OGH 1Ob218/04x

OGH1Ob218/04x23.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****genossenschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Karl Safron, Dr. Franz Grossmann und Dr. Leopold Wagner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Dieter Sima, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 7.182,17 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsstreitwert 4.440,97 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 16. Juni 2004, GZ 3 R 77/04i-12, womit das Urteil des Bezirksgerichts St. Veit an der Glan vom 11. Dezember 2003, GZ 5 C 916/03z-8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 399,74 EUR (darin 66,62 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei erbrachte als Subunternehmerin der klagenden Partei im Zuge der Errichtung eines Einfamilienhauses Baumeisterarbeiten, wobei ein Belüftungsrohr in einem Schutzraum richtungsverkehrt eingebaut wurde, sodass es für den vorgesehenen Zweck nicht tauglich war. Der Bauherr erkannte den (für ihn als Laien verborgenen) Mangel erst im Jahre 2000. Mit Klage vom 2. 7. 2002 nahm er die hier klagende Partei aus dem Titel der Gewährleistung bzw des Schadenersatzes in Anspruch und machte letztlich einen Betrag von 2.415,46 EUR geltend. Die klagende Partei beantragte als dortige Beklagte die Abweisung des Klagebegehrens und verkündete der hier beklagten Partei den Streit; diese trat dem Verfahren aber nicht as Nebenintervenientin bei. Mit Urteil vom 29. 1. 2003 gab das Erstgericht dem Klagebegehren des Bauherrn statt und verpflichtete die hier klagende Partei zum Ersatz der Verfahrenskosten von 2.109,28 EUR. Der von der hier klagenden Partei erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben, und die Kosten des Prozessgegners wurden mit 485,86 EUR bestimmt. An ihren eigenen Rechtsvertreter hatte die dort beklagte Partei 1.845,83 EUR zu zahlen. Aufgrund eines von ihr in Auftrag gegebenen Gutachtens hatte die klagende Partei spätestens seit 18. 4. 2000 Kenntnis vom fehlerhaften Einbau des Belüftungsrohrs. Der beklagten Partei wurde dieser Umstand spätestens mit Schreiben vom 21. 6. 2000 bekanntgegeben und sie wurde zur Verbesserung aufgefordert. Der Geschäftsführer der beklagten Partei war der Meinung, die Verbesserung sei zwar technisch möglich, könne aber nur mit unwirtschaftlichem Aufwand vorgenommen werden. Verbesserungsarbeiten wurden nicht durchgeführt. Die klagende Partei zahlte dem Bauherrn aufgrund der Ergebnisse des gegen sie angestrengten gerichtlichen Verfahrens den begehrten Schadenersatzbetrag von 2.415,46 EUR samt daraus aushaftenden Zinsen von 325,74 EUR, insgesamt somit 2.741,20 EUR. Weiters ersetzte sie dem Bauherrn Verfahrenskosten von insgesamt 2.595,14 EUR und hatte selbst die eigenen Kosten des Vorprozesses im Betrag von 1.845,83 EUR zu tragen.

Die klagende Partei begehrte letztlich Zahlung von 7.182,17 EUR, weil sie dem Bauherrn Schadenersatz - inklusive Zinsen - habe leisten und ihm die Prozesskosten ersetzen sowie die eigenen Vertretungskosten habe tragen müssen. Die beklagte Partei habe als ihre Subunternehmerin eine mangelhafte Leistung erbracht, die Behebung des Mangels bzw die entsprechende Schadenersatzleistung aber abgelehnt. Erst nach dem vom Bauherrn angestrengten Vorprozess sei die klagende Partei in der Lage gewesen, ihre Schadenersatzforderungen gegenüber der beklagten Partei geltend zu machen.

Die beklagte Partei wendete ein, der klagenden Partei sei der Mangel spätestens seit Anfang 2000 bekannt gewesen; allfällige Schadenersatzforderungen seien demnach verjährt. Die klagende Partei habe den Vorprozess in Kenntnis der Mangelhaftigkeit des von der beklagten Partei erbrachten Werks geführt und damit eine aussichtslose Bestreitung vorgenommen. Es bestehe daher zwischen der von der beklagten Partei zu vertretenden Schlechterfüllung und den sich aus dem Vorprozess ergebenden Auswirkungen kein Rechtswidrigkeitszusammenhang.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Anspruch der klagenden Partei sei nicht verjährt, weil deren Zahlungsverpflichtung erst nach Abschluss des Vorprozesses zweifelsfrei festgestanden sei. Die beklagte Partei habe die durch das Urteil im Vorverfahren ausgesprochene Leistungspflicht der klagenden Partei aufgrund ihrer mangelhaften Leistung und der Weigerung, diesen Mangel zu verbessern, rechtswidrig und schuldhaft herbeigeführt. Sie habe der klagenden Partei auch die ihr entstandenen Kosten des Vorprozesses zu ersetzen, weil sie durch ihr Verhalten die Vorgangsweise der klagenden Partei, sich nämlich in den Vorprozess einzulassen, um ihre Rechte zu wahren und nicht selbst Einwendungen der beklagten Partei ausgesetzt zu sein, herbeigeführt habe. Die Prozesshandlungen der klagenden Partei im Vorprozess seien nicht als aussichtslos zu werten.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil - unangefochten - im Teilbetrag von 2.741,20 EUR (geleisteter Schadenersatz an den Bauherrn von 2.415,46 EUR zuzüglich den kapitalisierten Zinsen von 325,74 EUR), wies aber das Mehrbegehren von 4.440,97 EUR (Ersatz der der klagenden Partei aufgelaufenen Kosten des Vorprozesses) ab; es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der an Prozesskosten aufgelaufene Schaden stehe in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der von der beklagten Partei verletzten Vertragspflicht, und die klagende Partei habe die Kosten des von ihr ersichtlich aussichtslos geführten Vorprozesses selbst zu tragen.

