Apostat einer neuen Glaubensrichtung anschließe:
[...]
Artikel 2 der Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan vom Jänner 2004 legt die ‚heilige Religion des Islam' als Religion Afghanistans fest. Angehörige anderer Glaubensrichtungen steht es frei, innerhalb der Grenzen des Gesetzes ihren Glauben und ihre religiösen Rituale auszuüben. Gemäß Artikel 3 der Verfassung darf kein Gesetz in Widerspruch zu den Lehren und Vorschriften des Islam stehen. Laut Artikel 7 ist Afghanistan indes verpflichtet, die Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen, zwischenstaatlicher Vereinbarungen, internationaler Vertragswerke, deren Vertragsstaat Afghanistan ist, sowie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte einzuhalten. Artikel 130 der Verfassung schreibt vor, dass die Gerichte bei der Beurteilung von Fällen die Bestimmungen der Verfassung und anderer Gesetze zu berücksichtigen haben. Wenn es jedoch zu einem Fall keine Bestimmungen in der Verfassung oder anderen Gesetzen gibt, so haben die Gerichte entsprechend der (sunnitischen) hanafitischen Rechtssprechungstradition innerhalb der Grenzen der Verfassung auf eine Art und Weise zu entscheiden, welche am besten geeignet ist, Gerechtigkeit zu gewährleisten:
[...]
Bezug nehmend auf den soeben zitierten Artikel 130 der afghanischen Verfassung schreibt Landinfo im August 2014, dass dieser Artikel hinsichtlich Apostasie und Blasphemie relevant sei, da Apostasie und Blasphemie weder in der Verfassung noch in anderen Gesetzen behandelt würden. (Landinfo, 26. August 2014, S. 2). Im afghanischen Strafgesetzbuch existiere keine Definition von Apostasie (Landinfo, 4. September 2013, S. 10; USDOS, 10. August 2016, Section 2). Die US Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt, dass das Strafgesetzbuch den Gerichten ermögliche, Fälle, die weder im Strafgesetz noch in der Verfassung explizit erfasst seien, darunter Blasphemie, Apostasie und Konversion, gemäß dem Scharia-Recht der Hanafi-Rechtsschule und den sogenannten ‚hudud'-Gesetzen, die Vergehen gegen Gott umfassen würden, zu entscheiden (USCIRF, 26. April 2017). Die Scharia zähle Apostasie zu den sogenannten ‚hudud'-Vergehen (USDOS, 10. August 2016, Section 2) und sehe für Apostasie wie auch für Blasphemie die Todesstrafe vor (Landinfo, 26. August 2014, S. 2).
Die United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF), eine staatliche Einrichtung der USA zur Beobachtung der Situation hinsichtlich der Meinungs- Gewissens- und Glaubensfreiheit im Ausland, schreibt in ihrem Jahresbericht vom April 2017, dass staatlich sanktionierte religiöse Führer sowie das Justizsystem dazu ermächtigt seien, islamische Prinzipien und das Scharia-Recht (gemäß Hanafi-Rechtslehre) auszulegen. Dies führe zuweilen zu willkürlichen und missbräuchlichen Auslegungen und zur Verhängung schwerer Strafen, darunter der Todesstrafe (USCIRF, 26. April 2017).
Die Internationale Humanistische und Ethische Union (International Humanist and Ethical Union, IHEU), ein Zusammenschluss von über 100 nichtreligiösen humanistischen und säkularen Organisationen in mehr als 40 Ländern, bemerkt in ihrem im November 2016 veröffentlichten ‚Freedom of Thought Report 2016', dass sich die Gerichte bei ihren Entscheidungen weiterhin auf Auslegungen des islamischen Rechts nach der Hanafi-Rechtslehre stützen würden. Das Office of Fatwa and Accounts innerhalb des Obersten Gerichtshofs Afghanistans würde die Hanafi-Rechtsprechung auslegen, wenn ein Richter Hilfe dabei benötige, zu verstehen, wie die Rechtsprechung umzusetzen sei:
[...]
Thomas Ruttig, Ko-Direktor des Afghanistan Analysts Network (AAN), einer unabhängigen, gemeinnützigen Forschungsorganisation mit Hauptsitz in Kabul, die Analysen zu politischen Themen in Afghanistan und der umliegenden Region erstellt, bemerkte in einem Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016) Folgendes bezüglich der Rechtspraxis:
‚Zwar gibt es drei parallele Rechtssysteme (staatliches Recht, traditionelles Recht und islamisches Recht/Scharia), doch letztendlich ziehen sich viele Richter, wenn die Lage irgendwie politisch heikel wird, auf das zurück, was sie selber als Scharia ansehen, statt sich etwa auf die Verfassung zu berufen. Die Scharia ist nicht gänzlich kodifiziert, obwohl verschiedenste Rechtskommentare etc. existieren, und zudem gibt es zahlreiche Widersprüche in den Lehrmeinungen.' (ACCORD, Juni 2016, S. 10)
Michael Daxner, Sozialwissenschaftler, der das Teilprojekt C9 ‚Sicherheit und Entwicklung in Nordost-Afghanistan' des Sonderforschungsbereichs 700 der Freien Universität Berlin leitet, bemerkte beim selben Expertengespräch vom Mai bezüglich der Auslegung des islamischen Rechts und islamischer Prinzipien:
‚Sehr oft stammen die liberalsten Auslegungen von Personen, die etwa an einer Einrichtung wie der Al-Azhar in Kairo studiert haben und daher mit den Rechtskommentaren vertraut sind. Man kann sich indes kaum vorstellen, wie wenig theologisch und religionswissenschaftlich versiert die Geistlichen auf den unteren Ebenen sind. Wenn ein Rechtsgelehrter anwesend ist, der etwa von der Al-Azhar kommt, kann er die Sache auch ein Stück weit zugunsten des Beschuldigten drehen, denn je mehr glaubwürdige Kommentare dem Scharia-Text zugefügt werden, desto besser sieht es für die Betroffenen aus.' (ACCORD, Juni 2016, S. 10)
Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR) geht in seinen im April 2016 veröffentlichten Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender wie folgt auf die strafrechtlichen Konsequenzen von Apostasie bzw. Konversion vom Islam ein:
‚Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tod bestraft. Zwar wird Apostasie im afghanischen Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich als Straftat definiert, fällt jedoch nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung unter die nicht weiter definierten ‚ungeheuerlichen Straftaten', die laut Strafgesetzbuch nach der islamischen Hanafi-Rechtslehre bestraft werden und in den Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft fallen.
Damit wird Apostasie als Straftat behandelt, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist.'
(UNHCR, 19. April 2016, S. 61)
Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem im August 2016 veröffentlichten Länderbericht zur internationalen Religionsfreiheit (Berichtsjahr 2015), dass laut Hanafi-Rechtlehre Männer bei Apostasie mit Enthauptung und Frauen mit lebenslanger Haft zu bestrafen seien, sofern die Betroffenen keine Reue zeigen würden. Richter könnten zudem geringere Strafen verhängen, wenn Zweifel am Vorliegen von Apostasie bestünden. Laut der Auslegung des islamischen Rechts durch die Gerichte würde der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion Apostasie darstellen. In diesem Fall habe die betroffene Person drei Tage Zeit, um die Konversion zu widerrufen. Widerruft sie nicht, so habe sie die für Apostasie vorgesehene Strafe zu erhalten. Die genannten Entscheidungsempfehlungen würden in Bezug auf Personen gelten, die geistig gesund und vom Alter her ‚reif' seien. Dieses Alter werde im Zivilrecht mit 18 Jahren (bei Männern) bzw. 16 Jahren (bei Frauen) festgelegt. Gemäß islamischem Recht erreiche eine Person dieses Alter, sobald sie Anzeichen von Pubertät zeige:
[...]
Auch der Bericht von Landinfo vom September 2013 behandelt unter Berufung auf verschiedene Quellen die rechtlichen Folgen von Apostasie. Das Strafrecht sehe gemäß Scharia die Todesstrafe für erwachsene zurechnungsfähige Männer vor, die den Islam freiwillig verlassen hätten. Diese Rechtsauffassung gelte sowohl für die schiitisch-dschafaritische als auch für die (in Afghanistan dominierende) sunnitisch-hanafitische Rechtsschule. Nach einer Einschätzung in einer Entscheidung des britischen Asylum and Immigration Tribunal aus dem Jahr 2008 sei das Justizwesen in Afghanistan mehrheitlich mit islamischen Richtern besetzt, die den Doktrinen der hanafitischen bzw. dschafaritischen Rechtssprechung folgen würden, welche die Hinrichtung von muslimischen Konvertiten empfehlen würden. Die Strafen für Frauen im Falle von Apostasie seien indes weniger schwer: sie würden ‚gefangen gehalten'. Die sunnitischhanafitische Rechtslehre sehe dabei eine mildere Bestrafung vor als die schiitischdschafaritische. Während letztere vorsehe, dass (weibliche) Apostatinnen täglich jeweils zu den Gebetszeiten ausgepeitscht würden, sehe die hanafitische Lehre vor, dass sie jeden dritten Tag geschlagen würden, um sie zu zur Rückkehr zum Islam zu bewegen. Neben Frauen seien auch Kinder, androgyne Personen und nichtgebürtige Muslime im Fall von Apostasie von der Todesstrafe ausgenommen. Bezüglich der Anwendung der Scharia und der strafrechtlichen Konsequenzen für Apostasie liege kein Erfahrungsmaterial speziell zu Afghanistan vor. Zugleich sei Landinfo der Auffassung, es gebe Grund zur Annahme, dass etwaige gerichtliche Entscheidungen in diesem Bereich unterschiedlich ausgefallen seien, jedoch den soeben beschriebenen Richtlinien entsprechen würden, wobei die Variationen eventuell weniger ausgeprägt sein könnten. Dies gelte auch für die zivilrechtlichen Folgen von Apostasie. Wie Landinfo bemerkt, könne in Afghanistan gemäß Verfassung und religiösen Rechtsmeinungen die Todesstrafe verhängt werden, wenn ein Fall von Konversion vor Gericht komme. Dies gelte sowohl für das staatliche als auch für das traditionelle Rechtssystem:
[...]
Dem USDOS zufolge seien aus dem Berichtsjahr 2015 keine Fälle von tätlichen Übergriffen, Inhaftierungen, Festnahmen oder Strafverfolgung wegen Apostasie bekannt (USDOS, 10. August 2016, Section 2).
UNHCR schreibt in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender Folgendes über zivilrechtliche und gesellschaftliche Folgen einer (vermeintlichen) Apostasie bzw. Konversion:
‚Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grund und sonstigen Eigentums. Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren.
Berichten zufolge herrscht in der öffentlichen Meinung eine feindliche Einstellung gegenüber missionarisch tätigen Personen und Einrichtungen. Rechtsanwälte, die Angeklagte vertreten, denen Apostasie zur Last gelegt wird, können Berichten zufolge selbst der Apostasie bezichtigt und mit dem Tod bedroht werden. [...]
Darüber hinaus besteht für Personen, denen Verstöße gegen die Scharia wie Apostasie, Blasphemie, einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch (zina) vorgeworfen werden, nicht nur die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaften, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte (AGEs).' (UNHCR, 19. April 2016, S. 61-62)
Landinfo schreibt in einem Bericht vom September 2013, dass die Situation von Apostaten, die hin zu einer anderen Religion konvertieren, eine andere sei als jene von Atheisten oder säkular eingestellten Personen. Mit dem Negieren bzw. Bezweifeln der Existenz Gottes würden keine Erwartungen an ein bestimmtes Verhalten im Alltag einhergehen. Eine Konversion zu einer Religion hingegen sei mit Verhaltensvorschriften, kirchlichen Traditionen und Ritualen zu verbinden, die schwieriger zu verbergen seien: [...]
