OGH 6Ob217/22p

OGH6Ob217/22p30.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* N*, vertreten durch Ing. Dr. Wolfgang Gappmayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K* K*, vertreten durch Dr. Thomas Gratzl, Rechtsanwalt in Wels, wegen 39.488,88 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. September 2022, GZ 3 R 109/22b‑87, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00217.22P.0830.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger kaufte im Jahr 2013 in den USA einen Sportwagen und beauftragte den beklagten Sachverständigen zum Zweck der abgabenbegünstigten Einfuhr in die Europäische Union mit der Erstattung eines Gutachtens, ob das Fahrzeug ein „Oldtimer“, ein historisches Fahrzeug, sei. Dafür bezahlte er dem Beklagten ein Honorar von 335 EUR. Dem Kläger war bereits bei Beauftragung des Beklagten klar, dass es sich bei dem Fahrzeug um kein Original aus den 1960er‑Jahren mit historischem Hintergrund handelte und dass es weniger als 30 Jahre alt war. Es war ihm bewusst, dass das dem Beklagten übergebene amerikanische „certificate of title“, welches diese Informationen enthielt, inhaltlich unzutreffend war. Dennoch verwendete er im Abgabenverfahren zur Einfuhr des Fahrzeugs das Gutachten des Beklagten, der darin zum unrichtigen Ergebnis kam, der Sportwagen stamme aus dem Jahr 1966 und sei ein historisches Fahrzeug der FIVA‑Kategorie Klasse F. Nachdem der Kläger den Sportwagen zunächst abgabenbegünstigt als historisches Fahrzeug nach Österreich eingeführt hatte, wurde ihm jedoch in der Folge nachträglich Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Normverbrauchsabgabe bescheidmäßig vorgeschrieben, weil es sich um kein Originalfahrzeug, sondern um einen weniger als 30 Jahre alten Nachbau handelte.

[2] Der Kläger begehrt Zahlung der nachträglich vorgeschriebenen Abgaben und der Vertretungskosten im Abgaben- und Finanzstrafverfahren als Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schäden aufgrund der unrichtigen Gutachtenserstattung. Hätte der Beklagte ein richtiges Gutachten erstattet, hätte der Kläger das Fahrzeug nicht nach Österreich eingeführt, sondern wieder in die USA gebracht und dort verkauft. In diesem Fall wären diese Aufwendungen nicht entstanden.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[4] 1.1. Für eine Schadenersatzpflicht muss der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben sein. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist also nur für jene verursachten Schäden zu haften, die die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern sollte (RS0031143; RS0023150; RS0022933 [T1]). Bei Vertragsverletzungen ergibt sich der Rechtswidrigkeitszusammenhang aus den Interessen, die der Vertrag schützen sollte. Maßgeblich ist, welche Interessen des anderen Teils in den vertraglichen Schutzbereich fallen sollen. Dabei kommt der Schutzzwecklehre vor allem Bedeutung für die Begrenzung der Folgeschäden eines vertragswidrigen Verhaltens zu. Aus dem Vertragszweck kann sich ergeben, dass bestimmte Risiken dem einen oder anderen Teil zur Last fallen sollen (RS0017850 [T2, T4, T7, T9]). Wie weit der Schutzzweck eines Vertrags geht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und bildet daher regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO (6 Ob 65/22k [ErwGr 3.]; RS0017850 [T12, T16]).

[5] 1.2. Die nun geltend gemachten Aufwendungen sind dem Kläger entstanden, weil es diesem nicht gelungen ist, mit dem ihm als unrichtig bekannten Gutachten des Beklagten unberechtigte zoll‑ und steuerrechtliche Vorteile zu erlangen. Die Überwälzung dieses Risikos auf den Beklagten ist jedoch nicht vom Rechtswidrigkeitszusammenhang der Vertragsverletzung des Beklagten umfasst (so sinngemäß bereits das Erstgericht; vgl zur misslungenen Steuerhinterziehung Krejci/Brandstetter, Verlust verbotener Vorteile als ersatzfähiger Schaden, ecolex 2004, 520; vgl zur unzulässigen Aushöhlung der Präventionswirkung des staatlichen Strafanspruchs Schauer, Whistleblowing in Liechtenstein – müssen Finanzdienstleister ihre Kunden bei Datendiebstahl warnen? RdW 2010, 136 [138]). Die Auffassung der Vorinstanzen, eine Pflicht des Beklagten, dem Kläger die geltend gemachten Abgaben und Vertretungskosten zu ersetzen, bestehe nicht, ist daher im Ergebnis nicht korrekturbedürftig.

[6] 2. Wie die Revision selbst ausführt, wurde bereits ausgesprochen, dass dieses schadenersatzrechtliche Innenverhältnis auch auf eine allfällige Regressforderung des Klägers aufgrund einer abgabenrechtlich angeordneten Solidarverpflichtung der Streitteile durchschlägt (vgl 8 ObA 40/09d).

[7] 3. Ob das Berufungsgericht vertretbar von einer Verjährung sämtlicher klagsgegenständlicher Ansprüche ausging, kann dahinstehen.

Stichworte