OGH 1Ob587/84; 1Ob643/84 (RS0017850)

OGH1Ob587/84; 1Ob643/8428.8.2024

Rechtssatz

Die vom Schutzzweck eines Vertrages umfassten Interessen, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht, sind aus dem Sinn und Zweck des Vertrages im Wege der Auslegung zu ermitteln; anstelle der verallgemeinernden schematisierenden Betrachtung im Sinne der Adäquanztheorie tritt eine am konkreten Vertragszweck (oder Normzweck) ausgerichtete individualisierende Betrachtung. Einschränkungen können sich nicht nur durch ergänzende Vertragsauslegung, sondern auch vom Vertragstypus her ergeben. Maßgeblich ist, welche Interessen des anderen Teils in den vertraglichen Schutzbereich fallen sollen; die wirtschaftliche Zielsetzung kann dabei eine Beschränkung der Haftung ergeben. Bei Vertragsverletzungen kommt der Schutzzwecklehre vor allem Bedeutung für die Begrenzung der Folgeschäden eines vertragswidrigen Verhaltens zu. Aus dem Vertragszweck kann sich ergeben, dass bestimmte Risiken dem einen oder anderen Teil zur Last fallen sollen. Für die Reichweite der Verantwortlichkeit kann auch die Entgeltlichkeit beziehungsweise deren Ausmaß von Bedeutung sein. Nach diesen Kriterien ist insbesonders zu beurteilen, inwieweit der vertragsbrüchige Schuldner auch Schäden ersetzen muss, die der Gläubiger erleidet, dass er seinerseits mit Dritten abgeschlossene Verträge infolge des Verhaltens des Schuldners nicht erfüllen kann.

Normen

ABGB §914 I
ABGB §921
ABGB §1295 Ia9
ABGB §1295 IIf7a

1 Ob 587/84OGH14.11.1984

Veröff: SZ 57/173 = JBl 1986,98; hiezu zustimmend Koziol JBl 1986,105 = RdW 1985,107; hiezu siehe Iro RdW 1985,106

1 Ob 643/84OGH12.12.1984

Auch; Veröff: SZ 57/196 = RdW 1985,209 = JBl 1986,101; hiezu zustimmend Koziol JBl 1986,105

2 Ob 626/86OGH16.12.1986
4 Ob 521/87OGH16.06.1987

nur: Die vom Schutzzweck eines Vertrages umfassten Interessen, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht, sind aus dem Sinn und Zweck des Vertrages im Wege der Auslegung zu ermitteln; anstelle der verallgemeinernden schematisierenden Betrachtung im Sinne der Adäquanztheorie tritt eine am konkreten Vertrags (oder Normzweck) Zweck ausgerichtete individualisierende Betrachtung. (T1) <br/>nur: Bei Vertragsverletzungen kommt der Schutzzwecklehre vor allem Bedeutung für die Begrenzung der Folgeschäden eines vertragswidrigen Verhaltens zu. (T2) <br/>nur: Für die Reichweite der Verantwortlichkeit kann auch die Entgeltlichkeit beziehungsweise deren Ausmaß von Bedeutung sein. (T3) <br/>Veröff: JBl 1987,720

1 Ob 603/89OGH24.05.1989

Auch

2 Ob 505/90OGH28.02.1990

nur T1; nur: Aus dem Vertragszweck kann sich ergeben, dass bestimmte Risiken den einen oder anderen Teil zur Last fallen sollen. (T4)

2 Ob 575/91OGH15.01.1992

nur T1; nur T2; nur: Nach diesen Kriterien ist insbesonders zu beurteilen, inwieweit der vertragsbrüchige Schuldner auch Schäden ersetzen muss, die der Gläubiger erleidet, dass er seinerseits mit Dritten abgeschlossene Verträge infolge des Verhaltens des Schuldners nicht erfüllen kann. (T5) <br/>Veröff: SZ 65/8