Die IHEU bemerkt in ihrem Bericht vom November 2016, dass nur sehr wenige Fälle von ‚Ungläubigen' bzw. Apostaten verzeichnet würden, was wahrscheinlich jedoch bedeute, dass viele Konvertiten und Andersgläubige zu viel Angst davor hätten, ihren Glauben öffentlich kundzutun. Der Übertritt vom Islam werde selbst von vielen Personen, die sich allgemein zu demokratischen Werten bekennen würden, als Tabu angesehen. (IHEU, 1. November 2016)
Laut einem Artikel von BBC News vom Jänner 2014 stelle Konversion bzw. Apostasie in Afghanistan nach islamischem Recht eine Straftat dar, die mit der Todesstrafe bedroht sei. In manchen Fällen würden die Leute jedoch die Sache selbst in die Hand nehmen und einen Apostaten zu Tode prügeln, ohne dass die Angelegenheit vor Gericht gelange:
[...]
Weiters bemerkt BBC News, dass für gebürtige Muslime ein Leben in der afghanischen Gesellschaft eventuell möglich sei, ohne dass sie den Islam praktizieren würden oder sogar dann, wenn sie ‚Apostaten' bzw. ‚Konvertiten' würden. Solche Personen seien in Sicherheit, solange sie darüber Stillschweigen bewahren würden. Gefährlich werde es dann, wenn öffentlich bekannt werde, dass ein Muslim aufgehört habe, an die Prinzipien des Islam zu glauben. Es gebe kein Mitleid mit Muslimen, die ‚Verrat an ihrem Glauben' geübt hätten, indem sie zu einer anderen Religion konvertiert seien oder aufgehört hätten, an den einen Gott und an den Propheten Mohammed zu glauben. In den meisten Fällen werde ein Apostat von seiner Familie verstoßen:
[...]
4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten
Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) erläuterte in einem Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016):
‚Obwohl es sicher einzelne Personen gibt, die zum Atheismus tendieren, besucht selbst der stärkste Säkularist trotz allem hin und wieder die Moschee und nimmt an bestimmten Handlungen nach altem islamischen Brauch teil. So sind Dinge, von denen man gemeinhin annimmt, dass man sie nur tun könne, wenn man vom Islam abfällt (wie z. B. Bier trinken) weiter verbreitet, als man denkt: Man kann Bier trinken und dennoch Moslem sein. Aber Atheismus als Bewegung gibt es in Afghanistan eher nicht. [...]
Einfach schon zur Tarnung nimmt man weiter an traditionellen religiösen Handlungen teil. Ein Glaubensübertritt lässt sich recht gut verheimlichen, da es ohnehin viele Muslime gibt, die nicht regelmäßig die Moschee besuchen. D.h. wenn jemand nicht in die Moschee geht, kommt er nicht automatisch dadurch in den Verdacht, etwa zum Christentum übergetreten zu sein. Und zu besonderen Anlässen wie Begräbnissen und Hochzeiten geht ohnehin jeder in die Moschee. Derlei Dinge haben dann nicht mehr unbedingt religiösen Charakter. Dies macht es leichter, einen Übertritt geheim zu halten. Doch wenn ein Glaubensübertritt bekannt wird, habe ich keinen Fall gesehen, bei dem dieser toleriert wurde. Die größten Probleme, die auftreten, sind dann häufig solche mit der Familie bzw. Personen in der Nachbarschaft.' (ACCORD, Juni 2016, S. 9)
Der Sozialwissenschaftler Michael Daxner erklärte im Expertengespräch vom Mai 2016:
‚Es gab schon immer auch eine säkulare Tradition, wenn auch stets in beschränktem Umfang. Sie wird in der Regel toleriert, solange man bestimmte islamische religiöse Handlungen mitmacht und nicht agitiert. Aber es gibt auch Gegenbeispiele. So ist ein Bekannter von mir, mit dem ich 2003-2005 an hoher staatlicher Position zusammengearbeitet habe, schlichtweg wegen Säkularismus enthoben worden [...].' (ACCORD, Juni 2016, S. 9)
Wie Landinfo in einer Anfragebeantwortung vom August 2014 bemerkt, werde eine Person nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen, wenn sie nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnehme. Auch für strenggläubige Muslime könne es legitime Gründe geben, religiösen Zeremonien fernzubleiben. Ein Vertreter einer örtlichen Menschenrechtsorganisation habe erklärt, dass es Personen im städtischen Raum möglich sei, auf Moscheebesuche oder das Fasten während des Ramadan zu verzichten. Es gebe geografisch bedingte Unterschiede, und solche abweichenden Verhaltensweisen würden im städtischen Raum und in gebildeten Milieus eher toleriert als im ländlichen Raum.
Derselben Quelle zufolge könne es auch Unterschiede je nach ethnischer und religiöser Gruppe geben. So hätten Schiiten mehr Freiheit zu entscheiden, zu welchem Mullah sie gehen möchten und damit auch in Bezug auf die Frage, ob sie in die Moschee gehen wollen und gegebenenfalls in welche Moschee. Bei Sunniten werde in stärkerem Ausmaß erwartet, dass sie zumindest eines der fünf Gebete am Tag in einer Moschee verrichten. Nach Angaben der Quelle sei es zudem in der paschtunischen Kultur üblich, seiner religiösen Zugehörigkeit durch kulturelle Praktiken (Handlungen im Alltag) Ausdruck zu verleihen. Folglich sei es schwieriger, abweichende Haltungen zu verschleiern, und es bestehe eine geringere Toleranz für divergierende Handlungen. Andere Quellen hätten bestätigt, dass es Raum dafür gebe, auf Befolgung religiöser Rituale und Vorschriften zu verzichten, ohne dass dies notwendigerweise Aufmerksamkeit errege. In Gemeinden, wo Abweichungen von religiösen Ritualen und Vorschriften keine Akzeptanz fänden, würden Personen mit abweichenden religiösen Ansichten die Rituale befolgen, um keinen Verdacht zu erregen:
[...]
5) Rückkehrer aus Europa
In einem im Mai 2016 abgehaltenen und im Juni 2016 veröffentlichten Expertengespräch ging Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) wie folgt auf die Lage von Rückkehrenden aus dem westlichen Ausland ein:
‚Ein Aufenthalt im westlichen Ausland wirkt in den Augen vieler Leute kontaminierend und zudem ist Afghanistan im Laufe der Konflikte konservativer, orthodoxer und fundamentalistischer geworden. Da Intervention, Modernisierung und Finanzhilfen durch das Ausland keine Verbesserung der Lage bewirkt haben, ist auch das Misstrauen gegenüber dem Ausland insgesamt gewachsen. Die Leute bekommen ja inzwischen auch viel über soziale Netzwerke, Fernsehen oder Radio mit. So habe ich Leute in Afghanistan getroffen, die mich etwa gefragt haben: ‚Stimmt es, dass da Muslime zum Christentum übertreten?' Wenn dann jemand aus dem Westen zurückkommt, wird die Person genauer unter die Lupe genommen und das kann dann schon dazu führen, dass Verdachtsmomente auftauchen. Aber ich denke, dass die Auslöser für Anschuldigungen wahrscheinlich doch etwas konkreter sind, d.h. die betreffende Person verplappert sich bzw. sagt einmal etwas Falsches in Diskussionen (die durchaus hitzig geführt werden), oder es wird eine entsprechende religiöse Handlung beobachtet, zumal sich die Christen auch (in kleineren Gruppen) in bestimmten Räumen treffen, um ihre Gottesdienste abzuhalten bzw. zu beten. Es kann sein, dass diese überwacht werden und auch der Geheimdienst (der ja auch nicht völlig unpolitisch ist) Derartiges mitbekommt. Dies wären in etwa Anlässe, bei denen dann jemand wegen Glaubensübertritts in Verdacht geraten könnte.' (ACCORD, Juni 2016, S. 11)
Im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Fall von Farkhunda Malikzada thematisiert Frederike Stahlmann, Doktorandin am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle (Deutschland) mit Forschungsschwerpunkt auf Recht und Religion in Afghanistan, in einem Artikel vom März 2017 die Lage von Rückkehrenden aus dem Ausland:
‚Das Beispiel weist zugleich auf das besondere Risiko für Rückkehrende hin, als ‚verwestlicht' angesehen zu werden und somit dem Vorwurf der Kollaboration mit dem Feind oder des Abfalls vom Glauben ausgesetzt zu werden. Auch hier besteht eine tödliche Gefahr nicht nur von Seiten der Taliban, sondern auch durch die Gesellschaft im Allgemeinen.' (Stahlmann, März 2017, S. 83)
Auf verschiedene Aspekte betreffend die Lage von Rückkehrenden nach Afghanistan wird auch in einem Artikel von Adam Naber, derzeit Mitarbeiter beim deutschen Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, eingegangen: [...]
Liza Schuster, Migrationsforscherin und Dozentin für Soziologie an der City University in London mit mehrjähriger Forschungserfahrung in Afghanistan, und Nassim Majidi, eine unter anderem auf Rückkehrmigration spezialisierte Sozialwissenschaftlerin und Mitarbeiterin in der unter anderem auf sozioökonomische Analysen zu Afghanistan spezialisierten Denkfabrik Samuel Hall, verfassten 2013 einen gemeinsamen wissenschaftlichen Artikel zum Thema Rückkehr. Den Autorinnen zufolge sei die Rolle von Schamgefühlen nicht zu unterschätzen, zumal diese weiteren Druck auf Rückkehrer ausüben würden, erneut das Land zu verlassen. So hätten junge afghanische Männer in Paris, die nach ihrer Abschiebung erneut emigriert seien, erklärt, dass ihre Familien kein Verständnis für die leidvollen Erfahrungen und Schwierigkeiten gehabt hätten, mit denen sie auf der Reise bzw. während ihres Aufenthalts in Europa konfrontiert gewesen seien. Es sei sehr schwierig gewesen, ihren Familien die Bürokratie in Europa zu erklären, oder die Tatsache, dass sie abgeschoben worden seien, ohne dass sie sich einer Straftat schuldig gemacht hätten. Außerdem würden sie mit Söhnen aus anderen Familien verglichen, die ihren Familien regelmäßig Geld oder Güter aus dem Ausland schicken würden.
Eine Fokusgruppe junger Männer, die aus Großbritannien nach Kabul zurückgeschoben worden seien, habe angegeben, dass man mit dem Finger auf sie zeige und sie als ‚Abgeschobene' bezeichne. In einem Land wie Afghanistan, wo die Nachbarn alles über einen wissen würden, sei es sehr schwierig, die Tatsache einer Abschiebung geheim zu halten. Mitglieder in der örtlichen Gemeinde seien manchmal der Ansicht, das Leben im Westen habe die Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen ‚kontaminiert', die in jungem Alter das Land verlassen und nach Großbritannien gegangen seien und dann - sichtbar oder unsichtbar - kulturell verändert (mit anderer Kleidung, anderen Verhaltensweisen und anderem Akzent) zurückgekommen seien. Es werde davon ausgegangen, dass sich das Leben in Großbritannien negativ auf ihre Entwicklung ausgewirkt habe. So habe ein in den Jahren 2009 und 2011 interviewter junger Mann aus dem Distrikt Paghman der Provinz Kabul angegeben, dass seine Rückkehr aus Großbritannien zu Hause zu Konflikten wegen seiner veränderten Sichtweisen geführt habe. Seine Angehörigen würden ihm unter anderem vorwerfen, er habe seine Kultur verloren und sei ein ‚kafir' (‚Ungläubiger', Anm. ACCORD) geworden. Ein anderer Afghane sei nach seiner Abschiebung in dasselbe Dorf getötet worden. Der Interviewpartner habe sein Heimatdorf verlassen, da er sich nicht sicher gefühlt habe, und habe nun weder Arbeit, stabiles Einkommen, Fertigkeiten, eine Zukunftsperspektive, noch könne er auf familiäre Unterstützung zählen:
[...]"
