OGH 2Ob626/86

OGH2Ob626/8616.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*** Ton- und Bildträger Vertriebsgesellschaft m. b.H., Matthias-Ernst-Pista-Gasse 46, 1210 Wien, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hans J***, Kaufmann, Industriestraße 5, 6430 Ötztal, vertreten durch Dr. Hans Peter Ullmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 139.908,04 samt Anhang, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 27. Jänner 1986, GZ. 6 R 325/85-31, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. Juni 1985, GZ. 6 Cg 357/83-26, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrt für die Lieferung von Tonbändern einen restlichen Betrag von S 139.908,04 s.A. Zwischen den seit längerer Zeit in Geschäftsverbindung stehenden Streitteilen seien die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Partei vereinbart worden, nach welchen Liefertermine nur als annähernd vereinbart und branchenübliche Verzögerungen als akzeptiert gelten. Der Beklagte bestritt, daß die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Partei vereinbart worden seien. Die klagende Partei habe ausdrücklich termingerechte Lieferung zugesichert, habe die Liefertermine aber nicht eingehalten, wodurch dem Beklagten ein die Klagsforderung weit übersteigender Schaden entstanden sei; sein Unternehmen sei einige Tage still gestanden und habe keine Umsätze und Gewinne erzielen können. In der Folge habe die klagende Partei mangelhafte Bänder geliefert, es sei zu zahlreichen Reklamationen von Abnehmern des Beklagten gekommen. Der Beklagte habe zunächst erhebliche Preisminderungsansprüche hinnehmen müssen, ein noch größerer Schaden sei ihm aber dadurch entstanden, daß zwei Großabnehmer aufgrund der mangelhaften Lieferungen die Geschäftsbeziehungen eingestellt hätten. Dieser Schaden beziffere sich mit mindestens S 500.000,-. Die Ansprüche wegen verspäteter und mangelhafter Lieferungen aus dem Titel des Schadenersatzes würden bis zur Höhe der Klagsforderung compensando eingewendet. Das Erstgericht sprach aus, daß die Klagsforderung mit S 139.908,04 zu Recht und die Gegenforderung bis zu dieser Höhe ebenfalls zu Recht bestehe, und wies das Klagebegehren daher ab. Aus seinen, auf den Seiten 4-10 der Ausfertigung des Urteils des Berufungsgerichtes wiedergegebenen Feststellungen (AS 182 ff) ist folgendes hervorzuheben:

Der Beklagte erteilte der klagenden Partei im Dezember 1981 telefonisch den Auftrag (zwischen den Streitteilen hatten vorher keine Geschäftsbeziehungen bestanden), 10.800 Rollen Duplizierband Max 3,81 zu liefern, und zwar die Hälfte im Jänner 1982 und den Rest im Februar 1982. Der Geschäftsführer der klagenden Partei, B***, wußte, daß es beim Beklagten immer Termingeschäfte gab. Er sicherte dem Beklagten zu, immer lieferbereit zu sein, er habe immer Band auf Lager. Dies war der Grund, weshalb der Beklagte bei der klagenden Partei die Bestellung aufgab. In der Auftragsbestätigung vom 15. Dezember 1981 wurden die Termine ausdrücklich zugesichert. Es war nicht vermerkt, daß die klagende Partei die Termine unter Umständen nicht einhalten könnte, auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurde nicht hingewiesen, diese waren auch nicht angeschlossen. Nachdem Herr B*** am 7. Jänner 1982 telefonisch mitgeteilt hatte, daß die klagende Partei derzeit nicht liefern könne, wies der Beklagte mit Telex vom selben Tag darauf hin, daß er seinen Betrieb bis zur Lieferung schließen müsse, weil er in der Eile kein anderes Band auftreiben könne, und daß er die daraus resultierenden Schäden der klagenden Partei anrechnen werde. Die klagende Partei widersprach, wies auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen hin und kündigte eine Teillieferung an. In einem