Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Feuerversicherer eines in Wien gelegenen Hauses, das 1976 erbaut wurde und nach einem Brand am 13. 11. 2000 in der darauffolgenden Nacht zur Gänze abbrannte. Sie ersetzte dem Eigentümer, der das Haus „Anfang der 80er Jahre“ gekauft hatte, aufgrund des mit diesem geschlossenen Versicherungsvertrags den Brandschaden. Das beklagte Rauchfangkehrunternehmen wurde 2003 gegründet und ist Gesamtrechtsnachfolger diverser seit 1976 für dieses Haus zuständiger Rauchfangkehrer.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Oberste Gerichtshof hat im ersten Rechtsgang die Zulässigkeit des Rechtswegs bejaht (1 Ob 114/07g = wbl 2008, 193 [Schmaranzer]).
2. Nach den (nunmehrigen) Feststellungen waren seit 1976 bis zum Brandzeitpunkt als Rechtsvorgänger der Beklagten zunächst eine GmbH und dann eine KEG die zuständigen Rauchfangkehrunternehmen.
In Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der erkennende Fachsenat Anfang 2009 ausgesprochen, dass für Klagen gegen juristische Personen des Privatrechts, die für hoheitliches Handeln in die Pflicht genommen oder beliehen wurden - ebenso wie für Klagen gegen physische Personen - , gemäß § 9 Abs 5 AHG der Rechtsweg unzulässig ist (1 Ob 176/08a = ecolex 2009, 590 [zust Th. Rabl aaO 579]; RIS-Justiz RS0124590). Nichts anderes kann nunmehr wegen § 105 zweiter Satz UGB für Personengesellschaften - wie hier eine Kommandit-Erwerbsgesellschaft, die seit 1. 1. 2007 als KG gilt (§ 907 Abs 2 UGB) - gelten. Aus fehlerhaften Hoheitsakten der genannten Rechtsvorgänger der Beklagten können grundsätzlich nur Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden; Ansprüche nach dem allgemeinen bürgerlichen Recht scheiden daher - abgesehen von Ausnahmen (spezielle Haftungsbestimmungen im Sinn der Entscheidung 1 Ob 129/02f = SZ 2002/87 bzw zusätzlich bestehende vertragliche Haftung) - aus (1 Ob 176/08a = RdM-LS 2009/42 [Zeinhofer] mwN). Rauchfangkehrer sind, soweit sie feuerpolizeiliche Aufgaben erfüllen, hoheitlich tätig (vgl 1 Ob 114/07g zu § 15e Abs 2 Wr Feuerpolizei- und Luftreinhaltegesetz; 1 Ob 52/00d zu §§ 19, 20 nö Feuer-, Gefahrenpolizei- und Feuerwehrgesetz). Trat insofern die Befreiung des Organs eines Rechtsträgers von der persönlichen Haftung nach § 9 Abs 5 AHG ein, begründet dies nicht die Haftung der Beklagten als deren Rechtsnachfolgerin. Da gemäß § 1 Abs 1 AHG dem Geschädigten das Organ, das den Schaden in Vollziehung der Gesetze rechtswidrig und schuldhaft herbeiführte, nicht haftet, kann eine solche Haftung auch nicht die beklagte Rechtsnachfolgerin treffen.
3. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf einen Verstoß gegen § 17 Wiener Kehrverordnung 1985, LGBl 1985/22 idF LGBl 1987/40, weil die Rechtsvorgänger der Beklagten gegenüber ihrem Versicherungsnehmer die Mängelanzeige unterließen, dass die Ausführung des Kamins nach dem „amerikanischen System“ nicht der BauO für Wien entsprach.