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zum BF:
2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des BF getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im Asylverfahren). Hinsichtlich der Feststellung der Volljährigkeit des BF folgt das Bundesverwaltungsgericht dem von der belangten Behörde veranlassten, auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts vollständigen, schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten, wonach beim BF zum Untersuchungszeitpunkt am XXXX von einem Mindestalter von XXXX Jahren auszugehen sei. Folglich ist vom XXXX als Geburtsdatum des BF auszugehen. Die in der Stellungnahme vom 22.02.2016 dargelegte Auffassung, das Gutachten stütze sich einzig auf das durchgeführte "Schlüsselbein-CT" und laufe mangels multifaktoriellem Schluss der Bezeichnung des Gutachtens zuwider und stelle sich als unschlüssig dar, wird nicht gefolgt. Das ein Kriterium im konkreten Fall nicht vorhanden bzw. beurteilbar ist, begründet nicht die Unschlüssigkeit des Gutachtens und ergibt sich das Mindestalter aus den weiteren Ergebnissen. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher insgesamt von einem ausreichend begründeten Gutachten aus und wertet dabei insbesondere, dass der Sachverständige sich bei der klinischen Untersuchung einen direkten und unmittelbaren Eindruck über die beschwerdeführende Partei verschaffen konnte, welcher in seine Volljährigkeitsfeststellung miteingeflossen ist. Diese Wertung zwischen Minder- und Volljährigkeit vorzunehmen ist gerade Aufgabe des medizinischen Sachverständigen und es gibt keinen Hinweis darauf, dass der gegenständliche Sachverständige nicht in der Lage gewesen sein soll, diese Wertung vornehmen zu können. Im Ergebnis geht das Bundesverwaltungsgericht daher von einer fehlerfreien und unter Wahrung der Rechte der beschwerdeführenden Partei zustande gekommenen Volljährigkeitsfeststellung durch das medizinische Gutachten aus. Im Fall des BF wurde ein grundsätzlich ausreichend substantiiertes und sorgfältig auf mehreren Befunden fußendes medizinisches Gutachten erstellt, das den Vorgaben der Rechtsprechung Genüge tut. Die allgemeine Stellungnahme, welche sich auf die Referenzpublikationen bezieht, vermag die Richtigkeit des Gutachtens im konkreten Fall nicht in Zweifel zu ziehen. Überdies wirkte der BF, auf Grund seiner optischen Erscheinung, in der mündlichen Verhandlung keinesfalls jünger als das gutachterlich festgestellte Mindestalter.
Hinzu tritt, dass die Angaben des BF im Verfahren zu seinem Alter stark variierten und er später angab, Afghanistan "erst" im Alter von XXXX Jahren verlassen zu haben (s. BFA S. 3, 6; BVwG S. 7). Es besteht für die erkennende Richterin auch aus diesem Grund kein Anlass an dem schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten und der bereits im Aus- und Einreisezeitpunkt bestehenden Volljährigkeit des BF zu zweifeln und untermauern insbesondere die widersprüchlichen Angaben im Hinblick auf sein Alter auch nicht die persönliche Glaubwürdigkeit des BF.
Die Feststellungen zur Staats- und Volksgruppen des BF sowie seine Herkunft gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des BF zu zweifeln. Diese Beurteilung kann ebenso hinsichtlich seines Familienstandes, seiner Kinderlosigkeit und seiner Heimatstadt getroffen werden. Aus der Erstbefragung sowie der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA ergibt sich, dass der BF muttersprachlich Dari spricht. Dies bestätigte sich in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Die Feststellungen zu seinem Schulbesuch ergeben sich insbesondere aus seinen glaubhaften Angaben während der Beschwerdeverhandlung (S. 8), welche im Wesentlichen mit seinen vorherigen Angaben übereinstimmen (s. BFA S. 4) und sind vor diesem Hintergrund seine Angaben, Dari in Wort und Schrift zu beherrschen auch plausibel (s. bereits Erstbefragung S. 1).
Die Feststellungen zu seinen Berufstätigkeiten ergeben sich aus seinen Angaben während der Erstbefragung (s. S. 2, 3, 6: BF: "Ich habe als Hilfsarbeiter und Verkäufer die Familie versorgt."). Später relativierte der BF diese Angaben zwar, blieb aber dabei, dass er bereits gearbeitet bzw. geholfen habe (s. etwa BFA S. 4: BF: "Mein Vater hatte eine Konditorei, dort habe ich meinem Vater auch immer wieder geholfen."; S. 6: "Ich habe manchmal in der Bäckerei gearbeitet, sonst habe ich nur die Hausarbeit gemacht."; s. BVwG S. 15: "RV: Haben Sie eine Berufsausbildung erhalten? BF: Nein, ich habe nur mit meinem Vater in seinem Geschäft gearbeitet.").
Die Feststellung zu seinen in der Heimatstadt lebenden Verwandten ergeben sich ebenso aus den gleichbleibenden Angaben des BF. Die Feststellungen zu seiner weiteren Verwandten ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA (s. S. 5) und dem Bundesverwaltungsgericht (s. S. 14).
Dass der BF ungefähr bis September 2015 in Afghanistan lebte, ergibt sich bereits aus der Erstbefragung vom 23.10.2015 (s. S. 4: "Ich habe vor ca. 1,5 Monaten meine [...] in den Iran verlassen.") und sind im Verfahren auch keine anderen Anhaltspunkte hervorgekommen.
2.1.2. Zum behaupteten Fluchtvorbringen (betreffend die dem BF drohende Gefahr, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt auf Grund der Ermordung seines Vaters bzw. aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten ausgesetzt zu sein) ist Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es auch am BF, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd § 274 ZPO zu verstehen. Ausgehend von § 274 Abs. 1 letzter Satz ZPO eignet sich nur eine Beweisaufnahme, die sich sofort ausführen lässt (mit Hilfe so genannter "parater" Bescheinigungsmittel) zum Zwecke der Glaubhaftmachung (VwGH 27.05.2014, 2014/16/0003, mwN), wobei der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner asylrechtlichen Spruchpraxis von dieser Einschränkung abweicht.
Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.
Vor diesem Hintergrund geht die zur Entscheidung berufene Richterin des Bundesverwaltungsgerichts auf Grund ihres in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks davon aus, dass dem BF hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt:
Zunächst fällt auf, dass der BF in seiner Erstbefragung zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst noch angab, seit sein Vater verstorben sei, habe er die Familie versorgen müssen und habe nur mehr gearbeitet. Er habe als Hilfsarbeiter und Verkäufer die Familie versorgt. Die Grundstücke und das Haus habe seine Stiefmutter für sich beansprucht. Sie hätten nicht einmal zu essen bekommen. Er habe seine Ausbildung abbrechen und arbeiten müssen. Er habe sich weiterbilden wollen, aber ihm hätten die Möglichkeiten gefehlt. Darum habe er beschlossen, das Land zu verlassen, um sich in Europa ein besseres Leben zu ermöglichen. Nach Afghanistan möchte er nicht zurückkehren, da es ein unsicheres Land sei. Er habe dort keine Möglichkeit sich weiterzubilden oder ein anständiges Leben zu führen. Er habe in Afghanistan nichts mehr (s. S. 6 der Erstbefragung). Der nach seinen späteren Angaben auch im Ausreisezeitpunkt volljährige BF machte im weiteren Verfahren zu seinen Fluchtgründen davon abweichende, widersprüchliche und uneinheitliche Angaben. Es fällt besonders eklatant auf, dass der BF bei seiner Erstbefragung die Ermordung seines Vaters und eine damit einhergehende Verfolgung des BF wegen Grundstücksstreitigkeiten durch den Stiefonkel, einem nach seinen späteren Angaben in Afghanistan bis in höchste Kreise gut vernetzten Kriminellen, nicht erwähnt hat.
Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH vom 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Die Verwaltungsbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht können im Rahmen ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.
Es wird im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des BF nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden; dass der BF seine Fluchtgründe im weiteren Verfahrensverlauf derart anders schilderte, ist jedoch nicht nachvollziehbar. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der BF angab, dass ihm seitens des Dolmetschers die Frage nach seinen Fluchtgründen nicht gestellt worden sei und dass in der Beschwerde (S. 20) vorgebracht wurde, dass der Dolmetscher den BF angehalten habe, sich kurz zu halten bzw. der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung angab, dass ihm die Niederschrift der Erstbefragung nicht rückübersetzt worden sei. Es wird diesbezüglich auf die umfassenden festgehaltenen niederschriftlichen Angaben des BF zu seinen Fluchtgründen verwiesen (s. S. 6 der Erstbefragung) sowie auf die niederschriftlich festgehaltene Rückübersetzung und die Angaben des BF, dass es keine Verständigungsprobleme gegeben habe (s. S. 7 der Erstbefragung).
In der Einvernahme vor dem BFA gab der BF erstmals zusammengefasst an, sein in kriminelle Machenschaften verstrickter Stiefonkel sei mit den Bezirksanwälten gut befreundet gewesen. Diese hätten auf einem Grundstück seines Vaters einen Park bauen wollen. Sein Stiefonkel habe seinem Vater das Grundstück wegnehmen wollen. Sein Vater habe dieses Grundstück aber zu einem Friedhof machen wollen. Als es dann zu Unstimmigkeiten zwischen dem Stiefonkel und seinem Vater gekommen sei, habe letztere den ganzen Besitz auf den XXXX -jährigen BF überschrieben. Der Vater habe dem Stiefonkel gesagt, dass er alles auf den BF überschreiben werde. Der Stiefonkel bedrohte den Vater daraufhin mit dem Tode. Zwei Wochen später habe der BF seinen Vater mit einem Messer erstochen im Vorhof ihres Hauses gefunden. Der mit dem BF befreundete "Bodyguard" des Steifonkels habe dem BF mitgeteilt, dass der Stiefonkel den Vater des BF ermordet habe. Der BF sei dann in derselben Nacht geflüchtet (s. Niederschrift S. 6f.).
Nach Vorhalt konnte der BF keinen nachvollziehbaren Grund für die Uneinheitlichkeit seiner Angaben geben; befragt, warum er bisher im Verfahren vom Mord und der Bedrohung nichts gesagt habe, gab der BF an, wenn er nicht gefragt werde, wem solle er es dann sagen. Es könne schon sein, dass diese Frage zum Fluchtgrund bei der Erstbefragung vom Referenten gestellt worden sei; aber der Dolmetscher habe ihm diese Frage, warum er sein Heimatland verlassen habe, definitiv nicht gestellt (s. BFA S. 8f.). In diesem Zusammenhang wird aber erneut auf die niederschriftlich festgehaltene Frage zu den Fluchtgründen des BF, seinen relativ ausführlichen Angaben, die niederschriftlich festgehaltene Rückübersetzung und die Angaben des BF, dass es keine Verständigungsprobleme gegeben habe, verwiesen.
Der Widerspruch zwischen seinen Angaben während der Erstbefragung (nach dem Tod des Vaters die Familie versorgt zu haben) und dem BFA (gleich nach dem Mord an seinem Vater ausgereist zu sein) wurden dem BF während der mündlichen Verhandlung vorgehalten und konnte der BF keine schlüssige Erklärung dafür geben bzw. machte nur ausweichende und insgesamt nicht überzeugende Angaben (s. S. 11). Weiters ist es auch nicht nachvollziehbar und konnte der BF auch über Vorhalt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht nachvollziehbar darlegen, weshalb sein Vater seinen zu diesem Zeitpunkt XXXX -jährigem Sohn die Grundstücke überschreiben und ihn so ins Zentrum der Bedrohung rücken sollte (s. S. 11). Nachdem der BF den Verhandlungssaal unaufgefordert verließ und die Verhandlung daraufhin unterbrochen wurde, ersuchte der BF nach Fortsetzung, dass ihm keine weiteren Fragen hinsichtlich seiner Eltern gestellt werden (s. S. 12). Die eklatanten Unterschiede zwischen den Angaben des BF bei der Erstbefragung und dem restlichen Verfahren sind nicht nachvollziehbar und steigerte der BF seine Fluchtgründe im Verfahrensverlauf auch stetig.
