OGH 4Ob91/14g

OGH4Ob91/14g24.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** F*****, vertreten durch Mag. Gerald Otto Gottsbachner, Rechtsanwalt in Eferding, gegen die beklagte Partei B***** OG, *****, vertreten durch Mag. Günther Eybl, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen 12.226,38 EUR sA (Revisionsinteresse 10.307,32 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. Februar 2014, GZ 2 R 21/14t‑37, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 9. Dezember 2013, GZ 2 Cg 195/12x‑33, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00091.14G.0624.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen verurteilten die beklagte Werkunternehmerin zum Ersatz des dem klagenden Werkbesteller entstandenen Schadens, der einerseits im Behebungsaufwand für von der Beklagten zu verantwortende Schlechterfüllung und andererseits in den Kosten eines gegen einen anderen Werkunternehmer geführten Vorprozesses besteht.

Das Berufungsgericht ließ die Revision der Beklagten über deren Antrag gemäß § 508 ZPO mit der Begründung zu, zu den Anspruchsvoraussetzungen des Prozesskostenregresses sei das Stadium einer einheitlichen und gesicherten Rechtsprechung noch nicht erreicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Der Kläger stützt sein Ersatzbegehren (Verbesserungsaufwand und Kosten des Vorprozesses) auf den zwischen den Streitteilen geschlossenen Werkvertrag, den die Beklagte mangelhaft erfüllt habe.

Prozesskosten, zu deren Ersatz jemand verurteilt wurde, führen jedenfalls zu einer Verminderung des Vermögens des Verurteilten; sie können daher Gegenstand einer Schadenersatzforderung des Verurteilten einem Dritten gegenüber sein, wenn diese Kosten durch das Verschulden des Dritten verursacht wurden. Das gilt auch für den eigenen zweckmäßigen Kostenaufwand des Verurteilten im Vorprozess (RIS‑Justiz RS0023619).

Zu 1 Ob 170/13a fasste der Oberste Gerichtshof die Rechtsprechung zum Prozesskostenregress auf Basis vertraglichen Schadenersatzes wie folgt zusammen: „Nach herrschender Rechtsprechung führt zwar selbst die Schlechterfüllung eines Vertrags regelmäßig noch nicht zu einer Haftung für Prozesskosten aus einem Verfahren gegen einen Dritten (RIS‑Justiz RS0045850; RS0017850 [T11]), weil ein solcher Schaden im Allgemeinen außerhalb des Schutzzwecks des Vertrags oder des Rechtswidrigkeitszusammenhangs (RIS‑Justiz RS0045850 [T4, T7]) liegt. Hingegen sind solche Prozesskosten nach neuerer Rechtsprechung durch die Schlechterfüllung adäquat verursacht (6 Ob 100/07k = RIS‑Justiz RS0045850 [T15]; zuletzt 1 Ob 96/13v; 9 Ob 140/03h). Nur wenn ein Werkunternehmer über die Schlechterfüllung des Werkvertrags hinaus weitere Vertragspflichten verletzt und diese Pflichtverletzung für das Vorverfahren kausal ist, kann es zu einer Haftung des Regresspflichtigen für die Kosten des Vorprozesses kommen (1 Ob 218/04x ua; RIS‑Justiz RS0045850 [T6]). Eine solche Haftung wird bei der Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten bejaht, etwa Informationspflichten (RIS‑Justiz RS0045850 [T2]). Dabei ist anhand einer am konkreten Vertragszweck ausgerichteten individualisierenden Betrachtung zu prüfen, ob die verletzte Verpflichtung gerade den konkret geltend gemachten Schaden verhindern sollte (vgl RIS‑Justiz RS0017850). Wie weit der Schutzzweck eines singulären Vertrags geht, ist aber regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0042761; vgl auch 1 Ob 96/13v)“. Gleiches hielt der Oberste Gerichtshof auch zu 7 Ob 143/13z fest.

Die von der Beklagten ins Treffen geführten ‑ ihrer Auffassung nach davon abweichenden ‑ Entscheidungen befassen sich mit der Anspruchsgrundlage Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl 2 Ob 215/11y mwN), welche im vorliegenden Fall aber ebenso wenig zu prüfen war wie ein auf § 1041 ABGB gestützter Prozesskostenregress eines solidarisch Mithaftenden.