1 Ob 503/92OGH19.02.1992

Vgl auch; Beisatz: In einem Fall der sogenannten psychischen Kausalität kann die Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhanges und damit der Kreis der ersatzfähigen Schäden nur auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung gewonnen werden. (T6) <br/>Veröff: SZ 65/20 = ÖBA 1992,841 = JBl 1992,713 (Iro)

7 Ob 583/92OGH09.07.1992

Auch; nur T1; Veröff: JBl 1993,394

7 Ob 590/92OGH03.09.1992

nur: Maßgeblich ist, welche Interessen des anderen Teils in den vertraglichen Schutzbereich fallen sollen. (T7) <br/>Veröff: JBl 1993,396

7 Ob 533/93OGH21.04.1993

nur T1; nur T2

7 Ob 1608/95OGH12.07.1995

Auch; nur T7

5 Ob 62/97xOGH11.03.1997

Vgl auch

3 Ob 11/97gOGH18.12.1996

nur: Die vom Schutzzweck eines Vertrages umfassten Interessen, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht, sind aus dem Sinn und Zweck des Vertrages im Wege der Auslegung zu ermitteln. (T8)

7 Ob 60/98vOGH22.04.1998

nur T1

7 Ob 189/98iOGH14.04.1999

nur T1

9 Ob 28/00hOGH16.02.2000

Vgl auch; nur T8; Beisatz: Bei Vertragsverletzungen ergibt sich der Rechtswidrigkeitszusammenhang aus den Interessen, die der Vertrag schützen sollte. (T9)

1 Ob 170/01hOGH17.08.2001

nur T1; Beisatz: Derjenige, der die Verletzung einer Vertragspflicht leugnet und dadurch die Einlassung seines Vertragspartners in einen Rechtsstreit provoziert, haftet für die aus dieser Prozessführung entstehenden Schäden, denn bei richtigem Verständnis des Vertragszwecks liegt in einer solchen Vorgangsweise die Verletzung vertraglicher Interessen des Vertragspartners. (T10)

8 Ob 65/01vOGH13.09.2001

nur T1

3 Ob 313/01bOGH29.01.2003

Vgl auch; Beis wie T9

9 Ob 140/03hOGH17.12.2003

nur T1; Beisatz: Dabei ist insbesondere zu beachten, mit welchen Schäden allein aufgrund der Verletzung bestimmter Vertragspflichten zu rechnen ist. Die bloße Schlechterfüllung führt regelmäßig noch nicht zu einer Haftung für Prozesskosten aus einem Verfahren gegen einen Dritten. (T11); Beis wie T10

1 Ob 36/04gOGH18.03.2004

nur T1; Beis wie T9; Beisatz: Wie weit der Schutzzweck eines singulären Vertrags geht, berührt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage. Ein Schädiger hat auch im Vertragsrecht nicht für alle Folgen einer Vertragsverletzung einzustehen. Es kommt darauf an, ob die verletzten Interessen sachlich in der Richtung und im Rahmen der übernommenen Pflichten liegen. Dabei wird auf die objektive Erkennbarkeit des Risikos für den Schuldner abgestellt. (T12)

8 Ob 149/03zOGH27.05.2004

Auch; nur T1; Beisatz: Dabei ist insbesondere zu beachten, mit welchen Schäden allein aufgrund der Verletzung bestimmter Vertragspflichten zu rechnen ist. (T13)

9 Ob 37/05iOGH25.01.2006

Auch; Beisatz: Jedenfalls erstreckt sich der Bevollmächtigungsvertrag des Rechtsanwalts im vorliegenden Fall nicht auf das verwirklichte Risiko des einseitigen Abgehens eines Dritten von der mit der Mandantin des beklagten Rechtsanwalts geschlossenen Vereinbarung. Die Schäden sind daher nicht mehr vom Schutzzweck des gegenständlichen Bevollmächtigungsvertrags erfasst. Sie liegen außerhalb der Reichweite der Verantwortlichkeit des Beklagten. (T14)

