OGH 1Ob2/93

OGH1Ob2/9311.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton S*****, Kommanditgesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Wieland Schmid-Schmidsfelden, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 882.360,20 DM sA, infolge Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12. Oktober 1992, GZ 14 R 125/92-47, womit das Zwischenurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 2. März 1992, GZ 52b Cg 1100/89-43, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Geschäftsführer und Komplementär der klagenden deutschen Kommanditgesellschaft - sie gehört zu den größten Importeuren österr. Qualitätsweines im süddeutschen Raum - wußte ab Herbst 1985 nach von ihm selbst veranlaßten chemischen Untersuchungen definitiv, daß Lieferungen des aus Österreich importierten Prädikatsweins mit dem weinfremden Diethylenglycol (DEG) versetzt, der Wein somit verfälscht und nicht verkehrsfähig war. Diese Erkenntnis verknüpfte er sofort mit der Überzeugung, die der Erteilung des sogenannten Weingütesiegels vorausgegangenen Untersuchungen der österr. Behörden seien in Ansehung der von ihm importierten prädikatisierten Qualitätsweine mit DEG-Zusätzen nicht ausreichend gewesen und es müsse ein „Fehlverhalten“ von Organen der beklagten Republik Österreich vorliegen. Mit Schreiben vom 9. Februar 1987 forderte die klagende Partei die Finanzprokuratur auf, ihren Ersatzanspruch nach dem AHG anzuerkennen; die Verfälschung durch DEG hätte bei pflichtgemäßer Untersuchung erkannt werden müssen („Weinskandal“). Mit Antwortschreiben vom 20. Februar 1987 wies das Bundesministerium für Land- und Fortwirtschaft den im Aufforderungsschreiben geltend gemachten Ersatzanspruch „auf das Entschiedenste“ zurück. Der Komplementär der klagenden Partei konnte sich zu einer Klage gegen die beklagte Partei vorerst nicht entschließen. Am 22. Oktober 1987 fand in einem Wiener Hotel ein von der österr. Weinmarketinggesellschaft veranstalteter Gala-Abend statt. Dabei saß der Komplementär der klagenden Partei an einem Tisch mit dem damaligen österr. Bundesminister für Land- und Fortwirtschaft (folgend nur BMfLuF). Die beklagte Partei tätigte in der zweiten Jahreshälfte 1989 im Rahmen jener Amtshaftungsprozesse, welche von deutschen Importeuren österr. Weins innerhalb der Verjährungsfrist anhängig gemacht worden waren, Vergleichsabschlüsse; danach wurden den Amtshaftungsklägern Zahlungen und Sachleistungen zugesagt und erbracht.

Die klagende Partei begehrt mit ihrer am 8. November 1989 eingebrachten Amtshaftungsklage die Zahlung eines Betrages von 882.360,20 DM sA als Schadenersatz für den von ihr importierten, mit dem österr. Weingütesiegel versehenen, tatsächlich jedoch mit DEG versetzten Wein. Organe des Bundes hätten schuldhaft ihre Aufsichts- und Untersuchungspflicht verletzt. Der Anspruch sei nicht verjährt, weil der damalige BMfLuF am 22.Oktober 1987 gegenüber dem Komplementär der klagenden Partei geraten habe, von einer Klage Abstand zu nehmen und zugesichert habe, die Ansprüche der klagenden Partei würden ebenso erfüllt werden wie jene anderer geschädigter deutscher (Wein)Importeure.

Die beklagte Partei wendet unter anderem Verjährung ein. Der damalige BMfLuF habe kein Anerkenntnis abgegeben.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil den Klagsanspruch dem Grunde nach als zu Recht bestehend und stellte dazu noch fest: Dem damaligen BMfLuF sei zur Zeit des Gala-Abends bekannt gewesen, daß deutsche Importeure österr. Weins Schadenersatzansprüche gegen die beklagte Partei einzubringen gedachten. Der Gala-Abend sei von ihm in der Absicht besucht worden, Maßnahmen zur Wiederbelebung des nach dem „Weinskandal“ zusammengebrochenen österr. Weinexportes zu unterstützen. Der Komplementär der klagenden Partei habe beim Gala-Abend klarstellen wollen, ob er die beklagte Partei klagen müsse, oder ob sich eine andere Möglichkeit der Schadensliquidierung biete. Ohne einzelne Beträge zu nennen, habe der Komplementär der klagenden Partei den damaligen BMfLuF auf den durch österr. „Glykolwein“ erlittenen Schaden angesprochen. Der damalige BMfLuF habe sinngemäß geantwortet: „Wenn Schadenersatzforderungen von anderen Importeuren österr. Weins kommen, dann werden sie so entschädigt, wie andere Importeure österr. Weines.“ Der Komplementär der klagenden Partei habe im Zuge des Gespräches auch erwähnt, er werde wohl die Republik Österreich klagen müssen. Der damalige BMfLuF habe ihm daraufhin sinngemäß erklärt, „Das brauchen Sie nicht, Sie werden so entschädigt, wie andere auch.“ Nach Abwicklung dieser Gespräche hätten sich die Gesprächspartner erhoben und einander zur Bekräftigung dessen die Hand geschüttelt.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, der damalige BMfLuF habe ein konstitutives, lediglich durch die Schadensregulierung mit anderen deutschen Weinimporteuren bedingtes Anerkenntnis abgegeben. Ein Vergleich mit jenen deutschen Weinimporteuren, die ihre Amtshaftungsklage vor Ablauf der Verjährungsfrist eingebracht hätten, sei in der zweiten Jahreshälfte 1989 abgeschlossen worden und damit die Bedingung eingetreten.