Die späteren Angaben des BF zum Mord an seinem Vater wegen Grundstücksstreitigkeiten und der folgenden Bedrohung folgen zwar im Prinzip einem bestimmten Handlungsverlauf; dass der BF die fluchtauslösenden Ereignisse insgesamt jedoch in einer derart widersprüchlichen, gesteigerten und unplausiblen Weise wie vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sie sich tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität.
Der BF steigerte sein Fluchtvorbringen im Laufe des Verfahrens eben auch in nicht unwesentlichen Aspekten: Vor dem BFA gab der BF dann an, sein Stiefonkel sei mit Bezirksanwälten befreundet gewesen (s. S. 6). In der Stellungnahme vom 17.10.2017 brachte der BF vor, sein Stiefonkel habe beste Verbindungen zu den Bezirksbehörden gehabt und sehr gute Kontakte zum "Provinzchef" (Ostad Atta Mohammad Nor). Die Dolmetscherin habe das mit Bezirksanwalt übersetzt, was nicht richtig sei. Während der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der BF an, der Stiefonkel habe für den Gouverneur gearbeitet, welcher der Eigentümer des Parks, in dem sich das umstrittene Grundstück befinde, sei und der nicht gewollt habe, dass der Vater das BF das Grundstück als Friedhof zur Verfügung stelle. Der Gouverneur habe das Grundstück unbedingt kaufen wollen (s. S. 9). Die persönliche Beteiligung des früheren Gouverneurs Atta Mohammad Noor an seiner Fluchtgeschichte ist ein Aspekt, der für das erkennende Gericht eine unglaubhafte Steigerung darstellt.
Weiters gab der BF erstmals während der Beschwerdeverhandlung und anders als beim BFA (s. S. 8) an, dass eine Todesdrohung direkt gegen ihn gerichtet gewesen sei (s. Niederschrift S. 10: BF: "Dieser Freund hat mich angerufen und sagte, dass mein Vater heute Nacht getötet worden ist, dass sie es waren, die meinen Vater umgebracht haben und er hat auch davon Fotos gemacht. Er sagte, dass er einen Befehl bekommen hatte, der Befehl lautete, in den nächsten 5 bis 6 Minuten muss er mich auch töten. RI: Wieso haben Sie das vor dem BFA auch noch nicht angegeben? BF: Mir wurde die Frage nicht gestellt."). Es ist nicht nachvollziehbar, warum der BF dieses einprägsame Erlebnis nicht bereits früher im Verfahren angegeben hat.
Schließlich ist das Vorbringen des BF eben auch mit Widersprüchen behaftet und teilweise nicht plausibel: So gab der BF vor dem BFA noch an, der Arzt im Krankenhaus habe ihn angewiesen Geld zu holen, falls ein Medikament oder sonst etwas notwendig sein sollte, falls sein Vater noch leben sollte (s. S. 7). Während der mündlichen Verhandlung gab er hingegen an, Ärzte hätten ihm ein Rezept in die Hand gedrückt und gesagt, er solle diese Medikamente besorgen (s. S. 10). Nach Vorhalt der Widersprüchlichkeit seiner Angaben, konnte er den Widerspruch nicht erklären, sondern bestätigte seine letztgenannten Angaben (s. S. 10: "Meine Aussage heute entspricht der Wahrheit. Als wir im Spital waren, hat mir einer der Ärzte ein Rezept in die Hand gedrückt und sagte, ich solle diese Medikamente besorgen. Ich hatte kein Geld mit. Mit einem Taxi fuhr ich nach Hause, um Geld zu bekommen."). Was die Verletzungen des Vaters anbelangt, war erstmals während der Verhandlung die Rede von einem Herzstich (s. S. 9). Es ist für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, warum der BF vor dem BFA angab, er sei nicht mehr zum Krankenhaus zurückgekehrt, weil er gewusst habe, dass sein Vater bereits tot sei, obwohl ihn die Ärzte noch behandelt hätten (s. BFA S. 8 "F: Aber Ihr Vater hätte das Geld vielleicht gebraucht? A: Als ich meinen Vater damals am Boden liegen sah, wusste ich, dass er tot war."). Insgesamt waren die Angaben des BF zum Tod seines Vaters im gesamten Verfahrensverlauf stark widersprüchlich (s. Erstbefragung S. 3, 5f.; BFA S. 2, 6ff.; BVwG S. 8ff.) und nicht plausibel.
Vor dem BFA gab der BF weiters zuerst an, er habe den Freund angerufen und dieser habe ihm mitgeteilt, dass der Stiefonkel seinen Vater ermordet habe (s. S. 6). Weiters gab er an, dass der Freund ihn angerufen habe und ihm mitgeteilt habe, dass der Stiefonkel seinen Vater ermordet habe. Der Freund dann sei zu ihm nachhause gekommen und habe ihm ein Foto von der Tat gezeigt (s. S. 6f.). Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF hingegen an, sein Freund habe ihm zwei Fotos übers Telefon geschickt (s. S. 11). Die Angaben hinsichtlich des Freundes bleiben ebenso unplausibel und überzeugten insgesamt nicht.
Dem BF kommt insgesamt gerade auf Grund des aufgezeigten widersprüchlichen, nicht plausiblen und teilweise gesteigerten Fluchtvorbringens (betreffend die Gefahr, in Afghanistan in Zusammenhang mit der Ermordung seines Vaters bzw. Grundstücksstreitigkeiten durch seine Stiefmutter bzw. [kriminellen] Stiefonkel bzw. ihnen nahestehenden Personen) entgegen den Ausführungen v.a. in der Beschwerdeschrift nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine Glaubwürdigkeit zu.
Die Feststellungen im Zusammenhang mit dem Glauben bzw. einer areligiösen Einstellung stützen sich auf die Angaben des BF und den persönlichen Eindruck der erkennenden Richterin sowie die zeugenschaftliche Einvernahme der Vertrauensperson XXXX und berücksichtigen die Stellungnahmen sowie die in Vorlage gebrachten Unterlagen.
Der BF wurde als schiitischer Moslem sozialisiert. Den Angaben des BF im verwaltungsbehördlichen Verfahren sind keine in Afghanistan bestehenden Hinweise auf eine Abkehr vom islamischen Glauben zu entnehmen. Bei der Erstbefragung gab der BF noch an, schiitischer Moslem zu sein (s. S. 1) und ergibt sich aus seinen Angaben vor dem BFA ebenso eine - angeführte - erst spätere Abkehr (s. S. 4). Daran vermag auch die "Unterstützungserklärung" vom 03.06.2018 seitens XXXX , nach welcher der BF auch in seinem früheren Leben kein gläubiger Moslem gewesen sei, nichts zu ändern. Weiters führte XXXX in einem undatierten Schreiben an, der BF habe, obwohl er in einem islamischen Umfeld aufgewachsen sei, wenig für diese Religion übrig. Er trinke gern ein Glas Bier und esse auch hin und wieder Schweinefleisch. In diesem Zusammenhang gab der BF erstmals während der Beschwerdeverhandlung - somit nach fast drei Jahren - an, bereits in Afghanistan Probleme mit Stiefonkel gehabt zu haben, weil er keine Koranschule besucht habe (s. S. 14: "Mein Vater insistierte nicht, dass ich in die Koranschule gehe und Koran lerne. Mein Stiefonkel hat mich zweimal geschlagen und sagte, ich müsse dort lernen. Mein Vater sagt, ich solle das tun, was ich möchte."). Diese Ausführungen überzeugten auch nach dem Eindruck der erkennenden Richterin nicht, sondern handelte es sich nach ihrem Eindruck um eine unglaubhafte Steigerung und vermochten diese Angaben auch die persönliche Glaubwürdigkeit des BF in diesem Zusammenhang nicht zu stärken. Sonst führte der BF im gesamten Verfahren keine vorgekommenen Verfolgungshandlungen in Afghanistan iZm Religion bzw. einer Abkehr von dieser an.
Der BF selbst gab eben erstmals vor dem BFA am 10.10.2017 sehr oberflächlich an, seit einem Jahr kein Bekenntnis mehr zu haben; er habe keinen Glauben gewollt, ein Glaube sei sinnlos (s. S. 4). Nach dem Beschwerdevorbringen vom 14.12.2017 sei der BF schiitischer Hazara und wurde in der Beschwerde keine konkrete Verfolgungsgefahr wegen Apostasie o.ä. vorgebracht (s. insbesondere S. 33 f.), sondern stützte sich diese primär auf sein Fluchtvorbringen betreffend den Mord an seinem Vater. Erstmals in der Stellungnahme vom 06.06.2018 wurde dazu unter Zitierung von Länderberichtsmaterial ausgeführt.
Da der BF im gesamten Verfahren nur sehr wenige Angaben zu einem Abfall vom Glauben machte, kommen seinen Angaben während der mündlichen Beschwerdeverhandlung besondere Bedeutung zu. Auffallend war, dass der BF dazu nur sehr vage, oberflächliche und knappe Ausführungen tätigte (s. S. 13: "BF: Religion ist sinnlos für mich. Für mich gibt es keine Religion. Keinen Gott, ich glaube nicht, hätte es einen Gott gegeben, hätte er nicht meinen Vater und meine Mutter mir weggenommen. RI: Seit wann sind Sie dieser Ansicht und gab es dafür einen oder mehrere konkrete Auslöser? BF: Seit 2 1/2 Jahren.") und weiters auch hier - wie auch in Hinblick auf sein ursprüngliches Fluchtvorbringen - unglaubhafte Steigerungen bemühte. Soweit der BF in der Folge dann eben erstmalig Schläge durch seinen Onkel in Zusammenhang mit der Koranschule erwähnte, handelt es sich dabei nach Ansicht der erkennenden Richterin eben um eine unglaubhafte Steigerung. Der BF schilderte auch hier eine oberflächliche und konstruiert wirkende Geschichte in knappen Sätzen. Insgesamt zog sich der BF auf knappe Floskeln zurück, ohne überzeugend darzulegen, tatsächlich seine Religionszugehörigkeit aus ideellen Gründen aufgegeben und abgelegt zu haben und ist eine atheistische bzw. areligiöse Überzeugung auch kein (wesentlicher) Bestandteil der Identität des BF geworden. Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht nachvollziehbar, dass der BF die ihm gebotene Möglichkeit seine innere Überzeugung in umfassender Weise darzulegen, ungenützt verstreichen lässt. Einen konkreten Auslöser oder seine genaueren Gedankengänge zu diesem Zeitpunkt, als er zu dieser vorgebrachten Ansicht gelangte, schilderte der BF jedoch nicht.
