OGH 1Ob96/13v

OGH1Ob96/13v27.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „w*****“ ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ingrid Neyer, Rechtsanwältin in Feldkirch, und der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei A***** Rechtsanwälte OG, *****, gegen die beklagte Partei Wernfried K*****, USA, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, wegen 78.479,73 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden (Revisionsinteresse: 35.000 EUR sA) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 13.605,15 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. April 2013, GZ 10 R 16/13y-37, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 29. November 2012, GZ 9 Cg 246/10a-23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. Zur außerordentlichen Revision der Klägerin:

Die Klägerin wendet sich gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Beklagte habe weder für ihre eigenen Kosten noch für die ihrer Prozessgegnerin zu ersetzenden Kosten des Verfahrens gegen eine Immobilienmaklerin zu haften, die sie nicht über ein Bauverbot für die von ihr gekaufte Liegenschaft informiert habe.

Als Rechtsgrundlage für den Zuspruch derartiger Prozesskosten an die Klägerin kommt - abgesehen von einer hier nicht behaupteten vertraglichen Vereinbarung - sowohl Schadenersatz als auch Geschäftsführung ohne Auftrag im Sinn des § 1037 ABGB in Betracht (3 Ob 313/01b mwN). Dass der Vorprozess von der Klägerin zum „klaren und überwiegenden Vorteil“ des regresspflichtigen Beklagten geführt wurde, was der Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen würde, wurde jedoch von der Klägerin nicht behauptet, sodass sich schon deshalb eine dahingehende Prüfung erübrigt.

Nach herrschender Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0045850) führt die bloße Schlechterfüllung des Vertrags (hier: mittlerweile aufgehobener Kaufvertrag über eine Liegenschaft zwischen der sich regressierenden Klägerin und dem Beklagten) regelmäßig nicht zu einer Haftung für Prozesskosten aus einem Verfahren gegen einen Dritten. Solche Prozesskosten sind zwar - nach neuerer Rechtsprechung - durch die Schlechterfüllung adäquat verursacht, doch setzt der Anspruch auf Ersatz dieses Mangelfolgeschadens auch voraus, dass der Schaden im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verletzten Vertragspflicht steht (10 Ob 79/05y mwN).

Die vom Schutzzweck eines Vertrags umfassten Interessen, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht, sind aus dem Sinn und Zweck des Vertrags im Wege der Auslegung zu ermitteln. Es ist eine am konkreten Vertragszweck ausgerichtete individualisierende Betrachtung vorzunehmen. Wie weit der Schutzzweck eines singulären Vertrags geht, berührt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage. Bei einer Vertragsverletzung - wie hier - ergibt sich der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang aus den Interessen, die der Vertrag schützen sollte. Ein Schädiger hat auch im Vertragsrecht nicht für alle Folgen einer Vertragsverletzung einzustehen. Es kommt darauf an, ob die verletzten Interessen sachlich in der Richtung und im Rahmen der übernommenen Pflichten liegen. Dabei wird auf die objektive Erkennbarkeit des Risikos für den Schuldner abgestellt (1 Ob 36/04g mwN).

Die Klägerin nahm die Immobilienmaklerin aus dem Maklervertrag in Anspruch und machte geltend, diese sei ihren daraus entspringenden Pflichten nicht nachgekommen, wodurch es zum mängelbehafteten Kauf gekommen sei. Sie verlor den Prozess mangels schuldhaften Fehlverhaltens der Immobilienmaklerin, weil diese auf die Auskünfte einer Gemeinde vertrauen habe dürfen und sie keine weitere Nachforschungspflicht getroffen habe.

Das Berufungsgericht verneinte die Haftung des Beklagten für die von ihm begehrten Verfahrenskosten dieses Prozesses, auch wenn sein Verhalten (bezüglich des mit der Klägerin abgeschlossenen Kaufvertrags) rechtswidrig gewesen sei. Dessen Beurteilung, dass dann, wenn zwischen dem Geschädigten (der Klägerin) und einem weiteren möglichen Schädiger (der Immobilienmaklerin) ein eigenständiger Vertrag (Maklervertrag) besteht und die Klägerin die Immobilienmaklerin in einem Aktivprozess aus diesem Vertrag erfolglos belangt, der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Prozessverlust und dem Verhalten des Beklagten nicht gegeben sei, ist jedenfalls vertretbar.