Die Schlechterfüllung der Beklagten in Verbindung mit ihrem Versuch, die Verantwortlichkeit auf ein drittes Unternehmen zu schieben, waren nach den erstgerichtlichen Feststellungen für das Vorverfahren kausal. Wenn sich die Beklagte in der Revision nunmehr darauf stützt, dass das Kurzgutachten des vom Kläger selbst beauftragten Architekten kausal für das Einlassen in das Vorverfahren gewesen sein soll, geht sie nicht vom erstgerichtlich festgestellten Sachverhalt aus. Ob zwischen behaupteter Schadensursache und eingetretenem Schadenerfolg ein natürlicher Kausalzusammenhang gegeben ist, bildet eine irrevisible Tatsachenfeststellung (RIS‑Justiz RS0022582 [T11]; vgl RS0043473 [T7]).

Selbst dann, wenn das Berufungsgericht aus den erstgerichtlichen Feststellungen andere tatsächliche Schlüsse zieht als das Erstgericht, wäre eine Beweiswiederholung oder Beweisergänzung in der Berufungsverhandlung nicht erforderlich (RIS‑Justiz RS0118191; vgl RS0043165). Wenn das Berufungsgericht aus der Negativfeststellung des Erstgerichts zur Beiziehung und den Auftragsumfang des Architekten bei der Vergabe der Innenputzarbeiten den Schluss zieht, der Sachverständige sei bei der Gutachtenserörterung rein fiktiv von der Einbeziehung und Mitwirkung eines Architekten ausgegangen, ist ein Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht zu erkennen.

Im Hinblick auf die erstgerichtlichen Feststellungen zur Verursachung des dem Kläger entstandenen Schadens durch die Schlechterfüllung der Beklagten stellen sich Fragen der Beweislastverteilung nicht. Der Schaden am Verputz, dessen Ersatz der Kläger begehrt, entstand bereits mit der mangelhaften Werkausführung der Beklagten und nicht erst beim späteren Herunterfallen des Putzes. Der Verputz wäre auch bei angemessener Kraftanwendung bei der Leuchtenmontage heruntergefallen. Die Haftung für einen aus einer widerrechtlichen Handlung verursachten Schaden wird nicht dadurch aufgehoben, dass nachher ein Ereignis eintritt, das den Schaden gleichfalls herbeigeführt hätte (RIS‑Justiz RS0022666). Jedenfalls dort, wo es sich um unmittelbare vermögensrechtliche Nachteile handelt, entspricht es ständiger, von der Lehre gebilligter Rechtsprechung, dass die „Reserveursache“ den realen Schädiger für Zeiträume, die vor dem Eintritt des hypothetischen Ereignisses liegen, nicht entlastet. Die (allfällige) Haftung des Zweitschädigers kann daher jene des Erstschädigers nicht aufheben (1 Ob 243/07b).

Der Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, kommt grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0042828 [T3]; vgl RS0037780). Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Feststellungen des Erstgerichts zur mangelhaften Ausführung des Putzgrundes gingen nicht über den Klagegrund hinaus, ist jedenfalls vertretbar. Der Kläger stützte seine Ansprüche generell auf eine mangelhafte Werkausführung durch die Beklagte. Er reagierte auch insoweit auf die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens, wonach das von ihm zunächst als Ursache genannte Fehlen eines Netzgitters nicht schadenskausal gewesen sei, als er auf die Putzabplatzungen verwies und seinen diesbezüglichen Irrtum (implizit) zugestand, aber auf seine fehlende Sachkunde verwies. Auch die Feststellung, dass eine Warnpflichtverletzung der Beklagten bei der Putzgrundprüfung vorlag, erachtete das Berufungsgericht ohne im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifender Fehlbeurteilung als vom (laienhaften) Klagevorbringen gedeckt.

Die Ausführungen der Revisionswerberin zu einem anrechenbaren Mitverschulden des Klägers gehen im Hinblick auf die Negativfeststellung zum Auftragsumfang des vom Kläger beigezogenen Architekten nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

Da die Beklagte sohin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, war ihre Revision zurückzuweisen.

Da der Kläger auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision nicht hingewiesen hat, hat er die Kosten seiner Revisionsbeantwortung als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig selbst zu tragen.

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