BVwG W257 2146522-1

BVwGW257 2146522-18.10.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W257.2146522.1.00

 

Spruch:

W257 2146519-1/9E

 

W257 2146522-1/9E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert Gerhard MANTLER, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX (BF1) und seinem leiblichen minderjährigen Sohn XXXX , geboren am XXXX (BF 2), beide Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, beide vertreten durch

 

den "Verein Menschenrechte Österreich" in Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom XXXX , Zln. XXXX (BF1) und XXXX (BF2), nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 16.08.2018 zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

1. Verfahrensgang

 

1.1. Der Beschwerdeführer XXXX , in der Folge kurz "BF1" genannt, stellte am 01.02.2016 für sich und seinen leiblichen minderjährigen Sohn XXXX , in der Folge kurz "BF2" genannt, jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

1.2. In der Erstbefragung des BF1 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.02.2016 gab er an, er sei Staatsbürger der Islamische Republik Afghanistan, sei am XXXX geboren und stamme aus der Ortschaft XXXX , welche im Distrikt XXXX in der Provinz Daikundi liege. Er sei ledig und kinderlos. Sein Bruder lebe in Linz, sein Vater sei 70 Jahre alt und lebe in Afghanistan. Seine Mutter sei verstorben und er hätte noch zwei Schwestern. Ein weiterer Verwandte würde in Schweden leben. Er sei Schiiite und in Afghanistan seien alle Schiiten von den Sunniten verfolgt worden. Deswegen sei er mit seinem Sohn geflüchtet.

 

1.3. In der Einvernahme des BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge teilweise auch "Behörde" genannt) am 19.12.2016 führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, dass er mit seinem Sohn in XXXX , XXXX lebe. Er sei ca 31 Jahre alt und gesund. Ca im Alter von 11 Jahren sei er mit seiner Familie in den Iran verzogen. Er hätte am 20.03.2009 seine Frau geheiratet, welche er im Iran kennen gelernt habe. Die Ehe sei vor ca 4 Jahren geschieden worden. Bis vor ca 1 1/2 Jahren hätte der Sohn bei seiner Frau gelebt, seitdem lebe er bei ihm. Der Sohn hätte regelmäßig telefonischen Kontakt zu seiner Mutter. Er hätte zuletzt mit seiner Frau im Iran gewohnt, sei aber nach der Scheidung nach Afghanistan abgeschoben worden. Er wäre wieder zu seinem Heimatdorf zurückgegangen und nach einem Jahr sei er wieder in den Iran eingereist. Er sei abermals abgeschoben worden und hätte sich ca. einem Monat in Herat aufgehalten. Bei dieser Abschiebung sei bereits sein Sohn bei ihm gewesen. Wegen der schlechten Sicherheitslage in Herat seien sie nach einem Monat wieder ausgereist. Der Sohn hätte nicht bei seiner Mutter verbleiben können, weil der neue Mann seiner geschiedenen Frau den Sohn nicht akzeptiert hätte. Insgesamt sei er fünfmal vom Iran nach Afghanistan zurück abgeschoben worden. Er wolle nicht, dass sein in Afghanistan als Landwirt enden würde. Sein Sohn habe keinen eigenen Fluchtgründe. Er sei gemeinsam mit seinem Bruder und seinem Sohn nach Europa geflohen.

 

1.4. Die Behörde wies die Anträge der Asylwerber mit den im Spruch erwähnten Bescheiden hinsichtlich des internationalen Schutzes ab, sowie wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten ebenso nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers zulässig sei. Die Asylwerber bekamen eine zweiwöchige Frist für seine Ausreise zugestanden. Die Behörde erkannte bei dem Vorbringen keine asylrelevanten Fluchtgründe und vermeinte, dass die Beschwerdeführer nach Kabul zurückkehren könnten.

 

1.5. Gegen die Bescheide richtet sich die fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde der Beschwerdeführer, wobei sie im Wesentlichen die Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht und unrichtige Beweiswürdigung geltend machten.

 

1.6. Der Verwaltungsakt langte am 02.02.2017 am Bundesverwaltungsgericht ein und wurde entsprechend der Geschäftseinteilung der Gerichtsabteilung W257 zugewiesen (OZ 1). Nachdem ein Familienverfahren nach § 34 AsylG vorliegt, wurden die Verfahren der beiden Beschwerdeführer zusammengefasst behandelt.

 

1.7. Das Bundesverwaltungsgericht setzte für den 16.08.2018 eine mündliche Verhandlung fest, wovon die Parteien nachweislich verständigt wurden.

 

1.8. Folgende Länderberichte des Herkunftsstaates wurden der Einladung angeschlossen und den Parteien im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit geboten, dazu binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen (OZ 5).

 

 

 

 

Die Parteien nahmen von dieser Gelegenheit nicht Gebrauch.

 

1.9. Nachdem das Länderinformationsblatt (sh vorherigen Punkt, erster Spiegelstrich) eine Gesamtaktualisierung erfuhr, wurde die aktuelle Fassung vom 29.06.2018 den Parteien am 04.07.2018 zur Stellungnahme übersandt (OZ 6). Eine Stellungnahme hierzu langte ebenso nicht ein.

 

1.10. Vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte BF1 Folgendes vor:

Sowohl er als auch sein Sohn sind grundsätzlich gesund. Sein Sohn habe keine eigenen Fluchtgründe, sondern leite er seine Flucht von ihm, BF1 ab. Er sei in Afghanistan in der Provinz Daikundi, in einer ländlichen Gegend geboren worden. Als er ca. 7 Jahre alt war, sei die Familie in den Iran verzogen. Zuletzt wäre er im Alter von 27 Jahren in seinem Heimatdorf gewesen. In Afghanistan würden noch zwei Halbbrüder, vier Schwestern und zwei weitere Halbschwestern leben. Ein leiblicher Bruder würde mit seiner Familie in XXXX , XXXX , leben. Zu dieser Familie pflege er regelmäßig Kontakt; sie würden sich ca einmal im Monat persönlich sehen. Sein Vater würde ebenso in Afghanistan leben, zu dem er allerdings keinen Kontakt mehr habe. Im Iran würde nur seine geschiedene Frau leben. Seine Frau hätte kein Sorgerecht über den gemeinsamen Sohn (BF2). Sein Sohn würde bis zur Volljährigkeit bei ihm bleiben. Hier in Österreich kümmere sich sein in XXXX lebender Bruder auch ein wenig um den Sohn, in Afghanistan habe er keinen, der ihm unterstützten könne. Im Falle einer Rückkehr könne er von seinen Familienangehörigen keine Unterstützung erwarten.

 

Er spreche Dari, Farsi, und etwas Deutsch. Er hätte 10 Jahre im Iran als Bauer gearbeitet und danach ca 12 Jahre in einer Fabrik, welche Getränke und Säfte hergestellt habe. Er hätte dort die Maschinen bedient. Er sei Analphabet.

 

Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil die Hazaras, so wie er und sein Sohn sind, überall getötet werden würden. In Herat hätte er zwar ein Monat gelebt, doch hätte er sich dort mit seinem Sohn nicht frei bewegen können. Er könne nicht auf die Unterstützung seines Vaters hoffen. Er sei mit ihm nicht groß geworden und insgesamt kenne er die afghanische Kultur nicht. Er wolle nur das Beste für seinen Sohn.

 

Er sei wiederholt vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden und hätte versucht im Heimatort mit seinem Vater zu reden. Dieser hätte ihn bereits nach der zweiten Zurückschiebung geschlagen und man hätte ihn sogar an einem Pferd hinterhergezogen. Er hätte sterben können. Er wäre am Bein durch einen Messerstich verletzt worden. Er hätte aber nicht bei seinem Vater gewohnt, sondern in einem eigenen Zimmer. Auch nach der dritten Abschiebung sei er in sein Heimatdorf zurückgegangen, weil er nicht gewusst habe, wohin er sonst gehen solle. Er sei aus Afghanistan wegen der allgemeinen schlechten Sicherheitslage geflohen. Zudem hätte er mitbekommen, dass Hazaras generell in Afghanistan verfolgt werden würden. Er könne nicht zurückkehren, weil die Familie ihn töten würde. Außerdem gebe es dort keine Ausbildungsmöglichkeit für seinen Sohn. Schließlich brachte er vor, dass er schwere Kindheit erleben hätte müssen.

 

Zuletzt als er im Iran aufgegriffen worden sei, hätte man von ihm verlangt, dass er in den Syrienkrieg kämpfen gehen solle. Dies habe er abgelehnt und sei mit seinem Bruder nach Österreich gereist.

 

Er lebe hier in XXXX , XXXX . Er hätte die A1-Prüfung leider nicht bestanden. Er sei Analphabet und immer auf Unterstützung angewiesen. Tagsüber sorge er sich um seinen Sohn, welcher die Schule besucht und rasch die Sprache erlerne.

 

Die Rechtsvertretung wies in der Verhandlung darauf hin, dass eine Rückführung die menschliche Existenz beider Beschwerdeführer gefährden würde. Dies wird damit begründet, dass er keine Unterstützungsmöglichkeiten habe, seit jeher im Iran aufgewachsen sei und daher die afghanische Kultur nicht kenne. Verwiesen wird auf den Bericht der Friederike Stahlmann, Asylmagazin 3/2017, dem Gutachten von Ihr vom 28.03.2018, sowie auf den Aufsatz von Thomas Ruttig vom Juni 2017.

 

Folgende Unterlagen, welche die Integrationstiefe beweisen sollten, wurden vorgelegt:

 

Vier Empfehlungsschreiben, Bestätigung bei der Teilnahme an einem Adventmarkt, Kursbestätigung "Deutschkurs für Asylwerber" vom 31.05.2017, 31.08.2017 und vom 06.03.2018, Teilnahme am Projekt " XXXX " vom 05.07.2017 bis zum 23.08.2017, Schulbesuchsbestätigung des BF2 des Schuljahres 2016/17 (Vorschulstufe als ao Schüler, VS XXXX ), Schulbesuchsbestätigung des BF2 des Schuljahres 2017/18.

