OGH 9Ob37/05i

OGH9Ob37/05i25.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH & Co OEG (vormals: C***** AG & Co OEG), *****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Elmar K*****, Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 499.118,44 sA und Feststellung (Streitwert EUR 50.000; Gesamtstreitwert EUR 549.118,44), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. März 2005, GZ 16 R 264/04t-20, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 8. September 2004, GZ 19 Cg 113/04h-11, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 6.742,62 (darin EUR 1.123,77 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 19.026,54 (darin EUR 481,44 USt und EUR 16.137,90 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die S***** GmbH (im Folgenden kurz S*****), Rechtsnachfolgerin der St***** AG, war grundbücherliche Eigentümerin der beiderseits der Eisenbahnstrecke St. V***** - K***** gelegenen Liegenschaft EZ *****, Grundbuch ***** T*****, BG H*****, auf der sich auch die Eisenbahnkreuzung in km 2,650 befindet. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) beantragten am 26. 6. 2000 beim Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) die Umgestaltung dieser bis dahin nichtöffentlichen Eisenbahnkreuzung in eine öffentliche Eisenbahnkreuzung für Fußgängerverkehr. Auf Grund dieses Antrags fand am 6. 11. 2000 vor Ort eine Verhandlung statt, zu der die S***** nicht geladen worden war. In dieser Verhandlung wurde über Ermächtigung durch das BMVIT ein Bescheid des Landeshauptmanns von NÖ, Zl RU6-E-2232/000, mündlich verkündet, in dessen Punkt II. für die Umgestaltung der Eisenbahnkreuzung die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung und die Betriebsbewilligung unter Auflagen erteilt wurden. Dieser Bescheid wurde der S***** nicht zugestellt; allerdings wurde an sie eine Bescheidausfertigung von der zu dieser Verhandlung geladenen C***** GmbH weitergeleitet.

Die S***** erhob am 27. 11. 2000 Berufung gegen den Bescheid vom 6. 11. 2000 an das BMVIT und beauftragte im Übrigen den Beklagten mit der Erhebung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Diesem Auftrag kam der Beklagte am 22. 12. 2000 nach. Zu diesem Zeitpunkt war die Eisenbahnkreuzung von den ÖBB bereits gemäß Bescheid umgebaut worden. Da es der Beklagte unterlassen hatte, mit der Beschwerde auch eine Kopie des angefochtenen Bescheids vorzulegen, trug der Verwaltungsgerichtshof der S***** mit Beschluss vom 29. 12. 2000, dem Beklagten zugestellt am 17. 1. 2001, auf, binnen vier Wochen die versäumte Vorlage nachzuholen. Da der Beklagte dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachkam, stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren gemäß §§ 34 Abs 2 und 33 Abs 1 VwGG mit Beschluss vom 28. 2. 2001, Zl 2000/03/0380-5, ein. Dieser Beschluss wurde dem Beklagten am 15. 3. 2001 zugestellt; die S***** erhielt ihn am 18. 4. 2001. Dem darauf vom Beklagten namens der S***** gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Verbesserungsfrist, der mit der irrtümlichen Zuordnung der Frist durch die Sekretärin des Beklagten zu einem anderen Akt begründet worden war, gab der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. 4. 2001, Zl 2001/03/0080-3, nicht statt. Von einem bloß minderen Grad des Versehens könne keine Rede sein, weil die zur Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche Sorgfalt mangels eines wirksamen Kontrollsystems grob verletzt worden sei.

