OGH 6Ob149/14a

OGH6Ob149/14a29.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** M*****, vertreten durch Advokaten Pfeifer Keckeis Fiel Scheidbach OG in Feldkirch, gegen die beklagte Partei mj S***** K*****, geboren am 12. Juli 1997, vertreten durch die Mutter T***** K*****, beide *****, vertreten durch Dr. Ingrid Neyer, Rechtsanwältin in Feldkirch, wegen 333.300 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 272.557,90 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. Juli 2014, GZ 10 R 38/14k‑39, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00149.14A.0129.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Die Klägerin ist die Großmutter der Beklagten. Der 1974 geborene Sohn der Klägerin und Vater der Beklagten, D***** M*****, wurde am 22. 3. 1997 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt und war seitdem und bis zu seinem Tod am 26. 7. 2011 pflegebedürftig. Die Betreuungs‑ und Pflegeleistungen erbrachten vor allem die Klägerin und deren zwischenzeitig ebenfalls verstorbener Ehemann. Aufgrund der vom Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherung dem Sohn erbrachten Geldleistungen betrugen die Aktiva dessen Nachlasses knapp 780.000 EUR. Die Beklagte ist Alleinerbin.

Das Berufungsgericht sprach der Klägerin für den geleisteten Betreuungs‑ und Pflegeaufwand ‑ unter Berücksichtigung bereits bezogenen Pflegegelds in Höhe von 109.518,62 EUR ‑ weitere 272.557,90 EUR zu und verneinte die Zulässigkeit einer ordentlichen Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist nicht zulässig.

1.  Die Beklagte war auch noch zum Zeitpunkt der Einbringung ihrer Berufung und nunmehr ihrer außerordentlichen Revision minderjährig; sie wird von ihrer obsorgeberechtigten Mutter vertreten. Weder die Berufung noch die außerordentliche Revision wurden pflegschaftsgerichtlich genehmigt; nach der Aktenlage wurden derartige Genehmigungsverfahren gar nicht eingeleitet.

Nach § 167 Abs 3, § 214 Abs 2 (beziehungsweise § 154 Abs 3, § 229 Abs 2 idF vor dem KindNamRÄG 2013), § 275 Abs 3 ABGB bedürfen unter anderem Klagen und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen, der Genehmigung des Gerichts, wenn sie von einem Obsorgeträger für ein minderjähriges Kind oder einem Sachwalter für den Betroffenen eingebracht beziehungsweise getroffen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0048154; 7 Ob 354/98d) gilt dies jedoch weder für Einlassung oder Nichteinlassung in einen noch für die Vertretung des Pflegebefohlenen in einem Passivprozess; dies entspricht auch der herrschenden Auffassung in der Literatur ( Stabentheiner in Rummel , ABGB³ [2000] § 154 Rz 15; Gitschthaler , Die Verständigungspflicht des § 6a ZPO idF des SachwG, JBl 1991, 298; ders , JBl 1997, 183 [Entscheidungsanmerkung]; Nunner‑Krautgasser in Fasching/Konecny , ZPO³ [2015] § 4 Rz 28; Thunhart in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ [2008] § 154 ABGB Rz 39; Nademleinsky in Schwimann/Kodek , ABGB ErgBd KindNamRÄG 2013 [2013] § 167 Rz 25; Fucik in Rechberger , ZPO 4 § 4 Rz 2 [2014]).

Soweit ersichtlich hat der Oberste Gerichtshof dabei noch nie ausdrücklich zur Frage Stellung genommen, ob auch die Erhebung von Rechtsmitteln durch den beklagten Pflegebefohlenen von der Genehmigungspflicht befreit ist. Dagegen könnte nämlich die zu Aktivprozessen entwickelte Auffassung sprechen, wonach die Bewilligung der Klagsführung nur dann zur Erhebung von Rechtsmitteln berechtigt, wenn das Gericht seine Genehmigung nicht ausdrücklich auf das Verfahren erster Instanz beschränkt hat (vgl Thunhart aaO); im Passivprozess gibt es jedoch keine Genehmigung für das erstinstanzliche Verfahren. Allerdings spricht zum einen § 167 Abs 2 (§ 154 Abs 3 aF) ABGB ausdrücklich nur von Klagen und Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen, worunter Rechtsmittel nicht zu subsumieren sind. Und zum anderen erachtete etwa die Entscheidung 5 Ob 39/09k trotz entsprechender Ausführungen in der Revision der minderjährigen Beklagten deren pflegschaftsgerichtliche Genehmigung als nicht erforderlich.