Die Wr KehrV 1985 beruht nunmehr auf der in § 15h Wr Feuerpolizei- und Luftreinhaltegesetz, LGBl 1957/17 idF LGBl 2000/54, enthaltenen Verordnungsermächtigung. § 17 Wr KehrV 1985 legt bei Mängeln an den Rauchgas- und Abgasanlagen bestimmte Pflichten des Rauchfangkehrers fest. Nach Abs 1 dieser Bestimmung sind alle im Zuge der Überprüfungs- und Reinigungstätigkeit vom Fachkundigen - Rauchfangkehrer - festgestellten Mängel dem Verpflichteten (§ 8 Wr KehrV 1985) zur Kenntnis zu bringen und in das Kontrollbuch einzutragen. Wird ein solcher Mangel nicht in angemessener Frist, längstens jedoch bis zum nächsten Überprüfungstermin behoben, ist der Behörde darüber Anzeige zu erstatten. Nach Abs 2 ist der Fachkundige - Rauchfangkehrer - verpflichtet, in allgemein zugänglichen Teilen des Hauses anlässlich der Überprüfungs- und Reinigungstätigkeit ohne weiteres erkennbare feuerpolizeiliche Übelstände und bauliche Mängel an Rauchgas- und Abgasfängen, unabhängig von Art und Umfang ihrer Benützung, der Behörde anzuzeigen. § 17 Wr KehrV 1985 „unterscheidet somit zwei Tatbestände: Bei feuerpolizeilichen Übelständen und baulichen Mängeln an allgemein zugänglichen Teilen des Hauses ist der Rauchfangkehrer zur (unmittelbaren) Anzeige an die Behörde verpflichtet (Abs 2); bei 'Mängeln', die auch in einer Wohnung bestehen können - Verpflichteter ist in einem solchen Fall der Benützer der Wohnung -, erfüllt der Rauchfangkehrer seine Verpflichtung nicht, wenn er den Verpflichteten nicht zur Behebung auffordert oder die nicht erfolgte Behebung der Behörde nicht anzeigt (Abs 1)“ (VwGH Zl 2006/05/0200).
Wenn eine einheitliche Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist, werden auch alle damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen als in Vollziehung der Gesetze (§ 1 Abs 1 AHG) erfolgt angesehen, auch wenn die Handlung nur die Ausübung hoheitlicher Gewalt vorbereitet oder abschließt (1 Ob 114/07g mwN). Die Verpflichtungen gemäß § 17 Wr KehrV 1985, die den Rechtsvorgängern der Beklagten als Rauchfangkehrer oblagen, sind hoheitlicher Natur und die Rauchfangkehrunternehmen waren daher insoweit als Organe iSd § 1 Abs 2 AHG zu qualifizieren. Nach der genannten Verordnungsbestimmung wurde den Rauchfangkehrern die Erfüllung von hoheitlichen Aufgaben übertragen und die Rechtsvorgänger der Beklagten hatten die Möglichkeit, selbst Hoheitsakte (Auftrag zur Mängelbehebung) zu setzen (vgl 1 Ob 52/00d mwN). Unabhängig davon, ob eine Mängelanzeige der Rechtsvorgänger der Beklagten, wonach die Bauart des Kamins nicht der BauO für Wien entsprach, zunächst an den Eigentümer des Einfamilienhauses zu erfolgen hatte (§ 17 Abs 1 leg cit) oder die Verpflichtung zur unmittelbaren Anzeige an die Behörde bestand (§ 17 Abs 2 leg cit), könnte der Geschädigte den Ersatz des ihm in Vollziehung dieser Verordnung zugefügten Schadens gegenüber den Rechtsvorgängern der Beklagten im ordentlichen Rechtsweg nicht geltend machen (§ 9 Abs 5 AHG). Auch die Beklagte haftet daher gegenüber der Klägerin nicht auf dieser Anspruchsgrundlage (s oben 2.). Soweit der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 59/70 (MietSlg 22.190) zur früheren Rechtslage des § 17 Wr KehrV, LGBl 1957/23 idF LGBl 1968/4, implizit Gegenteiliges vertreten haben sollte, könnte dies nicht aufrecht erhalten werden.
4. Den behaupteten Verstoß (der Rechtsvorgänger) der Beklagten gegen § 2 Wr KehrV 1985 („Durchführung der Überprüfung“) führt die Klägerin nicht näher aus. Darauf ist daher nicht weiter einzugehen (vgl RIS-Justiz RS0043605 [T2]).
5. Nach den Feststellungen erbrachten die Rechtsvorgänger der Beklagten als Rauchfangkehrer jährlich Kehrleistungen und der Versicherungsnehmer der Klägerin beglich seit dem Erwerb des Hauses deren Rechnungen. Außerhalb von Amtshaftungsansprüchen ist die Haftung des Rauchfangkehrers aus dem privatrechtlichen Kehrvertrag in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs anerkannt (vgl 8 Ob 532/88; 4 Ob 56/01s = SZ 74/120; 1 Ob 108/04w = SZ 2005/91). Die immunisierende Wirkung des § 9 Abs 5 AHG bezieht sich (wie schon dargelegt) nicht auf eine zusätzlich bestehende vertragliche Haftung (1 Ob 176/08a; Schragel, AHG3 Rz 252).