In der Zwischenzeit erklärten sich die ÖBB bei einer Besprechung vom 6. 2. 2001 gegenüber der S***** bereit, innerhalb der nächsten vier Wochen dem BMVIT ein Projekt über den Rückbau des gegenständlichen Eisenbahnübergangs und dessen technische Sicherung zur eisenbahnrechtlichen Behandlung vorzulegen. Die S***** wiederum erklärte sich bereit, ihre gegen den Bescheid vom 6. 11. 2000 erhobene Berufung und die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nach positivem Ausgang der über Antrag der ÖBB bis Ende April 2001 abzuhaltenden Bauverhandlung zurückzuziehen. Gemäß dieser Vereinbarung beantragten die ÖBB mit Schreiben vom 6. 3. 2001 die Erteilung der eisenbahnrechtlichen Genehmigung für den Rückbau des Eisenbahnübergangs. Mit weiterem Schreiben vom 19. 4. 2001 zogen sie jedoch ihren Antrag wieder zurück. Dass der Beklagte in die Vereinbarung zwischen ÖBB und S***** einbezogen oder wenigstens von der beabsichtigten Zurückziehung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde informiert worden war, wurde von der Klägerin nicht behauptet. Hiefür ergaben sich im Verfahren auch keine Anhaltspunkte. Die beim Amt der niederösterreichischen Landesregierung eingebrachte Berufung vom 27. 11. 2000 wurde von der S***** nicht wie am 6. 2. 2001 mit den ÖBB vereinbart zurückgezogen. Mit Bescheid des BMVIT vom 3. 12. 2001 wurde diese Berufung der S*****, vertreten durch die Klagevertreter des vorliegenden Verfahrens, als unzulässig zurückgewiesen. Die Klägerin begehrt nach Klageausdehnung vom Beklagten die Zahlung von EUR 499.118,44 sA und die Feststellung, dass er für alle aus der nicht sachgemäßen Beratung und Vertretung im Verfahren gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 6. 11. 2000, RU6-E-2232/000, insbesondere vor dem Verwaltungsgerichtshof zu Z1 2000/03/0380, und durch Versäumung der mit Beschluss vom 29. 12. 2000 vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist zur Mängelbehebung rechtswidrig und schuldhaft verursachten Schäden hafte. Soweit für das Rekursverfahren noch relevant, brachte die Klägerin dazu vor, dass sie außerbücherliche Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft sei, die sie mit Kaufvertrag vom 27. 12. 2002 von der S***** käuflich erworben habe. Durch die Fristversäumnis des Beklagten im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof sei ihr ein Schaden entstanden, weil die ÖBB wegen des Einstellungsbeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs ihren Antrag auf Bewilligung des Rückbaus des Bahnübergangs wieder zurückgezogen haben und es daher der S***** nicht mehr möglich gewesen sei, ihrerseits das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof durch Rückziehung der Beschwerde zu beenden. Der verursachte Schaden bestehe konkret darin, dass die Klägerin den umgebauten Bahnübergang nicht mehr mit noch nicht zum Verkehr zugelassenen Testfahrzeugen befahren könne, weshalb pro Tag EUR 560 Kosten für das Verladen der Testfahrzeuge und deren Transport auf einem 6 - 8 km langen Umweg auflaufen. Insgesamt würden sich diese Kosten im Zeitraum vom 5. 3. 2001 bis zum 31. 8. 2004 auf EUR 493.920 belaufen. Der gegenständliche Bahnübergang habe nämlich der Verbindung der auf dem östlichen Grundstücksteil gelegenen Produktionshallen für Fahrzeuge und der auf dem westlichen Grundstücksteil gelegenen Prüfstrecke für diese Fahrzeuge gedient. Die Errichtung einer Bahnunterführung oder eines neuen Bahnübergangs, um die Produktionshalle und die Prüfstrecke wieder zu verbinden, werde mit weiteren noch nicht abschätzbaren Kosten verbunden sein. Die S***** habe die ihr gegen den Beklagten zustehenden Schadenersatzansprüche an die Klägerin zediert. Daneben werden mit der Klage noch vorprozessuale Kosten von EUR 5.198,44 für die Rechtsvertretung der Klägerin gegen den Beklagten geltend gemacht. Der Beklagte bestritt - soweit noch für das Rekursverfahren relevant