3 Ob 115/06tOGH27.06.2006

Auch; nur T2

3 Ob 289/05dOGH30.05.2006

nur T8; Beis wie T9; Beis wie T13

1 Ob 78/07pOGH14.08.2007

nur T1

4 Ob 111/07pOGH07.08.2007

Auch; Beis wie T10

4 Ob 197/08mOGH15.12.2008

Auch; Beis wie T13; Beisatz: Bei Errichtung eines formunwirksamen Vertrags ist das regelmäßig auch das Unterbleiben der darin festgelegten Leistungen. (T15)

6 Ob 146/10dOGH01.09.2010

nur T8; Beisatz: Dabei handelt es sich regelmäßig um eine Frage des Einzelfalls, der keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt. (T16)

1 Ob 224/10pOGH23.02.2011

nur T8; Beis wie T9; Beis wie T13

8 Ob 11/11tOGH24.10.2011

Auch; Beisatz: Mit welchen Auswirkungen einer Unwirksamkeit des Grundgeschäfts auf Vertragsverhältnisse des Partners mit Dritten gerechnet werden konnte, kann objektiv nur aus der Position ex ante beurteilt werden. (T17)<br/>Beisatz: Die Übernahme des Risikos aus einem Vertrag, der vom anderen Teil mit Dritten abgeschlossen wurde, ist nur ausnahmsweise oder bei besonderer Vereinbarung vom Schutzzweck des Grundverhältnisses erfasst. (T18)<br/>Beisatz: Umstände, die erst nach Vertragsabschluss erkennbar waren und die der Schuldner bei Eingehen der Verpflichtung nicht berücksichtigen konnte, dürfen ihm auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks zum Verhängnis werden. (T19)<br/>Beisatz: Wenn der geschädigte Vertragsteil mit der bedungenen Leistung Interessen verfolgt, die nicht mehr in der Leistung selbst liegen und daher vom üblichen Entgelt nicht abgedeckt werden, und überdies der Eintritt des Folgeschadens noch von einem Entschluss eines Dritten abhängig ist, der häufig kaum vorhersehbar ist, muss eine Zurechnung verneint werden. (T20)<br/>Bem: Vgl RS0127326. (T21)

4 Ob 137/11tOGH20.12.2011

Auch; nur T8

10 Ob 9/12iOGH12.04.2012

Auch; Beis wie T12; Beis wie T16

9 Ob 65/12tOGH24.04.2013

Beis wie T11; Beis wie T12 nur: Dabei wird auf die objektive Erkennbarkeit des Risikos für den Schuldner abgestellt. (T22)<br/>Beis wie T13; Beis wie T16; Beisatz: Kein ausreichender Zusammenhang zwischen mangelhafter Vertragserfüllung und Mindestkörperschaftspflicht der Klägerin (GmbH), die nur wegen der Prozessführung nicht gelöscht werden konnte. (T23)

1 Ob 96/13vOGH27.06.2013

Auch; nur T1; Beis wie T9; Beis wie T11; Beis wie T12

1 Ob 170/13aOGH19.12.2013

Auch; Beis wie T11

4 Ob 91/14gOGH24.06.2014

Auch; Beis wie T11

8 Ob 6/14mOGH23.07.2014

Auch; nur: Für die Beurteilung, ob ein vertragsbrüchiger Schuldner auch Schäden ersetzen muss, die der Gläubiger dadurch erleidet, dass er mit einem Dritten abgeschlossene Verträge infolge des Verhaltens des Schuldners nicht erfüllen kann, ist nach dem Vertragszweck zu beurteilen. (T24)

1 Ob 241/14vOGH22.01.2015

Auch; Beisatz: Der Schutzzweck eines Vertrags bestimmt sich nach den ursprünglichen Interessen der Vertragsparteien und nicht nach späteren ‑ allenfalls unvorhergesehenen ‑ Entwicklungen. (T25)

8 Ob 17/15fOGH27.05.2015

Auch; nur T8; Beisatz: Die Betrachtung hat sich dabei am konkreten Vertragszweck auszurichten. (T26)