 

Zudem wurden folgende Aufsätze seitens der Rechtsvertretung vorgelegt:

 

1.10.1. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan. Situation für Afghaninnen (insbes. Hazar) die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben... (a-9219) vom 12.06.2015,

 

1.10.2. Gutachterliche Stellungnahme im Auftrag der Gerichtsabteilung W140 vom 15.09.2017, Frau XXXX

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

2. Feststellungen:

 

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt steht fest!

 

2.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

 

2.1.1. Die Beschwerdeführer führen die Namen XXXX und XXXX . XXXX ist der leibliche Sohn des XXXX . In dem gerichtlichen Akt wurde der Familienname des Zweitbeschwerdeführers irrtümlich falsch geschrieben ( XXXX ) und berichtigt. Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Hazaras. BF1 bekannt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Der minderjährige BF2 folgt dieser Richtung.

 

2.1.2. Ein leiblicher Bruder lebt in XXXX , XXXX . Er hat einen Vater in Afghanistan, vier Schwestern, zwei Halbschwestern und zwei Halbbrüder. Seine Mutter ist verstorben.

 

Nachdem zwischen den beiden Beschwerdeführer ein unmittelbares Verwandtschaftsverhältnis besteht, wurden die beiden Verfahren miteinander verbunden. XXXX , der Vater, wurde im gegenständlichen Verfahren als BF1 und XXXX , dessen Sohn, wurde als BF2, bezeichnet.

 

2.1.3. BF1 wurde in der Provinz Daikundi geboren und wuchs dort auf. Im Alter von 11 Jahren verließ seine Familie Afghanistan und siedelte sich im Iran an.

 

Im Jahr 2009 heiratete er seine Frau und bekam seinen Sohn BF2. BF2 kam im Iran auf die Welt und ist heute acht Jahre alt. Die Ehe wurde nach vier Jahren aus Initiative seiner Frau geschieden. Nach einem Jahr heiratet sie wieder. Der neue Mann akzeptierte den BF2 nicht, woraufhin BF2 in die Obhut von BF1 kam.

 

BF1 wurde oftmals von Afghanistan in den Iran abgeschoben und versuchte nach jeder Abschiebung mit seinem Vater Kontakt aufzunehmen.

 

Aufgrund seiner Angaben lassen sich folgende Abschiebungen nach Afghanistan zusammenfassen:

 

 

 

 

 

BF1 floh gemeinsam mit BF2 aus Afghanistan, sowie gemeinsam mit seinem Bruder, welcher aus Iran die Reise nach Europa antrat. Der Bruder lebt mittlerweile in XXXX .

 

Die Beschwerdeführer reisten unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellten am 01.02.2016 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

BF1 hat nie eine Schule besucht. BF2 ist in Österreich schulpflichtig.

 

BF1 verfügt über mehrjährige Berufserfahrung als Bauer und Arbeiter in einer Fabrik im Iran, welche Getränke herstellt.

 

Die Familie des BF1 besteht aus seinem Sohn, seinem Bruder samt seiner Familie, welche in XXXX , XXXX , leben, einen weiteren Verwandten in Schweden und die in Afghanistan verbliebenen Familienangehörigen. Diese umfassen: Seinem Vater zwei Halbbrüder zwei Halbschwestern und vier Schwestern.

 

2.1.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan keinen Kontakt mehr hätte. Das Gericht geht davon aus, dass BF1 im Falle der Rückkehr für sich und BF2 eine persönliche und finanzielle Unterstützung erwarten kann.

 

Die Beschwerdeführer sind gesund. BF1 ist arbeitsfähig.

 

Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht außerdem Farsi und ein wenig Deutsch.

 

BF1 ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. BF2 ist strafunmündig.

 

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

 

BF1 brachte vor, aus Afghanistan geflohen zu sein, weil er Angst hatte. Dies wird begründet auf die allgemeine schlechte Sicherheitslage. Folgende Aussage in der Verhandlung verdeutlicht dies:

 

"In Kabul bin ich verloren. Ich wurde als Kind bereits ein Flüchtling. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich in Afghanistan über die Runden kommen soll, weil ich dort nie richtig gelebt habe. Das, was ich weiß ist, dass man in Afghanistan Hazara allgemein ablehnt. Jene, die meiner Volksgruppe, also den Hazara angehören, sind eher Gefahren ausgesetzt, Frauen und Männer. Wir als Hazara können nicht überall in Afghanistan leben, nicht einmal überall in Kabul ist das möglich"

 

"Zuletzt habe ich Afghanistan verlassen müssen, vor allem wegen der Sicherheitslage. Ich sehe dort keine Verbesserung, ich habe die Hoffnung aufgegeben. Es besteht diese Familienfeindschaft. Darüber hinaus habe ich mitbekommen, dass viele Hazara aus der Heimat flüchten. Ich habe entschieden, Afghanistan zu verlassen."

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF, weder BF1 noch BF2 für sich alleine, noch BF1 und BF2 im Zusammenwirken, in ihrem Herkunftsstaat Afghanistan einer systematischen Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, dh. wegen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt war oder ihm in Falle einer Rückkehr derartiges droht.

 

BF1 reiste aus Afghanistan aus, um die Situation seines Sohnes zu verbessern und ihm eine Ausbildung zu ermöglichen. Dies brachte er selbst vor, wie zB.:

 

"In Afghanistan gibt es keine Ausbildungsmöglichkeiten. In Afghanistan herrscht Krieg, weil die Menschen hauptsächlich ungebildet sind. Ich möchte nicht, dass mein Sohn so ein Analphabet wird. Ich möchte, dass er in einer Umgebung aufwächst und die Umgebung ihn positiv beeinflusst und ein guter Mensch aus ihm wird."

 

Der Grund für seine eigenen Kinder die wirtschaftliche Situation zu verbessern bzw. ihnen eine entsprechende bildungsgerichtete Zukunft zu ermöglichen, ist jedoch kein Asylgrund nach der Genfer Flüchtlingskonvention.

 

2.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

 

2.3.1. BF1 würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Afghanistan, Daikundi kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen oder einer Verfolgung ausgesetzt sein.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF1 im Falle einer allfälligen Rückkehr in sein Heimatdorf nicht im Stande wäre, für ein ausreichendes Auskommen im Sinne der Sicherung seiner Grundbedürfnisse und der Grundbedürfnisse seines Sohnes (BF2) zu sorgen und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt wäre, in eine existenzbedrohende Notlage für sich und seinen Sohn zu geraten.

 

Die Heimatprovinz der Beschwerdeführer ist aus infrastruktureller Sicht vom internationalen Flughafen in Kabul über das Straßennetz in Afghanistan erreichbar. Eine über die allgemeine Sicherheitslage hinausgehende besondere Gefährdung konnte nicht festgestellt werden.

 

2.3.2. BF2 würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Afghanistan, Daikundi, unter der Annahme der Obsorge von seinem Vater BF1, kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen oder einer Verfolgung ausgesetzt sein.

 

Es sind im ganzen Verfahren keine Gründe hervorgetreten, welche ihm gegenüber anderen Kinder in seinem Alter in der Herkunftsprovinz des BF1, insofern hervorheben würde, als dass von einer realen Gefahr, sowohl von wirtschaftlicher, als auch von sicherheitsrelevanter Sicht, gesprochen werden kann.

 

BF1 ist gegenüber BF2 alleinig obsorgeberechtigt und kann bei einer Rückkehr in das Heimatdorf eine Unterstützung seitens der Verwandten erwarten.

 

2.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

 

Die Beschwerdeführer sind seit ihrer Antragstellung am 01.02.2016 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Sie beziehen Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

 

Die Beschwerdeführer verfügen in Österreich über Verwandte. Der Bruder des BF1 mitsamt seiner Familie lebt in XXXX , XXXX . Die Familien haben regelmäßig, ca einmal im Monat, persönlichen Kontakt zueinander.

 

BF1 hat zwar Deutschkurse besucht, jedoch die A1-Prüfung nicht bestanden. BF2 besucht die Schule. Die Familie lebt in XXXX . BF1 sorgt sich um BF2.

 

2.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

 

In der Folge bedeutet "LIB" folgende Quelle: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018 (sh Punkt 1.9).

 

2.5.1. Zur allgemeinen Sicherheitslage:

 

"Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018). (LIB auf Seite 24)."

 

2.5.2. Zur aktuellen Sicherheitslage in Kabul (LIB ab Seite 46ff)

 

"Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. ....

 

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

 

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018). Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

 

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

 

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

 

Informationen und Beispiele zu öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) können dem Kapitel 3. "Sicherheitslage (allgemeiner Teil)" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

 

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

 

(Grafik)

 

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

 

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

 

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

 

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

 

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

 

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018). Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018)."

 

2.5.3. Zur wirtschaftlichen Situation im Falle der Rückkehr:

 

2.5.3.1. Aus dem Länderbericht, eingebracht seitens des BF, sh Punkt

1.10.1

 

"...Dem Artikel zufolge würden die RückkehrerInnen als "Afghan-e Badal" oder falsche AfghanInnen bezeichet. Nur wenige von ihnen hätte politische Verbindungen in den Iran, aber aufgrund ihrer Zeit im Iran seien sie in den Augen der AfghaneInnen, die das Land nicht verlassen hätten, kulturell nicht authentisch und politisch verdächtig..."

 

2.5.3.2. Aus dem Länderbericht, eingebracht seitens des BF, sh

1.10.2

 

"... In Afghanistan herrscht eine generelle negative Einstellung gegenüber Rückkehrern, denen von den in Afghanistan verbliebenen Personen vorgeworfen wird, dem Krieg entflohen zu sein und das Land sowie die Bevölkerung im Stich gelassen zu haben und selbst ein wohlhabendes Leben im Ausland geführt zu haben. Ihnen wird auch vorgeworfen, dass sie zurückgekehrt seien um von der sich teilweise stabilisierten Lage im Land zu profitieren. Die afghanische Regierung hat im Jahr 2001 ein Dekret erlassen, welches die Diskriminierung von Rückkehrern verbietet. Trotz dieses Dekrets werden Rückkehrer aus dem Iran von der Bevölkerung und der Regierung diskriminiert und schikaniert. ....