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist wegen unrichtiger Beurteilung der Zurechenbarkeit des geltend gemachten Schadens zulässig; er ist auch berechtigt. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt entgegen den Ausführungen des Rekurswerbers, die überwiegend der Rechtsrüge zuzurechnen sind, nicht vor. Entgegen der Behauptung der Rekursgegnerin unterlief dem Berufungsgericht auch keine relevante Aktenwidrigkeit. Diese Beurteilung bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Rechtsanwalt gemäß § 9 RAO verpflichtet ist, die Rechte seiner Partei mit Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Diese Bestimmung ergänzt § 1009 ABGB, der den Gewalthaber verpflichtet, das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag aufgetragene Geschäft umsichtig und redlich zu besorgen. Daraus ergeben sich für den Rechtsanwalt eine Reihe von Pflichten, wie ua Warn-, Aufklärungs-, Informations- und Verhütungspflichten, die alle Ausprägung der Kardinalspflicht des Rechtsanwalts sind, nämlich der Pflicht zur Interessenwahrung und zur Rechtsbetreuung (RIS-Justiz RS0112203 ua). Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsberaters dürfen allerdings nicht überspannt werden; es können von ihm nur der Fleiß und die Kenntnisse verlangt werden, die seine Fachgenossen gewöhnlich haben. Bei der Beurteilung dieser Frage müssen auch der Auftrag und das im Einzelfall davon betroffene Geschäft berücksichtigt werden (RIS-Justiz RS0026584 ua). Erste Pflicht des Klienten ist es, seinem Anwalt nach seinem Verständnis alle Tatsachen wahrheitsgemäß mitzuteilen. Die Richtigkeit einer vollständigen Information muss der Anwalt, solange sich nicht dagegen erhebliche Anhaltspunkte ergeben, nicht prüfen oder von sich aus weitere Nachforschungen anstellen (RIS-Justiz RS0106940 ua). Der Anwalt ist auf Grund des Bevollmächtigungsvertrags zur sachgemäßen Vertretung seines Klienten verpflichtet, haftet aber nicht für den Erfolg. Er haftet aber für jeden Schaden seines Machtgebers, den er durch vorsätzliche oder fahrlässige Außerachtlassung seiner Vertragspflichten dem Machtgeber verursacht (vgl RIS-Justiz RS0026294, RS0038695 ua). Dem Geschädigten obliegt der Nachweis der Kausalität des Verhaltens des Rechtsanwalts für den eingetretenen Schaden (vgl RIS-Justiz RS0106890 ua). Dass der Beklagte im vorliegenden Fall seine Pflicht, die auf Grund des Bevollmächtigungsvertrags mit der S***** beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde fristgerecht zu verbessern, zumindest leicht fahrlässig verletzte, wird auch von ihm nicht mehr bestritten. Strittig ist jedoch, was dies mit den von der Klägerin geltend gemachten Schäden zu tun hat und ob ihm diese zurechenbar sind. Da der Beklagte dem Verbesserungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofs nicht fristgerecht nachkam, wurde das Verfahren gemäß den §§ 34 Abs 2 und 33 Abs 1 VwGG eingestellt. Das Primärziel der S***** (Aufhebung des angefochtenen Bescheids durch den Verwaltungsgerichtshof) konnte damit nicht mehr erreicht werden. Die Zurechnung eines aus diesem Aspekt abgeleiteten Schadens ist allerdings zwischen den Parteien kein Thema mehr, nachdem das Berufungsgericht ausführlich dargelegt hat, dass die gegenständliche Beschwerde auch bei rechtzeitiger Verbesserung erfolglos geblieben wäre. Auch die Klägerin verfolgt in ihrer Rekursbeantwortung den vormaligen Standpunkt einer hypothetisch erfolgreichen Beschwerde nicht mehr. Es ist daher für das Rekursverfahren davon auszugehen, dass der fristgerecht verbesserten Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ohnehin kein Erfolg beschieden gewesen wäre (vgl RIS-Justiz RS0043317 ua). Dementsprechend konzentrieren sich sowohl die Zulassung des Rekurses durch das Berufungsgericht als auch die Ausführungen der Parteien in ihren Rechtsmittelschriften vor allem auf die Frage, ob der Beklagte der S***** und/oder der Klägerin - auf die strittige Zession braucht im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht eingegangen werden - einen Schaden dadurch verursacht habe, dass er der S***** durch die Einstellung des Verfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit genommen habe, die Beschwerde wieder zurückzuziehen. Andere Dispositionsmöglichkeiten über die Beschwerde (als die Rückziehung) stehen zwischen den Parteien nicht zur Diskussion. Der Schaden der S***** und/oder Klägerin soll einerseits in bereits aufgelaufenen Transportkosten, die auf den Umbau des Eisenbahnübergangs durch die ÖBB und dadurch notwendig werdende Umwege zurückzuführen seien, und andererseits in Kosten bestehen, die in der Zukunft beim Bau eines neuen Übergangs oder einer Unterführung auflaufen werden. Die Möglichkeit der Rückziehung der Bescheidbeschwerde, bevor der Verwaltungsgerichtshof über diese (abschlägig) entscheidet, wurde - sozusagen als Sekundärziel - nur deshalb ein Thema, weil die S***** am 6. 