OGH 6Ob249/07x

OGH6Ob249/07x21.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Aisa S*****, vertreten durch Dr. Benedikt Wallner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Alfred P*****, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 79.940,12 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. August 2007, GZ 5 R 89/07f-18, womit das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 30. November 2006, GZ 4 Cg 105/06s-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.873,62 EUR (darin 312,27 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, der Beklagte hafte für den Schaden, der ihr aus der fehlerhaften Beratung in Zusammenhang mit dem Abschluss zweier Vermögensmanagementverträge für den AMV- (später AMIS-)Generationsplan und den AMV- (später AMIS-) Global-Powerplan entstehe.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Dabei ging es im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Die Klägerin hatte bisher lediglich in Lebensversicherungen oder sichere Sparformen wie Kapitalsparbücher investiert. Im Jahr 2000 wandte sie sich an den Beklagten, damit dieser ihre Versicherungsverträge ansehe und optimiere. Am 9. 3. 2000 fand das erste Gespräch zwischen den Parteien statt, in dem sich der Beklagte vorstellte und angab, 20 Jahre im Bankenbereich tätig gewesen und seit 1998 als Versicherungs- und Finanzberater selbständig tätig zu sein. Im Versicherungsbereich arbeite er mit einem Makler zusammen, im Finanzbereich arbeite er mit einem von Banken und Versicherungsunternehmen unabhängigen Vermögensverwalter, der AMV, zusammen. Mit der AMV hat der Beklagte seit März 1999 eine Vereinbarung abgeschlossen, wonach er als Vertriebspartner als Erfüllungsgehilfe der AMV gemäß § 1313a ABGB im Namen und auf Rechnung der AMV tätig werde.

Am 17. 3. 2000 überreichte der Beklagte der Klägerin ein Finanzkonzept und zeigte ihr Präsentationsunterlagen der AMV/AMIS. Es wurden auch die Renditen der verschiedenen Anlageformen im Vergleich dargestellt und aufgrund eine 15-jährigen Vergleichsperiode wegen der hohen Rendite die Aktienfonds empfohlen. Das Risiko wurde als gering, die Renditeerwartung mit 8 bis 15 % und der Veranlagungshorizont ab 10 Jahren angeführt. Den Präsentationsunterlagen war auch ein Gewerbeschein und eine Legitimationsurkunde der AMV angefügt, die die Berechtigung des Beklagten zum Vertrieb der AMV-Produkte bestätigte.

Am 27. 4. 2000 unterfertigte die Klägerin einen Antrag auf Abschluss eines Vermögensmanagementvertrags für den AMV-Generationsplan. Die Klägerin investierte zunächst 500.000 S und in der Folge weitere 300.000 S. Sie erhielt von AMIS jeweils Bestätigungen für ihre Veranlagungen, die als Anlegerzertifikat deklariert wurden.

Ende 2000 bemerkte die Klägerin aufgrund der von AMIS zugeschickten Berichte, dass es Kursverluste gibt. Sie rief den Beklagten an, welcher ihr riet, die zehnjährige Laufzeit abzuwarten und dann einen Gewinn zu realisieren. Ein solches Gespräch fand auch Ende 2002, 2003 und 2004 statt. Im Jahr 2005 erfuhr die Klägerin aus den Medien, dass bei AMIS/AMV Gelder veruntreut wurden. Es konnte nicht festgestellt werden, ob und wie hoch der Verlust der Klägerin ohne die Veruntreuungen des Vorstands von AMIS gewesen wäre.