Die zweite Instanz hob dieses Urteil auf. Es billigte die erstgerichtlichen Feststellungen, verneinte das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses, erachtete die Klagsforderung aber nicht als verjährt, weil die Klage innerhalb von drei Jahren nach der als Anerkenntnis iS des § 1497 ABGB zu wertenden Erklärung des damaligen BMfLuF eingebracht worden sei. Daher müsse im fortzusetzenden Verfahren noch die Klagsbehauptung geprüft werden, der klagenden Partei sei durch die Beimengung von DEG in österr. Wein ein Schaden in Höhe des Klagsbetrages entstanden.

Die vom Berufungsgericht nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zugelassenen Rekurse beider Parteien sind nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die deutsche Kommanditgesellschaft - somit eine Personenverbindung, die nach deutschem Recht (§ 161 dHGB; Horn in Heymann, Rz 13 zu § 161 dHGB) Träger von Rechten und Pflichten sein kann (Schragel AHG2 Rz 233) - belangt den österr. Rechtsträger wegen behaupteter schuldhafter Unterlassungen im Bereich der Weinaufsicht. Gemäß § 7 AHG idF BGBl 1982/204 wird jetzt für Amtshaftungsansprüche von Ausländern statt materieller nur mehr formelle Gegenseitigkeit im Zeitpunkt des schädigenden Organverhaltens verlangt. Von ihrer Verordnungsermächtigung nach § 7 AHG hat die österr. Bundesregierung bisher nicht Gebrauch gemacht (Schragel aaO Rz 233; Vrba-Zechner AHG 216 f). Mit der Bundesrepublik Deutschland bestand schon vorher die Regelung des Art 1 der dem § 7 AHG aF derogierten und auf formelle Gegenseitigkeit abstellenden Staatsvertrags über die Gegenseitigkeit in Amtshaftungssachen BGBl 1979/120 (Vrba-Zechner aaO 218). Auf den Rechtsstreit ist österr. Recht anzuwenden (Schragel aaO Rz 234; Schwimann in Rummel 2, Rz 7a zu § 48 IPRG mwN). Die Bestimmungen des WeinG 1961 über die Weinaufsicht sind Schutzgesetze iS des § 1311 ABGB auch zugunsten der Weinhändler (SZ 63/166).

Gemäß § 6 Abs 1 AHG verjähren Amtshaftungsansprüche in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, keinesfalls aber ... Ist dem Geschädigten der Schaden nicht bekannt geworden ..., so verjährt der Ersatzanspruch erst nach zehn Jahren nach der Entstehung des Schadens. Für den Beginn des Fristenlaufes stellen die Verjährungsbestimmungen des AHG im Gegensatz zur allgemeinen Schadenersatzverlängerung des § 1489 ABGB nicht auf das schädigende Ereignis und die Kenntnis des Schädigers, sondern auf die Entstehung (= Wirksamkeit) des Schadens und bei der dreijährigen Verjährungsfrist auf dessen Kenntnis ab (JBl 1992, 253 mwN; Schragel aaO Rz 221 f). Hier liegt nach den erstgerichtlichen Feststellungen dieser Zeitpunkt im Herbst 1985, sodaß der Klagsanspruch ungeachtet einer Hemmung nach § 8 AHG bei Klagseinbringung am 8.November 1989 verjährt wäre.