2. 2001, also nach dem von den ÖBB auf Grund des Bescheids vom 6. 11. 2000 vorgenommenen Umbau des Eisenbahnübergangs, mit den ÖBB vereinbarten, dass diese innerhalb der nächsten vier Wochen dem BMVIT ein Projekt über den Rückbau des gegenständlichen Eisenbahnübergangs und dessen technische Sicherung zur eisenbahnrechtlichen Behandlung vorlegen werden und die S***** ihre gegen den Bescheid vom 6. 11. 2000 erhobene Berufung und die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nach positivem Ausgang der über Antrag der ÖBB bis Ende April 2001 abzuhaltenden Bauverhandlung zurückziehen wird. Diese Vereinbarung lässt das Interesse der ÖBB am endgültigen Verfahrensabschluss durch Rückziehung aller offenen Rechtsmittel gegen den Bescheid vom 6. 11. 2000 erkennen. Ob dieses Interesse auf einer Fehleinschätzung der Erfolgsaussichten der Rechtsmittel durch die ÖBB, auf von den ÖBB befürchteten zivilrechtlichen Auseinandersetzungen mit der S***** oder auf sonstigen Gründen beruhte, muss hier nicht weiter untersucht werden. Jedenfalls vereinbarten die ÖBB mit der S*****, dass sie beim BMVIT beantragen werden, den Zustand des Eisenbahnübergangs vor dem Bescheid wiederherzustellen. Die ÖBB waren zur Vorleistung bereit (arg innerhalb der nächsten vier Wochen, dh bis 6. 3. 2001), während die Rückziehung der beiden Rechtsmittel durch die S***** erst nach positivem Ausgang der über Antrag der ÖBB bis Ende April 2001 abzuhaltenden Bauverhandlung erfolgen sollte.

In Anbetracht des erkennbaren Interesses der ÖBB an der Rückziehung aller Rechtsmittel durch die S***** drängt sich bereits ohne nähere Befassung mit den Besonderheiten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof die Frage auf, welches Interesse die ÖBB - Redlichkeit unterstellt - haben sollten (oder könnten), allenfalls zwischen einer Beendigung des Verfahrens durch Rückziehung der Rechtsmittel oder durch „Einstellung" zu differenzieren. Aber auch das kann letztlich dahingestellt bleiben. Es muss auch gar nicht die ergänzende Vertragsauslegung bemüht werden, denn aus dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl 1985/10 (WV), das in seinem II. Abschnitt (§§ 21 bis 70) das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofs regelt, folgt, dass die gegenständliche Beschwerde ohnehin als von der S***** zurückgezogen anzusehen ist. Dem ging voran, dass der Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit, sofern dieser Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt worden ist, nach § 28 Abs 5 VwGG eine Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheids anzuschließen ist. Da dies der Beklagte wie schon mehrfach erwähnt unterließ, wurde ihm die Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof zur Behebung des Mangels unter Fristsetzung zurückgestellt. Die Versäumung dieser Verbesserungsfrist gilt nun kraft ausdrücklicher Anordnung in § 34 Abs 2 zweiter Halbsatz VwGG als Zurückziehung der Beschwerde. Im Fall der Zurückziehung der Beschwerde ist sie nach § 33 Abs 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen (Müller in Machacek, Verfahren vor dem VwGH und VfGH5 226 ua). Daraus folgt, dass der Beklagte der S***** die Rückziehung der Beschwerde nicht - wie von der Klägerin behauptet - durch die Einstellung des Verfahrens genommen hat, sondern die Verfahrenseinstellung gemäß §§ 34 Abs 2 und 33 Abs 1 VwGG gerade darauf beruht, dass die Beschwerde als zurückgezogen gilt. Damit versagt aber die Argumentation der Klägerin, aus der angeblichen Vereitelung der Rückziehung der Beschwerde einen Schadenersatzanspruch abzuleiten, schon im Ansatz.