 

Rückkehrer, die über keine familiären und sozialen Anknüpfungspunkte am Wohnort verfügen, fällt es ohne sozialen Beziehungen schwerer eine Unterkunft oder Verdienstmöglichkeit zu finden. ...

 

Berichten der internationalen Hilfsorganisationen zufolge leben geschätzte drei Millionen afghanische Flüchtlinge in Pakistan sowie zirka 2,5 Millionen im Iran. Darunter befinden sich viele im Exil geborene Afghanen der zweiten und dritten Generation....

 

Besonders im Iran sind afghanische Staatsangehörige nicht erwünscht, wo sie sehr benachteiligt sind und kaum über eine Perspektive verfügen. Bereits seit November 2013 schickt der Iran tausende Afghanen zum Kampf gegen die IS nach Syrien. Im Gegenzug verspricht die iranische Regierung afghanischen Flüchtlingen das Bleiberecht im Iran oder finanzielle Anreize. Einigen Afghanen soll aber auch mit der Abschiebung gedroht worden sein, falls sie sich weigern sollten, nach Syrien zu gehen. Am 2. Mai 2016 verabschiedete das Teheraner Parlament ein Gesetz, wonach im Falle eines Todes die Angehörigen der afghanischen Kämpfer die iranische Staatsbürgerschaft erhalten. Damit bestätigte die iranische Regierung erstmals die Existenz ausländischer Söldner....

 

Zur Situation von Rückkehrern in Afghanistan:

 

Afghanische Rückkehrer geraten beim Wiederaufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan in gravierende Schwierigkeiten. Diese verfügen über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft. Außerdem erschwert die prekäre Sicherheitslage die Rückkehr der meisten in ihre Heimatregionen. Es wird berichtet, dass viele Rückkehrende ihre Dörfer innerhalb von zwei Jahren erneut verlassen müssen und in die Städte ausweichen, insbesondere nach Kabul, wo es ihnen nach der Rückkehr auch wirtschaftlich schlechter geht als im Exilland.

 

Es darf nicht ungesagt bleiben, dass Rückkehrer bei ihrer Ankunft in Afghanistan nach einer Abwesenheit bemerken, dass sie weitgehend von den Verwandtschafts-, Geschäfts- und Patronage-Beziehungen - falls überhaupt vorhanden - ausgeschlossen werden. Damit ist gemeint, dass es für Rückkehrer besonders schwierig ist, sich ohne etwaige Verwandte oder Freunde zu Recht zu finden und Zugang zu Arbeitsstätten zu bekommen. Ihnen fehlt somit jeglicher Zugang zu nützlichen Ressourcen. Nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan gelten sie als Fremde im eigenen Land. Darüber hinaus müssen die meisten Jugendlichen, die aus dem Iran und Pakistan zurückkehren bzw. abgeschoben werden und über keine Fachausbildung verfügen, mit dem Problem der Arbeitslosigkeit kämpfen. Auf Grund der unsicheren Lage fühlen sich viele Unternehmer dazu gezwungen, ihre Firmen zu schließen. Dies führt ebenfalls zu einer schwierigen Situation am Arbeitsmarkt. Daraus ergibt sich, dass tausende junge Menschen derzeit auf dem Weg sind, außerhalb von Afghanistan Möglichkeiten nach wirtschaftlichem Überleben zu suchen. Jene Rückkehrer, die im Land verbleiben, geraten oft in die Drogenszene und leben zum Teil in Parkanlagen und in nicht bewohnbaren Häusern. Auf Grund dieser Umstände ist die Kriminalitätsrate, vor allem unter jungen Menschen, stark gestiegen. Diese Situation der jungen Rückkehrer hat dazu geführt, dass die afghanische Regierung vor allem die Nachbarländer gebeten hat, afghanische Flüchtlinge nicht abzuschieben.

 

Wenn Rückkehrer über kein soziales Netzwerk verfügen und auch keine finanzielle Unterstützung zugesichert bekommen, sind sie gezwungen, in Zelten zu leben und haben zudem nur geringen Zugang zu Nahrungsmitteln und Wasser. Die Situation ist insbesondere für junge afghanische Rückkehrer hart, zumal die afghanische Regierung nicht über die nötigen Ressourcen verfügt, um diese beim Aufbau einer Existenzgrundlage zu unterstützen. Viele Afghanen haben Afghanistan aufgrund des langjährigen Krieges verlassen, können aber, obwohl es in manchen Gebieten wieder sicher ist, wegen der wirtschaftlichen Lage nicht mehr dorthin zurückkehren.

 

Rückkehrer aus dem Iran berichten über soziale Ablehnung durch jene Afghanen, die während der Konfliktjahre in Afghanistan geblieben sind. Oftmals werden Rückkehrer als ‚Eindringlinge' oder ‚Fremde' angesehen. Im Großen und Ganzen gibt es eine generelle negative Einstellung gegenüber Rückkehrern, denen von den in Afghanistan verbliebenen Personen vorgeworfen wird, dem Krieg entflohen zu sein und das Land und die Bevölkerung im Stich gelassen zu haben und selbst ein wohlhabendes Leben im Ausland geführt zu haben. Vor allem Flüchtlinge zweiter Generation erleben Diskriminierung aus ethnischen, religiösen und politischen Gründen intensiver als die der ersten Generation.

 

Die Tatsache, dass die Mehrheit der im Iran geborenen Afghanen, vor allem die Dari- bzw. Farsi-sprechenden sunnitischen Tadschiken und schiitischen Hazara, durch ihren Schulbesuch oder durch die Ausübung eines Berufes im Iran die iranische Kultur und Lebensweise angenommen haben, erschwert die Rückführung dieser in die afghanische Gesellschaft. Für viele ist auch die Vorstellung, in ländliche Gebiete Afghanistans zurückzukehren, die meist nur ein sehr grundlegendes Maß an Infrastruktur, sozialen Diensten und Beschäftigungsmöglichkeiten bieten, beängstigend.

 

Die afghanische Bevölkerung betrachtet Rückkehrer aus dem Iran mit Argwohn und ist der Meinung, dass diese die Identität Afghanistans ändern und das Land ‚iranischer' machen. Sie werden auch oft als ‚falsche' Afghanen bezeichnet. Dieser Umstand führt oft zu Spannungen zwischen den Rückkehrern und jenen, die während der Kriegsjahre in Afghanistan verblieben sind. Rückkehrer berichten auch über ein unfreundliches Verhalten der Afghanen im Land und dass die afghanische Gesellschaft eine negative Wahrnehmung von Rückkehrern aus dem Iran habe. Auch werden solche Rückkehrer als kulturell nicht authentisch und politisch verdächtig angesehen. Die Aussprache, nämlich der iranische Akzent der Rückkehrer, führt zur sozialen Ausgrenzung, dem zufolge sie mit Diskriminierung und Erniedrigung seitens einiger staatlicher Einrichtungen, darunter auch Bildungseinrichtungen, konfrontiert sind. Ohne Beziehungen zu dort wohnhaften und mit der dortigen Gesellschaft vertrauten Personen ist es nahezu unmöglich, in Afghanistan Arbeit zu finden. Ihnen wird unter anderem auch vorgeworfen, dass sie zurückgekehrt seien, um von der sich teilweise stabilisierten Lage im Land zu profitieren.

 

Die afghanische Regierung hat im Jahr 2001 ein Dekret erlassen, welches die Diskriminierung von Rückkehrern verbietet. Trotz dieses Dekrets werden Rückkehrer aus dem Iran von der Bevölkerung und der Regierung diskriminiert und schikaniert. Am schwierigsten erweist sich die Situation für jene, die nicht in ihre Heimatdörfer zurückkehren wollen, vor allem aus Sicherheitsgründen oder wegen fehlender familiärer Anknüpfungspunkte. Diese Rückkehrer sind besonders verwundbar. Als Fremde im eigenen Land fehlen ihnen die wichtigen Netzwerke, die sie in der afghanischen Stammesgesellschaft brauchen. Eine Unterkunft oder eine Verdienstmöglichkeit zu finden, ist ohne solche Beziehungen viel schwieriger."

 

2.5.3.3. Aus dem LIB zu den Rückkehrern:

 

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).

 

Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).

 

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).

 

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

 

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor. IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung. In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert. IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an. Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten. Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein. Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung

 

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak-Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Ausführliche Informationen zu den Programmen und Maßnahmen der erwähnten Organisationen sowie weitere Unterstützungsmaßnahmen können dem FFM-Bericht Afghanistan 4.2018 entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

 

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen

 

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

2.5.4. Zu den Kindern in Afghanistan, aus dem LIB, Seite 298 ff

 

"Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Während Mädchen unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen waren, machen sie von den heute ca. acht Millionen Schulkindern rund drei Millionen aus. Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufe ab. Den geringsten Anteil findet man im Süden und Südwesten des Landes (Helmand, Uruzgan, Zabul und Paktika) (AA 5 .2018). Landesweit gehen in den meisten Regionen Mädchen und Buben in der Volksschule in gemischten Klassen zur Schule; erst in der Mittel- und Oberstufe werden sie getrennt (USDOS 3.3.2017).

 

Bildungssystem in Afghanistan

 

Der Schulbesuch ist in Afghanistan bis zur Unterstufe der Sekundarbildung Pflicht (die Grundschule dauert sechs Jahre und die Unterstufe der Sekundarbildung drei Jahre). Das Gesetz sieht kostenlose Schulbildung bis zum Hochschulniveau vor (USDOS 20.4.2018).