Nach seinen Angaben vor dem BFA im Oktober 2017 habe er seit ca. einem Jahr keine Religion mehr; nach seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung im Juni 2018 seit ca. zweieinhalb Jahren. Auf Nachfrage seiner Rechtsvertretung in der Beschwerdeverhandlung antwortete der BF, er habe vier Monate nach seiner Ankunft in Österreich (sohin ungefähr im Februar 2016) erfahren, dass man aus einer Religion austreten oder einen Glauben ablegen könne (s. S. 14). Dazu ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass der BF bis dato keine Austrittserklärung oder Bestätigung über einen Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft vorlegte. Dazu wäre im Übrigen aber auch festzughalten, dass die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich Meldungen über den Austritt sensibel verwaltet und nicht nach außen weitergibt und auch kein entgegengesetztes Vorbringen dazu erstattet wurde. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass derartige innerliche Prozesse, oft nicht zeitlich genau festzumachen sind. Der BF setzte hier seinen Abfall vom Islam bzw. seine areligiöse Einstellung aber offensichtlich mit dem Zeitpunkt gleich, in dem er nach seinen Angaben erstmals erfahren habe, dass man einen Glauben ablegen könne. Einen inneren Überzeugungsprozess oder konkreten Auslöser legte der BF nicht dar.
Die erkennende Richterin verkennt auch nicht, dass der einvernommene Zeuge im persönlichen Kontakt mit dem BF steht. In diesem konkreten Fall ging der einvernommene Zeuge davon aus, dass die in seinem Umfeld befindlichen jungen, männlichen Angehörigen der Volksgruppe der Hazara "so viel mit der Religion am Hut (haben), wie ungefähr 99% der jungen Weltbevölkerung ohne Religionsdiktatur" (s. BVwG S. 17). Die erkennende Richterin geht davon aus, dass der BF gerade über den liberal und atheistisch eingestellten Zeugen und dessen Familie in Kontakt mit diesen Anschauungen kam, derzeit den schiitischen Glauben nicht unbedingt ausübt und sich auch emotional von diesem distanziert hat. Die erkennende Richterin geht aber aufgrund ihres persönlichen Eindrucks nicht davon aus, dass der BF seine Religionszugehörigkeit aus ideellen Gründen gezielt aufgegeben und abgelegt hat und ist eine atheistische bzw. areligiöse Überzeugung auch kein wesentlicher Bestandteil der Identität des BF geworden. Das erkennende Gericht hat in der Beschwerdeverhandlung vielmehr den Eindruck gewonnen, dass der BF eben im engeren Kontakt mit dem einvernommenen Zeugen und dessen Familie steht und bemüht ist, sich an dessen Vorstellungen anzupassen (s. S. 12: BF: "[...] die meiste Zeit halte ich mich bei der heute anwesenden Familie auf."; S. 17: Z: "[...] In meinem Umfeld gibt es sehr wenige Menschen, die gläubig sind und etwas mit Religion am Hut haben. Ich bin Atheist von Geburt an. Ich stamme aus einem sehr liberalen Umfeld. Mein ganzes soziales Leben ist durch Atheismus und Liberalität geprägt. Fünf von diesen Hazarabuben sind in meinem Umfeld. Die haben so viel mit der Religion am Hut, wie ungefähr 99% der jungen Weltbevölkerung ohne Religionsdiktatur. [...] RV: Hat XXXX mit Ihnen über seinen Glauben bzw. über seinen Nichtglauben gesprochen? Z: Wir sprechen über sehr viele Dinge, auch über Religion, aber nur in einer sehr eindeutigen Stellungnahme von meiner Seite aus. Ich diskutiere nicht mehr über Religion.").
In einer Gesamtschau geht daher die erkennende Richterin nicht davon aus, dass eine atheistische bzw. areligiöse Überzeugung oder ein Abfall vom Islam wesentlicher Bestandteil der Identität des BF geworden ist, er seinem derzeitigen Interesse bzw. mangelndem Interesse im Falle der Rückkehr nach Afghanistan losgelöst vom hier gegenständlichen Verfahren weiter nachkommen würde und atheistische bzw. areligiöse oder auch islamkritische Überzeugungen im Falle der Rückkehr nach Afghanistan nach außen zur Schau tragen würde.
Die Angaben des BF zum Falle einer Rückkehr nach Afghanistan sind ebenso knapp und allgemein und legen keine konkrete Verfolgungsgefahr dar (s. S. 14: "BF: Ich habe mich von Gott und von Muslims längst verabschiedet. Ich könnte nicht mehr in Afghanistan leben. BF weiter: Ich möchte nicht Koran lesen lernen und beten. BF weiter: Wenn man nicht in der afghanischen Gesellschaft beten geht und den Koran liest, ist das Leben unmöglich.").
Soweit der BF auf die Frage seiner Rechtsvertretung sofort angab, seinen Religionsaustritt seinem Umfeld mitgeteilt zu haben, blieben seine Angaben aber vage, unplausibel, gesteigert, nicht weiter belegt und insgesamt nicht glaubhaft (s. S. 14: "RV: Wie gehen Sie mit Ihrem Religionsaustritt um? Teilen Sie das dem Umfeld mit? BF:
Ja, ich sage es, ich habe es ihnen mitgeteilt. Von manchen wurde ich auch auf Facebook geblockt. Ich habe auch eine Tante väterlicherseits, die in XXXX im Iran lebt. Beim letzten Kontakt habe ich ihr ebenfalls mitgeteilt, über meinen Austritt aus der Religion. Sie hat mich auch überall blockiert bzw. sie hat ihre Telefonnummer geändert. Im gesamten Leben habe ich zweimal mit ihr gesprochen."). Es ist etwa nicht nachvollziehbar, dass der BF einer im Iran aufhältigen Tante, mit welcher er nur zwei Mal in seinem Leben Kontakt gehabt habt, von Österreich aus mitteilt, dass er aus seiner Religion ausgetreten sei und ist in diesem Zusammenhang auch nicht glaubhaft, dass die Tante daraufhin ihre Telefonnummer geändert hat (S. 14). Eine konkrete, ihm aktuell im Falle einer Rückkehr von diesen Personen o.a. drohende Verfolgungsgefahr führte der BF nicht an, sondern Kontaktabbrüche nicht näher genannten Personen und eben seiner im Iran aufhältigen Tante (s. S. 14: "Von manchen wurde ich auch auf Facebook geblockt. [...] Beim letzten Kontakt habe ich ihr ebenfalls mitgeteilt, über meinen Austritt aus der Religion. Sie hat mich auch überall blockiert bzw. sie hat ihre Telefonnummer geändert."). Zuvor gab der BF eben vage an, nicht mehr in Afghanistan leben zu können und auch nicht beten zu wollen. Es ist davon auszugehen, dass der BF bereits hier Angaben zu einer konkreten und aktuellen Verfolgungsgefahr getätigt hätte, wenn er eine solche ernsthaft annehmen würde.
In einer Gesamtschau ist daher nicht davon auszugehen, dass der BF atheistischen bzw. areligiöse Interessen im Falle der Rückkehr nach Afghanistan nachkommen würde oder diese nach außen zur Schau tragen würde. Es ist nicht davon auszugehen, dass die afghanischen Behörden und/oder das persönliche Umfeld des BF von einer atheistische bzw. areligiöse Überzeugung bei einer Rückkehr nach Afghanistan Kenntnis erlangen würde oder bereits erlangt hätten. Es ist insgesamt nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund einer atheistische bzw. areligiöse Überzeugung bzw. eines Abfalls vom islamischen Glauben psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.
Im Übrigen sind soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte des BF hinsichtlich der Stadt Herat im Verfahren nicht hervorgekommen, weshalb bei einer Rückkehr dorthin auch nicht mit einer Bedrohung zu rechnen ist.
Die Feststellung, dass dem BF auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit als (schiitischer) Hazara in Afghanistan keine konkret gegen ihn gerichtete physische bzw. psychische Gewalt droht, ergibt sich aus seinem lediglich allgemein gehaltenen und wenig detailreichen Vorbringen zur Situation der Hazara in Afghanistan, aus dem eine konkrete Betroffenheit seiner Person im Hinblick auf Gewalthandlungen nicht erkennbar ist.
Die Feststellungen, dass dem BF auf Grund seines mehrjährigen Aufenthalts in Europa sowie seiner "westlichen Orientierung" keine konkret gegen ihn gerichtete physische bzw. psychische Gewalt in Afghanistan droht, ergeben sich aus seinem auch diesbezüglich lediglich allgemein gehaltenen Vorbringen, mit dem er eine Bedrohung seiner Person im Falle einer Rückkehr nicht hinreichend substantiiert aufzuzeigen vermochte. Soweit XXXX in einem undatierten Schreiben u.a. anführte, der BF trinke gern ein Glas Bier und esse auch hin und wieder Schweinefleisch und der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auf Fragen seiner Rechtsvertreterin anführte, Alkohol zu trinken, ist daraus eine maßgebliche, asylrelevante Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht zu erkennen. Es ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass nicht jede Änderung der Lebensführung während des Aufenthalts in Österreich, die im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu führt, dass deshalb internationaler Schutz gewährt werden muss und wäre dem BF eine Abstandnahme von der hier konkret angeführten verpönten Verhaltensweise auch zumutbar und kommt nach den getroffenen Länderfeststellungen, dass Trinken von Bier auch in Afghanistan durchaus vor. Schließlich lassen auch die Angaben des BF auf Fragen seiner Rechtsvertreterin, dass es in Ordnung für ihn sei, wenn unverheiratete Personen, Geschlechtsverkehr vor der Ehe hätten (s. S. 14), nicht erkennen, wodurch dies für ihn persönlich im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer asylrelevanten Verfolgung führen würde und sind diesbezüglich auch sonst keine Anhaltspunkte im Verfahren hervorgekommen.
Dem BF ist es auch sonst nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität (die ihre Ursache in einem der GFK genannten Gründen hätte) glaubhaft zu machen.
2.1.3. Für eine existenzielle Gefährdung des BF bestehen keine Hinweise. Es gibt keinen Anhaltspunkt, wieso er in Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt nicht in der Lage sein sollte, seine Existenz durch Gelegenheits- und Hilfsarbeiten zu sichern und eine einfache Unterkunft zu finden.
Die festgestellten Umstände rechtfertigen aus Sicht des erkennenden Gerichtes im Lichte einer Gesamtbetrachtung die Annahme, dass sich der BF auch in Herat-Stadt eine Existenz aufbauen und sichern kann. Dafür spricht nicht zuletzt auch die Tatsache, dass der BF als junger Erwachsener in der Lage war, völlig auf sich alleine gestellt über ihm unbekannte Länder die Flucht bis nach Österreich zu meistern, wobei er sicherlich ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit unter Beweis stellen musste.