Da, soweit § 6 AHG nicht Sonderbestimmungen enthält, auch für die Verjährung die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts gelten, kommen grundsätzlich auch die allgemeinen Hemmungs- und Unterbrechungsgründe der §§ 1494 ff ABGB zur Anwendung (Schragel aaO Rz 227; Vrba-Zechner aaO 211). Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung unter anderem dann unterbrochen, wenn der Schuldner das Recht ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt hat. Ein echtes oder konstitutives Anerkenntnis setzt nach herrschender Auffassung (SZ 64/35 mwN; Ertl in Rummel 2, Rz 7 zu § 1380 ABGB mwN; Harrer in Schwimann, Rz 6 zu § 1375 ABGB) als Rechtsgeschäft die Absicht des Erklärenden voraus, unabhängig vom bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung zu schaffen. Ob dies zutrifft, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Maßgeblich sind dabei die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses (Ertl aaO mwN). Unter diesen Gesichtspunkten kann angesichts der hier zu beurteilenden Erklärungen des damaligen BMfLuF von einem konstitutiven Anerkenntnis keine Rede sein. Für ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis iS des § 1497 ABGB genügt nach herrschender Auffassung ein deklaratives (unechtes) Anerkenntnis (SZ 58/114; SZ 58/29 ua), jedes Verhalten des Schuldners gegenüber dem Berechtigten oder seinem Vertreter (RdW 1992, 307 ua), woraus auf das Bewußtsein des Anerkennenden, aus dem betreffenden Schuldverhältnis dem Gläubiger gegenüber verpflichtet zu sein, geschlossen werden kann, wobei der objektive Erklärungswert maßgebend ist (Arb 9.590; SZ 48/44, SZ 43/98 uva; Schubert in Rummel 2, Rz 1 ff zu § 1497 ABGB; Mader aaO Rz 2 zu § 1497 ABGB). Der erkennende Senat kann hier auch ein solches deklaratives Anerkenntnis des damaligen BMfLuF nicht annehmen.

Der Äußerung des damaligen BMfLuF kann vielmehr nur die Bedeutung beigemessen werden, daß der Anspruch des Klägers in gleicher Weise geprüft werde wie die Ansprüche anderer Weinimporteure und daß diesbezüglich eine Gleichbehandlung erfolgen werde. Eine Wissenserklärung, der Anspruch der klagenden Partei bestehe zu Recht, liegt darin noch nicht. Entscheidende Bedeutung kommt daher nur der Äußerung des damaligen BMfLuF zu, daß die klagende Partei nicht zu klagen brauche. Darin liegt ein Verzicht auf den Verjährungseinwand in dem Sinn, daß die dennoch erhobene Verjährungseinrede wider Treu und Glauben verstößt. Die Replik der Arglist (replicatio doli) ist dann berechtigt, wenn die Fristversäumnis auf ein Verhalten des Gegners zurückzuführen ist. Dazu zählt nicht nur ein aktives Vorgehen des Schuldners so, wenn er den Gläubiger geradezu abhält, die Verjährung durch Einklagung vorzubeugen (JBl 1991, 190 mwN), sondern es verstößt auch ein Verhalten des Schuldners gegen die guten Sitten, auf Grund dessen der Gläubiger nach objektiven Maßstäben der Auffassung sein konnte, sein Anspruch werde entweder ohne Rechtsstreit befriedigt oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft, sodaß er aus diesen Gründen eine rechtzeitige Klagsführung unterlassen hat (JBl 1991, 190; ZVR 1979/44; SZ 48/67 aa; Schubert aaO Rz 2 zu § 1501 ABGB; Mader aaO Rz 15 zu § 1451 ABGB). Ungeachtet des sich aus § 1 Abs 4 ProkuratursG idF des Art XXI der WGN 1989, ergebenden ausschließlichen Vertretungsrechts des Bundes durch die Finanzprokuratur zur Abgabe der in § 8 AHG vorgesehenen Erklärung, die Ausfluß der Befugnis ist, den Bund vor Gerichten (ausschließlich) und vor Verwaltungsbehörden zu vertreten (§§ 1 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 2 Abs 1 Z 1 ProkuratursG), ist dadurch ein anderes Organ des Rechtsträgers, hier der für die Weinaufsicht - deren behauptete Vernachlässigung Gegenstand des Schadenersatzbegehrens der klagenden Partei ist - zuständige Ressortminister (vgl Walter-Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechts2 265), nicht gehindert, einen derartigen privatrechtlichen Verjährungsverzicht abzugeben (vgl SZ 47/150; Schragel aaO Rz 247). Auf den auch die Tatfrage berührenden Hinweis im Rechtsmittel der beklagten Partei, der damalige BMfLuF habe vor Abgabe des Anerkenntnisses als Einzelvorhaben iS des § 45 Abs 1 BundeshaushaltsG das Einvernehmen mit dem BMF herstellen müssen, kommt es nicht mehr an.

Die beklagte Partei kann sich daher auf den Einwand der Verjährung nicht berufen. Die replicatio doli muß nicht ausdrücklich erhoben werden, es genügt das Vorbringen der sie begründenden Tatsachen (ZVR 1990/51; EvBl 1972/123; MietSlg 25/14 ua; Schubert aaO Rz 2 zu § 1501 ABGB; Mader aaO Rz 18 zu § 1451 ABGB). Solche Tatsachen hat die klagende Partei hier vorgetragen.

Da es sich bei der Frage, ob ein Zwischenurteil (§ 393 ZPO idF des Art X Z 8 der WGN 1989) zu fällen ist, um eine Ermessensfrage handelt (7 Ob 686/77 ua), kann der Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz bestehen bleiben, zumal Feststellungen über den Bestand der Klagsforderung erforderlich sind. Beiden Rekursen ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung fußt auf § 52 Abs 1 ZPO.

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