Damit bedurfte es trotz fehlender pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung der Berufung und der außerordentlichen Revision der Beklagten nicht der Einleitung eines Sanierungsverfahrens nach § 6 ZPO.

2.  Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 6 Ob 29/09x (EF‑Z 2009/137 [ Stefula ]) klargestellt, dass die zwischen Eltern und Kindern bestehenden (grundsätzlich unentgeltlichen) Beistandspflichten etwa gegenüber einem Pflegebedürftigen nicht allumfassend sind; jedenfalls nicht mehr von der Beistandspflicht erfasst ist die umfassende Betreuung des Pflegebedürftigen (allenfalls sogar unter Aufnahme im eigenen Haushalt), um diesem die Fremdpflege oder gar den Aufenthalt in einem Pflegeheim zu ersparen. Die von der Klägerin und ihrem Ehemann dem Sohn erbrachten Pflege- und Betreuungsleistungen gingen weit über die gesetzlichen Beistandspflichten hinaus.

3.  Zur Frage der „Entgeltlichkeit“ derartiger weitergehender Leistungen hielt der Oberste Gerichtshof in derselben Entscheidung fest, dass eine solche jedenfalls nur gegeben sein könne, wenn der pflegende Angehörige bereits vor oder zumindest noch während der Erbringung dieser Leistungen gegenüber dem zu Pflegenden oder dessen Sachwalter offen legte, dass er diese Leistungen nicht unentgeltlich, sondern in der Erwartung einer Gegenleistung zu erbringen gedenkt. Dies habe für den zu pflegenden Angehörigen unter anderem den Vorteil, von vorneherein erkennen zu können, ob er (wohl regelmäßig in einer gewissen Dankbarkeitshaltung dem Pflegenden gegenüber) unentgeltliche Leistungen in Anspruch nimmt oder ob diese Leistungen gegen Entgelt erbracht werden; in letzterem Fall stünde ihm dann die Möglichkeit offen, sich vielleicht doch ‑ zur Vermeidung der Dankbarkeitserwartung ‑ für eine professionelle Betreuung zu entscheiden. Auf diese Art und Weise könnten jedenfalls Irrtümer des Gepflegten von vorneherein ausgeschlossen werden.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen haben die Klägerin und ihr Ehemann gegenüber dem Sachwalter ihres ‑ nach dem Unfall pflegebedürftigen und bettlägrigen - Sohnes mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass sie die Pflege- und Betreuungsleistungen nicht unentgeltlich erbringen wollen, indem der Sachwalter aufgefordert wurde, ihnen „einen weiteren Betrag zukommen zu lassen“. Diesem Ansinnen stand der Sachwalter auch durchaus aufgeschlossen gegenüber; waren der Klägerin und ihrem Ehemann doch bereits mit der am 2. 4. 2009 gerichtlich genehmigten Vereinbarung Haushalts‑, Betreuungs‑ und Pflegeleistungen für die Zeit bis 30. 9. 2002 mit 85.000 EUR abgegolten worden.

Die den Sohn betreuenden Angehörigen, namentlich die Klägerin und ihr Ehemann, haben somit im Sinn der Entscheidung 6 Ob 29/09x hinreichend offen gelegt, dass sie ihre Leistungen nicht unentgeltlich, sondern in der Erwartung einer Gegenleistung zu erbringen gedenken. Auf die von Stefula (EF‑Z 2009/137 [Entscheidungsanmerkung zu 6 Ob 29/09x]) aufgeworfene und bejahte Frage, ob diese Offenlegung auch konkludent erfolgen könnte, braucht hier somit nicht näher eingegangen zu werden.