Zum Gesundheitszustand führte der BF zunächst in der Erstbefragung zur Frage "Haben Sie Beschwerden oder Krankheiten, die Sie an dieser Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen?" aus, dass er dieser Einvernahme ohne Probleme folgen könne (s. S. 3). Gegenüber dem medizinischen Sachverständigen gab der BF im Beisein eines Dolmetschers an, er müsse noch zu Ärzten gehen, er hätte Zahnschmerzen und Schmerzen im Bereich des rechten Daumengrundgelenkes. Er fühle sich subjektiv gesund, er nehme derzeit keine regelmäßige Medikation zu sich. Es seien aus der Vergangenheit keine Krankheiten bei ihm bekannt. In Afghanistan sei er anlässlich einer Blinddarmentfernung vor vier Jahren in einem Krankenhaus gewesen. Sonst sei er nie in einem Krankenhaus gewesen, sei sonst noch nie operiert worden und er hätte nie regelmäßig Medikamente zu sich genommen. Er hätte sich noch nie einen Knochen gebrochen. Er hätte bis auf die OP-Narbe keine Narben nach Verletzungen am Körper (AS 64f.). Der BF bejahte bei der Befragung vor dem BFA die Frage: "Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?". Der BF gab allerdings weiter an, er habe derzeit keine Erkrankung, aber er habe öfter Herzschmerzen. Wegen dieser Beschwerden sei er aber noch nicht beim Arzt gewesen. Das habe nach dem Tod seines Vaters angefangen, das sei vor ca. drei oder vier Jahren in Afghanistan einige Monate vor seiner Ausreise gewesen. Es sei deshalb in Afghanistan noch nicht behandelt worden, er sei als sein Vater getötet worden sei, nicht mehr in Afghanistan geblieben; er sei noch in der Nacht geflüchtet (s. BFA S. 2). In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF dann an, gesund zu sein und der Verhandlung folgen zu können. Näher zu seinem Gesundheitszustand befragt gab er erneut an, gesund zu sein (s. Niederschrift S. 4, 6). Der BF gab an, er habe beim BFA angegeben, dass sein Vater Herzschmerzen gehabt habe. Der Dolmetscher habe übersetzt, dass der BF Herzschmerzen gehabt habe. Die Einvernahme beim BFA sei dem BF zwar rückübersetzt worden, die Dolmetscherin sei eine Iranerin gewesen, sie sei ein Mädchen gewesen, sie habe sehr schnell rückübersetzt und er habe es gar nicht mitbekommen, dass sie falsch übersetzt habe (s. Niederschrift S. 7). Wenn auch diese Ausführungen im Kontext der Niederschrift, welche dem BF auch rückübersetzt wurde, nicht überzeugten, gab der BF letztlich vor dem Bundesverwaltungsgericht an, gesund zu sein und wurden bis dato auch keine medizinischen Unterlagen, aus welchen sich eine aktuelle maßgebliche Erkrankung des BF ergeben könnten, in Vorlage gebracht. Fallbezogen ist daher nicht davon auszugehen, dass Gesundheitsbeeinträchtigungen vorliegen, welche ein außergewöhnliches Ausmaß eines Leidenszustandes erreichen. Eine lebensbedrohliche Erkrankung des BF liegt ebenso nicht vor. Auch benötigt der BF keine medizinische Behandlung in Österreich, welche er in seinem Herkunftsland nicht bekommen könnte und ist in diesem Zusammenhang auf die in Mazar-e Sharif und Herat-Stadt vorhandenen medizinischen Einrichtungen (Krankenhäuser) hinzuweisen. Außergewöhnliche Gründe, die seine Rückkehr ausschließen könnten, sind im Verfahren auch sonst nicht hervorgekommen.
2.1.4. Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus den im Akt einliegenden Abfragen des Strafregisters der Republik Österreich.
Die Feststellungen zum Aufenthalt in Österreich gründen sich auf die Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie den vorgelegten Bestätigungen bzw. dem Bescheid des AMS vom 20.11.2018 sowie den eingeholten Auszügen der österreichischen Register, welche mit dem Vorbringen des BF im Wesentlichen im Einklang stehen. Es liegen aus Sicht der erkennenden Richterin auch keine Gründe vor, an den diesbezüglich nachvollziehbaren und plausiblen Angaben des BF zu zweifeln.
2.2. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
2.2.1. Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt wurden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung von anderen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichten aktuelleren Datums (vgl. u.a. die Kurzinformation vom 19.10.2018 und 23.11.2018 zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018) für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
2.2.2. Die Berichte wurden - neben darüber hinausgehendem Berichtsmaterial - dem BF zur Verfügung gestellt; es wurde dem BF die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt und wurden seitens des BF mehrfach Stellungnahmen - auch zu den aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 (s. insbesondere Stellungnahme vom 27.09.2018, S. 2) - erstattet. Der BF trat den getroffenen, nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts unbedenklichen Feststellungen nicht substantiiert entgegen. Insgesamt vermochte der BF die Korrektheit der Erkenntnisquellen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Zweifel zu ziehen. Hinsichtlich der individuellen Situation des BF wird unter Punkt 3. Rechtliche Beurteilung, Unterpunkt 2. - insbesondere unter Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 - eine einzelfallbezogene Analyse vorgenommen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der zulässigen Beschwerde:
3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074, uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112, mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256, mwN).
Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265, mwN).
3.1.2. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kommt dem BF hinsichtlich seines konkreten Vorbringens zu seinem primären Fluchtgrund (betreffend die Gefahr, in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt, in Zusammenhang mit der Ermordung seines Vaters bzw. aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten, ausgesetzt zu sein) keine Glaubwürdigkeit zu. Dem BF ist es insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem BF aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
3.1.3. Weiters ist festzuhalten, dass eine konkrete individuelle Verfolgung des BF in Afghanistan auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der (schiitischen) Hazara - wie bereits dargelegt - nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt wurde. In Ermangelung von dem BF individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob der BF bei einer Überstellung in seinen Herkunftsstaat auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der (schiitischen) Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass der BF als Angehöriger der Volksgruppe der (schiitischen) Hazara im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:
Den oben zitierten Länderfeststellungen ist u.a. zu entnehmen, dass Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - Diskriminierungen ausgesetzt sind. In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan für gegeben zu erachten. So stellen die (schiitischen) Hazara in Afghanistan zwar eine Minderheit dar, sie sind aber rechtlich den anderen Bevölkerungsgruppen gleichgestellt. Sie bekleiden politische Funktionen in Regierung und Parlament und können ihre Interessen aus eigener Kraft politisch wahren. Ihr Anteil in den Sicherheitskräften Afghanistans entspricht ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung. Sie dürfen als Schiiten ihre Religion ausüben. Von staatlicher Seite beschränkt sich die Benachteiligung der Hazara damit auf ihre Unterrepräsentation in der öffentlichen Verwaltung, die - selbst wenn man ihre Ursache in einer (nicht festgestellten) gegenwärtigen Benachteiligung suchen würde - eine Benachteiligung darstellt, die nicht die für eine asylrechtlich relevante Verfolgung erforderliche Intensität erreicht.
Eine gesellschaftliche Diskriminierung von Hazara durch Private wurde auch für die Provinzen Balkh und Herat nicht festgestellt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Vergangenheit in einer Entscheidung eine Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan nicht ausgeschlossen, weil das Bundesverwaltungsgericht im betreffenden Fall zur Lage der Hazara keine Feststellungen getroffen hatte (VwGH 13.10.2015, Ra 2015/19/0106); dies ist jedoch in der vorliegenden Entscheidung nicht der Fall. In einer jüngst ergangenen Entscheidung behob der Verwaltungsgerichtshof ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, weil dieses sich im zugrundeliegenden Fall nicht mit dem Beschwerdevorbringen zu einer möglichen Gruppenverfolgung der Hazara in Ghazni auseinandergesetzt hatte (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0171); im gegenständlichen Fall erfolgte hingegen eine Auseinandersetzung mit dem relevanten Länderberichtsmaterial sowie der Frage des Vorliegens einer Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara - auch innerhalb der Provinzen Balkh und Herat. Der Verwaltungsgerichtshof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an, zum Unterschied zur Region Quetta in Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048).
Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der (schiitischen) Hazara im Ergebnis zu verneinen.
3.1.4. Aus den Länderberichten geht zwar hervor, dass Zwangsrekrutierungen seitens der Taliban möglich sind. Daraus, aus den sonstigen Länderberichten sowie dem notorischen Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch nicht ersichtlich, dass jeder Jugendliche bzw. junge Erwachsene automatisch einer Verfolgung auf Grund von drohender Zwangsrekrutierung in Afghanistan (konkret auch der Provinzen Balkh und Herat) ausgesetzt wäre, weshalb auch die allgemeinen Ausführungen des BF zu Zwangsrekrutierungen ins Leere gehen.
3.1.5. Zudem ist es dem BF - wie bereits dargelegt - nicht gelungen, eine individuelle und konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung iSd GFK auf Grund seiner Eigenschaft als Rückkehrer aus dem Iran und aus Europa (und somit dem "westlichen Ausland") iVm einer "westlichen Orientierung" glaubhaft zu machen. Auch eine von individuellen Aspekten unabhängige "Gruppenverfolgung" ist vor dem Hintergrund des vorliegenden Länderberichtsmaterials für das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar:
Daraus geht auf das Wesentliche zusammengefasst zwar hervor, dass in Afghanistan generell eine negative Einstellung gegenüber Rückkehrern vorherrscht und diesen vorgeworfen wird, ihr Land im Stich gelassen zu haben, dem Krieg entflohen zu sein und im Ausland ein wohlhabendes Leben geführt zu haben, dass Rückkehrer wegen ihres Akzents leicht erkannt und sozial ausgegrenzt werden sowie dass Rückkehrer Diskriminierungen seitens der übrigen Bevölkerung ausgesetzt sind. Diese Diskriminierungen und Ausgrenzungen erreichen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts jedoch nicht jenes Ausmaß, das notwendig wäre, um eine spezifische Verfolgung aller afghanischen Staatsangehörigen, die einen wesentlichen Teil ihres Lebens im Iran (und in Europa) verbracht und eine "westliche Wertehaltung" angenommen haben, bei einer Rückkehr für gegeben zu erachten.
Der BF hat ungefähr drei Jahre in Österreich verbracht; seine Situation ist auch nicht mit jener von Rückkehren, welche viele Jahre im Ausland gelebt haben oder gar mit jener von Rückkehrern der zweiten Generation vergleichbar.
3.1.6. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kommt dem Vorbringen des BF, er sei aufgrund eines Abfalls vom Islam bzw. einer atheistischen bzw. areligiöse Einstellung psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt, keine Glaubhaftigkeit zu. Dem BF ist es deshalb insoweit insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Afghanistan sowie der mangelnden Glaubhaftigkeit des Vorbringens kann daher nicht erkannt werden, dass dem BF insofern im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.
3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg.cit.) offen steht.
3.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich jüngst mit der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum realen Risiko einer drohenden Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK und zur ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im innerstaatlichen Konflikt auseinandergesetzt und diese wie folgt zusammengefasst (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137):
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053, mwN).
Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 und 23.09.2009, 2007/01/0515, mwN).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR 28.11.2011, Appl. 8319/07 und 11.449/07, Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Rz 218, mit Hinweis auf EGMR 17.07.2008, Appl. 25.904/07, NA gegen Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), auf Grund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR 28.11.2011, Appl. 8319/07 und 11.449/07, Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Rz 217).
Thurin (Der Schutz des Fremden vor rechtswidriger Abschiebung² (2012), 203) fasst die bezughabenden Aussagen in der Rechtsprechung des EGMR dahingehend zusammen, dass der maßgebliche Unterschied zwischen einem "realen Risiko" und einer "bloßen Möglichkeit" prinzipiell im Vorliegen oder Nichtvorliegen von "special distinguishing features" zu erblicken ist, die auf ein "persönliches" ("personal") und "vorhersehbares" ("foreseeable") Risiko schließen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur in sehr extremen Fällen ("most extreme cases") wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat so ernst sei, dass praktisch jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen und unmittelbar drohenden ("real and imminent") Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Diesfalls sei das reale Risiko bereits durch die extreme allgemeine Gefahrenlage im Zielstaat indiziert.
Auch im jüngst ergangenen Urteil der Großen Kammer vom 23.08.2016, Appl. 59.166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, beschäftigte sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit seiner einschlägigen Rechtsprechung und führte u.a. aus, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege (v.a. Rz 91 und 96), gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide (vgl. Rz 94), im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei (Rz 97). Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (Rz 98).
Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EG ) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er auf Grund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH 17.02.2009, C-465/07 , Elgafaji, und vom 30.01.2014, C-285/12 , Diakité).
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).
Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).
3.2.3. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 im vorliegenden Fall nicht gegeben sind:
Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund der o.a. Länderfeststellungen in Zusammenschau mit dem weiteren - auch seitens des BF angeführten - Berichtsmaterials, den - vom BF glaubhaft dargelegten und festgestellten - persönlichen Lebensumständen und unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Beschwerde sowie den eingelangten Stellungnahmen aus folgenden Gründen davon aus, dass dem BF, der in der Stadt Mazar-e Sharif geboren sowie aufgewachsen ist, den größten Teil seines Lebens dort verbracht hat, über langjährige Schulbildung verfügt, Dari auch lesen und schreiben kann und bereits über erste Arbeitserfahrungen verfügt, im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und einer Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif keine reale Gefahr einer gegen Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verstoßenden Behandlung droht:
Der BF konnte keine ihn individuell treffende Bedrohung bzw. Verfolgung glaubhaft machen. Es muss aufgrund der dargestellten Ergebnisse des Verfahrens auch davon ausgegangen werden, dass er im Falle seiner Rückkehr keiner "realen Gefahr" iSd Art. 2 oder Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, die subsidiären Schutz notwendig machen würde.