 

Aufgrund von Unsicherheit, konservativen Einstellungen und Armut haben Millionen schulpflichtiger Kinder keinen Zugang zu Bildung - insbesondere in den südlichen und südwestlichen Provinzen. Manchmal fehlen auch Schulen in der Nähe des Wohnortes (USDOS 3.3.2017). Auch sind in von den Taliban kontrollierten Gegenden gewalttätige Übergriffe auf Schulkinder, insbesondere Mädchen, ein weiterer Hinderungsgrund beim Schulbesuch. Taliban und andere Extremisten bedrohen und greifen Lehrer/innen sowie Schüler/innen an und setzen Schulen in Brand (USDOS 20.4.2018). Nichtregierungsorganisationen sind im Bildungsbereich tätig, wie z. B. UNICEF, NRC, AWEC und Save the Children. Eine der Herausforderungen für alle Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich - speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind. UNICEF unterstützt daher durch die Identifizierung von Dorfgemeinschaften, die mehr als drei Kilometer von einer ordentlichen Schule entfernt sind. Dort wird eine Dorfschule mit lediglich einer Klasse errichtet. UNICEF bezeichnet das als "classroom". Auf diese Art "kommt die Schule zu den Kindern". Auch wird eine Lehrkraft aus demselben, gegebenenfalls aus dem nächstgelegenen Dorf, ausgewählt - bevorzugt werden Frauen. Lehrkräfte müssen fortlaufend Tests des Provinzbüros des Bildungsministeriums absolvieren. Je nach Ausbildungsstand beträgt das monatliche Gehalt der Lehrkräfte zwischen US$ 90 und 120. Die Infrastruktur für diese Schulen wird von der Dorfgemeinschaft zur Verfügung gestellt, UNICEF stellt die Unterrichtsmaterialien. Aufgrund mangelnder Finanzierung sind Schulbücher knapp. Wenn keine geeignete Lehrperson gefunden werden kann, wendet sich UNICEF an den lokalen Mullah, um den Kindern des Dorfes doch noch den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. UNICEF zufolge ist es wichtig, Kindern die Möglichkeit zu geben, auch später einem öffentlichen Schulplan folgen zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

In Afghanistan existieren zwei parallele Bildungssysteme; religiöse Bildung liegt in der Verantwortung des Klerus in den Moscheen, während die Regierung kostenfreie Bildung an staatlichen Einrichtungen bietet (BFA Staatendokumentation 4.2018). Nachdem in den meisten ländlichen Gemeinden konservative Einstellungen nach wie vor präsent sind, ist es hilfreich, wenn beim Versuch Modernisierungen durchzusetzen, auf die Unterstützung lokaler Meinungsträger zurückgegriffen wird - vor allem lokaler religiöser Würdenträger, denen die Dorfgemeinschaft vertraut. Im Rahmen von Projekten arbeiten unterschiedliche UN-Organisationen mit religiösen Führern in den Gemeinden zusammen, um sie in den Bereichen Frauenrechte, Bildung, Kinderehen und Gewalt, aber auch Gesundheit, Ernährung und Hygiene zu beraten. Eines dieser Projekte wurde von UNDP angeboten; als Projektteilnehmer arbeiten die Mullahs der Gemeinden, die weiterzugebenden Informationen in ihre Freitagpredigten ein. Auch halten sie Workshops zu Themen wie Bildung für Mädchen, Kinderehen und Gewalt an Frauen. Auf diesem Wege ist es ihnen möglich eine Vielzahl von Menschen zu erreichen. Im Rahmen eines Projektes hat UNICEF im Jahr 2003 mit rund 80.000 Mullahs zusammengearbeitet, mit dem Ziel Informationen zu Gesundheit, Ernährung, Hygiene, Bildung und Sicherheit in ihre Predigten einzubauen. Die tatsächliche Herausforderung dabei ist es, die Informationen in den Predigten zu vermitteln, ohne dabei Widerstand innerhalb der Gemeinschaft hervorzurufen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Der gewaltfreie Umgang mit Kindern hat sich in Afghanistan noch nicht als Normalität durchsetzen können (AA 9 .2016). Körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld (AA 9 .2016; vgl. CAN 2.2018), in Schulen oder durch die afghanische Polizei sind verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen seitens des Bildungsministeriums, das Gewaltpotenzial einzudämmen, gibt es nicht. Gerade in ländlichen Gebieten gehört die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen. Das Curriculum für angehende Lehrer beinhaltet immerhin Handreichungen zur Vermeidung eines gewaltsamen Umgangs mit Schülern (AA 9 .2016). Einer Befragung in drei Städten zufolge (Jalalabad, Kabul und Torkham), berichteten Kinder von physischer Gewalt - auch der Großteil der befragten Eltern gab an, physische Gewalt als Disziplinierungsmethode anzuwenden. Eltern mit höherem Bildungsabschluss und qualifizierterem Beruf wendeten weniger Gewalt an, um ihre Kinder zu disziplinieren (CAN 2.2018).

 

2.5.5. Zur Sicherheitssituation in der Herkunftsprovinz (LIB Seite 72ff, Daikundi)

 

"Die Provinz Daikundi ist seit dem Jahr 2014 autonom (UNDP 5.2.2017); davor war sie ein Distrikt der Provinz Uruzgan (Pajhwok. o. D.). Daikundi liegt 460 km vom Westen Kabuls entfernt und grenzt an die Provinzen Uruzgan im Südwesten, Bamyan im Osten, Ghor im Norden, Ghazni im Süden und Helmand im Nordosten (Pajhwok o.D.). Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: der Provinzhauptstadt Nieli/Nili, Ashtarly, Khijran/Kajran, Khedir/Khadir, Kitti/Kiti, Miramor, Sang Takh/Sang-e Takht, Shahristan/Shahrestan (Pajhwok o. D.; vgl. UNOCHA 4.2014). Der Distrikt Gizab, früher Teil von Daikundi, unterliegt der Administration von Uruzgan (UNODC 11.2017). Mit 86% der Bevölkerung bestehend aus Hazara gilt die Provinz Daikundi als die zweitgrößte Region, in der Mitglieder dieser ethnischen Gruppe leben (UNDP 5.2.2017). Die Bevölkerungszahl der

Provinz wird auf 475.848 geschätzt (CSO 4.2017). .... Einer Quelle

zufolge ist Daikundi eine sichere Provinz (Tolonews 10.3.2018). Im September wurde von einer Zunahme afghanischer Binnenvertriebener (IDP) berichtet, die in Daikundi Zuflucht gesucht hatten (Pajhwok 6.9.2017).

 

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 3 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

Im gesamten Jahr 2017 wurden 43 zivile Opfer (16 getötete Zivilisten und 27 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Blindgänger/Landminen, gefolgt von Bodenoffensiven und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 59% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018). Eine weitere Quelle berichtete allerdings von keinen Opfern im Jahr 2017 in der Provinz Daikundi (Pajhwok 14.1.2018).

 

Daikundi zählt zu den Provinzen, in denen die Anzahl der Taliban gering ist (Pajhwok 1.2.2018). Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften wie in Panjsher, Bamyan und Daikundi wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet: Da die Bewohner dieser Provinzen mehrheitlich einer Ethnie zugehören, würden diese keine aufständischen Aktivitäten erlauben (Pajhwok 14.1.2018). Des Weiteren wurde für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 keine IS-bezogenen Sicherheitsvorfälle in der Provinz Daikundi gemeldet (ACLED 23.2.2018).

 

2.5.6. Zur Situation der Schiiten (LIB ab Seite 266 ff):

 

"Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS15.8.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017).

 

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.4.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.8.2017).

 

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 7.6.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.8.2017).

 

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017).

 

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.8.2017)."

 

2.5.7. Zur Situation der Hazara (LIB ab Seite 276 ff, auszugsweise):

 

"Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5 .2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).

 

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).

 

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).

 

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017)."

 

2.5.8. Risikogruppen in Afghanistan: (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 -zusammenfassende Darstellung des UNHCR vom 04.05.2016):

 

"Laut UNHCR können folgende Asylsuchende aus Afghanistan, abhängig von den im Einzelfall besonderen Umständen, internationalen Schutz benötigen. Diese Risikoprofile sind weder zwangsläufig erschöpfend, noch werden sie der Rangfolge nach angeführt:

 

(1) Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte, verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen;

 

(2) Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen;

 

(3) Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Zusammenhang mit der Einberufung von Minderjährigen und der Zwangsrekrutierung;

 

(4) Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden;

 

(5) Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben;

 

(6) Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen haben;

 

(7) Frauen mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

 

(8) Frauen und Männer, die angeblich gegen gesellschaftliche Normen verstoßen haben;

 

(9) Personen mit Behinderungen, insbesondere geistigen Beeinträchtigungen, und Personen, die unter psychischen Erkrankungen leiden;

 

(10) Kinder mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

 

(11) Überlebende von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind;

 

(12) Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität;

 

(13) Angehörige gewisser Volksgruppen, insbesondere ethnischer Minderheiten;

 

(14) An Blutfehden beteiligte Personen, und

 

(15) Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen (sowie deren Familienangehörige)."

 

In diesem Zusammenhang ist im vorliegenden Revisionsfall insbesondere zu

 

berücksichtigen, dass es sich bei den revisionswerbenden Parteien um eine

 

Zu diesen Feststellungen gelangt das Gericht aufgrund folgender

 

3. Beweiswürdigung

 

3.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die Feststellung zu den Namen der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihre dahingehend übereinstimmenden Angaben vor der Behörde, in der Beschwerde, in der eingebrachten Stellungnahme, in den im Verfahren erstatteten Stellungnahmen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus den vorgelegten Dokumenten.

 

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer (Name und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Beschwerdeführer im Asylverfahren.

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführer gründen sich auf ihre diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln. Hinsichtlich der irrtümlichen Protokollierung des Namens bei BF2 sh Punkt 2.1.1.

 

3.1.1. Zu Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.: Wurde Behörde brachte er vor das er im Alter von sieben Jahren Afghanistan verlassen hätte. Hingegen brachte er bei der gerichtlichen Einvernahme vor das er im Alter von elf Jahren Afghanistan verlassen hätte. Diesen Widerspruch konnte er bei der gerichtlichen Einvernahme schlüssig erklären (sh Seite 15 der gerichtlichen Einvernahme) und kann deswegen festgestellt werden, dass er im Alter von elf Jahren Afghanistan mitsamt seiner Familie verlassen und sich im Iran niedergelassen hatte.