4.  Die Klägerin und ihr Ehemann erbrachten im Hinblick auf das Verhalten des Sachwalters und des ‑ durch die verschiedenen Prozesserfolge gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners im Laufe der Zeit - beachtlichen Vermögens, über das der Sachwalter verfügte, dem Sohn Leistungen in der Erwartung von Gegenleistungen, die jedoch letztlich nicht erfolgten.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 6 Ob 29/09x ausdrücklich bereicherungsrechtliche Ansprüche nach § 1435 ABGB bei enttäuschter Erwartung (etwa einer testamentarischen Zuwendung) infolge erbrachter Leistungen für „denkbar“ gehalten. In der weiteren Entscheidung 6 Ob 76/12p (EF‑Z 2012/162 [ Stefula ] = iFamZ 2012/197 [ Deixler‑Hübner ]) sprach der Oberste Gerichtshof in einem, dem vorliegenden insoweit durchaus vergleichbaren Fall einer Frau, die ihren überwiegend bettlägrigen Ehemann über mehrere Jahre hindurch bis zur Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft gepflegt und betreut hatte, eine angemessene Entlohnung nach § 1435 ABGB zu; jene Umstände, die nach der Interessenabwägung und dem Sinn des Geschäfts die Grundlage der Leistung gebildet hatten (konkret: die Dauerhaftigkeit der Ehe) seien nachträglich weggefallen. Diese Entscheidung fand in der Literatur ausdrückliche Zustimmung ( Stefula , EF‑Z 2016/162; Deixler‑Hübner , iFamZ 2012/197 ‑ jeweils Entscheidungs-anmerkungen; vgl auch Koziol in Koziol/Bydlinski/ Bollenberger, ABGB 4 [2014] § 1435 Rz 4).

Da die Klägerin und ihr Ehemann aufgrund des Verhaltens des Sachwalters die durchaus berechtigte Erwartungshaltung (irgend‑)einer Abgeltung ihrer Pflege‑ und Betreuungsleistungen haben durften, steht auch ihnen ein Anspruch nach § 1435 ABGB zu.

5.  Das Berufungsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise (vgl RIS‑Justiz RS0021828) die für den Sohn in der (verfahrensgegenständlichen) Zeit vom 1. 10. 2002 bis 31. 5. 2011 erbrachten Pflege‑ und Betreuungsleistungen in Anwendung des § 273 ZPO mit insgesamt rund 23.500 Stunden ermittelt.

5.1.  Die Beklagte moniert in der außerordentlichen Revision die Erhöhung der Tagesstundenzahl durch das Berufungsgericht auf 12 anstelle der im Sachverständigengutachten genannten 9,77 (nach Auffassung des Berufungsgerichts berücksichtigte das Gutachten vor allem die Haushaltstätigkeiten nicht). Die Beklagte meint nun, zum einen habe die Klägerin dem Sohn bereits vor dessen Unfall Haushaltstätigkeiten erbracht; zum anderen habe sie ohnehin ein monatliches Haushaltsgeld von rund 180 EUR erhalten.

Der erkennende Senat hält die vom Berufungsgericht nach § 273 ZPO ermittelten Stundenwerte für durchaus angemessen. Zu Lebzeiten des Sohnes waren vor Ort Pflegeleistungen in einem täglichen Ausmaß von 19,25 Stunden ermittelt worden. Auch kann nicht so ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Klägerin auch ohne dessen Unfall dem Sohn weitere vierzehn Jahre lang unentgeltlich den Haushalt geführt hätte. Die Einschätzung mit einer Tagesstundenzahl von 12 kann somit nicht als unvertretbar angesehen werden.

Dass auf die Klägerin lediglich 2/3 der Tagesstunden entfallen, somit 8 Stunden täglich, ist nicht (mehr) strittig.

5.2.  Das Berufungsgericht hat aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen eine Erhöhung der Stundenzahl im Ausmaß von 10 % unter dem Gesichtspunkt einer „Rufbereitschaft“ vorgenommen. Eine kontinuierliche Überwachung sei zwar nicht notwendig gewesen, wenn der Sohn mittags oder nachts geschlafen oder er ferngesehen habe; es sei jedoch insofern eine indirekte Bereitschaft notwendig gewesen, als man ihn nicht für den Fall habe allein lassen können, dass er aus dem Rollstuhl fällt, sich verschluckt oder es zu einer Angstreaktion kommt.