Der Fall, dass die Kosten verursachende Prozessführung unmittelbar durch eine rechtswidrige und schuldhafte Fehlinformation ausgelöst worden wäre und dem Gegner im Hinblick auf die ihm bekannte oder bekannt gegebene Sachlage die Prozessführung als Folge der Fehlinformation vorhersehbar gewesen wäre, liegt hier nicht vor. Die Klägerin brachte im erstinstanzlichen Verfahren lediglich vor, sie habe den Prozess gegen die Immobilienmaklerin aufgrund nicht näher genannter „Einwendungen“ des Beklagten geführt und präzisierte dies dahin, dass der Beklagte mit der Rückabwicklung des Kaufs nicht einverstanden und auch nicht bereit gewesen sei, irgendeinen Schaden zu tragen. Sie habe daher gegen die Immobilienmaklerin das Verfahren geführt, um ihren Schaden einbringlich zu machen. Ein davon abweichendes Vorbringen in der außerordentlichen Revision verstößt gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) und ist unbeachtlich.

II. Zur außerordentlichen Revision des Beklagten:

1. Auf die Verjährung ist nicht von Amts wegen Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0034326 [T2]). Derjenige, der die Verjährung einwendet, hat die dafür maßgeblichen Tatsachen deutlich vorzubringen und zu beweisen (RIS-Justiz RS0034198 [T1, T2, T4]; RS0034326 [T3, T7, T9]; RS0034456 [T3, T4]). Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukommt, sofern nicht - anders als hier - eine zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung vorliegt (RIS-Justiz RS0042828 [T1, T15, T23]).

Das Vorbringen des Beklagten, dass die Klägerin die Planungskosten für das Bauvorhaben von zusammengerechnet 13.095 EUR am 21. 8. und 24. 9. 2007 gezahlt habe, betrifft die bereits in der Klage begehrten frustrierten Planungskosten, die von ihr jedenfalls innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB geltend gemacht und die ihr bereits rechtskräftig zugesprochen wurden. Der Beklagte stützte seinen Verjährungseinwand nur darauf, dass der Geschäftsführer der Klägerin erstmals am 21. 11. 2007 Kenntnis vom Bauverbot gehabt habe. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei damit seiner Behauptungspflicht dafür nicht nachgekommen, dass die Schadenersatzbeträge, um die die Klägerin ihr Begehren ausdehnte, ihr der Höhe nach bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt und fällig gewesen seien, sodass das von der Klägerin im Vorprozess der Parteien gestellte Feststellungsbegehren, dem stattgegeben worden sei, die Verjährung der Differenzbeträge unterbrochen habe und Verjährung damit nicht eingetreten sei, ist zumindest vertretbar.

2. Mit dem rechtskräftigen Urteil im Vorprozess der Parteien wurde dem Begehren der Klägerin auf Aufhebung des Kaufvertrags und Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Einverleibung des Eigentumsrechts für den Beklagten an der Liegenschaft stattgegeben. Bislang hat er den Kaufpreis nicht zurückgezahlt, sodass er über das Grundstück nicht verfügen kann; nach wie vor ist die Klägerin grundbücherliche Eigentümerin.

Das Berufungsgericht argumentierte auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (zB 2011/16/0001), dass der Beklagte als Verkäufer damit nicht jene Verfügungsmacht über das Grundstück wiedererlangt habe, die er vor Vertragsabschluss innegehabt habe, sodass eine Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs im Sinn des § 17 Abs 1 GrEStG noch nicht stattgefunden habe. Der Klägerin könne keine schuldhafte Verletzung der Schadensminderungspflicht vorgeworfen werden, wenn sie bislang keinen Antrag auf Rückerstattung der Grunderwerbssteuer (§ 17 Abs 4 GrEStG) gestellt habe, weil dieser geradezu aussichtslos erscheine.

Dieser auch von der Lehre (Arnold/Pampel in Arnold/Arnold, Grunderwerbsteuergesetz 1987, § 17 Rz 25a, 26, 74; Fellner, Grunderwerbsteuer § 17 Rz 14 f) geteilten Rechtsansicht hält der Beklagte lediglich seine bereits in der Berufung erstatteten Argumente entgegen und zeigt damit keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf.

III. Die außerordentlichen Revisionen der Parteien bringen insgesamt keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) zur Darstellung.

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