 

3.1.2. Zu Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.: BF1 brachte sowohl vor der Behörde, als auch vor dem Gericht vor, dass er im Iran illegal gelebt habe. Er sei mehrmals abgeschoben worden und hätte sich unterschiedlich lange in Afghanistan in seinem Dorf aufgehalten. Er brachte vor, dass er nach jeder Abschiebung, ausgenommen der letzten Abschiebung, zu seinem Heimatdorf gereist sei. Mit keinem Wort erwähnte er, dass er von seinem Vater in einer Weise geschlagen oder misshandelt worden sei. Vor dem Gericht brachte er hingegen vor, dass er von seinem Vater nach jeder Abschiebung zumindest "abgelehnt" worden sei. In gesteigerter Fassung brachte er sogar vor, dass er bei der zweiten Abschiebung von einem Pferd hinterher gezogen worden sei. Messerstiche werde er sogar.

 

Das Gericht gelangt zur schlüssigen Auffassung, dass, falls er tatsächlich von einem Pferd bei der zweiten Abschiebung, bzw. eine der folgenden Abschiebungen, hinterher gezogen worden sei, sowie er vorbrachte, dass er diesen Umstand bzw. diese rohe Gewaltanwendung bereits vor der Behörde vorgebracht hätte. Es ist kein Grund ersichtlich warum er genau diesen Umstand von der Behörde, bei jener Stelle die für ihn und für seinen Sohn bereits Asyl zugestanden hätte können, nicht vorgebracht hätte. Das Gericht muss daher davon ausgehen, dass dieses gesteigerte Fluchtvorbringen verbringen nicht den Tatsachen entspricht. Diese gesteigerte Fassung wählte er offensichlich, um dem Gericht glaubhaft zu machen, dass er mit den Familienangehörigen keinen Kontakt mehr habe. Ausgehend von der behördlichen Niederschrift muss jedoch davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer nach jeder Abschiebung, insgesamt müssten es fünf gewesen sein, in das Heimatdorf zurückkehren konnte. Dass er von seinem Vater geschlagen oder misshandelt unsere kann nicht den Tatsachen entsprechen. Ebenso kann es nicht den Tatsachen entsprechen, dass zum Vater ihn umbringen werden würde, falls er nach Afghanistan zurückkehren würde, so wie es vor dem Gericht vorbrachte. Gestützt wird diese Ansicht noch dadurch, dass er keinen glaubhaften Grund vorbringen konnte, weswegen sein Vater ihn umbringen wolle bzw. warum in den Vater bei einer Rückkehr nicht unterstützen würde. Überdies ist es nicht nachvollziehbar, dass er, falls er tatsächlich nach der zweiten Abschiebung geschlagen und mit einem Messer verletzt worden sei, nach der dritten Abschiebung abermals in das Heimatdorf zurückkehrt. Darauf angesprochen brachte der BF1 vor, dass er sich woanders nicht ausgekannt hätte. Es hätten niemanden gegeben, die ihn unterstützt hätten. Dabei übersieht jedoch BF1, dass er - seiner Ansicht folgend -, auch in seinem Heimatdorf keine Unterstützung gehabt hätte. Im Gegenteil: Seinen Schilderungen folgend hätte er davon ausgehen können, dass er in dem Heimatdorf nochmals misshandelt werden hätte könne und hätte wohl angesichts der Bedrohungslage in ein anderes Gebiet von Afghanistan flüchten müssen. Dies hatte Beschwerdeführer nicht vorgenommen, sondern ist nach der dritten Abschiebung und auch nach der vierten Abschiebung in bar war. Das Heimatdorf zurückgekehrt. Damit beweist der BF1 selbst, dass er seitens seiner Verwandtschaft, insbesondere seines Vaters, keine Aggression zu erwarten gehabt hatte. Das Gericht muss daher davon ausgehen, dass der Vater ihn gegenüber nicht feindlich gesinnt ist und geht das Gericht auch davon aus das der Vater seinen Sohn und seinen Enkelsohn grundsätzlich sowohl personell als auch finanziell unterstützen kann.

 

Nach der letzten Abschiebung befand er sich einen Monat in Herat. Von dort aus plante er die Reise nach Europa, gemeinsam mit seinem Bruder, welcher sich zu diesem Zeitpunkt im Iran befand.

 

Zweifel an der grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sind während des gesamten Verfahrens nicht aufgetaucht.

 

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF1 ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

 

3.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich seiner Fluchtvorbringen

 

BF1 brachte vor, dass er ganz allgemein wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazaras verfolgt werden würde. Zudem sei er Schiiten, dies wäre der zweite Grund, weswegen sie verfolgt werden würden.

 

BF1 konnte weder vor der Behörde noch vor dem Gericht eine konkrete gegen ihn gerichtete Bedrohung, weil er Schiite oder/und weil er Hazara ist, vorbringen. Seine Angaben stützen sich hier insbesondere auf allgemeine Aussagen bzw. auf pauschale Meinungen, nicht jedoch auf einen konkreten Sachverhalt, indem er oder BF2 konkret einer Verfolgung ausgesetzt war bzw. im Falle der Rückkehr konkret eine Bedrohung ausgesetzten würde.

 

Weiteres würde der Vater versuchen sie umzubringen (sh dazu oben). Dieses Vorbringen wurde in keiner Weise substantiiert oder erklärbar dargelegt, warum das so sein sollte. Dieses Vorbringen ist in der Gänze nicht glaubhaft.

 

3.3. Zu den Feststellungen hinsichtlich seiner Rückkehr:

 

3.3.1. Zu der Heimatprovinz aus sicherheitsrelevanter Sicht

 

Daikundi gilt als relativ sichere Provinz. Der Einfluss der Taliban ist gering (sh Punkt 2.5.5). Die Gefahr, dass er seitens seines Vaters getötet werden würde, ist nicht nachvollziehbar (sh oben). Daher ergibt aus sicherheitsrelevanter Sicht kein Grund, weswegen den Beschwerdeführern, einzeln oder zusammen, aus sicherheitsrelevanter Sicht eine reale Gefahr drohen würde.

 

Der Beschwerdeführer hat 10 Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet und zudem über 10 Jahre in einer Fabrik. Die ersten 11 Jahre seines Lebens hat er in Afghanistan verbracht und ist insofern mit deren Kultur sozialisiert. Er wurde fünf Mal vom Iran nach Afghanistan abgeschoben und viermal ist er in sein Heimatdorf zurückkehrt. Daher ist davon auszugehen, dass er mit den Verkehrswegen gut vertraut ist und es ist darüber hinaus davon auszugehen, dass er, wenn er nach den Abschiebungen unterschiedlich lange Zeiträume in Afghanistan verbracht hat, viele seine Familienangehörigen in Afghanistan leben, mit den grundsätzlichen Gebräuchen sowie mit der afghanischen Kultur insoweit vertraut ist das er sich gemeinsam mit seinem Sohn rasch in deren Umgebung einleben kann. Nachdem der Vater in der Landwirtschaft tätig ist, nach wie vor im Heimatdorf beheimatet ist, er selbst in der Landwirtschaft tätig war, könnte der Beschwerdeführer wieder in diesem Berufsfeld einsteigen und daran anknüpfen, sowie könnte er in einer Fabrik arbeiten sowie Hilfsarbeiten übernehmen. Er spricht Haare und ein wenig Deutsch.

 

In die Heimatprovinz Daikundi kann der Beschwerdeführer vom internationalen Flughafen in Kabul aus über die Provinz Bamiyan (Schnellstraße Kabul-Bamiyan) nach Dainkundi gelangen und sodann von der Provinzhauptstadt Nieli mit einem Linienfahrzeug in dessen Heimatdorf. Nachdem BF1 bereits mehrmals nach einer Abschiebung vom Iran in sein Heimatdorf gelangte, ist davon auszugehen, dass der BF1, gemeinsam mit seinem Sohn, gefahrenlos in die Heimatprovinz gelangen könnte. Das Gericht nahm zusätzlich Einsicht in google-maps (am 03.10.2018) welches ergab, dass die Heimatsprovinz der Beschwerdeführer über die A77 in zirka 11 Stunden erreichbar ist. Diese Zeitspanne ist zwar durchgehend lang und muss wohl mit einem Zwischenaufenthalt verbunden werden, doch kann das Gericht aus diesem Aspekt nicht erkennen, dass dem BF1 und dem BF2 dadurch eine Gefahr drohen würde, welche einen Eingriff in die verbrieften Grundrechte bedeuten könnte. Zudem besteht laut dem Länderberichten der Staatendokumentation eine Flugverbindung zwischen Kabul und Herat. Von Herat bis zu seiner Heimatprovinz sind es 7 Stunden mit dem Kfz.

 

3.3.2. Zu 2.3.2: BF2 ist ein Kind und daher für sich genommen eine höchst vulnerable und schutzbedürftige Person (Sh VwGH Ra 2018/19/0312 vom 10.09.2018) . Das Gericht geht jedoch davon aus BF1 für BF 2 weiterhin sorgen wird. Er selbst gab vor dem Gericht an, dass er bis zu dem 18. Lebensjahr des BF2 für dessen Obsorge zuständig ist. Vor dem Hintergrund der Länderberichte ist dem Gericht auch keine Tatsache bekannt, dass die Kinder aus sicherheitsrelevanter Sicht einer erhöhten Gefährdung in dieser Provinz ausgesetzt sind.

 

3.3.3. Gefahr aufgrund der wirtschaftlichen Situation bzw. Gefahr die lebensnotwendigen Güter nicht besorgen zu können:

 

Aus der seitens der Rechtsvertretung eingebrachten Länderberichten (sh Punkt 2.5.3) ist zu entnehmen, dass entweder die Rückkehrer als "Nichtafghanen" einen erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt bzw einer generellen Ausgrenzung konfrontiert sind, doch geht das Gericht davon aus, dass die Beschwerdeführer in das Heimatdorf zurückkehren können. Dies wurde vom BF1 bereits vier Mal nach einer Abschiebung vorgenommen und es ist kein Grund ersichtlich, warum er es diesmal nicht machen könnte und würde. Insofern er den Schutz der Familie, bzw. seines Vaters bekommt und in das soziale Umfeld im Heimatdorf eingebettet ist, spielt der Aspekt des "Afghan-e Badal" keine oder nur eine untergeordnete Rolle im Alltagsleben. Insofern vermögen die eingebrachten Berichte an der Rückkehrmöglichkeit in das Heimatdorf des BF1 nichts zu ändern.