Es entspricht zwar ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Zeit, die die Pflegeperson jedenfalls bei dem Pflegebedürftigen anwesend wäre (insbesondere während der Nacht und während der Hausarbeit), nicht zu ersetzen ist, weil sie keinen konkreten Schaden darstellt (2 Ob 24/04z; 2 Ob 137/09z; 2 Ob 40/10m); allerdings hat das Berufungsgericht durch Gewährung des Stundenzuschlags unter Berücksichtigung der besonderen Situation den ihm im Rahmen des § 273 ZPO zustehenden Beurteilungsspielraum angesichts des bereits erwähnten erheblichen Pflege- und Betreuungsaufwands ( 5.1. ) für den Sohn nicht derart überschritten, dass dies vom Obersten Gerichtshof aufgegriffen werden müsste.

5.3.  Soweit die Beklagte meint, das Berufungsgericht habe im Hinblick auf einen Sommerurlaub der Klägerin im Jahr 2007 um 16 Tage (beziehungsweise 128 Stunden) zu viel an Betreuungs‑ und Pflegeleistungen angenommen, ist dem entgegen zu halten, dass es im Anwendungsbereich des § 273 ZPO zwangsläufig zu Ungenauigkeiten kommen muss und die Berücksichtigung von 128 Stunden bei einer Gesamtleistung von rund 23.500 Stunden lediglich eine Scheingenauigkeit (0,5 %) darstellen würde.

6.1.  Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat der Empfänger im Falle der Kondiktion nach § 1435 ABGB ‑ sofern Wiederherstellung in der Natur unmöglich oder untunlich ist ‑ für den erlangten Vorteil ein angemessenes Entgelt zu leisten, dessen Höhe sich im Sinne des § 1431 ABGB nach dem verschafften Nutzen richtet (RIS‑Justiz RS0016322). Der Nutzen liegt in den hier zu beurteilenden Fällen in der Ersparnis andernfalls erforderlicher Fremdpflegekosten (6 Ob 76/12p).

6.2.  Bei Bestimmung der Höhe des Entgelts für Leistungen, auf das gemäß § 1435 ABGB in Verbindung mit § 1152 ABGB ein Anspruch besteht, hat dabei keine allzu weitgehend analoge Heranziehung von kollektiven Löhnen zu erfolgen, wenn die Umstände eher ein familiäres als ein Arbeitsverhältnis nahelegen (RIS‑Justiz RS0021828). Diesen Grundsatz hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst in der bereits erwähnten Entscheidung 6 Ob 76/12p wiederholt ( Lurger in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 [2014] § 1435 Rz 9).

Auch in der Entscheidung 10 ObS 121/07b führte der Oberste Gerichtshof aus, dass eine Bewertung nach Marktpreisen für Pflegeleistungen nicht in Betracht kommt, weil damit der Tatsache der Leistungserbringung im familiären Umfeld nicht ausreichend Rechnung getragen würde; der im Schadenersatzrecht geltende Aspekt, dass die Erbringung von Pflegehilfe durch nahe Angehörige nicht zu einer finanziellen Entlastung des Schädigers führen soll, kann wegen der Verschiedenheit der Ausgangslagen nicht auf die Anrechnung von Eigeneinkommen im Unterhaltsrecht übertragen werden (die gegenüber dessen Vater unterhaltsberechtigte Mutter pflegte den Sohn und erhielt dafür das Pflegegeld).

6.3.  Während der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 76/12p eine Bedachtnahme auf den Mindestlohntarif für Krankenbetreuer für gerechtfertigt hielt, erschien ihm in der Entscheidung 10 ObS 121/07b ein Vergleich mit den etwa im Rahmen von Nachbarschaftshilfe geleisteten Zahlungen angemessen. Da es für den vorliegenden Fall unrealistisch erscheint, dass sich der massivst beeinträchtigte und pflegebedürftige Sohn über rund 14 Jahre seine Pflege‑ und Betreuungsleistungen im Rahmen der Nachbarschaftshilfe hätte organisieren können, stellt der erkennende Senat auch hier ‑ so wie in der Entscheidung 6 Ob 76/12p ‑ auf die Fremdpflegekosten, konkret auf den Mindestlohntarif für Krankenbetreuer ab.