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die bloße Schlechterfüllung des Vertrags (hier zwischen der Regress fordernden klagenden Partei und der ihrer Ansicht nach zum Regress verpflichteten beklagten Partei) führt regelmäßig nicht zu einer Haftung für Prozesskosten aus einem Verfahren gegen einen Dritten (RdW 2004, 272; bbl 2003, 115). Zwar ist die adäquate Verursachung solcher Prozesskosten durch die Schlechterfüllung eines Vertrags zu bejahen, doch wäre darüber hinaus erforderlich, dass der eingetretene Schaden auch im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verletzten Vertragspflicht stünde, was grundsätzlich nur dann der Fall ist, wenn die Verpflichtung, mangelfrei zu erfüllen, gerade auch derartige Schäden wie die zu beurteilenden verhindern sollte (bbl 2003, 115; JBl 2002, 658). Es ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob zwischen der verletzten Norm (Gesetz und/oder Vertrag) und dem eingetretenen Schaden ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht. In diesem Sinne hat der erkennende Senat auch bereits ausgesprochen, dass die Kosten, die ein Generalunternehmer für einen ersichtlich aussichtslosen Aktivprozess gegen den Besteller des Werks aufgewendet hat, selbst dann vom Subunternehmer, nicht zu ersetzen sind, wenn dieser das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers aufgrund seiner mangelhaften Arbeit verschuldet hat, weil ein solcher Schaden außerhalb des Rechtswidrigkeitszusammenhangs bzw des Schutzzwecks der verletzten Vertragsnorm liegt (JBl 2002, 658). Nur wenn ein Werkunternehmer über die Schlechterfüllung des Werkvertrags hinaus weitere Vertragspflichten verletzt und diese Pflichtverletzung für das Vorverfahren kausal wäre, könnte es zu einer Haftung des Regresspflichtigen für die Kosten des Vorprozesses kommen, weil dann die Verletzung im Schutzbereich des Werkvertrags läge (bbl 2003, 115; vgl auch SZ 68/186).

In der Entscheidung SZ 74/119 (= 2 Ob 168/01x) hatte der Oberste Gerichtshof die Frage zu beurteilen, ob Prozesskosten eines aus einer Vertragsverletzung resultierenden Vorprozesses, in dem die schließlich klagende Partei beklagt gewesen war, ersatzfähig seien. Wenngleich der Leitsatz dieser Entscheidung postuliert, dass der Geschäftsherr, der seinem Auftraggeber den durch die Schlechterfüllung seines Erfüllungsgehilfen entstandenen Schaden ersetzt hat, vom Erfüllungsgehilfen im Regressweg auch die ihm in diesem Gewährleistungsprozess entstandenen Prozesskosten nach den Grundsätzen des Schadenersatzrechts begehren kann, ist diesem Erkenntnis doch zu entnehmen, dass der Oberste Gerichtshof auch hier die Ersatzpflicht auf die Verletzung von Nebenpflichten des Subunternehmers abstellte, weil diesem vorgeworfen wurde, dass er seine Schlechterfüllung auch noch im Regressprozess bestritten habe (siehe Pochmarski/Strauss, Die Rechtsprechung des OGH zum Regress von Prozesskosten, in JBl 2002, 353 [366]).

Gewiss hat es die beklagte Partei in einem Passivprozess regelmäßig nicht in der Hand, darüber zu entscheiden, ob Prozesskosten (dem Grunde nach) anfallen, insbesondere wenn sie überraschend in Anspruch genommen wird. Dann hat sie oft nur die Wahl, sich in diesen Prozess einzulassen oder eine Verurteilung in Kauf zu nehmen; in beiden Fällen ist das Auflaufen von Prozesskosten nicht zu verhindern. In diesen Fällen mag es durchaus angezeigt sein, den in den Kosten eines Passivprozesses bestehenden Schaden in den Schutzzweck jener Vertragsnormen einzubeziehen, die den Vertragspartner dazu verpflichten, seine vertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen (RdW 2004, 272).

