OGH 8Ob13/24f

OGH8Ob13/24f25.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. W*, vertreten durch Mag. Anton Karte, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei V*, vertreten durch Mag. Patrick Kleinbauer, Rechtsanwalt in Gänserndorf, wegen 141.914,24 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2023, GZ 3 R 118/23d‑68, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00013.24F.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.

[2] 1. Einer Klarstellung der Rechtslage in Ansehung der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines „Pfuschervertrags“ bedarf es entgegen der Ansicht des Klägers nicht. Die ex tunc wirkende Anfechtung eines Vertrags wegen eines vom Vertragspartner veranlassten Irrtums über dessen verwaltungsrechtliche Befugnis (§ 873 Satz 2 ABGB) – wie sie hier erfolgt ist – zieht nach einhelliger Auffassung die Kondiktion der wechselseitig erbrachten Leistungen nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen nach sich (vgl nur 6 Ob 338/97t; Koziol, § 1 Abs 4 KWG – eine verfehlte zivilrechtliche Sanktion, ÖBA 1991, 734 [735]; weiters Vonkilch/Walch in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 873 ABGB Rz 57), sodass auch der Irrende den aus der ihm erbrachten Leistung erlangten Nutzen nach Maßgabe der Bestimmung des § 877 ABGB und der dazu entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze herauszugeben hat.

[3] 1.1. Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze zutreffend wiedergegeben: § 877 ABGB wird zwar nach der herrschenden Meinung als eigener Kondiktionstyp im Sinn einer Bereicherungsrückabwicklung betrachtet (2 Ob 322/00t mwN), hat aber keinen eigenen Regelungsgehalt, sondern verweist auf das allgemeine Bereicherungsrecht (RS0016328). Inhalt und Umfang richten sich nach den allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (RS0016361 [T5]). Die Rechtsfolgen der Rückabwicklung nach § 877 ABGB entsprechen damit jenen der §§ 1431 und 1437 ABGB (8 Ob 130/07m; RS0123426). Grundsätzlich ist der Kondiktionsanspruch auf Rückerstattung der rechtsgrundlos erbrachten Leistung in Natur gerichtet (RS0016360 [T5]). Ist die Rückgabe in Natur unmöglich oder untunlich, etwa bei Werkleistungen (s 2 Ob 8/14m; 3 Ob 70/15p; vgl auch Mader in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 1437 Rz 33), so hat der Empfänger der Leistung ein angemessenes Entgelt zu leisten, dessen Höhe sich iSd § 1431 ABGB nach dem verschafften Nutzen im Zeitpunkt der Leistung richtet (RS0016361 [T4]; RS0016321 [T12]; RS0016322). Der Wertersatz umfasst jedenfalls den verschafften Nutzen bzw den erlangten Vorteil (6 Ob 44/15m ua), der bei Redlichkeit des Empfängers im Regelfall objektiv‑konkret, also unter Bedachtnahme auf die spezifische Vermögenssituation des Leistungsempfängers, zu ermitteln ist (vgl 4 Ob 197/18a; Kerschner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1431 ABGB Rz 39 und § 1437 ABGB Rz 30 f, 36, jeweils mwN). Dabei wird häufig auf jene Aufwendungen abgestellt, die sich der Empfänger der Leistung erspart hat (ua 6 Ob 149/14a; 3 Ob 202/23m; Kerschner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1437 ABGB Rz 36).

[4] Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der Kläger im Rahmen des Bereicherungsausgleichs nach § 877 ABGB Wertersatz in Höhe jenes konkreten Aufwands zu leisten hat, den er ansonsten bei Beauftragung eines befugten Gewerbetreibenden mit den erbrachten Entrümpelungsarbeiten zu tragen gehabt hätte, steht im Einklang mit diesen Rechtsprechungsgrundsätzen.

[5] 1.2. Auch mit seiner Argumentation im Rahmen der Rechtsrüge, ihm seien Leistungen eines „Pfuschers“ und von „Schwarzarbeitern“ (listig) aufgedrängt worden, vermag der Kläger keine aufzugreifende Fehlbeurteilung aufzuzeigen: Der damit angesprochene Sonderfall einer „aufgedrängten Bereicherung“ führt nämlich nach herrschender Ansicht bloß zur Reduktion des geschuldeten Wertersatzes nach Maßgabe jener wertmindernden Umstände, die sich gerade aus den subjektiven Vorstellungen des Leistungsempfängers ergeben (vgl Lurger in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.09 § 1437 Rz 6; Kerschner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1437 ABGB Rz 31, 37, je mwN). Dass der Kläger aber aus den erbrachten Werkleistungen einen geringeren subjektiven Nutzen gezogen hat als die vom Berufungsgericht angenommene Aufwandsersparnis, legt er in seiner Revision nicht dar. Damit ist aber sein Verweis auf die sinngemäß heranzuziehenden Regeln über die nützliche Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 1037 ABGB) von vornherein nicht zielführend.