Nach einem Bericht der Wertpapieraufsicht vom 25. 8. 1999 zahlten Kunden der AMV den von ihnen veranlagten Betrag auf ein Konto der AMV ein; die AMV leitete das Geld in der Folge an die einzelnen Fondsgesellschaften weiter. Dieses Konto war bei der RLB Niederösterreich-Wien und stellte ein Treuhandkonto für Kundengelder dar. Nach Meinung der Wertpapieraufsicht ließ dies auf ein für Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht zulässiges Bankgeschäft schließen. Dieser Bericht war dem Beklagten jedenfalls bis Ende 2000 nicht zugänglich.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass gemäß § 19 Abs 2a WAG ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 1313a ABGB für das Verhalten von Personen hafte, derer es sich bei der Erbringung der Wertpapierdienstleistungen bediene. Dies habe auf den Beklagten zugetroffen. Der Beklagte habe überdies nicht damit rechnen müssen, dass die von AMV/AMIS verwalteten Gelder veruntreut würden. Für das Herunterspielen eines Verlustrisikos hätte gemäß § 1313a ABGB die AMV Asset Management-Vermögensverwaltung AG einzustehen. Abgesehen davon sei die Klägerin aufgrund der Kursberichte Ende 2002 und in den laufenden Jahren in Kenntnis davon gewesen, dass ein allfälliger Auszahlungsbetrag wegen Kursverlusten unter dem Einzahlungsbetrag liegen könne. Insoweit seien die Ansprüche der Klägerin auch verjährt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Eine Haftung des Beklagten sei unabhängig davon nicht gegeben, ob man ihn als Erfüllungsgehilfen von AMV/AMIS im Sinne des § 19 Abs 2a WAG erachte oder ob auf den Beklagten im Sinn des § 11 WAG das WAG anzuwenden sei und er die Wohlverhaltensregeln der §§ 13 f WAG gegenüber seinen Kunden einzuhalten habe. Zwar habe der Beklagte der Klägerin gegenüber das Verlustrisiko heruntergespielt. Dies habe jedoch für den konkreten Fall keine rechtlichen Folgen, weil die Klägerin ihr Begehren nicht darauf gestützt habe, der zu befürchtende Totalausfall ihrer Veranlagung sei auf unrichtige Beratung des Beklagten und Veranlagung in hochspekulative Anlagen, die sodann ihren Wert verloren hätten, eingetreten. Für eine derartige Feststellung bestehe auch keine Grundlage.

Vielmehr stütze die Klägerin ihren Anspruch darauf, dass der Beklagte sie nicht vor der Gefahr der Veruntreuung der von AMV/AMIS verwalteten Gelder gewarnt habe. Die Möglichkeit der Veruntreuung (oder Unterschlagung) von bei einem Dritten veranlagten Geldern stelle jedoch ein jedermann bekanntes allgemeines Lebensrisiko dar, das im Übrigen unabhängig davon gegeben sei, ob Gelder im Inland oder im Ausland veranlagt würden. Dieses Risiko müsse jedem Durchschnittsmenschen bewusst sein, somit auch der Klägerin, die als Bautechnikerin arbeite. Eine Warnung vor dieser Gefahr habe daher weder nach dem WAG noch nach den unabhängig von diesem Gesetz von der Rechtsprechung anerkannten Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten zu erfolgen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin habe der Beklagte auch keine Nachforschungspflicht verletzt. Die aus dem WAG abgeleitete Nachforschungspflicht beziehe sich auf das bisherige Anlageverhalten des Kunden, das verfolgte Anlageziel und seine finanziellen Verhältnisse (2 Ob 236/04a), nicht auf die Möglichkeit der Veruntreuung von Geldern durch AMV/AMIS. Außerdem sei der Bericht der Wertpapieraufsicht vom 25. 8. 1999 dem Beklagten zum Zeitpunkt der Veranlagung durch die Klägerin nicht zugänglich gewesen.