Diesen hat das Berufungsgericht ‑ von der außerordentlichen Revision unwidersprochen ‑ mit 12,70 EUR brutto pro Stunde angenommen.

6.4.  Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurden von der Klägerin weder Lohnsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge geleistet. Der Oberste Gerichtshof hat in den familiären Pflege- und Betreuungsfällen dazu bereits mehrfach klargestellt, dass Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge dann nicht anzusetzen sind, wenn sie nicht abgeführt werden (10 ObS 121/07b; 3 Ob 63/13f EvBl 2013/155 [ Neuhauser , ÖJZ 2013, 1109]).

6.4.1.  Allerdings wurde bereits darauf hingewiesen, dass auch in einem Fall wie dem vorliegenden der zu ersetzende Nutzen in der Ersparnis andernfalls erforderlicher Fremdpflegekosten (6 Ob 76/12p) liegt; dies gilt vor allem dann, wenn bei erbrachten Dienstleistungen diese vom Empfänger (hier durch den Sachwalter als Vertreter des Sohnes) bewusst in Anspruch genommen wurden (vgl Koziol in Koziol/Bydlinski/Bollenberger , ABGB 4 § 1435 Rz 5). Derartige Fremdpflegekosten werden jedoch regelmäßig brutto ermittelt.

6.4.2.  Dazu kommt, dass die Frage der Einkommensteuerpflicht ebenso von den konkreten persönlichen Umständen des Leistungserbringers abhängt wie die Frage der Sozialversicherungspflicht. Es kann deshalb nicht generell gesagt werden, ob derartige Entgelte „brutto“ oder „netto“ zu erbringen sind, können doch gleich hohe Bezüge bei dem einen Empfänger ‑ etwa aufgrund sonstiger Einkünfte ‑ zu einer Einkommensteuerpflicht führen, bei einem anderen Empfänger hingegen nicht.

6.4.3.  Und schließlich ist im vorliegenden Fall der Zuspruch des Bruttolohnes durch das Berufungsgericht auch im Hinblick auf § 2 Abs 3 Z 7 EStG vertretbar. Aufgrund des Ausmaßes der erforderlichen Pflege und der Regelmäßigkeit der Einkünfte ist eine Steuerpflicht durchaus denkbar (vgl etwa Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn , EStG § 29 Rz 4 [2013] mit weiteren Nachweisen). Der Klägerin wurde ja nicht nur regelmäßig das vom Sohn bezogene Pflegegeld zur Verfügung gestellt, sondern sie erhielt bereits im Jahr 2009 einen Teilbetrag von 85.000 EUR und erfolgte nunmehr ‑ aus demselben Rechtsgrund ‑ ein weiterer Geldzuspruch.

7.  Die Beklagte wendete bereits im Verfahren erster Instanz Verjährung hinsichtlich jener Ansprüche ein, die die Klägerin für die Zeit vor dem 26. 7. 2008 (drei Jahre vor dem Todestag des Sohnes) geltend macht. Das Berufungsgericht hat eine Verjährung der geltend gemachten Ansprüche verneint.

7.1.  Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verstößt die Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben, wenn die Fristversäumnis des Berechtigten auf ein Verhalten seines Gegners zurückzuführen ist (RIS‑Justiz RS0014838). Wie das Berufungsgericht bereits richtig erkannt hat, zählt zu einem solchen Verhalten nicht nur ein aktives Vorgehen des Schuldners, also wenn dieser den Gläubiger geradezu abhält, der Verjährung durch Einklagung vorzubeugen; vielmehr verstößt auch ein Verhalten des Schuldners gegen die guten Sitten, aufgrund dessen der Gläubiger nach objektiven Maßstäben der Auffassung sein konnte, sein Anspruch werde entweder ohne Rechtsstreit befriedigt oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft, sodass er aus diesen Gründen eine rechtzeitige Klagsführung unterlassen hat (1 Ob 2/93; 1 Ob 68/01h; 9 ObA 97/05p).