Zwar gehört der BF als Hazara einer ethnischen Minderheit an, jedoch ist festzuhalten, dass sich für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara - wie aus den zugrunde gelegten Länderfeststellungen und dem weiteren Berichtsmaterial ersichtlich - die Situation in der Zwischenzeit deutlich verbessert hat, wenngleich die gesellschaftlichen Spannungen fortbestehen und in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder aufleben. Es ist somit nicht davon auszugehen, dass die Zugehörigkeit einer Person zur ethnischen Minderheit der (schiitischen) Hazara für sich alleine ausreicht, um davon ausgehen zu müssen, dass diese Person der Gefahr einer Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse bzw. einer bestimmten Glaubensgemeinschaft ausgesetzt wäre (vgl. dazu auch VwGH 31.10.2002, 2000/20/0358). In diesem Zusammenhang hat auch der EGMR in seiner Entscheidung vom 12.07.2016, 29094/09, A.M./Niederlande, ausgesprochen, dass weder die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara noch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als solche zu einem derart hohen Risiko führen würde, dass bei einer Rückkehr automatisch die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bestehe.
Es sind auch unabhängig davon - auch unter der Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 und dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen bekannten Länderberichtsmaterials - keine außergewöhnlichen, exzeptionellen Umstände hervorgekommen, die ihm im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan drohen und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 AsylG 2005 darstellen könnten, wie etwa eine dramatische Versorgungslage (z.B. Hungersnöte), eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens.
Nach Ansicht des EGMR ist die allgemeine Situation in Afghanistan auch nicht dergestalt, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. EGMR 09.04.2013, Nr. 70073/10 und 44539/11 H. und B./Vereinigtes Königreich, sowie zuletzt die Urteile vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande:
S.D.M., Nr. 8161/07; A.G.R., Nr. 13442/08; A.W.Q. und D.H., Nr. 25077/06; S.S., Nr. 39575/06; M.R.A. ua., Nr. 46856/07). Die allgemeine Situation in Afghanistan steht als solche einer Rückführung des BF im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht entgegen (vgl. auch VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, mwN).
Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des BF bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. EuGH 17.02.2009, C-465/07 , Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029). Die Herkunftsregion des BF ist die Provinz Balkh - konkret: die Region Mazar-e Sharif.
Es wird seitens des erkennenden Gerichtes im Hinblick auf die oben dargestellten Länderfeststellungen und unter Berücksichtigung der in der Beschwerde sowie der Stellungnahmen angeführten Länderberichte (darunter die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018) zur Gefährdungslage in der Stadt Mazar-e Sharif zwar keineswegs verkannt, dass die Sicherheitslage (auch) in Mazar-e Sharif nach wie vor sehr angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung nach wie vor die Kontrolle über Mazar-e Sharif und größere Transitrouten innehat, zudem ist Mazar-e Sharif auf Grund des vorhandenen Flughafens über den Luftweg sicher erreichbar. Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht zwar hervor, dass Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, auch in Mazar-e Sharif nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist aber anzuführen, dass die Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass eine Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat (bzw. ein bestimmtes Gebiet innerhalb eines Staates) automatisch eine Verletzung des Art. 3 EMRK nach sich ziehen würde. Auch wenn in Mazar-e Sharif Anschläge nicht auszuschließen sind und in der Vergangenheit bereits vorkamen, sind die Gefährdungsquellen in der Stadt jedoch nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage im gesamten Gebiet Mazar-e Sharif insgesamt als nicht ausreichend sicher zu bewerten ist.
Hinsichtlich der in Mazar-e Sharif bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist - unter Berücksichtigung vorhandenen Berichtsmaterials - auf das Wesentliche zusammengefasst auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist und dass Personen, die sich ohne jegliche familiäre Bindung, Fachausbildung und Geldmittel in der Stadt Mazar-e Sharif ansiedeln, mit sehr großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein werden. Beim BF handelt es sich aber um einen grundsätzlich gesunden und erwachsenen Mann im erwerbsfähigen Alter mit langjähriger Schulbildung und erster Arbeitserfahrung, bei dem die Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben auch weiterhin vorausgesetzt werden kann. Der BF könnte sich bei einer Rückkehr nach Afghanistan seine Existenz und weiteren Unterhalt mit Arbeit in der Stadt Mazar-e Sharif sichern. Entgegen dem Vorbringen (s. insbesondere S. 42 der Stellungnahme vom 05.06.2018) geht das Bundesverwaltungsgericht nicht von maßgeblichen spezifischen Vulnerabilitäten aus, welche beim BF vorliegen würden. Der BF ist weiters nicht verheiratet und kinderlos, weshalb er bei einer Rückkehr nur für seinen eigenen Lebensunterhalt aufkommen müsste. Es wird auch darauf hingewiesen, dass sich die Region um Mazar-e Sharif grundsätzlich gut entwickelt, indem neue Arbeitsplätze entstehen, sich Firmen ansiedeln und der Dienstleistungsbereich wächst; zudem wurde im Jahr 2017 ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren.
Darüber hinaus kann der BF durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise das Auslangen finden, weshalb auch nicht zu befürchten ist, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte.
Schließlich ist festzuhalten, dass der BF bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan in der Stadt Mazar-e Sharif gelebt hat, wo er daher über Kenntnis der infrastrukturellen Gegebenheiten verfügt. Der BF ist mit den kulturellen Gepflogenheiten vertraut. Er ist auch nicht anzunehmen, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung.
Vor dem Hintergrund des in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterials und der persönlichen Situation des BF ist in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde sowie in den Stellungnahmen in einer Gesamtbetrachtung daher nicht zu erkennen, dass der BF im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan in der Stadt Mazar-e Sharif real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.
Soweit die Stellungnahme vom 27.09.2018 auf die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass - im Unterschied hinsichtlich der Stadt Kabul - darin keine Annahme des generellen Nichtvorliegens einer internen Flucht- oder Schutzalternative in der Stadt Mazar-e Sharif getroffen wird. Außerdem ist der BF in der Stadt Mazar-e Sharif aufgewachsen und hat den größten Teil seines Lebens dort verbracht, weshalb keine Schlüsse zu ziehen sind, zumal UNHCR mit diesen Ausführungen in seinen Richtlinien lediglich die Relevanz und Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Flucht- oder Schutzalternative prüft. Zur Versorgungslage wird im Folgenden dennoch auch in Hinblick auf die Stadt Mazar-e Sharif noch näher ausgeführt.
Zu der Entscheidung des französischen "Cour nationale du droit dasile" vom 09.03.2018 ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass diese Entscheidung keine Bindungswirkung für österreichische Gerichte hat. Entscheidungen im Asylverfahren sind stets Einzelfallentscheidungen, bei denen die konkreten und individuellen Umstände jedes Falles gesondert geprüft werden.
Darüber hinaus kann der BF - vor dem Hintergrund der o.a. höchstgerichtlichen Judikatur sowie unter Berücksichtigung der von UNHCR in seinen Richtlinien vom 30.08.2018 aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer "internen Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative" für Afghanistan - nach den oben angeführten Länderberichten unter Berücksichtigung des übrigen in das Verfahren eingeführten bzw. angeführten Länderberichtsmaterials zur Situation in Afghanistan in Zusammenschau mit den vom BF glaubhaft dargelegten und festgestellten persönlichen Umständen aus folgenden Gründen in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile Afghanistans, konkret in die Stadt Herat, verwiesen werden:
Aus dem in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterial ergibt sich zunächst, dass die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, wobei diese regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt variiert.
Gerade die Provinz Herat gilt mit ihrer gleichnamigen Hauptstadt trotz der Durchführung von militärischen Operationen, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien, als eine - mit Ausnahme abgelegener Distrikte - der relativ friedlichen Provinzen Afghanistans. Schließlich ist festzuhalten, dass auch die Stadt Herat über einen internationalen Flughafen verfügt. Die ausreichend sichere Erreichbarkeit ist daher über den internationalen Flughafen gegeben (vgl. ferner auch die dahingehenden Ausführungen unter Pkt. V. der EASO-Country Guidance von Juni 2018). Es ist weiters festzuhalten, dass die afghanische Regierung auch die Kontrolle über die Stadt Herat und größere Transitrouten innehat.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes steht die aktuelle Sicherheitslage - auch hier mögliche Terroranschläge berücksichtigend - einer Ansiedlung des BF in der Stadt Herat nicht entgegen. Es ist daher bei einer Ansiedlung des BF in dieser Stadt allein auf Grund der dargestellten Sicherheitslage nicht von einer realen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auszugehen.
Hinsichtlich der Stadt Herat bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist - vor dem Hintergrund des vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten Berichtsmaterials sowie unter Berücksichtigung des in der Beschwerde und den Stellungnahmen angeführten Berichtsmaterials - auf das Wesentliche zusammengefasst Folgendes auszuführen:
Es wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes keineswegs verkannt, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wasser, Wohnraum und Gesundheitsversorgung auch in der Stadt Herat häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist und dass Personen, die sich ohne jegliche familiäre oder sonstige soziale Anknüpfungspunkte, Fachausbildung oder finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten durch Dritte in Herat ansiedeln, mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein werden. Es ist hinsichtlich der Provinz Herat aber festzuhalten, dass es sich um eine relativ entwickelte Provinz handelt, in der im Harirud-Tal Baumwolle, Obst sowie Ölsaat angebaut werden und in der weitgehend Safran produziert werden soll, was wiederum zu Arbeitsplätzen führen soll.
Hinsichtlich der Auswirkungen der aktuell u.a. die Provinzen Balkh und Herat betreffenden Dürre auf die dortige Versorgungslage (s. den unter Pkt. III.C.3. der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 dahingehenden Hinweis) ist zudem darauf hinzuweisen, dass derzeit kein Länderberichtsmaterial vorliegt und auch seitens des BF nicht in Vorlage gebracht wurde, aus welchem ersichtlich ist, dass die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in diesen Städten nicht als zumindest grundlegend gesichert anzusehen wäre. Das Bundesverwaltungsgericht zweifelt daher derzeit nicht an der grundlegend gesicherten Versorgung der afghanischen Bevölkerung in beiden Städten. So liegen gerade in Hinblick auf Mazar-e Sharif keine Berichte von Wasserknappheit in der Stadt vor, liegen die Getreidepreise trotz geringerer Ernten auf Grund guter Ernten in Pakistan und im Iran im Mai 2018 nicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre und wird von internationalen Hilfsprogrammen für die vor Dürre geflohene Bevölkerung, v.a. in der Provinz Herat berichtet (vgl. etwa ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan:
Folgen von Dürren in den Städten Herat und Masar-e Scharif, vom 12.10.2018, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan: Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018). Soweit UNHCR nunmehr in seinen aktualisierten Richtlinien zu einer IFA/IRA in Kabul schlussfolgert, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist (s. S. 129), ist eben festzuhalten, dass eine entsprechende Schlussfolgerung eben in Hinblick auf Mazar-e Sharif und Herat-Stadt auch in den aktualisierten Richtlinien nicht enthalten ist. Vor diesem Hintergrund wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes zwar keineswegs verkannt, dass die Folgen der Dürre in v.a. der Provinz Herat aber auch in der Provinz Balkh und die damit verbundene "Landflucht" der betroffenen Bevölkerung negative Auswirkungen auf die Versorgungslage in den Städten Mazar-e Sharif und Herat nach sich zieht. In einer Gesamtbetrachtung ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in diesen Städten nicht als zumindest grundlegend gesichert anzusehen wäre.