Die Klägerin stützt die Haftung der Beklagten auch auf die Verletzung einer Aufklärungspflicht aus dem Kehrvertrag. Sie wirft den Rechtsvorgängern der Beklagten vor, ihrem Versicherungsnehmer nicht mitgeteilt zu haben, dass der Kamin nach dem „amerikanischen System“ nicht der BauO für Wien entsprochen habe und dass ihnen weder ein „Hauptbefund“ noch eine „Ausnahmebewilligung“ für den Kamin bekannt gewesen seien. Im Fall einer solchen Mitteilung hätte ihr Versicherungsnehmer Erhebungen im Bauakt durchgeführt, wobei sich herausgestellt hätte, dass die erforderliche „Ausnahmebewilligung“ ebenso wie ein „Hauptbefund“ nicht vorgelegen wären. Bei einem „entsprechenden“ behördlichen Überprüfungsverfahren wäre der zu geringe Sicherheitsabstand zwischen dem Cheminée und der Holzriegelwand erkannt worden.
5.1 Einen „Hauptbefund“, die Klägerin meint offensichtlich den in § 127 Abs 5 und § 128 Abs 3 Wr BauO idF der Novelle LGBl 1976/18 für die Erteilung der Benützungsbewilligung erforderlichen Befund über die Überprüfung der Rauch- und Abgasfänge (nicht aber der Feuerstätte), gibt es hier nicht. Dass die Rechtsvorgänger der Beklagten - von wem auch immer - mit der Erstellung eines solchen Befunds beauftragt worden wären, wurde von der Klägerin (wie auch von den anderen Verfahrensbeteiligten) nicht behauptet. Nach den Feststellungen wäre für einen Rauchfangkehrer bei ordnungsgemäßer Befunderstellung der (schadenskausale) zu geringe Sicherheitsabstand zwischen der Rückseite des Metalleinsatzes des offenen Kamins und dem brennbaren Holztafelaufbau der Fertigteilwand bzw die fehlende brandbeständige Wärmedämmung nicht erkennbar gewesen. Die unterlassene Ausstellung des Befunds über den Rauch- und Abgasfang durch die Rechtsvorgänger der Beklagten, der auch nicht in Auftrag gegeben wurde, konnte weder weitere baubehördliche Kontrollen verhindern, noch zum Unterbleiben der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen führen. Der fehlende Befund, bei dessen fachgerechter Erstellung der schadenskausale Baumangel auch nicht erkannt worden wäre, stand daher in keinem Kausalzusammenhang mit der Brandentstehung (vgl auch den Fall der E 1 Ob 108/04w).
Zutreffend argumentiert das Berufungsgericht, dass im Rahmen des Kehrvertrags der frühere Liegenschaftseigentümer als Bauwerber bzw nach Veräußerung der Liegenschaft der Versicherungsnehmer der Klägerin einen Befund beim Rauchfangkehrer in Auftrag zu geben hat. Im Rahmen des Kehrvertrags haftet der Rauchfangkehrer nicht schon deshalb, weil er einen weder vom Bauwerber noch von der Baubehörde verlangten Befund nicht aus Eigenem erstellt hat.
Zudem wurde mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 22. 9. 1980 die Benützungsbewilligung des Einfamilienhauses erteilt, die nach den erstgerichtlichen Feststellungen und dem Vorbringen der Klägerin (vorbereitender Schriftsatz ON 4, S 5) auch „den Kamin“ umfasst. Die Rechtsvorgänger der Beklagten durften somit vom Vorliegen eines Befunds als Voraussetzung der Erteilung der behördlichen Benützungsbewilligung ausgehen. Dass der Verwaltungsgerichtshof in einem den gegenständlichen Brand betreffenden Amtshaftungsverfahren gemäß § 11 Abs 1 AHG iVm Art 131 Abs 2 B-VG nunmehr mit Erkenntnis vom 15. 6. 2010, Zl 2009/05/0094, die Rechtswidrigkeit des Spruchpunkts II dieses Bescheids (Benützungsbewilligung) festgestellt hat, ändert an dieser Beurteilung nichts.