Auch eine allfällige Nachfrage des Beklagten bei der Finanzmarktaufsicht hätte nichts erbracht, weil diese trotz der Erkenntnisse, die sie laut dem Bericht aus dem Jahr 1999 hatte, keinen Grund zum Einschreiten oder zu Warnungen gesehen hatte. Eine Strafanzeige sei erst im Jahr 2005 erstattet worden, weshalb dem Beklagten nicht vorgeworfen werden könne, die Anhaltspunkte für strafrechtliche Vorwürfe nicht bereits fünf Jahre davor erkannt zu haben. Auf den Verjährungseinwand brauche aufgrund der Klagsabweisung nicht näher eingegangen zu werden.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen seien in Übereinstimmung mit der herrschenden Rechtsprechung gelöst worden.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

1. Die Revision ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig. Wenngleich die Frage der Haftung des Anlageberaters stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt (2 Ob 151/02y) und daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage darstellt, deren Bedeutung über den konkreten Einzelfall hinausreicht (vgl 9 Ob 230/02d mwN; 7 Ob 64/04v; 7 Ob 90/04b ua), ist doch zu berücksichtigen, dass der AMIS-Skandal eine große Zahl von Anlegern betrifft, sodass der vorliegende Fall, wenngleich naturgemäß nur das konkrete Verhältnis zwischen der Klägerin und einem einzelnen Anlageberater beurteilt werden kann, doch auch für andere Geschädigte Bedeutung haben kann. Die Revision ist daher im Interesse der Rechtssicherheit zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

2. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).

3.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen trat der Beklagte nicht im eigenen Namen auf, sondern gab zwar an, „selbständig tätig zu sein", betonte jedoch auch, im Finanzbereich mit der AMV zusammenzuarbeiten. Er präsentierte auch eine „Legitimationsurkunde" der AMV, die die Berechtigung des Beklagten zum Vertrieb der AMV-Produkte bestätigte. Die Vorinstanzen legten auch eingehend dar, aus welchen Gründen sie der Angabe der Klägerin, sie sei von einem Handeln des Beklagten in eigenem Namen ausgegangen, nicht Glauben schenkten. Wenngleich der genaue Wortlaut, mit dem der Beklagte der Klägerin gegenüber aufgetreten ist, nicht festgestellt ist, konnte sich das Erstgericht hier auch auf die Aussage des Beklagten stützen, der seinen auswendig gelernten Vorstellungstext dem Gericht präsentierte und dessen Angaben es als glaubwürdig ansah.

3.2. Nach den Feststellungen des Erstgerichts ist der Beklagte daher als Erfüllungsgehilfe gemäß § 1313a ABGB einzustufen, sodass für seine persönliche Haftung aus dem Schuldverhältnis mit der Klägerin kein Raum bleibt. Ein Anlageberater ist grundsätzlich gemäß § 1313a ABGB als Erfüllungsgehilfe seinem Geschäftsherrn zuzurechnen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Beklagte die Voraussetzungen des § 19 Abs 2a WAG idF Art II Z 5 BGBl 1999/63 erfüllte, handelte es sich dabei doch um eine bloße Klarstellung, die die allgemeine zivilrechtliche Rechtslage wiedergibt (Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht I [2005] § 7 Rz 17).

3.3. Die Vereinbarung zwischen dem Anlageberater und seinem Geschäftsherrn entfaltet nach herrschender Meinung auch keine Schutzwirkung zu Gunsten des Kunden (vgl dazu allgemein zur eigenen Haftung des Gehilfen Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II13 359 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung kann es jedoch zu einer eigenen Haftung des Erfüllungsgehilfen kommen, wenn sein Verhalten keinem Geschäftsherrn zugerechnet werden kann, wenn er ein ausgeprägtes (eigen-)wirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrags hatte oder wenn er bei den Vertragsverhandlungen in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nahm (1 Ob 182/97i).