Die Frage, ob das Verhalten der beklagten Partei, das die hier klagende Partei zur Einlassung in den Vorprozess auf der Beklagtenseite bewog, rechtswidrig war, kann nur nach einer umfassenden Interessenabwägung beantwortet werden. Grundsätzlich hat nämlich jedermann selbst zu entscheiden, ob er Gefahren auf sich zu nehmen bereit ist und wie er sich Dritten gegenüber zu verhalten gedenkt. Daher entfällt regelmäßig die Haftung des "Ersttäters" mangels Rechtswidrigkeit, wenn der Zweite sich selbst oder einem anderen einen Schaden zufügt. Nur wenn besondere Umstände - so etwa eine gefährliche Situation, mangelndes Einsichtsvermögen des Zweiten, gezieltes Einwirken des Ersttäters auf diesen oder vergleichbare Begleitumstände - vorliegen, kann die Interessenabwägung zu Lasten des "Ersttäters" ausfallen (1 Ob 223/03f = JBl 2004, 655).

In Anbetracht dieser Grundsätze der Rechtsprechung ist festzuhalten, dass die beklagte Partei mit der Erbringung ihrer mangelhaften Leistung ihre Vertragspflichten gegenüber der klagenden Partei verletzt hat. Von der mangelhaften Leistung der beklagten Partei war aber die klagende Partei spätestens am 18. 4. 2000 informiert (S 7 des Ersturteils), offensichtlich weil sie durch Reklamation des Bauherrn auf diesen Mangel aufmerksam gemacht worden war und deshalb ein Gutachten hatte einholen lassen (siehe AS 3 des Vorprozesses AZ 3 C 1406/02t des Erstgerichts), und sie hat den Mangel der beklagten Partei auch bereits im Jahre 2000 bekannt gegeben und diese zur Verbesserung aufgefordert (S 7 des Ersturteils). Die beklagte Partei hat die Verbesserung wegen - zumindest wirtschaftlicher - Unmöglichkeit (Unbehebbarkeit) abgelehnt; Feststellungen, dass die beklagte Partei den Mangel generell bestritten habe, liegen nicht vor und - entgegen dem Revisionsvorbringen - sind auch dem Tagsatzungsprotokoll vom 13. 11. 2003 keine Anhaltspunkte hiefür zu entnehmen. Der Geschäftsführer der beklagten Partei hat im Zuge seiner Einvernahme auch nicht dargelegt, dem Bauherrn hätte der richtungsverkehrte Einbau des Lüftungsrohrs bereits 1991 im Zuge der Übergabe des Werks auffallen müssen; vielmehr vertrat er die Ansicht, der klagenden Partei sei dieser Umstand erkennbar gewesen (S 5 des Protokolls der Verhandlungstagsatzung vom 13. 11. 2003). War aber die klagende Partei bereits im April 2000 in Kenntnis des Mangels, und war ihr auch die Ablehnung der Mängelbehebung durch die beklagte Partei bekannt, dann durfte sie sich nicht damit begnügen, ihre Subunternehmerin zur Mängelbehebung aufzufordern, sondern hätte der Forderung des Bauherrn auf Behebung des Mangels anderweitig - zielführend wohl im Wege einer Ersatzvornahme - Rechnung tragen müssen. Dazu wäre bis zur Einbringung der Klage durch den Bauherrn - am 2. 7. 2002 - ausreichend Zeit gewesen. Sie hat aber die Klagseinbringung abgewartet und selbst dann noch wider besseres Wissen das Vorliegen eines Mangels bestritten, obwohl der Mangel von der beklagten Partei tatsächlich nicht in Abrede gestellt wurde. Die Einwendungen in der Sache selbst mussten der klagenden Partei also von vornherein als aussichtslos erscheinen.

Gleiches gilt auch für die von ihr "aus Gründen der Vorsicht" erhobene Verjährungseinrede, die damit begründet wurde, der Bauherr sei bereits im November 1991 eingezogen und der behauptete Mangel sei ihm schon lange bekannt gewesen (AS 15 im Vorprozess). Die klagende Partei musste nämlich damit rechnen, dass der Bauherr als "technischer Laie" werde nachweisen können, dass er tatsächlich erst im Jahr 2000 im Zuge einer Überprüfung des Schutzraums auf seine Funktion die Auskunft erhalten habe, das Belüftungsrohr sei richtungsverkehrt eingebaut worden (so die Ausführungen in der Klage im Vorprozess). Führt aber eine Partei einen Rechtsstreit - egal ob auf Aktiv- oder auf Passivseite -, der nach menschlichem Ermessen aussichtslos erscheint, sodass ihn von vornherein der Prozessverlust droht, dann kann sie das von ihr eingegangene Prozesskostenrisiko nicht auf die Person abwälzen, die in materieller Hinsicht verantwortlich für die Zahlungspflicht des Prozessführenden gewesen ist (vgl 1 Ob 223/03f = JBl 2004, 655; JBl 2002, 658; 4 Ob 513, 514/95).

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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