5.2 Die vom Schutzzweck eines Kehrvertrags umfassten Interessen, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht, sind aus dem Sinn und Zweck des Vertrags im Wege der Auslegung zu ermitteln. Bei Vertragsverletzungen ergibt sich der Rechtswidrigkeitszusammenhang aus den Interessen, die der Vertrag schützen sollte. Dabei ist insbesondere zu beachten, mit welchen Schäden allein aufgrund der Verletzung bestimmter Vertragspflichten zu rechnen ist (RIS-Justiz RS0017850 [besonders T9, T13]). Der Rechtswidrigkeitszusammenhang muss also gegeben sein, um eine Schadenersatzpflicht nach bürgerlichem Recht annehmen zu können. Im Rahmen eines Vertrags begründet die Unterlassung des Hinweises auf ein bestimmtes (erkennbares) Risiko, das sich in der Folge jedoch nicht verwirklicht, mangels entsprechendem Rechtswidrigkeitszusammenhang noch nicht die Haftung wegen des Eintritts anderer Risiken (6 Ob 249/07x; RIS-Justiz RS0022933 [T7]).
Ein solcher Rechtswidrigkeitszusammenhang zum tatsächlich verwirklichten Brandrisiko fehlt aber im konkreten Fall der unterlassenen Mitteilung, dass der Kamin nach dem „amerikanischen System“ nicht der Wr BauO entsprach und den Rechtsvorgängern der Beklagten dafür keine „Ausnahmebewilligung“ bekannt sei. Dass der Rauchfang direkt auf den Feuerraum des Kamins aufgesetzt war, stellt - nach den Feststellungen - „keinesfalls eine unmittelbare Gefahr“ dar. Die Bauart nach dem „amerikanischen System“ entspricht nicht der Wr BauO, weil kein Rußsack und keine Absperrmöglichkeit (fehlende Putztür) vorhanden sind und Schwierigkeiten bei der Reinigung sowie Zugprobleme auftreten können. Durch Zugprobleme kann es zu Rauchrückschlag kommen. Weiters besteht die Möglichkeit, dass Asche und Glutrückstände in den Raum gelangen. Eine „spezielle Brandgefahr“ besteht jedoch nicht. Für solche Kamine kann von der Baubehörde eine Einzelgenehmigung ausgestellt werden, was die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren auch zugesteht (vorbereitender Schriftsatz ON 4, S 3).
Nach den Feststellungen war Brandursache jedoch weder ein Mangel oder Schaden am Rauchfang noch ein solcher am „eigentlichen“ Kamin. Der Brand entstand dadurch, dass der Sicherheitsabstand zwischen dem Blecheinsatz des offenen Kamins und der dahinter befindlichen, in Holztafelbauweise errichteten Wand zu gering war. Da der Kamin insbesondere mit Fliesen verkleidet war und direkt an die verputzte Außenwand angebaut wurde, war durch bloßen Augenschein weder die Unterschreitung des Sicherheitsabstands erkennbar, noch dass die Außenwand als Holztafel- und nicht als Massivbau ausgeführt und aus diesem Grund überhaupt ein Sicherheitsabstand zur Außenwand einzuhalten war. Die Rechtsvorgänger der Beklagten hatten weder die Berechtigung, noch die Verpflichtung, die Außenwand bzw die Verkleidung des Kamins zur Kontrolle der Einhaltung des Sicherheitsabstands zu öffnen (vgl 1 Ob 108/04w).
Brandursache war also nicht die grundsätzliche Bauordnungswidrigkeit des Kamins nach dem „amerikanischen System“, sondern die durch äußere optische Prüfung des Kamins nicht erkennbare Unterschreitung des Sicherheitsabstands. Dass die Rechtsvorgänger der Beklagten den Versicherungsnehmer der Klägerin nicht auf die ihnen erkennbare Bauordnungswidrigkeit der Bauart des Kamins hinwiesen, begründet nicht die Haftung der Beklagten wegen des Eintritts eines anderen Risikos. Die Schutzpflicht der Rechtsvorgänger der Beklagten gegenüber dem Versicherungsnehmer der Klägerin kann sich nur auf erkennbare Gefahren im Zusammenhang mit der Bauordnungswidrigkeit des Kamins beziehen. Der fehlende aber nicht erkennbare Sicherheitsabstand, der mit der Bauart des Kamins nicht im Zusammenhang steht, führte zum Schadenseintritt, für den die Beklagte mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs mit den unterlassenen Mitteilungen nicht haftet.
6. Die Beweiswürdigung und die Tatsachenfeststellungen sind nicht anfechtbar (RIS-Justiz RS0069246). Feststellungsmängel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache liegen nicht vor.
Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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