Die Überlegungen der Klägerin missverstehen aber offenbar nicht nur die Besonderheiten der Einstellung des Verfahrens nach den §§ 34 Abs 2 und 33 Abs 1 VwGG, sondern auch den unstrittigen Inhalt der Vereinbarung zwischen den ÖBB und der S*****. Wie ebenfalls schon ausgeführt, erklärten sich die ÖBB ausdrücklich dazu bereit, innerhalb der nächsten vier Wochen dem BMVIT ein Projekt über den Rückbau des gegenständlichen Eisenbahnübergangs zur eisenbahnrechtlichen Bewilligung vorzulegen. Diese Verpflichtung war zwar „im Gegenzug" von der Zusage der S***** abhängig, alle Rechtsmittel gegen den Bescheid vom 6. 11. 2000 zurückzuziehen; die wechselseitigen Pflichten standen jedoch in keinem Zug-um-Zug-Verhältnis, weil sich die ÖBB zur Vorleistung verpflichteten (vgl Aicher in Rummel, ABGB³ § 1052 Rz 1 mwN ua). Diese Vorleistung war schon deshalb unvermeidbar, weil der Rückbau nicht in der alleinigen Ingerenz der ÖBB lag, sondern von der Bewilligung des BMVIT abhängig war. Der Beklagte hat die Erfüllung dieser Zusage der ÖBB nicht vereitelt; sie wurde vielmehr (zunächst wenigstens) eingehalten. Die ÖBB beantragten nämlich pünktlich wie vereinbart mit Schreiben vom 6. 3. 2001 die eisenbahnrechtliche Genehmigung für den Rückbau des Eisenbahnübergangs. Damit war aus der Sicht der S***** alles getan und erreicht, was sie auf Grund der Vereinbarung von den ÖBB zunächst erwarten konnte. Die Klägerin mutmaßt nun, dass die Rückziehung des Antrags vom 6. 3. 2001 mit Schreiben vom 19. 4. 2001 darauf beruhe, dass die ÖBB Kenntnis von der mit Beschluss vom 28. 2. 2001 erfolgten Einstellung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof erlangt haben, womit das „Druckmittel" der Zurückziehung der Rechtsmittel weggefallen sei. Rein vom Zeitablauf her mag dies zwar stimmen; eine rechtliche Grundlage für den Meinungsschwenk der ÖBB ist allerdings nicht erkennbar; es wurde auch keine von der Klägerin behauptet. Die Vereinbarung vom 6. 2. 2001 lässt weder eine Ausstiegsklausel zugunsten der ÖBB erkennen, noch knüpft die Zusage der ÖBB, einen Rückbauantrag zu stellen, an ein aufrechtes „Druckmittel" an. Diese primär das Vertragsverhältnis zwischen ÖBB und S***** betreffenden Fragen müssen hier aber nicht abschließend geklärt werden; für das vorliegende Verfahren genügt die Erkenntnis, dass keine tragfähigen Anhaltspunkte hervorgekommen sind, die es rechtfertigen, den Beklagten für den - jedenfalls aus der Sicht seines Bevollmächtigungsvertrags mit der S***** und seinem damit im Zusammenhang stehenden Informationsstand - ungewöhnlichen und unverständlichen Meinungsschwenk der ÖBB, den Antrag vom 6. 3. 2001 wieder zurückzuziehen, zur Verantwortung zu ziehen. Wie schon erwähnt hat die Klägerin nicht vorgebracht, dass der Beklagte in die Verhandlungen und die Vereinbarung zwischen den ÖBB und der S***** eingeweiht und eingebunden worden sei. Nun darf zwar, wer einen Rechtsanwalt betraut, davon ausgehen, dass dieser im besonderen Maß geeignet ist, ihn vor Nachteilen zu schützen; dieser Schutz kann sich aber nur auf alle nach der Rechtsordnung erforderlichen Schritte zur Verwirklichung des ihm bekannten Geschäftszwecks erstrecken (vgl RIS-Justiz RS0038724 ua). Die Belehrungspflicht eines Rechtsanwalts reicht nur so weit, als für ihn aus der Unterlassung derselben der Eintritt eines Schadens für seinen Mandanten voraussehbar ist (RIS-Justiz RS0026258 ua). Irgendwelche Aufklärungspflichten hat der Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verletzt. Zur Frage, wer die Vereinbarung vom 6. 2. 2001 vereitelte, ist im Übrigen noch anzumerken, dass die S***** ihrerseits die sie treffende Verpflichtung, die Berufung zurückzuziehen, - der Beklagte war mit dieser Aufgabe nicht betraut -, solange unerfüllt ließ, bis es schließlich zur Zurückweisung der Berufung mit Bescheid des BMVIT vom 3. 12. 2001 kam. Die weitere Entwicklung nach Stellung des Antrags der ÖBB vom 6. 3. 2001 steht in keinem inneren Zusammenhang mehr mit der versäumten Verbesserung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde. Es ist fraglich, ob die von der Klägerin geltend gemachten Schäden - gleich, ob sie bereits eingetreten sind oder erst eintreten werden, - vom Beklagten adäquat herbeigeführt wurden. Jedenfalls aber erstreckt sich der Bevollmächtigungsvertrag im vorliegenden Fall nicht auf das verwirklichte Risiko des einseitigen Abgehens eines Dritten von der mit der Mandantin des Beklagten geschlossenen Vereinbarung. Die Schäden sind daher nicht mehr vom Schutzzweck des gegenständlichen Bevollmächtigungsvertrags erfasst. Sie liegen außerhalb der Reichweite der Verantwortlichkeit des Beklagten (vgl Koziol/Welser II12 292, 296 f mwN; RIS-Justiz RS0017850 ua).

Die vorliegende Rechtssache erweist sich damit als bereits spruchreif, sodass sogleich durch Urteil in der Sache erkannt werden kann (§ 519 Abs 2 ZPO). Da den Beklagten keine Haftung für die von der Klägerin mit Leistungs- und Feststellungsklage geltend gemachten Schäden trifft, ist das klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen. Auf die Frage der Haftung eines Rechtsanwalts, wenn er durch einen ihm anzulastenden Fehler seiner Mandantin die Möglichkeit zu einer außergerichtlichen Streitbereinigung genommen hat, braucht nicht weiter eingegangen werden, weil derartiges dem Beklagten nicht vorzuwerfen ist. Auf die vom Berufungsgericht dem Erstgericht aufgetragene Klärung, ob der von den ÖBB zugesagte Rückbau im eisenbahnrechtlichen Verwaltungsverfahren bewilligt worden wäre, kommt es ebenso wenig an wie auf eine Klärung der außerbücherlichen Eigentümerstellung der Klägerin und der behaupteten Zession. Auch die Schadenshöhe braucht nicht mehr erörtert werden, weil der Schadenersatzanspruch der Klägerin schon dem Grunde nach zu verneinen ist.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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