OGH 1Ob36/04g

OGH1Ob36/04g18.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Erika G*****, 2. Mag. Irene P*****, und 3. Mag. Anton G*****, sämtliche vertreten durch Dr. Gregor Berchtold, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E***** AG, ***** vertreten durch Dr. Rudolf Krilyszyn, Rechtsanwalt in Wien, wegen 48.128,94 EUR sA über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2003, GZ 1 R 202/03p-17, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Zwischen dem Ehemann der Erstklägerin und der beklagten Partei bestand eine vertragliche Beziehung dergestalt, dass er bei der beklagten Bank ein Konto unterhielt. Über ihre Initiative wurde die Erstklägerin mit gerichtlichem Beschluss vom 17. 3. 2000 zur einstweiligen Sachwalterin ihres Ehemanns bestellt und ihr die Wahrnehmung der Vertretung im Sachwalterschaftsbestellungsverfahren sowie vor Ämtern, Behörden, Gerichten und privaten Vertragspartnern sowie der Einkommens- und Vermögensverwaltung für ihren Ehegatten übertragen. Weder in diesem Beschluss noch in persönlichen Gesprächen der Erstklägerin mit Angestellten der beklagten Partei in deren Filialen wurde die krankheitsbedingte Alkoholunverträglichkeit des Ehemanns der Erstklägerin und seine daraus resultierende körperliche Selbstgefährdung thematisiert. Der beklagten Partei war lediglich bekannt, dass dieser an "Alzheimer" leide und deshalb Gefahr laufe, bei Behebung auch größere Geldbeträge zu verlieren. Vereinbart und auch in einen Sperrvermerk der beklagten Partei aufgenommen war, dass der Ehemann der Erstklägerin nur in deren Anwesenheit oder der des Drittbeklagten Behebungen von seinem Konto vornehmen dürfe. Fest steht, dass die beklagte Partei entgegen der im Sperrvermerk dokumentierten Verpflichtung, an den Ehemann der Erstklägerin ohne Begleitung Beträge vom Konto nicht auszuzahlen, am 3. 11. 2000 S 1.000 ausfolgte und dass dieser einen Teil des Geldes zur Beschaffung alkoholischer Getränke verwendete, aufgrund des Alkoholkonsums nach dem Eintreffen zu Hause stürzte und an den Folgen dieses Sturzes mehrere Wochen später verstarb.

Rechtliche Beurteilung

Die Kläger vertreten die Ansicht, die Sachwalterbestellung hätte auch die körperliche Unversehrtheit des Ehemanns der Erstklägerin schützen sollen, wenngleich dieser nur die Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten und privaten Vertragspartnern sowie die Einkommens- und Vermögensverwaltung übertragen worden sei. Ob dies der Fall ist, weil zu den Aufgaben eines Sachwalters auch die Sicherstellung der erforderlichen Personensorge gehört (SZ 59/218; Maurer-Tschuguell,

Das österreichische Sachwalterrecht2 85), bedarf keiner weiteren Prüfung, weil hier nicht zu klären ist, ob die Sachwalterin die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, sondern ob die beklagte Bank aufgrund der vertraglichen Beziehung mit dem Ehemann der Erstklägerin verpflichtet war, generell - und nicht nur in ihren Räumlichkeiten - für den Schutz der körperlichen Unversehrtheit des Vertragspartners zu sorgen.

Die vom Schutzzweck eines Vertrags umfassten Interessen, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht, sind aus dem Sinn und Zweck des Vertrags im Wege der Auslegung zu ermitteln. Es ist eine am konkreten Vertragszweck ausgerichtete individualisierende Betrachtung vorzunehmen (8 Ob 65/01v; SZ 57/173). Wie weit der Schutzzweck eines singulären Vertrags geht, berührt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (8 Ob 65/01v). Bei einer Vertragsverletzung - wie hier - ergibt sich der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang aus den Interessen, die der Vertrag schützen sollte (JBl 1997, 386; JBl 1993, 396; SZ 57/173). Ein Schädiger hat auch im Vertragsrecht nicht für alle Folgen einer Vertragsverletzung einzustehen. Es kommt darauf an, ob die verletzten Interessen sachlich in der Richtung und im Rahmen der übernommenen Pflichten liegen. Dabei wird auf die objektive Erkennbarkeit des Risikos für den Schuldner abgestellt (Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/49; 8/51).

Im vorliegenden Fall war der beklagten Partei lediglich bekannt, dass der Ehemann der Erstklägerin an der "Alzheimer-Krankheit" litt, dass die Gefahr des Verlusts einer von ihm allein behobenen Geldsumme bestehe, und dass die Erstklägerin im schon angeführten Umfang zu seiner Sachwalterin bestellt war. Selbst bei weitherziger Auslegung der die beklagte Partei treffenden Schutz- und Sorgfaltspflichten konnte diese das Risiko, das darin bestand, dass der Ehemann der Erstklägerin mit dem behobenen Geld Alkoholika anschaffen, infolge der Alkoholisierung zu Sturz kommen und tödliche Verletzungen erleiden werde, nicht erkennen, war ihr doch die gesamte Alkoholproblematik verborgen geblieben. Die erforderlichen Sorgfaltsanspannungen eines Vertragspartners hängen aber vom Ausmaß der erkennbaren Gefahr ab; diese mit der rechtswidrigen Auszahlung durch die beklagte Partei an den Ehemann der Erstklägerin nicht verbundene besondere Gefahr war für diese nicht erkennbar (vgl SZ 65/20). Deshalb mangelt es am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Missachtung der Kontosperre einerseits und der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit andererseits.

Soweit die Kläger Feststellungen in der Richtung vermissen, dass die Sachwalterbestellung und die Kontosperre auch eine Selbstgefährdung des Betroffenen infolge Alkoholmissbrauchs ausschließen sollten und dass in dem der Sachwalterbestellung zugrunde liegenden Gutachten auch der symptomatische Alkoholmissbrauch beschrieben worden sei, ist ihnen zu erwidern, dass diese Umstände der beklagten Partei als Vertragspartnerin des Ehemanns der Erstklägerin nie mitgeteilt wurden. Selbst wenn die Mitarbeiter der beklagten Partei von einer Demenz des Ehemanns der Erstklägerin und von mehrfachen Stürzen gewusst haben sollten, kann aus dem Kontoführungsvertrag keine Verpflichtung der beklagten Partei abgeleitet werden, die zur Kontosperre führenden Umstände (noch) näher zu prüfen. Es wäre an der Sachwalterin gelegen, diese Umstände darzulegen, um dem Betroffenen auf die von ihr gewünschte Weise auch einen Schutz der Person angedeihen zu lassen.

Der Schutzbereich der vertraglichen Beziehung zwischen dem verstorbenen Ehemann der Erstklägerin und der beklagten Partei ist von den Vorinstanzen frei von Rechtsirrtum und logisch einwandfrei ermittelt worden. Es gilt eine konkrete vertragliche Beziehung zu prüfen, die keiner verallgemeinernden Aussage zugänglich ist. Das Berufungsgericht hat im Sinne der ständigen OGH-Judikatur entschieden; die Kläger zeigen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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