3.4. Stets muss die Eigenhaftung des Vertreters jedoch die seltene Ausnahme bleiben (3 Ob 519/89). So hat der Oberste Gerichtshof etwa eine persönliche Haftung des Vertreters bejaht, wenn eine besondere Vertrauensbeziehung vorlag (1 Ob 182/97i) und der Anlageberater auf besonders „missionarische Weise" und mit „religiösem Eifer" eine bestimmte Anlageform angepriesen hat, ebenso bei Vorliegen eines Verwandtschaftsverhältnisses (7 Ob 166/99h). Andererseits wurde der bloße Hinweis, die Anlage sei eine „sichere Sache", für nicht ausreichend angesehen, eine persönliche Haftung des Vertreters zu begründen (1 Ob 2389/96x).

Welcher der angeführten Ausnahmefälle hier vorliegen soll, wird von der Revision nicht dargelegt. Die in der Revision behaupteten Beratungsfehler mögen zwar Sorgfaltsverstöße darstellen, sind jedoch nach allgemeinen Grundsätzen in der Regel dem Geschäftsherrn zuzurechnen und reichen für die Begründung einer persönlichen Haftung des Vertreters nicht aus.

4.1. Was die behaupteten Beratungsfehler anlangt, so hat sich im vorliegenden Fall nicht das allgemeine Risiko eines Kursverlusts verwirklicht; der Schaden der Klägerin ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen vielmehr die Folge einer Veruntreuung durch die Geschäftsherrin des Beklagten. Scheidet aber nach dem Gesagten eine persönliche Haftung des Beklagten bereits mangels ihn treffender (vertraglicher) Sorgfaltspflichten aus, so besteht im vorliegenden Fall auch kein Raum für die Präzisierung von Art und Umfang der den Anlageberater treffenden Sorgfaltspflichten. Auf die Frage, ob im Rahmen einer Anlageberatung oder -vermittlung auch auf ein derartiges Risiko der Veruntreuung hinzuweisen ist, braucht daher nicht abschließend eingegangen zu werden. Anzumerken ist allerdings, dass eine derart weitgehende Aufklärung über ein letztlich jeder Fremdveranlagung immanentes Risiko bisher weder in der Lehre noch in der Rechtsprechung gefordert wurde. Die Ausführungen von Arendts (Die Nachforschungspflichten des Anlageberaters über die von ihm empfohlene Kapitalanlage, DStR 1997, 1649) beziehen sich nur auf bereits erfolgte Veruntreuungen, die aus öffentlich zugänglichen Informationen zu entnehmen sind, nicht auf die Verpflichtung zum Hinweis auf das abstrakte diesbezügliche Risiko.

4.2. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass die Unterlassung des Hinweises auf ein bestimmtes (erkennbares) Risiko, das sich in der Folge jedoch nicht verwirklicht, mangels entsprechenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs (vgl 3 Ob 289/05d = ÖBA 2006/1384 und 4 Ob 353/98k = EvBl 1999/195) noch nicht die Haftung wegen des Eintritts anderer Risken begründet. In diesem Sinne würde die Unterlassung des Hinweises auf die Verletzung von Kontoführungsvorschriften, selbst wenn diese zum Zeitpunkt der Vornahme der Beratung bereits erkennbar gewesen wären, für eine Haftung dann nicht ausreichen, wenn die nach den Feststellungen des Erstgerichts letztlich zum Schadenseintritt führenden Veruntreuungshandlungen auf andere, davon unabhängige Weise bewerkstelligt wurden.

4.3. Im Übrigen entfernt sich die Revision auch vom festgestellten Sachverhalt. Das Erstgericht hat nämlich ausdrücklich festgestellt, dass der Bericht der Finanzmarktaufsicht, wonach die Einzahlung auf Konten der AMV erfolgte und erst von dort in der Folge in die einzelnen Fondsgesellschaften weitergeleitet wurde, dem Beklagten jedenfalls bis Ende 2000 nicht zugänglich war. Die Unterlassung eines Hinweises auf diesen Umstand kann dem Beklagten daher jedenfalls nicht vorgeworfen werden.

5. Damit erweisen sich aber die Entscheidungen der Vorinstanzen als frei von Rechtsirrtum, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.

6. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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