Tatsächlich erklärte der Sachwalter bereits im Jahr 2001 nach Erhalt einer Schadenersatzzahlung der gegnerischen Versicherung, er sei der Ansicht, dass ein bestimmter Betrag an die Familie des Sohnes weitergeleitet werden sollte. In weiterer Folge kam es ‑ neben dem Pflegegeld ‑ auch zur Überweisung kleinerer Beträge an den Ehemann der Klägerin im Zusammenhang mit der Betreuung. Im Jahr 2008 erklärte der Sachwalter, er beabsichtige, den Eltern des Sohnes als teilweise Entschädigung für die bisher erbrachten Leistungen 65.000 EUR zukommen zu lassen, woraufhin das Sachwaltergericht den Abschluss einer Pflegevereinbarung verlangte. Schließlich erhielten im Jahr 2009 die Klägerin und ihr Ehemann ‑ vom Gericht ausdrücklich genehmigt ‑ 85.000 EUR für einen Zeitraum vor dem 1. 10. 2002, also für einen Zeitraum, der bereits weit außerhalb der Verjährungsfrist gelegen wäre. Kurz nach Überweisung dieses Betrags warf der Sachwalter die Frage auf, ob man den Eltern des Sohnes nicht einen weiteren Betrag für die Pflege‑ und Betreuungsleistungen zukommen lassen sollte; ähnliches wiederholte der Sachwalter im Jahr 2010. Zuletzt teilte der Sachwalter im Herbst 2011 mit, er habe den Eltern die Leistungen wiederum abgelten wollen; dazu sei es aber aufgrund des Todes des Sohnes nicht mehr gekommen.

Diese zahlreichen Erklärungen des Sachwalters, vor allem aber auch der Umstand, dass der Klägerin und ihrem Ehemann im Jahr 2009 unter Mitwirkung des Gerichts Zahlungen für einen mehr als sieben Jahre zurückliegenden Zeitraum zukamen, begründeten tatsächlich eine vom Sachwalter veranlasste Vertrauenssituation auf Seiten der Klägerin dahin, dass es einer Klagsführung gegen den eigenen ‑ von ihnen gepflegten ‑ Sohn zur Durchsetzung ihrer Ansprüche nicht bedurfte. Im Übrigen wäre dieses Vertrauen vermutlich berechtigt gewesen, wäre der Sohn nicht im Jahr 2011 verstorben.

7.2.  Auf das vom Berufungsgericht angenommene Zuwarten der Klägerin auf das Einlangen weiterer Zahlungen durch die gegnerische Versicherung kam es hingegen nicht maßgeblich an. Damit bedarf es aber auch keiner weiteren Erörterung der Frage, ob der Sachwalter nicht bereits zu früheren Zeitpunkten über ausreichend Mittel des Sohnes verfügt hätte, um die Pflege‑ und Betreuungsleistungen der Eltern abdecken zu können.

7.3.  Auch das Argument der außerordentlichen Revision, die Beklagte beziehungsweise ihre gesetzliche Vertreterin hätten keinen Einfluss auf das Verhalten der Klägerin, also das Unterlassen einer Klagseinbringung gehabt, geht ins Leere. Die Beklagte ist als Gesamterbin Rechtsnachfolgerin ihres Vaters und hat sich deshalb das Verhalten dessen früheren (gesetzlichen) Vertreters zurechnen zu lassen. Ob sich daraus zugunsten der Beklagten allfällige Schadenersatzansprüche gegen den Sachwalter, der nunmehr die Klägerin in diesem Verfahren rechtsfreundlich vertritt, ableiten lassen, ist nicht Gegenstand des Verfahrens.

8. Da somit das Berufungsgericht auf Basis bereits vorhandener Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Anwendung des § 273 ZPO und unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls eine nicht zu beanstandende Ermittlung der der Klägerin aus dem Titel der Bereicherung zustehenden Ansprüche für für den Sohn erbrachte Pflege‑ und Betreuungsleistungen vorgenommen hat, war die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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