Urgenzschreiben rügte der Beklagte Mängel bereits gelieferter Bänder und wies darauf hin, daß, falls solche Fehler neuerlich aufträten, neue Bänder nur mehr für Billigserien verwendet werden könnten und dann nur der halbe Preis bezahlt würde. Auch in weiteren Fernschreiben urgierte der Beklagte die Lieferung und wies auf Mängel hin. Die klagende Partei erklärte, wenn der Beklagte seiner Meinung nach nicht einwandfreies Material verwende, sei er auch zur Zahlung verpflichtet, worauf der Beklagte antwortete, wenn es gewünscht werde, werde er das Band nicht verwenden, er werde die klagende Partei aber wegen Betriebsstillegung klagen. Die klagende Partei erklärte, die Partie zurückzunehmen wenn die Reklamation berechtigt sein sollte. Herr B*** wünschte, daß der Einfachheit halber Kunden des Beklagten in München Kassetten direkt an die Zentrale der klagenden Partei in Berlin senden sollten, die Zentrale lehnte die Annahme der Musterstücke jedoch ab, weil dies Herrn B*** betreffe. Der Beklagte erklärte, sämtliche Zahlungen an die klagende Partei einzustellen, weil er aufgrund der technischen Mängel Kunden verloren habe. Der Beklagte übersandte der klagenden Partei sodann direkt mangelhafte Kassetten. Aus den Lieferungen der klagenden Partei an den Beklagten ist noch ein Betrag von S 139.908,04 offen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Partei, die den Lieferscheinen und Rechnungen beilagen, enthalten Bestimmungen, daß alle Liefertermine "nur annähernd" seien und die klagende Partei bei Verzögerungen ohne grobes Verschulden die Lieferzeit angemessen verlängern oder vom Vertrag teilweise zurücktreten könne. Ersatzansprüche des Bestellers seien ausgeschlossen. Beanstandete Ware werde ersetzt oder gutgeschrieben, wenn eine schriftliche Mängelrüge bis 8 Tage nach Erhalt der Ware bei der klagenden Partei eingegangen ist. Weitere Ansprüche, insbesondere für Folgeschäden, sind ausgeschlossen. Das von der klagenden Partei Anfang 1982 an den Beklagten gelieferte Bandmaterial hatte Mängel. Die vom Beklagten produzierten Kassetten wiesen Tonschwankungen auf, oft setzte der Ton über mehrere Sekunden aus. Diese Mängel wurden von Abnehmern des Beklagten reklamiert, der Beklagte mußte Kassetten zum Teil zurücknehmen, zum Teil Preisnachlässe gewähren. Schließlich kam es dazu, daß verschiedene Firmen beim Beklagten nicht mehr bestellten. Dadurch erlitt der Beklagte einen Schaden, der die Klagsforderung übersteigt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, das Zurechtbestehen der Klagsforderung ergebe sich aus den vorgelegten Urkunden. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien zumindest hinsichtlich der Lieferfristen für Jänner und Februar 1982 nicht der Vereinbarung zugrunde zu legen. Mit Lieferscheinen bzw. Fakturen seien die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwar übersendet worden, die Bestimmungen über die Rügepflicht von 8 Tagen und den Ausschluß der Haftung für weitere Schäden seien aber sittenwidrig. Da der Schaden des Beklagten die Klagsforderung übersteige, sei das Klagebegehren abzuweisen.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Der Ausspruch über den Bestand der Hauptforderung könne nicht allein rechtskräftig werden, er sei daher, obwohl ihn die Beklagte nicht angefochten, sondern nur in der Berufungsbeantwortung Feststellungen gerügt habe, nicht in Rechtskraft erwachsen. Der Beklagte habe infolge Spät- und Schlechterfüllung Schäden behauptet und zwar durch Gewinnentgang wegen Unternehmensstillstandes mindestens in der Höhe des Klagsbetrages, infolge Preisnachlässen, die Kunden hätten gewährt werden müssen (eine Bezifferung sei nicht erfolgt), sowie durch den Verlust von Großabnehmern in der Höhe von mindestens S 500.000,-.