 

Schließlich ist aus dem Länderbericht zu entnehmen, dass die Rückkehrer eine Unterstützungsmöglichkeit von der afghanischen Regierung in Anspruch nehmen können. Diese Tatsache blieb unbestritten. Sh den Unterstützungsmöglichkeiten die Feststellungen unter Punkt 2.5.3.3.

 

Seitens der rechtsfreundlichen Vertreterin des BF wurde den o.a. Länderfeststellungen nicht widersprochen. Sie verwies in der mündlichen Verhandlung lediglich pauschal auf die Gutachten von Friederike Stahlmann, Asylmagazin 3/2017, dem Gutachten von Ihr vom 28.03.2018, sowie auf den Aufsatz von Thomas Ruttig vom Juni 2017, ohne näher darauf einzugehen, inwiefern welche konkreten Ausführungen den genannten Gutachten im gegenständlichen Fall relevant und was daraus ableitbar wäre. Von ihr wurde auch nicht behauptet, dass die beiden Gutachten konkrete(re) oder aktuelle(re) Ausführungen enthalten würden, die in den o.a. Länderfeststellungen nicht enthalten wären und im gegenständlichen Fall daher ergänzend oder an Stelle der o.a. Länderfeststellungen zu berücksichtigen wären.

 

Das Gericht verkennt nicht, dass die Situation in Afghanistan nicht mit dem in Österreich vergleichbar ist, doch alleine aus den Unterschieden der Sozialfürsorge, den Unterschieden hinsichtlich des Zuganges zum Arbeitsmarkt, den Bildungsmöglichkeiten in Österreich, dies der BF1 als eigentlichen Fluchtgrund vorbrachte, lässt sich keine reale Gefahr für die verbrieften Grundrechte ableiten. Für solche eine Annahme fehlen die entsprechenden Länderberichte.

 

3.4. Zu den Feststellungen seines (Privat)Leben in Österreich

 

Die Feststellung zu Aufenthaltsdauer und -titel, der familiären Situation und der Integration der Beschwerdeführer in Österreich stützen sich auf die Aktenlage, insbesondere auf die von ihm vorgelegten Unterlagen, sowie auf die damit übereinstimmenden, glaubhaften Angaben des BF1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem).

 

Hinweise auf nachhaltige Integrationsschritte (soziale/berufliche Integration, substanzieller Spracherwerb) des BF1 in Österreich sind weder dem Verwaltungs- noch dem Gerichtsakt zu entnehmen und wurden auch im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht. BF2 besucht aufgrund der Schulpflicht die Schule und kann mittlerweile besser Deutsch als BF1, wovon sich der Richter in der mündlichen Verhandlung überzeugen konnte.

 

3.5. Zu den Feststellungen hinsichtlich der Situation im Herkunftsstaat:

 

3.5.1. Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen, insbesondere auf das in das Verfahren eingebrachte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 31.01.2018. Da dieses Länderinformationsblatt auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbietet, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit des Länderinformationsblattes zu zweifeln. Ebenso verhält es sich mit allen weiteren Berichten der Staatendokumentation, wie zB ACCORD usw.

 

3.5.2. Folgende Länderberichte wurden den Parteien mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt und ihnen Gelegenheit geboten binnen 14 Tagen hierzu Stellung zu nehmen:

 

 

 

 

Die oben wiedergegebenen Länderberichte wurden dem Beschwerdeführer mit der Ladung übermittelt. Den Beschwerdeführern wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

 

Die Beschwerdeführer nahmen von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch. Erst in der Verhandlung wurden seitens der Beschwerdeführer im Wege der Rechtsvertretung zwei Berichte vorgelegt und in der mündlichen Stellungnahme auf weitere Berichte hingewiesen. Jeder Bericht wurde dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegt (sh dazu 2.5.3.1 und 2.5.3.2).

 

Soweit die Stellungnahmen des Beschwerdeführers auf weiteres Berichtsmaterial verweisen, ist festzuhalten, dass es sich bei der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, die den Großteil der in das Verfahren eingebrachten Länderfeststellungen zusammengetragen hat, um eine in österreichischen Gesetzen verankerte Abteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl handelt, deren Pflicht es ist, Neutralität, Objektivität und Transparenz zu wahren, und deren Aufgabe es ist, auf Basis von internationalen Berichten, internationalen Kooperationen und der Durchführung von Fact Finding Missions ausgewogene Länderinformationen zu erstellen und verfügbar zu machen. Dass sich die Recherche der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl dafür auf öffentlich zugängliche Internetquellen stützt, die den (hohen) Standards der Staatendokumentation entsprechen, ist geradezu Voraussetzung für die Erfüllung der Aufgaben der Staatendokumentation. Fallgegenständlich ist daher kein hinreichender Grund erkennbar, von diesen (oben angeführten) Länderfeststellungen abzuweichen.

 

Dies gilt auch deshalb, weil das weitere Berichtsmaterial in keiner Weise einen konkreteren Bezug zum Beschwerdeführer aufweist bzw. konkreter auf dessen persönliche Umstände eingeht als die oben angeführten Länderfeststellungen. Soweit der Beschwerdeführer auf Berichte von ACCORD aus dem Jahr 2015 verweist, ist darauf hinzuweisen, dass das Länderinformationsblatt vom Juni 2018 deutlich aktuelleren Datums ist. Die Aktualität dieses Berichtes ist zwar nicht mehr gegeben, doch in der grundsätzlichen Aussage hat sich bisher nichts geändert (sh dazu Punkt 2.5.3.1.).

 

Die eingebrachten Berichte der Beschwerdeführer wurden in das Verfahren aufgenommen und entsprechend berücksichtigt, doch ist aus keinen der beiden Berichten Sachverhalt abzuleiten, welcher in der Lage wäre, eine konkrete Gefahr aus wirtschaftlicher Sicht für einen der beiden Beschwerdeführer zu beweisen.

 

Daraus folgt die

 

4. Rechtliche Beurteilung

 

4.1. Anzuwendendes Recht

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, in der Fassung BGBl. I. Nr. 138/2017 (in der Folge kurz "VwGVG" genannt) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrens - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen im Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels gesonderter Bestimmungen im

 

 

 

 

die Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

 

Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen, die für alle Fremden in einem Verfahren vor der Behörde, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten, werden durch das BFA-Verfahrensgesetz, geregelt. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt (§ 1 leg cit).

 

Die Beschwerde ist daher zulässig.

 

4.2. Zu A): Abweisung der zulässigen Beschwerde:

 

4.3. Zu Spruchpunkt I. (Asyl)

 

Spruchpunkt I der Bescheide lautet:

 

"Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom [...] wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, abgewiesen."

 

4.3.1. Rechtliches zur Gewährung von Asyl

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

 

Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (Hinweis E vom 24. März 2011, 2008/23/1443, mwN). § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0113).

 

Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (i.d.F. des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die wohlbegründete Furcht im beschriebenen Sinn (zumindest) "glaubhaft" ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur wohlbegründeten Furcht Folgendes ausgeführt (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074): "Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht."

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

 

Die begründete Furcht vor Verfolgung muss sich auf jenes Land beziehen, dessen Staatsangehörigkeit der Asylwerber besitzt (VwGH 08.11.1989, 89/01/0338).

 

Einer von Privatpersonen und privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 21.04.2011, 2011/01/0100). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119; 28.10.2009, 2006/01/0793, mwN). Die Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) sieht einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233); dies ist unter Betrachtung des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. VwGH 11.07.2017, Ra 2016/20/0275). Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss auch Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Herkunftsstaats bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Herkunftsstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036 und 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 10. 12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).

 

4.3.2. Anwendung auf den konkreten Fall:

 

Die Behörde begründete die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung in Afghanistan nicht glaubhaft habe machen können (sh Punkt 1.4).

 

Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht:

 

4.3.2.1. Zur Behaupteten Gruppenverfolgung:

 

BF1 brachte vor, dass er und BF2 deswegen verfolgt werden würden, weil sie der Volksgruppe der "Hazaras" angehören und weil sie die schiitische Glaubensrichtung verfolgen.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (vgl. VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer aus ethnischen oder religiösen Gründen als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara bzw. seines schiitischen Glaubens im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser ethnischen oder religiösen Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:

 

Auf Basis der Länderberichte ist den Beschwerdeführern zunächst darin zu folgen, dass Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, (weiterhin) von Diskriminierung in Form von illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Inhaftierung betroffen sein können. Festzuhalten ist im Lichte der derzeitigen Sicherheitslage in Afghanistan auch, dass vereinzelte Angriffe, Entführungen oder Tötungen von Zivilpersonen sowie Terroranschläge in Afghanistan grundsätzlich jederzeit und überall möglich sind. Die Gründe für diese Gewalthandlungen sind dabei ebenso vielfältig wie die beteiligten Konfliktgruppen und die jeweiligen Opfer der Taten.

 

Aus den obigen Länderfeststellungen ergeben sich jedoch keine Hinweise auf eine Gruppenverfolgung der schiitischen Hazara, vielmehr hat sich deren Situation in Afghanistan seit dem Ende der Talibanherrschaft nachhaltig und wesentlich verbessert.

 

Die in Afghanistan immer wieder bestehende Diskriminierung der schiitischen Hazara und die beobachtete Zunahme von Übergriffen gegen Hazara erreichen gegenwärtig nicht ein Ausmaß, das die Annahme rechtfertigen würde, dass in Afghanistan lebende schiitische Hazara wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen und religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten, zumal die Gefährdung dieser Minderheit angesichts der in den Länderberichten dokumentierten allgemeinen Gefährdungslage in Afghanistan, die in vielen Regionen für alle Bevölkerungsgruppen ein erhebliches Gefahrenpotential mit sich bringt, (derzeit) nicht jenes zusätzliche Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Hazara anzunehmen. Eine Gruppenverfolgung ist auch nicht daraus ableitbar, dass Hazara allenfalls Opfer krimineller Aktivitäten werden oder schwierigen Lebensbedingungen ausgesetzt sind.

