VwGH 2001/03/0080

VwGH2001/03/008025.4.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über den Antrag der S GmbH in Steyr, vertreten durch Dr. Elmar Kresbach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/4/29, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. November 2000, Zl. RU6-E-2232/000, betreffend eisenbahnrechtliche Baubewilligung, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 2001, Zl. 2000/03/0380-5, wurde das Verfahren über die Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid eingestellt, weil die Antragstellerin dem ihr gemäß § 34 Abs. 2 VwGG erteilten Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Dezember 2000, die Mängel der eingebrachten Beschwerde zu beheben, nicht fristgerecht nachgekommen war.

Mit dem vorliegenden Antrag vom 21. März 2001 begehrt die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG, weil sie durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Befolgung des Mängelbehebungsauftrages gehindert gewesen sei. Sie bringt dazu im Einzelnen vor:

"In der Kanzlei des Rechtsvertreters ist eine verlässliche und erfahrene Kanzleikraft, Frau M, mit der Aktenadministration, Fristenführung sowie der Entgegennahme der Kanzleipost und ähnlichem betraut. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers vertritt einige andere Unternehmen aus dem Unternehmenskonglomerat "B" zu welchem unter anderem auch die Beschwerdeführerin gehört. Erschwerend und manches mal durchaus verwirrend kommt hinzu, dass es im Rahmen dieses Konzerns sehr oft zu Änderungen der Firma bzw. auch durch Akquisition weiterer Unternehmen zu Rechtsnachfolgegesellschaften wiederum mit auch nur geringfügig veränderter Firmenbezeichnung kommt. Die Zuteilung der einzelnen Fälle erfolgt aber zentral über eine Rechtsabteilung des Konzerns. Sämtliche Mitarbeiter der Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers, insbesondere aber auch die Sekretärin M haben die ausdrückliche Weisung für jede neu eingelangte Rechtssache naturgemäß einen eigenen Akt anzulegen um sofort etwaige Missverständnisse aufgrund der zahlreichen verschiedenen - und in der Firma oft nur geringfügig sich unterscheidenden - Konzernunternehmungen, insbesondere beim Postein- und Postausgang bzw. bei verschiedenen Fristenläufen, auszuschließen. Dieses Prozedere wird sowohl vom Rechtsvertreter selbst, als auch zusätzlich von dessen langjährigem und ebenfalls sehr verlässlichen Konzipienten Mag. A überwacht, was auch dazu führt, dass diese Abläufe klaglos funktionieren.

Durch ein historisch nicht mehr rekonstruierbares Versehen der bei sonstigen Arbeiten überaus verlässlichen und genau überwachten Sekretärin M, welche hier letztlich auch in unvorhersehbarer Art weisungswidrig gehandelt hat, wurde die Verbesserungsverfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Dezember 2000 einem anderen "Konzernakt" zugeordnet und die Verbesserungsfrist auch für diesen - unrichtigen Akt - vorgemerkt, wobei noch hinzu kommt, dass dieser Akt inhaltlich zum Zeitpunkt des Ablaufes der Verbesserungsfrist positiv erledigt war und sohin sämtliche auf diesen Akt eingetragene Fristen ebenfalls als gegenstandslos im Kalender abgezeichnet worden sind. Nur dadurch konnte es geschehen, dass die irrtümlich dem unrichtigen Akt unter einer anderen Causenbezeichnung zugeordnete Verbesserungsfrist versäumt wurde. Durch eine nachvollziehbare Kontrolle im Rahmen der Buchhaltung ist es dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin aber bei Durchsicht des materiell erledigten anderen Aktes am 7. März 2001 die irrtümlich und unvorhersehbar sowie weisungswidrig erfolgte Zuordnung des Beschlusses über die Beschwerdeverbesserung zu diesem anderen Akt aufgefallen. Es wurde jedenfalls zunächst der Antrag auf Fristerstreckung eingebracht."