Ersatz für den zuletzt angeführten Anspruch stehe aus rechtlichen Gründen nicht zu, weil im Sinne der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bei Beurteilung von Mängelfolgeschäden infolge Verlustes von Geschäftspartnern wegen der Notwendigkeit einer Haftungsbegrenzung und der Verhinderung einer Ausuferung von Schadenersatzansprüchen eine Haftungsbegrenzung am Platze sei. Es sei daher der (hier zu bejahende) Kausalzusammenhang und das Vorliegen des Rechtswidrigkeitszusammenhanges zu prüfen. Das Berufungsgericht stellte die vom Obersten Gerichtshof insbesondere in JBl 1986, 98 und 101, zu dieser Frage entwickelten Grundsätze dar und gelangte zu dem Ergebnis, der klagenden Partei sei zwar bekannt gewesen, daß der Beklagte das Bandmaterial zur Verarbeitung (Bespielung) und zum Verkauf des bearbeiteten Materials erwerbe, doch sei das immer vorhandene Risiko, daß durch Schäden am gelieferten Material Kunden des Verarbeitenden so verärgert werden, daß sie ihre Geschäftsbeziehungen zu letzterem aufgeben, nicht besonders in den Vordergrund getreten. Es seien keine Umstände behauptet oder festgestellt worden, die den Schluß rechtfertigen könnten, daß der klagenden Partei ein außergewöhnliches erweitertes Interesse des Beklagten an der Mängelfreiheit der Bänder wegen der Erhaltung des Kundenstockes erkennbar gewesen wäre und daß deshalb von einer Erstreckung des Schutzzweckes des abgeschlossenen Vertrages auch in dieser Richtung auszugehen sei. Eine Haftung der klagenden Partei für Schäden durch den Verlust von Großabnehmern bestehe daher nicht. Dennoch sei das Verfahren bezüglich der Gegenforderung noch nicht spruchreif, weil sich das Erstgericht nicht mit den wegen Unternehmensstillstandes und Preisnachlässen geltend gemachten Schäden befaßt habe. Insbesondere sei die pauschal festgestellte Schadenssumme nicht konkretisiert und spezifiziert worden. Die Rechtssache sei aber auch deshalb nicht spruchreif, weil sich das Erstgericht - wie vom Beklagten in der Berufungsbeantwortung gerügt - mit den einredeweise ins Treffen geführten Gewährleistungsansprüchen nicht auseinandergesetzt habe. Allerdings werde der Beklagte zu einer Präzisierung dieser Einrede zu veranlassen sein. Zur Frage des Verschuldens der klagenden Partei an Mängelfolgeschäden sei zu beachten, daß die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB dann eingreife, wenn aus dem eingetretenen Schaden und den Umständen seines Entstehens nach Erfahrungssätzen erschließbar sei, daß wenigstens ein objektiv fehlerhaftes Verhalten auf Seiten des Schuldners bei der Schadensentstehung mitgewirkt habe und der Kausalzusammenhang mit einer Handlung oder Unterlassung des Schuldners erwiesen sei, oder die Sachlage typisch auf dessen Verschulden hinweise (JBl 1986, 107 mwN; vgl. auch SZ 49/66;

EvBl 1981/159; JBl 1979, 259; RZ 1982/62; JBl 1982, 370;

SZ 54/81; 3 Ob 548/80; 5 Ob 24/81; 7 Ob 595/84). Insbesondere gelte dies auch bei der Zusicherung bestimmter Eigenschaften einer veräußerten Sache (3 Ob 548/80). Greife die Beweislastumkehr ein, schade es demjenigen, der den Mängelfolgeschaden geltend macht, auch nicht, wenn er - wie hier - Verschuldensbehauptungen unterlassen habe (SZ 49/66). Nicht anzuwenden sei die Bestimmung des § 1298 ABGB dann, wenn der Verkäufer ein Zwischenhändler sei und der Mangel auch einem Fachmann nicht leicht erkennbar sei (JBl 1986, 107). Inwieweit alle diese Voraussetzungen hier gegeben seien, werde vom Erstgericht noch mit den Parteien zu erörtern und festzustellen sein. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Partei stünden der Geltendmachung eines Mangelfolgeschadens nicht im Wege, weil sie erst den Lieferscheinen und Rechnungen beigelegen seien. Lieferscheine seien ebenso wie Rechnungen oder Gegenscheine schon ihrer kaufmännischen Funktion nach nicht dazu bestimmt, Anbote eines Vertragspartners auf Abänderung eines bereits abgeschlossenen Vertrages zu vermitteln. Einem Lieferschein und einer Rechnung komme daher auch unter Vollkaufleuten nicht ohne weiteres die Bedeutung eines Vertragsantrages zu. Die beklagte Partei habe deshalb ohne Vorliegen besonderer - hier weder behaupteter noch hervorgekommener - Umstände die Beigabe der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit den Lieferscheinen und Rechnungen nicht als ein Angebot der klagenden Partei zur Abänderung des bereits abgeschlossenen Vertrages ansehen können. Diese Beigaben seien somit wirkungslos und bedurften keiner Zurückweisung durch die beklagte Partei (RdW 1985, 244 mwN). Der Beklagte bekämpft diesen Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs, in welchem die Wiederherstellung des Ersturteils beantragt wird.

Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Rekurswerber wendet sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, die klagende Partei hafte nicht für Schäden durch den Verlust von Großabnehmern. Er vertritt den Standpunkt, aufgrund des konkreten Vertragszweckes stünden die entstandenen Schäden im Rechtswidrigkeitszusammenhang. Der klagenden Partei sei bekannt gewesen, daß in der Firma des Beklagten immer Termingeschäfte abzuwickeln seien. Aus der Natur des Vertrages ergebe sich überdies, daß die Ware zur Herstellung von Musikkassetten gedient habe, die weitervertrieben werden sollten. Der klagenden Partei sei also schon bei Vertragsabschluß bekannt gewesen, daß das vom Beklagten herzustellende Produkt nur dann zufriedene Kunden finde, wenn ein mangelfreies Band geliefert werde. Der klagenden Partei als sorgfältigem Kaufmann habe bekannt sein müssen, daß von ihr zu vertretende Lieferverzögerungen unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Beklagten und dessen Abnehmern haben müssen und daß durch die Schlechterfüllung der von der klagenden Partei übernommenen Verpflichtungen die Geschäftsbeziehungen des Beklagten gefährdet seien. Die Bedachtnahme auf den Schutzzweck des Vertrages führe also zu dem Ergebnis, daß die klagende Partei bereits bei Abschluß des Vertrages in der Lage gewesen sei, die Gefahren, die dem Beklagten für den Fall des Nichteinhaltens des ausdrücklich zugesicherten fixen Liefertermins drohte, zu erkennen. Der Schutzzweck des Vertrages umfasse daher auch die Verpflichtung der klagenden Partei, die Geschäftsbeziehungen des Beklagten als "Zwischenproduzent" zu den Abnehmern nicht zu gefährden. Der Abbruch der Geschäftsbeziehungen mit Großabnehmern sei durch das schuldhafte und rechtswidrige Verhalten der klagenden Partei herausgefordert worden. Einer ausdrücklichen Vereinbarung der Haftung auch für Mängelfolgeschäden, die aus dem Verlust von Geschäftsbeziehungen entstehen, habe es daher nicht bedurft.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Es entspricht herrschender Ansicht, daß die Haftung nicht uferlos sein kann, sondern eine Begrenzung der Zurechnung stattzufinden hat, wobei der Haftungsbegrenzung die Adäquanzlehre und die Lehre vom Schutzzweck der die Haftung begründenden Norm dienen. Nach der Adäquanztheorie hat der Schädiger nur für solche Schäden zu haften, die nicht zufolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen eingetreten sind. Der Schaden durch Verlust von Großabnehmern wegen der Lieferung mangelhaften Materials durch die klagende Partei muß indes als adäquate Folge solcher Lieferungen angesehen werden. Das Risiko, daß weitere Aufträge wegen der Lieferung schlechten Materials nicht mehr erteilt werden, stellt durchaus nicht eine außerhalb der menschlichen Erfahrung liegende Schadensfolge dar, mit der nicht gerechnet werden müßte. Die Adäquanz ist daher zu bejahen. Diese reicht jedoch nicht aus, um eine Haftung der klagenden Partei zu begründen. Hiezu wäre es erforderlich, daß zwischen der Vertragsverletzung durch die klagende Partei und dem Schaden ein Rechtswidrigkeitszusammenhang bestünde, denn aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist nur für jene verursachten Schäden zu haften, die die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck verhindern sollte. Auch derjenige, der eine Vertragspflicht verletzt, haftet seinem Vertragspartner gegenüber für daraus entstehende Schäden nur insoweit, als jene Interessen verletzt sind, deren Schutz die übernommene Vertragspflicht bezweckt. Welche die geschützten Interessen sind, ist aus dem Sinn und Zweck des Vertrages im Weg der Auslegung zu ermitteln und zwar aufgrund einer am konkreten Vertragszweck ausgerichteten individualisierenden Betrachtung (JBl 1986, 98 und 101 mwN). Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß vom Schutzzweck jedes Vertrages das Risiko umfaßt ist, ein Dritter werde wegen des vertragswidrigen Verhaltens mit dem Vertragspartner keine weiteren Verträge mehr abschließen (vgl. JBl 1986, 98). Eine Haftung für Schäden, die durch die auf die Vertragsverletzung der klagenden Partei zurückzuführende Willensbetätigung eines Dritten entstanden sind, wäre daher nur anzunehmen, wenn sich dies aus dem Schutzzweck des konkreten Vertrages ergeben würde. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist dies jedoch hier nicht der Fall. Der Hinweis auf fix vereinbarte Liefertermine ist schon deshalb verfehlt, weil der Beklagte seine Gegenforderung damit begründete, Großabnehmer hätten wegen mangelhafter Lieferungen die Geschäftsbeziehungen eingestellt. Daß Geschäftsbeziehungen wegen verspäteter Lieferungen abgebrochen wurden, behauptete der Beklagte nicht. Ob die Vereinbarung genau einzuhaltender Liefertermine dafür spricht, daß nach dem Zweck des Vertrages der Beklagte auch davor geschützt werden sollte, daß seine Geschäftsbeziehungen zu Dritten wegen verspäteter Vertragsverletzung gefährdet werden, braucht daher nicht erörtert zu werden. Ein Schutz des Beklagten vor der Gefährdung von Geschäftsbeziehungen zu Dritten wegen Lieferung mangelhafter Ware ergibt sich aus der Vereinbarung fixer Termine gewiß nicht. Aus der "Natur des Vertrages" kann ein derartiger Schutzzweck ebenfalls nicht entnommen werden. Würde man schon daraus, daß der Beklagte die von der klagenden Partei gelieferte Ware nach Verarbeitung weiterveräußerte, auf den Vertragszweck schließen, daß die vertraglichen Beziehungen des Beklagten zu Dritten geschützt werden sollen, dann müßte dies für alle derartigen Verträge gelten und stets zu einer Haftung auch für Schäden, die auf einer fremden Willensbildung beruhen, führen. Daß dies abzulehnen ist, wurde bereits ausgeführt. Es wäre daher erforderlich, daß besondere zusätzliche Gründe vorhanden sind, aus denen sich ergibt, daß der Schutzzweck auch darin besteht, Geschäftsbeziehungen eines Vertragspartners nicht zu gefährden. Solche Gründe sind im vorliegenden Fall jedoch nicht vorhanden, weshalb die Ansicht des Berufungsgerichtes, die wegen des Verlustes von Großabnehmern geltend gemachte Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, zu billigen ist.

Die weiteren Rekursausführungen, nach welchen das Verfahren hinsichtlich der übrigen eingewendeten Gegenforderungen zumindest teilweise spruchreif sei, sind schon deshalb nicht berechtigt, weil die Entscheidung über die Gegenforderungen den Ausspruch über das Zurechtbestehen des Klagsanspruches voraussetzt. Der Ausspruch über die Klagsforderung kann jedoch - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - nicht selbständig in Rechtskraft erwachsen (RZ 1982/42; 7 Ob 585/77; 6 Ob 732/82 ua). Auch hinsichtlich der Klagsforderung hat das Berufungsgericht dem Erstgericht aber wegen der vom Beklagten eingewendeten Mängel zutreffend eine Verfahrensergänzung aufgetragen. Überdies hat das Berufungsgericht mit Recht darauf hingewiesen, daß für die Beurteilung der Gegenforderung wegen Geschäftsstillstandes und wegen Preisnachlässen keine für die rechtliche Beurteilung ausreichende Feststellungen vorhanden sind. Die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes zu diesen beiden Gegenforderungen stehen mit der (vom Berufungsgericht zitierten) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Einklang. Das gleiche gilt für die Ausführungen, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Partei stünden der Geltendmachung von Mängelfolgeschäden nicht entgegen.

Aus diesen Gründen war dem Rekurs ein Erfolg zu versagen. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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