Den UNHCR-Richtlinien kommt weiters nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes "Indizwirkung" zu (s. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103; vgl. auch VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).
Laut den Richtlinien des UNHCR vom 30.08.2018 ist eine interne Schutzalternative u.a. nur dann zumutbar, wenn die betroffene Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, die betroffene Person tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR (weiterhin) alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne besondere Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Es ist davon auszugehen, dass UNHCR vor diesem Hintergrund von dem Erfordernis einer sorgfältigen Einzelfallprüfung ausgeht.
Im vorliegenden Fall verfügt der BF über keine soziale oder familiäre Unterstützung in Herat-Stadt (vgl. VfGH 12.03.2013, U1674/12). In diesem Zusammenhang ist aber auch zu beachten, dass selbst eine fehlende familiäre Anknüpfung nicht zu einer Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative führt bzw. eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK begründet (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; 13.09.2016, Ra 2016/01/0096; 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; vgl. auch zuletzt VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001-5 und 05.04.2018, Ra 2017/19/0616-5). In diesem Zusammenhang ist weiters auch zu beachten, dass aufgrund der aktuellen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch eine fehlende Schul- und Berufsausbildung bzw. -erfahrungen, eine drohende Arbeitslosigkeit, eine nicht vorhandene familiäre Unterstützung in Afghanistan, eine nicht ausreichende Kenntnisse über die örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit keine Verletzung des Art. 3 EMRK begründen. Insgesamt stellen Probleme hinsichtlich Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht keine exzeptionellen Umstände dar (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063;
18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036;
23.03.2017, Ra 2016/20/0188; 10.03.2017, Ra 2017/18/0064;
25.04.2017, Ra 2017/01/0016; 20.06.2017, Ra 2017/01/0023;
08.08.2017, Ra 2017/19/0118-5; 20.09.2017, Ra 2017/19/0190;
05.04.2018, Ra 2017/19/0616-5).
Demgegenüber ist der BF ein arbeitsfähiger junger Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Heimatlandes vertraut und spricht eine in seinem Heimatland weit verbreitete Sprache auf muttersprachlichem Niveau, welche er in Wort und Schrift beherrscht. Der BF verfügt über eine langjährige Schulausbildung und verfügt bereits über erste Arbeitserfahrung. Im Übrigen kann der BF eben durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise das Auslangen finden; deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Seinen (weiteren) Unterhalt könnte er dort mit Hilfs- bzw. Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei ihm seine Schulausbildung und Arbeitserfahrung zu Gute kommt. Es gibt somit unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des BF keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der BF in Ansehung seiner wirtschaftlichen Situation (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer existenzbedrohenden oder auch unzumutbaren Situation ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001-5).
Im Hinblick auf die bereits dargelegten persönlichen Umstände des BF führt die Prüfung der maßgeblichen Kriterien im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass der BF über keine maßgeblichen individuellen Gefährdungsfaktoren verfügt und in der Lage sein wird, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten in der Stadt Herat Fuß zu fassen und dort ein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten zu führen (vgl. dazu VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).
Im Ergebnis wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes unter Berücksichtigung des von ihm in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterials, der Ausführungen sowie der angeführten Länderberichte in den Stellungnahmen und der persönlichen Situation des BF nicht verkannt, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedlung in die Stadt Herat zu Beginn in eine wirtschaftlich schwierige Situation geraten würde. Es ist jedoch davon auszugehen, dass er in der Stadt Herat nicht real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden und ihm eine Ansiedlung dort auch zumutbar wäre. Das Bundesverwaltungsgericht folgt aus den dargelegten Erwägungen auch nicht der Anregung, ein Ersuchen um Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union zu stellen und kann in diesem Zusammenhang auch kein (für die Frage der Revisionszulassung relevantes) Abweichen des Verwaltungsgerichtshofes von seiner bisherigen Rechtsprechung erkennen (vgl. auch ausführlich VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001-5).
Im Ergebnis ist die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abzuweisen.
3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der BF befindet sich erst seit Oktober 2015 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde substantiiert behauptet wurde.
Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der BF ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (s. zum Ganzen den Beschluss vom 15.12.2015, Ra 2015/18/0265, mwN, sowie zuletzt den Beschluss vom 07.09.2016, Ra 2016/19/0168).
Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings auch bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (s. etwa die Erkenntnisse vom 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058, vom 21.1.2016, Ra 2015/22/0119, und in diesem Sinn auch jenes vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247, mwN sowie den Beschluss vom 15.03.2016, Ra 2016/19/0031). Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters ausgeführt, dass das persönliche Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 22.09.2011, 2007/18/0864 bis 0865, mwN). Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.5.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, Nr. 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, Nr. 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1).
Der BF befindet sich seit Oktober 2015 im Bundesgebiet und hält sich demnach erst etwas über drei Jahre in Österreich auf. Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet stützte sich für die Dauer des Verfahrens auf das Asylgesetz. Er konnte seinen Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrags vorübergehend legalisieren.
Der BF begründete sein Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrags unsicher war. Er musste sich daher bewusst sein, dass er etwaige eingegangene Bindungen im Bundesgebiet im Falle der Abweisung seines Antrags nicht aufrechterhalten werden kann.
Der BF ist nicht verheiratet oder verlobt und hat keine Kinder. Der BF hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Vom Vorliegen eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ist daher nicht auszugehen.
Unter Privatleben sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (EGMR U 23.06.2008 (GK), Maslov vs. Österreich, 1638/03, Rz 63). Eine den Schutz auslösende Verbindung kann insbesondere für solche Asylwerber in Betracht kommen, deren Bindung an Österreich aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse mit gleichzeitiger Entfremdung vom Heimatland quasi Österreichern gleichzusetzen ist. Die Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass Österreich faktisch das Land ist, zu dem sie gehören, während sie mit dem Herkunftsland nur noch das formale Band der Staatsbürgerschaft verbindet (vgl. EGMR 26.03.1993, Beldjoudi vs. France, Nr. 12083/86). So können persönliche Beziehungen, die nicht unter das Familienleben fallen, sehr wohl als "Privatleben" relevant sein. Die Prüfung am Maßstab des Privatlebens ist jedoch weniger streng als jene am Maßstab des Familienlebens, weshalb letztere in der Praxis im Vordergrund steht (Wiederin, Schutz der Privatsphäre, in:
Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer [Hg.], Handbuch der Grundrechte VII/1, 2. Aufl., § 10, Rn. 52). In der Folge werden integrationsrelevante Aspekte des Privatlebens des BF näher untersucht:
Hinsichtlich seiner Deutschkenntnisse ist festzuhalten, dass der BF bereits Deutschkurse besuchte und auch Prüfungen absolvierte. Dem BF wurde nunmehr auch eine Beschäftigungsbewilligung erteilt. Hinsichtlich der Beschäftigung bzw. Beschäftigungsbewilligung ist aber zu beachten, dass diese gerade erst und befristet erteilt wurde. Dies begründet im konkreten Fall kein gewichtiges Interesse an einem Aufenthalt in Österreich. In diesem Zusammenhang bringt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt, keine wesentliche Bedeutung zukommen (vgl. VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612 und 29.06.2010, 2010/18/0195, jeweils mwN, vgl. auch VwGH 29.05.2018, Ra 2018/20/0224; VwGH 27.08.2018, Ra 2018/20/0386).
Die Deutschkenntnisse, die freundschaftlichen Beziehungen, die - saisonale - Beschäftigungsbewilligung bzw. Erwerbstätigkeit des BF sowie die gemeinnützigen Tätigkeiten lassen auf einen in Ansehung der etwas über dreijährigen Aufenthaltsdauer durchschnittlichen, jedoch nicht maßgeblich darüber hinausgehenden Grad an Integration schließen.
Der BF ist kein Mitglied von politischen Parteien und war bisher auch sonst politisch nicht aktiv. In seiner Freizeit trifft er etwa Freunde, treibt Sport oder besucht Veranstaltungen. Schließlich wird das soziale Verhalten des BF in der Gesellschaft durch Referenzschreiben belegt. Daraus ist etwa zu entnehmen, dass er vom sozialen Umfeld etwa als freundlich und interessiert wahrgenommen wird. Auch wenn der BF erfolgreich integrative Schritte (wie Deutschkenntnisse, Beschäftigungsbewilligung) setzte, sind diese in Anbetracht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung die integrativen Bemühungen des BF aber insofern zu relativieren, als die Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale darstellen (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).
Der BF verfügt über starke Bindungen zum Herkunftsstaat. Der BF wurde in Afghanistan geboren, verbrachte dort den überwiegenden Teil seines Lebens und wurde dort umfassend sozialisiert. Er ging dort zur Schule und sammelte dort erste Arbeitserfahrungen. Daher ist der BF mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. Insgesamt ist davon auszugehen, dass noch relevante Beziehungen des BF zu seinem Herkunftsstaat vorliegen. Ferner beherrscht der BF zumindest eine Sprache des Herkunftsstaates als Muttersprache. Die Kenntnis einer Sprache des Herkunftsstaats ist - im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Integration in die dortigen Lebensverhältnisse - ein bedeutsamer Umstand (vgl. EGMR 26.03.1993, Beldjoudi vs. France, Nr. 12083/86). Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen einem Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr - letztlich auch als Folge eines seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens des Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188).
Im konkreten Fall ist unter Berücksichtigung der Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan (siehe oben Punkt II.1.5.) einzuräumen, dass die Situation, die der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat vorfinden wird, sich hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit, der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von den Verhältnissen in Österreich erheblich unterscheidet. Im Hinblick auf die persönliche Situation des BF - wie oben dargelegt, ist der BF jung, gesund und arbeitsfähig - ist letztlich festzustellen, dass die Situation im Herkunftsland im Rahmen einer Interessenabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes führt.
Der BF erhält in Österreich keine medizinische Behandlung, welche er in seinem Herkunftsland nicht bekommen würde (siehe dazu VwGH vom 28.04.2015, Ra 2014/180146 bis 0152; VwGH 29.02.2012, 20110/21/0310 bis 0314 und 210/21/0366; VfGH 21.09.2015, E 332/2015).
Die Tatsache, dass der BF in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine relevante Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253).
Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ist hinsichtlich der vorliegenden integrationsbegründenden Umständen zu beachten, dass sie gemindert werden, wenn sie zu einem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein musste und somit nicht damit rechnen durfte, dauerhaft in Österreich bleiben zu können (zuletzt VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070, mwN).
Die Dauer des vorliegenden Verfahrens übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die vom Asylgerichtshof angesprochenen öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthalts im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Ausweisung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (VfGH 12.06.2013, U485/2012; EGMR 4.12.2012, Fall Butt, 47.017/09).
Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet - selbst unter Berücksichtigung der festgestellten Umstände in Hinblick auf seine religiöse bzw. areligiöse Interessen - nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen in den Hintergrund treten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens über kein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben. Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen. Grundsätzlich ist nach negativem Ausgang des Asylverfahrens - infolge des damit einhergehenden Verlustes des vorläufig während des Verfahrens bestehenden Rechts zum Aufenthalt und sofern kein anderweitiges Aufenthaltsrecht besteht - der rechtmäßige Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wiederherzustellen (VwGH vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 mwN). Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt. Obigen Erwägungen zufolge sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 nicht gegeben.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde. Wie bereits oben ausgeführt sieht auch der EGMR in seiner jüngsten Rechtsprechung die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Da derartige besondere Umstände vom BF nicht substantiiert behauptet und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.
Die Beschwerde ist daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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