Die Antragstellerin bringt weiters vor, die genannte Sekretärin sei eine verlässliche Kraft und bereits mehrere Jahre in der Kanzlei tadellos tätig und unterliege sowohl einer Überwachung und nachvollziehenden Kontrolle durch den ebenfalls sehr erfahrenen Konzipienten und durch den Rechtsvertreter sowie andere ebenfalls erfahrene Kanzleikräfte. Ein derartiges Versehen sei ihr noch nie unterlaufen.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist der Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Diese Voraussetzungen werden im vorliegenden Fall nicht

erfüllt: Im Rahmen der berufsmäßigen Parteienvertretung ist die

Organisation des Kanzleibetriebes vom Vertreter so einzurichten und es sind die für ihn tätigen Personen so zu überwachen, dass die erforderliche und fristgerechte Wahrung von Prozesshandlungen bzw. die Einhaltung behördlicher Termine sichergestellt wird. Ein bevollmächtigter Rechtsanwalt muss die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass u.a. auch die vollständige und fristgerechte Erfüllung von Mängelbehebungsaufträgen gesichert erscheint. Welche Anforderungen an die organisatorischen Vorkehrungen in einer Anwaltskanzlei und an die Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleipersonal zu stellen sind, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab.

Im Beschwerdefall wurde - zusammengefasst - der unter Fristsetzung vom Verwaltungsgerichtshof erteilte Verbesserungsauftrag in der Kanzlei der Antragstellerin einem anderen "Konzernakt" aus den Akten des vom Rechtsanwalt vertretenen "Unternehmenskonglomerates" zugeordnet, sodass erst bei einer Kontrolle im Rahmen der Buchhaltung durch den Rechtsvertreter diese falsche Zuordnung aufgefallen ist. Damit liegt aber ein Organisationsverschulden beim Rechtsvertreter der Antragstellerin vor: denn im Hinblick darauf, dass der Fristenkontrolle vom Rechtsvertreter ein besonderes Augenmerk zu widmen ist, hat er auch durch entsprechende Kontrollmaßnahmen sicherzustellen, dass ihm tatsächlich die gesamte eingehende Post täglich vorgelegt wird (vgl. den hg. Beschluss vom 18. November 1992, Zl. 92/03/0104). Wäre der Rechtsvertreter dieser Verpflichtung nachgekommen, hätte sichergestellt werden können, dass der gegenständliche Mängelbehebungsauftrag nicht von der Kanzleikraft einem anderen Akt "zugeordnet" wird.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. den hg. Beschluss vom 9. März 1995, Zl. 94/18/0921) sind bereits im Wiedereinsetzungsantrag Art und Intensität der über die Kanzlei ausgeübten Kontrolle darzutun. Außer einem allgemeinen Hinweis, die Kanzleikraft unterliege einer "nachvollziehenden Kontrolle", enthält der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag jedoch diesbezüglich kein konkretes Vorbringen, insbesondere auch nicht betreffend der nach der oben dargestellten Rechtsprechung erforderlichen täglichen Vorlage der Post. Dass das Kontrollsystem im Rahmen der Kanzlei nicht hinreichend wirksam ist, zeigt schon der Umstand auf, dass der Fehler nicht etwa bei Kontrolle der laufenden Fristeintragungen aufgefallen ist, sondern "im Rahmen der Buchhaltung" der erledigten Akten.

Derart kann aber von einem einen minderen Grad des Versehens nicht übersteigenden Verschulden keine Rede mehr sein, weil die zur Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche Sorgfalt mangels eines wirksamen Kontrollsystems grob verletzt wurde. Dabei lässt auch der Umstand, dass die in der Kanzlei des Rechtsanwaltes tätige Sekretärin sowohl durch den Rechtsanwalt selbst als auch durch den erfahrenen Konzipienten sowie durch "andere ebenfalls erfahrene Kanzleikräfte" überwacht wurde, keine andere Beurteilung zu.

Aus den genannten Gründen konnte dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht Folge gegeben werden.

Wien, am 25. April 2001

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