 

In seinem Erkenntnis vom 13.10.2015, Ra 2015/19/0106, sprach der Verwaltungsgerichtshof eine Gruppenverfolgung der Hazara mit der Begründung nicht aus, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Lage der Hazara keine Feststellungen getroffen habe, was vorliegend jedoch nicht der Fall ist. In zahlreichen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes (teilweise auch nach Einholung länderkundlicher Sachverständigengutachten) wurde eine Verfolgung ausschließlich aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara durchgehend verneint (z.B. erst jüngst BVwG W138 2131821-1 vom 15.02.2018 und bestätigt vom VwGH unter der Zahl Ra 2018/18/0150 06.09.2018).

 

Der Verwaltungsgerichtshof judizierte in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Es ist daher anzunehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof, sollte er der Auffassung sein, dass eine Gruppenverfolgung - auch lokal - in Afghanistan aktuell festzustellen wäre, in der zahlreich zu Afghanistan ergangenen Judikatur dies auch festgestellt hätte (siehe auch jüngst BVwG 16.06.2016, W159 2105321-1/8E).

 

Auch der EGMR sprach in seiner Entscheidung vom 05.07.2016, 29094/09, A.M./Niederlande, aus, dass weder die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara noch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als solche zu einem derart hohen Risiko führen würde, dass bei einer Rückkehr automatisch die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bestehe (vgl. dort insb. Seiten 26/27, Punkt 86., wonach die Angehörigeneigenschaft zur Minderheit Hazara nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung drohen würde, unbeschadet der schlechten Situation dieser Minderheit):

 

"86. Although this argument has only been raised in the domestic proceedings but not in the present application, the Court has examined the question whether the applicant runs a risk of being subjected to ill-treatment on account of his Hazara origin. On this point, the materials before the Court contain no elements indicating that the applicant's personal position would be any worse than most other persons of Hazara origin who are currently living in Afghanistan. Although the Court accepts that the general situation in Afghanistan for this minority may be far from ideal, it cannot find that it must be regarded as being so harrowing that there would already be a real risk of treatment prohibited by Article 3 in the event that a person of Hazara origin were to be removed to Afghanistan."

 

Schließlich ist in diesem Zusammenhang auf die aktuelle internationale Rechtsprechung zu verweisen, die ebenfalls von keiner Gruppenverfolgung der Hazara ausgeht:

 

Nach einem Beschluss des VGH München vom 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600 unterliegen Hazara in Afghanistan zwar einer gewissen Diskriminierung, sie sind derzeit und in überschaubarer Zukunft aber weder einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung noch einer erheblichen Gefahrendichte iSv § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt. Das VG Lüneburg (3. Kammer, Urteil vom 06.02.2017, 3 A 126/16) gelangt nicht zu der Überzeugung, dass Hazara einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfende gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt sind (unter Verweis auf Bay. VGH, Beschl. v. 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 19.12.2016 - 13a ZB 16.30581 -, juris Rn. 4; VG Augsburg, Urt. v. 07.11.2016 - Au 5 K 16.31853 -, juris Rn. 33; VG Würzburg, Urt. v. 28.10.2016 - W 1 K 16.31834 -, juris Rn. 19). Die hierfür erforderliche Verfolgungsdichte ist nicht gegeben.

 

In seiner Entscheidung vom 11.01.2017 zu E-5136/2016 (der Beschwerdeführer war ein unbegleiteter, minderjähriger afghanischer Staatsangehöriger der Ethnie der Hazara mit letztem Wohnsitz in der Provinz Ghazni) führte das Bundesverwaltungsgericht der Schweiz zur Beurteilung einer "Gruppenverfolgung" aus wie folgt:

 

Es stellt sich mit Bezug zu diesem Vorbringen aber die Frage, ob der Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Ethnie der Hazara Suchbegriff in seiner Heimatregion Ghazni per se einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war. So kann eine asylsuchende Person ausnahmsweise davon befreit werden, gezielt gegen sie gerichtete Verfolgung darzulegen, wenn sie zu einer Gruppe gehört, die in einem bestimmten Herkunftsland in ihrer Gesamtheit auf einem flüchtlingsrelevanten Motiv beruhenden, intensiven Verfolgungshandlungen ausgesetzt ist (vgl. BVGE 2014/32, E. 6.1).

 

[...]

 

Inwiefern hinter den Entführungen und Tötungen von Hazara in Afghanistan - insbesondere in der Region Ghazni - asylrelevante Verfolgungsmotive stehen, kann vorliegend aber letztendlich offenbleiben. So ist es nach dem zuvor Gesagten in jüngerer Zeit in der Heimatregion des Beschwerdeführers zwar immer wieder zu in asylrechtlicher Hinsicht genügend intensiven Übergriffen auf Zugehörige der Ethnie der Hazara gekommen. Indes kann die für die Anerkennung einer Kollektivverfolgung erforderliche Dichte der gewaltsamen Verfolgungshandlungen nicht bejaht werden: Im Verhältnis zur Größe des Kollektivs der Hazara in Ghazni (wie zuvor ausgeführt handelt es sich um rund 540'000 Personen) nehmen die gewalttätigen Angriffe auf diese Bevölkerungsgruppe bisher nicht eine zahlenmäßig derart große Dimension ein und sind die bekannt gewordenen Über-griffe nicht derart häufig, dass jeder Angehörige dieser Minderheit in begründeter Weise befürchten müsste, objektiv mit erheblicher Wahrscheinlichkeit ebenfalls Opfer einer Gewalttat zu werden. Gemessen an der Anzahl in Ghazni lebender Hazara Suchbegriff erscheint die Zahl der Übergriffe derzeit nicht als genügend dicht, als dass von einer Kollektivverfolgung insbesondere durch Dritte ausgegangen werden müsste. Folglich kann eine Kollektivverfolgung der Hazara in der Provinz Ghazni zum heutigen Zeitpunkt nicht bejaht werden.

 

Das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan wurde daher im Ergebnis verneint.

 

Es ist daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer aktuell wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit und/oder wegen ihrer Glaubensrichtung in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung in Afghanistan bzw. in seiner Herkunftsprovinz ausgesetzt wäre, zumal es auch keine von Amts wegen aufzugreifenden Hinweise darauf gibt. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht, um eine Verfolgungsgefahr anzunehmen (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132; 23.09.1998, 98/01/0224; 26.11.1998, 98/20/0309, u.v.a.).

 

4.3.2.2. Zur Behaupteten Gefährdung/Verfolgung des BF2 weil er Minderjährig ist:

 

Der BF12 brachte selbst nicht vor, dass sein Kind deswegen verfolgt werden würde, weil es ein Kind ist. Diese Prüfung erfolgt vielmehr von Amts wegen.

 

BF1 brachte lediglich vor, dass er seinem Kind eine gute Ausbildung angedeihen lassen wollte und dies ein Grund war, nach Europa/Österreich zu ziehen/zu flüchten.

 

Nicht verkannt wird, dass es sich bei BF2 um eine besonders schutzbedürftige Person handelt, und zudem die KRK zur Anwendung gelangt. Der Vorrang der Kinderrechtskonvention und das Postulat des "Wohl des Kindes" bedeutet für sich alleine allerdings nicht, dass aus dieser heraus bereits ein ausreichender Asylgrund festgestellt werden kann. Vielmehr ist zu prüfen, ob dem Kind eine eigene Verfolgungsgefahr drohen würde.

 

Hinweise, wonach BF2 einer altersspezifischen Gefährdung auf Grund seiner Minderjährigkeit ausgesetzt sei, haben sich im Verfahren nicht ergeben und wurden vom BF1 lediglich insofern abstrakt ins Treffen geführt, als er für seinen Sohn eine entsprechende schulische Ausbildung anstrebte und auch deswegen geflüchtet sei. In den Feststellungen wurde festgehalten, dass es in Afghanistan eine grundsätzliche schulische Ausbildung gibt.

 

Die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung muss zudem jedenfalls in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen stehen (VwGH 28.04.2015, Ra 2015/18/0026), was sich schon aus der Definition des Flüchtlingsbegriffs in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ergibt. Auch Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) verlangt eine Verknüpfung zwischen den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen einerseits und den Verfolgungsgründen andererseits. Vorliegend fehlt es daher bereits an der notwendigen Konnexität zu einem Konventionsgrund der GFK, zumal die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu einer bestimmten sozialen Gruppe, das Bestreben einer schulischen Ausbildung, oder eben jener der Minderjährigen, als wesentlicher Faktor für die existenzielle Bedrohung der Lebensgrundlage der Beschwerdeführer im Hinblick auf ihre Versorgung und Sicherheit in Afghanistan fehlt. Die Eigenschaft des Alters stellt weder ein besonders geschütztes unveräußerliches Merkmal dar, was bereits dem Umstand des Alterns an sich geschuldet ist, noch macht sie den Fremden zum Mitglied einer von der Gesellschaft insgesamt hinreichend unterscheidbaren und deutlich identifizierbaren Gruppe (dies ist bereits dem Umstand des Alterns an sich geschuldet). Hinweise darauf, dass gerade BF2 aufgrund von Eigenschaften, die ihn von anderen in Afghanistan aufhältigen Personen unterscheiden würden, von Risiken auf Grund seines (noch) minderjährigen Alters eher oder besonders betroffen wäre, haben sich im Verfahren nicht ergeben. Eine Verfolgungsgefahr ist zudem nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132; 23.09.1998, 98/01/0224; 26.11.1998, 98/20/0309, u.v.a.). Dass vorliegend mehr als nur eine entfernte Möglichkeit einer Verwirklichung der genannten Risiken bzw. einer Verfolgung bestünde, ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Zudem steht BF2 unter dem Obsorgeschutz von BF1, ist zudem aus heutiger Sicht bei einer Rückführung nicht von unvorhersehbaren sozialen Neztwerken oder staatlichen Instiutionen abhängig.

 

Sonstige asylrelevante Gründe für eine mögliche Verfolgung wurden nicht vorgebracht und ergeben sich für das Bundesverwaltungsgericht auch nicht aus der Akten- und Berichtslage. Mangels Bestehens einer maßgeblich wahrscheinlichen und aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, kann daher den Beschwerden zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 nicht stattgegeben werden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4.4. Zu Spruchpunkt II. (subsidiärer Schutz)

 

Spruchpunkt II der Bescheide lautet:

 

"Gemäß § 8 Abs. 1 iVm §2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen."

 

4.4.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg.cit.) offen steht.

 

Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

4.4.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053, mwN).

 

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes).

 

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

 

Für den hier in Rede stehenden Herkunftsstaat Afghanistan hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst mehrfach auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. dazu VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, 18.03.2016, Ra 2015/01/0255, 13.09.2016, Ra 2016/01/0096, jeweils mit zahlreichen Hinweisen auf die seit 2013 bestehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte).

 

In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren zum Herkunftsstaat Afghanistan ergangenen Rechtsprechung wiederholt und unter Bezugnahme auf die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgesprochen, dass es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf EGMR 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61204/09; siehe dazu auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255).

 

Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art. 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG 2005). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten bezieht (vgl. hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof führte in einem jüngst ergangenen Erkenntnis ausdrücklich aus, dass das Faktum, dass ein Beschwerdeführer nicht über hinlängliche Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul verfügt, für die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht ausreiche und dass mit dem Hinweis auf die schwierige Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche und in wirtschaftlicher Hinsicht keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und damit keine Verletzung von Art. 3 EMRK dargetan werde (vgl. VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).

 

4.4.3. Vor diesem Hintergrund ist für den vorliegenden Fall Folgendes festzuhalten:

 

BF1 stammt aus der Provinz Daikundi au dem dortigen Distrikt XXXX . Er ist als Kind mit seinen Eltern in den Iran gezogen. Dort lernte er seine Frau kennen, mit der er ein gemeinsames Kind hat (BF2). BF2 ist heute acht Jahre alt und lebt bei BF1 in Österreich. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Ehe geschieden ist. Ebenso wenig kann daher festgestellt werden, dass er die alleinige Obsorge über BF1 hat. Ein leiblicher Bruder von ihm wohnt in Linz mit seiner Familie. Er ist Analphabet, hat 10 Jahre in der Landwirtschaft und 11 Jahre als Maschinist in einer Fabrik, welche Getränke herstellte. Die beiden beruflichen Tätigkeiten übte er im Iran aus. Er ist arbeitsfähig, gesund und kann für BF1 sorgen. Unterstützung bekommt er von seinem Vater, welcher im Heimatdorf lebt. In das Heimatdorf kann er zwar mühevoll aber doch zurückkehren.

 

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz keine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohen würde.

 

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen zwar keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in Afghanistan derzeit schwierig ist, die Heimatprovinz ist jedoch als sicher einzustufen. Dies gilt auch hinsichtlich des BF2 (sh dazu die Feststellungen unter 2.3 und die Beweiswürdigungen dazu unter 3.3).

 

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass die Beiden im Fall ihrer Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in ihrer Heimatprovinz in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würden, eine Verletzung ihrer durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte erleiden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Ansiedlung in der Heimatprovinz möglich und auch zumutbar ist.

 

Im Ergebnis war daher die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

 

4.5. Zu Spruchpunkt III. (sonstiger Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Rückkehrentscheidung)

 

4.5.1. Zur Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen

 

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist dann von Amts wegen zu prüfen, wenn "der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird".

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Keiner dieser Tatbestände ist im vorliegenden Fall verwirklicht: Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist nicht geduldet (Z 1). Es liegt auch kein Interesse der Rechtspflege am weiteren Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vor (Z 2). Die Beschwerdeführer waren auch keine Opfer von Gewalt und ist die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung zum Schutz vor weiterer Gewalt für keinen von Beiden nicht erforderlich (Z 3). Die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 lagen sohin nicht vor.

 

4.5.2. Zur Rückkehrentscheidung

 

Die relevanten Bestimmungen für eine Rückkehrentscheidung lauten auszugsweise:

 

§ 10 AsylG 2005:

 

"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

 

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn [...]

 

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, [...]"

 

§ 50 FPG:

 

"Verbot der Abschiebung

 

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG).

 

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht."

 

§ 52 FPG:

 

"Rückkehrentscheidung

 

[...] (2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn [...]

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, [...]

 

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. [...]"

 

§ 9 BFA-VG:

 

"Schutz des Privat- und Familienlebens

 

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

[...]"

 

4.5.2.1. Rechtlich folgt daraus:

 

Der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz war sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diese Entscheidung war daher nach § 10 AsylG 2005 und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG mit einer Rückkehrentscheidung nach dem FPG zu verbinden.

 

Greift eine Rückkehrentscheidung in das Privat- und Familienleben eines Fremden ein, so ist deren Erlassung nach § 9 Abs. 1 BFA-VG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dazu sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 BFA-VG aufgezählten Punkte zu berücksichtigen.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

 

Der Beschwerdeführer hat zwar einen Bruder in Österreich, doch ist die Beziehungintensität schwach ausgeprägt. Die beiden Familien treffen sich einmal im Monat, welches sich auf die räumliche Distanz der beiden Wohnorte gründet: Der Bruder lebt in XXXX , XXXX , die beiden Beschwerdeführer in XXXX . Er ist vom Bruder finanziell nicht abhängig. Ein weiterer Verwandter befindet sich in Schweden, zu dem keine sozialen Bindungen bestehen, sein Vater und die Halbbrüder befinden sich in der Herkunftsprovinz.

 

Das Familienleben zwischen BF1 und BF2 wird durch die gemeinsame Rückkehr nicht beeinträchtigt.

 

Die beiden Beschwerdeführer verfügt in Österreich sohin über kein Familienleben i.S.d. Art. 8 EMRK. Es bleibt zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers einhergeht.

 

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60.654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch der Verwaltungsgerichtshof stellen in ihrer Rechtsprechung darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist (VwGH 30.04.2009, 2009/21/086, VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721 und die dort zitierte EGMR-Judikatur).

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, 44328/98, Solomon v. Niederlande; 09.10.2003, 48321/99, Slivenko v. Lettland; 22.04.2004, 42703/98, Radovanovic v. Österreich;

31.01.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande;

31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie ua v. Norwegen).

 

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 mwH).

 

Geht man nun im vorliegenden Fall von einem bestehenden Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich aus, fällt die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zu Lasten des Beschwerdeführers aus und würde die Rückkehrentscheidung jedenfalls keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellen:

 

Die Beschwerdeführer halten sich erst seit etwa 2 1/2 Jahren im Bundesgebiet auf. Das Recht der Beschwerdeführer auf Aufenthalt im Bundesgebiet gründete sich allein auf die Stellung ihres Antrags auf internationalen Schutz. Ein sonstiger Aufenthaltstitel wurde den Beschwerdeführern nicht gewährt. BF1 musste sich des unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein. Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

 

BF1 hat noch keinen Sprachkurs abgeschlossen. Dabei ist jedoch zu beachten das er Analphabet ist und nie die Schule besucht hat. BF2 zeigt durch den Schulbesuch einen guten Integrationsverlauf.

 

BF1 ist nicht selbsterhaltunsfähig. Er geht verfolgt auch sonst keine sozialen Anknüpfungspunkte zur österreichischen Bevölkerung, etwa durch Vereinsaktivitäten etc. Die Integration des BF1 in Österreich ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes nur schwach ausgeprägt.

 

BF1 verbrachte den Großteil seines Lebens in Afghanistan oder im Iran. Er wurde in Afghanistan sozialisiert und ist mit der dortigen Kultur vertraut. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer nach nunmehr insgesamt etwa zweieinhalbjähriger Abwesenheit vom Herkunftsstaat in die dortige Gesellschaft wieder eingliedern können wird. Bei BF2, welcher sich nur kurz in Afghanistan aufhielt, ist davon auszugehen, dass er sich mit Hilfe BF1 und weiterer Verwandten sich rasch in die dortige Kultur einleben wird können, wobei zu beachten ist, dass er als Kind über noch keine verfestigte Persönlichkeitsstruktur verfügt und aus diesem Grund eine Veränderung leichter bewältigen kann als BF1.

 

Dass BF1 strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (z.B. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

 

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

 

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführer im Bundesgebiet das persönliche Interesse der Beschwerdeführer am Verbleib im Bundesgebiet - insbesondere aufgrund der verhältnismäßig kurzen Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer in Österreich - überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung war gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 52 FPG geboten und stellt nach einer Interessensabwägung keine Verletzung der Beschwerdeführer in ihren Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten.

 

4.5.3. Zur Zulässigkeit der Abschiebung

 

Gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung ist festzustellen, ob eine Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat ist gegeben, weil nach den die Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich § 3 und § 8 AsylG 2005 tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde. Es gibt auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR, die einer Abschiebung entgegenstehen würde.

 

Der auf § 52 Abs. 9 FPG 2005 gestützte Ausspruch der belangten Behörde erfolgte daher zu Recht. Mit Eintreten der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung ist sohin die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig.

 

4.5.4. Frist für die Ausreise

 

§ 55 FPG lautet:

 

"Frist für die freiwillige Ausreise

 

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

[...]"

 

Da "besondere Umstände" nach § 55 Abs. 2 im Verfahren weder vorgebacht wurden, noch seitens der Behörde von sich aus festgestellt wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Wie bereits unter Punkt 2.3 aufgezeigt wurde, ist unter dem Licht des § 9 BFA-VG, indem Art 8 EMRK geprüft wurde, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zulässig. In diesem Sinne bedarf es unter den hier relevanten § 53 FPG nicht nochmals eine Prüfung und darf daher hinsichtlich der Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf oben verwiesen werden.

 

Es war daher auch dieser Spruchpunkt der Behörde zu bestätigen.

 

4.6. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist - soweit diese nicht unvertretbar ist - nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN). Auch bei Gefahrenprognosen im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und bei Interessenabwägungen nach Art. 8 EMRK handelt es sich letztlich um einzelfallbezogene Beurteilungen, die im Allgemeinen nicht revisibel sind (z.B. VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 12.10.2016, Ra 2016/18/0039).

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