9 ObA 56/16zOGH28.02.2017

Beisatz: Die aus der Fürsorgepflicht des Dienstgebers resultierende Aufklärungspflicht des Dienstgebers über die mit einem Umstieg in eine Pensionskassenlösung verbundene Möglichkeit des Absinkens der von der Pensionskasse gewährten Pension unter den Wert der ursprünglich zugesagten Firmenpension soll den Dienstnehmer nicht vor der im Pensionskassenmodell eröffneten Möglichkeit eines im Vergleich zur zuvor zugesagten Firmenpension früheren Pensionsantritts bewahren. Soweit eine Differenz zwischen der monatlichen Pension zur Firmenpension, die der Dienstnehmer bei einem dann später möglichen Pensionsantritt beziehen hätte können, nur auf den früheren Pensionsantritt zurückzuführen ist, resultiert sie nicht aus der Verletzung der Aufklärungspflicht des Dienstgebers über ein mögliches Absinken der Pension, sondern daraus, dass der Dienstnehmer die ihm mit dem Umstieg auf das Pensionskassenmodell eröffnete Möglichkeit des früheren Pensionsantritts wahrnahm, was mit der Aufklärungspflicht nicht verhindert werden sollte. (T27)

9 Ob 24/17wOGH24.05.2017

Vgl auch; Beisatz: Hier: Die vertragliche Verpflichtung, den Pkw nicht zu vermieten, ist der Kläger nur gegenüber der Leasinggeberin eingegangen. Schutzzweck dieser Verpflichtung war es nicht, Dritte vor Nachteilen zu schützen. (T28)

6 Ob 90/17dOGH21.12.2017

Auch; Beis wie T22; Beisatz: Bestimmte Interessen des Gläubigers, wie etwa die Weiterveräußerung der geschuldeten Sache oder auch die Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung mit einem Dritten sind vom Schuldner nur dann zu ersetzen, wenn ihm das Interesse erkennbar war und sein Verhalten und das vereinbarte Entgelt dahin verstanden werden kann, dass das Risiko Vertragsgegenstand wurde. (T29)<br/>Beisatz: Hier: Zur Reichweite der Haftung eines Mobilfunknetzbetreibers. (T30)<br/>Veröff: SZ 2017/149

5 Ob 68/18pOGH18.07.2018

Vgl

4 Ob 209/19tOGH28.01.2020

Vgl; nur T1; Beis wie T11; Beis wie T13

10 Ob 1/22bOGH29.03.2022

Vgl; Beis wie T12; Beisatz: Hier: Schadenersatzanspruch eines Maklers in Bezug auf die entgangene Käuferprovision verneint. (T31)

8 Ob 136/22sOGH16.12.2022

Vgl; Beisatz: Hier: Übergabe eines Steildaches entgegen dem Stand der Technik und der ÖNorm B 3417 ohne Anschlagpunkte, welche die Verwendung einer Absturzsicherung ermöglicht hätten: diese Anschlagpunkte dienen nicht nur dem Schutz von Professionisten, weshalb der Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem Schaden, den der Kläger als Privatperson beim ungesicherten Betreten des Daches zwecks Reparatur erlitt, zu bejahen ist. (T32)

6 Ob 65/22kOGH17.02.2023

Vgl; Beis nur T1

5 Ob 82/23dOGH17.08.2023

nur T1; nur T8; Beisatz wie T13

6 Ob 217/22pOGH30.08.2023

vgl; nur T2; nur T4; nur T7; Beisatz wie T9<br/>Beisatz: Hier: Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen einem als unrichtig bekannten Gutachten, mit dem unberechtigte zoll- und steuerrechtliche Vorteile erlangt werden sollten, und den nachträglich vorgeschriebenen Abgaben sowie den Vertretungskosten im Abgaben- und Finanzstrafverfahren verneint; (T33); Beisatz wie T12; Beisatz wie T16

5 Ob 233/23kOGH29.07.2024

Beisatz wie T8; Beisatz wie T13

7 Ob 98/24yOGH28.08.2024

vgl; Beisatz nur wie T12; Beisatz nur wie T16

Dokumentnummer

JJR_19841114_OGH0002_0010OB00587_8400000_001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)