[6] 1.3. Für den Umfang der hier zu beurteilenden Kondiktion kommt es – entgegen dem Rechtsstandpunkt des Klägers – auch nicht entscheidend darauf an, ob der Beklagte durch den Zuspruch von Wertersatz in Höhe der konkreten Aufwandsersparnis des Klägers im Ergebnis einen höheren Gewinn erzielte als Unternehmer, die entsprechende Leistungen mit Gewerbeberechtigung und ohne Rückgriff auf nicht bei der Sozialversicherung angemeldete Arbeiter anbieten.

[7] Die Leistungskondiktion hat, wie allgemein das Bereicherungsrecht (vgl 8 Ob 147/08p; RS0020022), ausschließlich die Aufgabe, ungerechtfertigte (also rechtsgrundlose) Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen (8 Ob 13/05b; 1 Ob 226/19w ua). Aus diesem Grund kann es für die Beurteilung des zwischen dem Kläger und dem Beklagten stattfindenden Bereicherungsausgleichs nicht auf den sinngemäß relevierten Aspekt eines unlauter durch Rechtsbruch erlangten Vorsprungs des Beklagten gegenüber seinen Mitbewerbern ankommen (vgl dazu RS0077985).

[8] 1.4. Im Übrigen baut der Kläger seinen Rechtsmittelvortrag zur Bemessung des Bereicherungsanspruchs des Beklagten auf der Annahme eines angemessenen Stundensatzes für Schwarzarbeiter von 7 EUR auf, geht damit aber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sodass seine Rechtsrüge in diesem Punkt auch nicht gesetzmäßig ausgeführt ist und einer weiteren Behandlung nicht zugeführt werden kann (RS0043312 [T3, T12, T14]; RS0043603 [T8, T10]).

[9] 2. Schließlich verabsäumt es der Kläger auch, in seinen Rechtsmittelausführungen zur Frage der Berechtigung des von den Vorinstanzen abgewiesenen Feststellungsbegehrens eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:

[10] 2.1. Nach nunmehr herrschender Judikatur ist unter bestimmten Voraussetzungen auch die Feststellung einer (allfälligen) Ersatzpflicht für künftige Schäden aus einem bestimmten (zumindest potentiell schädigenden) Ereignis möglich, wenn noch kein feststellbarer Schaden eingetreten ist (RS0038909; ua 7 Ob 91/14d). Eine solche Feststellung ist aber nur dann möglich, wenn sich das schädigende Ereignis, das den konkreten Schaden hätte auslösen können, bereits ereignet hat und der Schaden auch ohne weiteres Zutun des Schädigers in der Zukunft eintreten kann (RS0038909 [T1, T2]; RS0040838 [T9]).

[11] 2.2. Die Prüfung des Vorliegens eines potentiell schädigenden Ereignisses ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl 7 Ob 278/06t; 3 Ob 39/11y; 1 Ob 210/14k ua) und kann damit – abgesehen vom Fall grober Fehlbeurteilung – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen.

[12] Die Auffassung des Berufungsgerichts, der vom Kläger vorgebrachte Umstand, dass ihm vom Beklagten kein Nachweis über die ordnungsgemäße Entsorgung ausgestellt worden sei, begründe für sich genommen kein potentiell schädigendes Ereignis, das zu einer (vorbeugenden) Feststellungsklage berechtige, ist nicht korrekturbedürftig.

[13] 2.3. Abgesehen davon ist kein aktueller Anlass für die Notwendigkeit einer vorbeugenden Klärung ersichtlich, von dem die Möglichkeit einer vorbeugenden Feststellungsklage und eines darauf aufbauenden Feststellungsurteils abhängt (RS0039071) und der zur Hintanhaltung einer nicht bloß vermeintlichen, sondern tatsächlichen und ernstlichen Gefährdung der Rechtsposition des Klägers eine alsbaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht (RS0039215). Dabei muss der Kläger darlegen, hinsichtlich welcher konkreter Umstände, die für denkbare zukünftige Schadenersatzansprüche von Bedeutung sein können, es objektiv zweckmäßig erscheine, sie schon vor Schadenseintritt zeitnah zu klären (4 Ob 23/14g; 1 Ob 231/18d, je mwN). Der Kläger vermag (auch) in der Revision solche Umstände nicht aufzuzeigen.

[14] 3. Die außerordentliche Revision des Klägers war daher zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

[15] 4. Der Beklagte hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen. Eine vor Zustellung der Mitteilung nach § 508a Abs 2 ZPO erstattete Beantwortung ist nicht zu honorieren (RS0043690).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte