Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger und dem Nebenintervenienten jeweils die mit 2.078,28 EUR (darin 346,38 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Nebenintervenient und der Beklagte sind die Söhne des Klägers und dessen Ehegattin, die am 28. 1. 2002 verstorben ist. Der Kläger ist testamentarischer Alleinerbe, der Nebenintervenient wurde ohne Angabe von Gründen enterbt, der Beklagte auf den Pflichtteil beschränkt, wobei ihm (und anderen Personen) Vermächtnisse ausgesetzt wurden. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 25. 2. 2002 wurde der Beklagte gemäß (damals) § 273 Abs 3 Z 3 ABGB zum Sachwalter für den Kläger bestellt; mit weiterem Beschluss vom 5. 12. 2002 wurde der Beklagte allerdings seines Amtes wieder enthoben. Sachwalterin des Klägers ist seitdem Dr. Ulrike B*****, Rechtsanwältin in W*****. Der Kläger leidet an einer seit einigen Jahren zunehmenden Demenz vom Typ Morbus Alzheimer; im Dezember 2007 erlitt er außerdem einen Oberschenkelbruch.
Am 3. 3. 2005 wurde dem Kläger aufgrund seiner bedingten Erb-(antritt-)serklärung der gesamte Nachlass nach seiner Ehegattin eingeantwortet.
Das Verhältnis zwischen dem Beklagten und der nunmehrigen Sachwalterin war von Anfang an gespannt; der Beklagte wollte selbst wieder Sachwalter werden und lehnte auch die damals zuständige Sachwalterschaftsrichterin am Bezirksgericht Liesing ab. Im Jänner 2005 veranlasste er einen Wohnsitzwechsel des Klägers ins Burgenland, weshalb mit der Führung des Sachwalterschaftsverfahrens nunmehr das Bezirksgericht Oberpullendorf betraut ist. An der Adresse des Klägers im Burgenland sind auch der Beklagte und seine Ehegattin polizeilich gemeldet.
Obwohl der Kläger zunehmend pflegebedürftig wurde und schließlich seit 2005 rund um die Uhr Betreuung benötigte, leistete die Sachwalterin an den Beklagten (weiterhin) lediglich 1.000 EUR monatlich. Im Jahr 2005 musste der Beklagte daher weitere 10.225,21 EUR für die Betreuung des Klägers aufwenden, im Jahr 2006 weitere 9.626,53 EUR und im Jahr 2007 schließlich weitere 9.781,24 EUR, zusammen somit 34.132,98 EUR. Unter diesen Aufwendungen sind nicht nur die Bezahlungen der ukrainischen Betreuerinnen, sondern auch Kosten für Medikamente, Fahrkarten, Transporte an verschiedene Orte wie etwa den Friedhof erfasst.
Gegenstand dieses Verfahrens sind Pflichtteilsergänzungsansprüche des Klägers durch Vermächtniskürzung; bei Erfüllung der Vermächtnisse würde der Nachlass nicht ausreichen, um den Pflichtteilsanspruch des Klägers zu erfüllen. Darüber hinaus wird die Herausgabe des Realisats von Sparbüchern begehrt.
Der Beklagte wendet Gegenforderungen in einer den Klagsbetrag übersteigenden Höhe für Leistungen ein, die er im Zusammenhang mit der Pflege des betreuungs- und pflegebedürftigen Klägers erbracht habe.
Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 113.512,14 EUR und die Gegenforderung mit 57.132,98 EUR als zu Recht bestehend und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 56.379,16 EUR. Das Berufungsgericht erkannte die Klagsforderung mit 113.512,14 EUR und die Gegenforderung mit 34.132,98 EUR als zu Recht bestehend und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 79.379,16 EUR. Außerdem sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob Leistungen eines Kindes an seinen pflegebedürftigen Elternteil, die dessen Rechtspflicht nach § 137 Abs 2 ABGB übersteigen und zu denen es daher nicht verpflichtet (gewesen) wäre, auch ohne Entgeltlichkeitsvereinbarung vom gepflegten Elternteil abgegolten werden müssen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
1. Die Vorinstanzen erklärten übereinstimmend das Klagebegehren in Höhe von 113.512,14 EUR als zu Recht bestehend. Einen Teilbetrag von 86.561,38 EUR begründeten sie damit, dass der Beklagte - als Sachwalter des Klägers - zu Unrecht zwölf im Miteigentum des Klägers und seiner zuvor verstorbenen Ehegattin stehende Sparbücher aufgelöst und den Gesamteinlagenstand von 173.122,76 EUR vereinnahmt habe; die Hälfte dieses Einlagenstands stehe dem Kläger zu. Die andere Hälfte des Einlagenstands sei dem Nachlass der verstorbenen Ehegattin des Klägers hinzuzurechnen, der sich somit auf 175.131,41 EUR belaufe; davon stünden dem Kläger als Pflichtteilsberechtigtem ein Sechstel bzw 29.188,57 EUR zu, welcher Anspruch jedenfalls durch die zweite Hälfte des Sparbuchrealisats, das dem Kläger als Erben nach seiner Ehegattin zustehe, gedeckt sei.
1.1. Der Kläger hatte sich bereits in der Klage darauf berufen, dass ihm und dem Nachlass nach seiner verstorbenen Ehegattin je die Hälfte des Einlagenstands dieser Sparbücher zustehe. Darüber hinaus machte der Kläger eine Vermächtniskürzung (gegenüber dem Beklagten) zur Deckung seines Pflichtteils geltend. Er führte dabei aus, dass der Beklagte „die vereinnahmten Geldmittel herauszugeben" habe, er sei jedoch noch nicht als Erbe eingeantwortet.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21. 1. 2008 erstattete der Kläger ergänzendes Vorbringen zu diesen Sparbüchern und stützte sein Klagebegehren zur Gänze auf die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe des Sparbuchrealisats; er sei nunmehr eingeantworteter Erbe. Daraufhin führte der Beklagte aus, das Klagsvorbringen sei „bis zum heutigen Tag unschlüssig gewesen, da Ansprüche geltend gemacht worden seien, die einander zum Teil logisch gegeneinander ausschlössen". Damit stelle das „heutige Vorbringen" eine Klagsänderung dar, gegen die sich der Beklagte ausspreche. Das Erstgericht vertrat im Rahmen der rechtlichen Beurteilung seines die Rechtssache erledigenden Urteils die Auffassung, das Vorbringen des Klägers habe keine Klagsänderung dargestellt; er habe lediglich subsidiäres (ergänzendes) Vorbringen erstattet und dabei nicht den Klagegrund, sondern lediglich weitere rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht. „Im Übrigen wäre selbst dann, wenn es sich bei diesem Vorbringen um eine Klagsänderung handeln würde, die Klagsänderung vom Gericht zugelassen worden".
Der Beklagte rügte im Rahmen der Rechtsrüge seiner Berufung diese Überlegungen des Erstgerichts und meinte, der Kläger habe „ursprünglich hinsichtlich der Sparbücher lediglich einen Teilbetrag von 86.561,38 EUR geltend gemacht, in der mündlichen Streitverhandlung vom 21. 1. 2008 [dann aber] eine Klagsänderung vorgenommen und letztlich das gesamte eingeklagte Klagebegehren [zumindest hilfsweise] auf den Eigentumsanspruch [Herausgabeanspruch] hinsichtlich der Sparbücher gestützt". Dies sei eine Klagsänderung; das Erstgericht hätte darüber absprechen müssen.
Das Berufungsgericht nahm zur Frage der Klagsänderung nicht Stellung, was der Beklagte nunmehr in seiner Revision rügt.
1.2. Der Beklagte hat zwar formell richtig die Frage der Klagsänderung in seinem Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung aufgegriffen, weil das Erstgericht nicht über die „Klagsänderung" mit gesondertem oder in die Sachentscheidung aufgenommenem Beschluss abgesprochen, sondern das klägerische Begehren einfach der Sachentscheidung zugrunde gelegt hat (vgl Klicka in Fasching/Konecny, ZPO² [2004] § 235 Rz 40 mwN), wozu das Berufungsgericht auch Stellung hätte nehmen müssen.
Allerdings hat das Erstgericht zutreffend das Vorliegen einer Klagsänderung verneint, verwies der Kläger doch bereits in der Klage darauf, dass der Beklagte „die vereinnahmten Geldmittel herauszugeben" haben werde, also auch den 86.561,38 EUR übersteigenden Betrag. Einer Beschlussfassung über ein „geändertes Klagebegehren" bedurfte es daher tatsächlich nicht.
1.3. Damit bedarf es aber auch keiner näheren Auseinandersetzung mit der vom Beklagten in der Revision aufgeworfenen Frage, ob der Kläger für eine derartige Klagsänderung eine sachwalterschaftsgerichtliche Genehmigung gemäß § 275 Abs 2 ABGB benötigt hätte.
1.4. Der Revision des Beklagten kommt somit insoweit keine Berechtigung zu, als sie sich dagegen richtet, dass die Vorinstanzen das Klagebegehren mit 113.512,14 EUR als zu Recht bestehend erkannt haben. In der Sache selbst enthält die Revision des Beklagten - wie im Übrigen auch schon seine Berufung - diesbezüglich keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ausführungen und Überlegungen der Vorinstanzen, sodass dem Obersten Gerichtshof eine weitergehende rechtliche Prüfung der von den Vorinstanzen in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen verwehrt ist.
2. Hauptgegenstand der Revision des Beklagten sind vielmehr die von ihm bereits im Verfahren erster Instanz eingewendeten Gegenforderungen, soweit sie nicht bereits durch die Entscheidungen der Vorinstanzen endgültig erledigt worden sind.
2.1. Der Beklagte begründete seine Gegenforderung in Höhe des Klagsbetrags hinsichtlich eines Teilbetrags von 48.390,93 EUR damit, dass er diesen Betrag aufgewendet habe, um die Betreuung des Klägers durchführen zu lassen. Das Erstgericht gestand dem Beklagten - insoweit vom Kläger auch nicht bekämpft - unter Berücksichtigung der von der Sachwalterin des Klägers monatlich geleisteten Aufwandsersatzleistungen an darüber hinausgehenden Sachaufwendungen für ukrainische Betreuerinnen, Medikamente und Fahrtkosten 34.132,98 EUR zu. Das Berufungsgericht bestätigte die Nichtberücksichtigung des Differenzbetrags von 14.257,95 EUR, wogegen sich der Beklagte in seiner Revision inhaltlich nicht mehr wendet.
2.2. Weiters machte der Beklagte 231.438,88 EUR mit der Begründung geltend, er habe durch die Pflege und Betreuung des Klägers diesem bzw der Verlassenschaft nach dessen Ehegattin Aufwendungen, insbesondere Pflegeheimkosten, zumindest in der genannten Höhe erspart. Diese Gegenforderung hielten beide Vorinstanzen für nicht schlüssig begründet und erklärten sie daher als nicht zu Recht bestehend. Auch dagegen wendet sich der Beklagte in seiner Revision inhaltlich nicht mehr.
3. Schließlich brachte der Beklagte zur Begründung seiner Gegenforderung noch vor, er habe seit Jänner 2002 Pflegeleistungen für den Kläger erbracht, die über das Ausmaß seiner Unterhalts- und Beistandsverpflichtungen bei Weitem hinausgegangen seien; er habe Anspruch auf finanzielle Abgeltung dieser Pflegeleistungen, der sich angesichts seiner konkreten Leistungen auf „zumindest weitere 60.000 EUR" belaufe; „die eingewendete Gegenforderung [in Höhe des Klagsbetrags] werde auch auf diese Überlegungen gestützt".
3.1. Das Erstgericht stellte in diesem Zusammenhang fest, der Kläger sei im Jahr 2002 noch nicht sehr pflegebedürftig gewesen; damals habe der Beklagte die aus der Ukraine stammende Pflegerin des Klägers auch für eigene Zwecke eingesetzt. Der Kläger sei bereits damals über Vermittlung des Beklagten bzw dessen Ehegattin von „diversen ukrainischen Damen" gepflegt worden, unter anderem aber auch von der Tante der Ehegattin des Beklagten. In weiterer Folge sei der Kläger jedoch zunehmend pflegebedürftig geworden und habe schließlich seit 2005 rund um die Uhr Betreuung benötigt. Der Beklagte bzw seine Ehegattin hätten dabei trotz Beiziehung der ukrainischen Betreuerinnen selbst die Betreuung des Klägers zeitweise übernehmen müssen, wenn die professionellen Betreuerinnen einen „freien Tag" hatten; dann habe sich der Beklagte gemeinsam mit seiner Ehegattin um den rund um die Uhr betreuungsbedürftigen Kläger gekümmert. Dazu seien organisatorische Leistungen des Beklagten gekommen, insbesondere auch im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung des Klägers; der Beklagte habe im Zusammenhang mit der Koordination der Betreuungsleistungen, aber etwa auch im Zusammenhang mit der Kontaktaufnahme mit Ärzten erhebliche Leistungen erbracht. Darüber hinaus habe der Beklagte für den Kläger auf mehreren Liegenschaften diverse Arbeiten, wie etwa das Rasenmähen, die Obsternte, den Baumschnitt und die Gartenbetreuung, verrichtet; in diesem Zusammenhang seien auch verschiedene zusätzliche Fahrten erforderlich gewesen. Weiters habe sich der Beklagte um die ärztliche Versorgung des Klägers gekümmert, weil weder die Sachwalterin noch der Nebenintervenient Betreuungsleistungen verrichteten. In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, der Beklagte sei im Jahr 2002 noch selbst Sachwalter des Klägers gewesen, außerdem sei es dem Kläger noch relativ gut gegangen, weshalb dem Beklagten für diesen Zeitraum noch kein Ersatz zustehe, wohl aber für den Zeitraum 2003 bis 2007. Die in dieser Zeit erbrachten Leistungen seien zwar durch die sich aus dem Familienrecht ergebenden Verpflichtungen gedeckt gewesen, der Beklagte habe jedoch - vor allem im Vergleich zum Nebenintervenienten - weit überdurchschnittliche Betreuungs- und Organisationsleistungen erbracht, die zusätzlich abzugelten seien. Dabei erachtete das Erstgericht unter Anwendung des § 273 ZPO für die Jahre 2003 und 2004 einen Betrag von je 4.000 EUR und für die Jahre 2005 bis 2007 einen solchen von je 5.000 EUR für angemessen, insgesamt somit 23.000 EUR.
3.2. Das Berufungsgericht erklärte die Gegenforderung des Beklagten hingegen auch insoweit als nicht zu Recht bestehend. Der Beklagte habe ein Vertragsverhältnis zwischen sich und dem Kläger hinsichtlich der Erbringung von Pflegeleistungen nicht einmal behauptet; selbst wenn man jedoch ein solches annehmen würde, wäre Entgeltlichkeit bei der Pflege Angehöriger gerade nicht zu vermuten, sondern vielmehr Unentgeltlichkeit der Leistungserbringung. Erbringe ein Kind einem Elternteil gegenüber Pflegeleistungen, die den üblichen Rahmen der Beistandspflicht des § 137 Abs 2 ABGB übersteigen, und erspare er dem Elternteil damit etwa eine sonst unumgängliche Fremdpflege, könne dies zwar eine sittliche Pflicht für eine Schenkung des Elternteils auslösen. Ansonsten seien jedoch Pflegeleistungen im Rahmen der Beistandspflicht unentgeltlich zu erbringen, weil dies ein Charakteristikum aller familiären Beistandsleistungen sei, sodass der Pflegende vom Gepflegten, auch wenn er Leistungen erbringt, zu denen er nicht verpflichtet sei, keine Entlohnung oder sonstige Vergütung verlangen könne.
Diesen Überlegungen ist - jedenfalls im Ergebnis - beizupflichten.
3.3. Nach § 137 Abs 2 ABGB haben Eltern und Kinder einander beizustehen. Diese Bestimmung ist als Präambel zu verstehen, die programmatischen Charakter hat und der Hervorhebung eines der leitenden Prinzipien des Kindschaftsrechts dient (Verschraegen in Schwimann, ABGB³ [2005] § 137 Rz 1). Der historische Gesetzgeber hat sich an den damaligen Moralvorstellungen orientiert und das sittlich Geschuldete in eine Rechtspflicht gekleidet (1 Ob 46/01y JBl 2001, 649; Stabentheiner in Rummel, ABGB³ [2000] § 137 Rz 4; H. Pichler in Fenyves/Welser, Klang³ [2000] § 137 ABGB Rz 4; Stefula, Zu den allgemeinen familiären Beistandspflichten, ÖJZ 2005, 609; Verschraegen aaO Rz 6; Hinteregger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ [2006] § 90 ABGB Rz 17; einschränkend allerdings Barth in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ [2008] § 137 ABGB Rz 15 [„Obliegenheit"]), auch wenn für gewöhnlich Familienmitglieder einander Beistand leisten, „weil es sich so gehört" und damit im Vordergrund weniger das Recht, als vielmehr Sitte und Moral stehen (Stefula aaO).
Es wird dabei ganz allgemein davon ausgegangen, dass die Beistandsverpflichtung einerseits eine materielle Kompenente aufweist, indem sowohl Eltern und Kinder als auch Ehegatten (§ 90 Abs 1 ABGB) einander zu Beistand in Form von Geld-, Natural- oder Dienstleistungen verpflichtet sind, aber andererseits auch eine ideelle Komponente auf moralisch-sittlicher Ebene, wonach etwa eine Verpflichtung zur psychischen Unterstützung bei Alltagsproblemen und in Krankheits- und Notsituationen besteht (2 Ob 83/88 EFSlg 55.890; VwGH AnwBl 1990, 509; Stefula aaO; Hinteregger aaO Rz 18; Barth aaO Rz 10). Diese Beistandsverpflichtung hat höchstpersönlichen Charakter (Schuchter, Das neue österreichische Kindschaftsrecht, FamRZ 1979, 882; vgl auch Stabentheiner in Rummel, ABGB³ [2000] § 90 Rz 9; H. Pichler aaO; Stefula aaO).
3.4.1. Als von der Beistandspflicht des § 90 Abs 1 und § 137 Abs 2 ABGB erfasst angesehen werden in der Literatur etwa Besuche im Krankenhaus oder im Altersheim, fachmännischer Ratschlag des einschlägig ausgebildeten Elternteils, Kindes oder Ehegatten, die wechselseitige Interessenwahrung, die Rücksichtnahme auf eine Krankheit des anderen, der Zuspruch von Trost in Krisenzeiten, die Erbringung kleinerer Arbeitsleistungen für den anderen wie etwa Rasenmähen, Schneeräumung oder die Beförderung mit dem Kraftfahrzeug zu notwendigen Terminen, von Sachleistungen wie etwa dem Borgen von Gegenständen oder von (kleineren) Geldaushilfen (vgl zu diesen Beispielen etwa Stabentheiner aaO § 90 Rz 9, Stefula aaO, Hinteregger aaO Rz 18 und Barth aaO Rz 10).
Zwischen Ehegatten wird außerdem die Pflege des erkrankten Ehegatten als von der Beistandspflicht des § 90 Abs 1 ABGB erfasst angesehen (Stefula aaO; Stabentheiner aaO § 90 Rz 9; Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² [2007] § 90 Rz 6; Kellner/Barth, Ausgewählte Rechtsfragen zur Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger nach dem SWRÄG 2006, JBl 2007, 690; dies in Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts [2007] 472; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, EheG [2008] § 90 ABGB Rz 27). Aber auch Kinder sollen verpflichtet sein, ihre Eltern im Krankheitsfall zu pflegen (Stefula aaO; Hopf in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² [2007] § 137 Rz 3; Kellner/Barth, JBl 2007, 690; dies in Barth/Ganner aaO 470), wobei Kellner/Barth davon ausgehen, dass dies „besonders im Falle von Hilfsbedürftigkeit infolge von Krankheit oder Alter schlagend werden" soll.
3.4.2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird eine sittliche Pflicht des Erblassers gemäß § 785 Abs 3 ABGB sowohl gegenüber dem Ehegatten (3 Ob 583/82 EFSlg 40.991) als auch gegenüber dem Kind (1 Ob 46/01y) zur Vornahme einer Schenkung dann bejaht, wenn der Ehegatte oder das Kind dem Erblasser Leistungen erbracht haben, die weit über dasjenige hinausgingen, was ein Ehegatte oder ein Kind normalerweise für den Ehegatten oder den Elternteil im Rahmen der Beistandspflicht tun, so etwa, wenn sie den Ehegatten oder das Kind täglich und über viele Jahre hindurch waschen, an- und auskleiden sowie beim Gehen unterstützen mussten und dem Ehegatten oder dem Kind durch diesen Einsatz nicht zuletzt der sonst unumgängliche Aufenthalt in einem Pflegeheim erspart geblieben ist.
Auch in der Entscheidung 2 Ob 79/05i betonte der Oberste Gerichtshof, im Rahmen des ihnen Möglichen und Zumutbaren bestehe eine Pflicht von Kindern, sich um ihre alt gewordenen Eltern zu kümmern, etwa für sie einkaufen zu gehen, die Wäsche zu erledigen oder zu kochen; die Aufnahme eines Elternteils in den eigenen Haushalt werde hingegen nur im Ausnahmefall geschuldet; jedenfalls ginge es aber weit über die Beistandspflicht hinaus, wenn sich ein Kind in derartig großem Ausmaß um einen betagten Elternteil kümmert, dass diesem dadurch die sonst unumgängliche Fremdpflege, etwa der Aufenthalt in einem Pflegeheim erspart bliebe.
3.4.3. Damit ergibt sich nach der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, der auch der erkennende Senat beitritt, aus § 137 Abs 2 ABGB gerade keine allumfassende Beistandspflicht des Kindes gegenüber einem betagten, pflegebedürftigen und geistig verwirrten Elternteil; jedenfalls nicht mehr von der Beistandspflicht des Kindes erfasst ist die umfassende Betreuung des pflegebedürftigen Elternteils (allenfalls sogar unter Aufnahme im eigenen Haushalt), um dem Elternteil die Fremdpflege oder gar den Aufenthalt in einem Pflegeheim zu ersparen.
3.5. Nach herrschender Auffassung ist die Beistandspflicht gegenüber dem Elternteil, dem Kind oder dem Ehegatten nicht gerichtlich durchsetzbar; § 90 Abs 1 und § 137 Abs 2 ABGB stellen insoweit leges imperfectae dar (1 Ob 46/01y; Stabentheiner aaO § 90 Rz 12, § 137 Rz 4, 8; Stefula aaO; Koch aaO Rz 8; Hopf aaO Rz 3; Barth aaO Rz 14; Kellner/Barth, JBl 2007, 690; dies in Barth/Ganner aaO 470). Verletzt ein Beistandspflichtiger seine diesbezüglichen Verpflichtungen, kann dies zwar zu erbrechtlichen (etwa einer Enterbung), scheidungsrechtlichen (Eheverfehlung) und unterhaltsrechtlichen (etwa einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs; vgl zu all dem etwa Hopf aaO und Barth aaO Rz 14), allenfalls auch zu schadenersatzrechtlichen Konsequenzen (vgl dazu V. Steininger, FamRZ 1979, 777; Stabentheiner aaO § 90 Rz 12; Stefula aaO; eine Schadenersatzverpflichtung grundsätzlich ablehnend jedoch Hopf/Kathrein, Eherecht² [2005] § 90 ABGB Anm 18; Kellner/Barth, JBl 2007, 690; dies in Barth/Ganner aaO 472) führen. Denkbar sind auch bereicherungsrechtliche Ansprüche bei enttäuschter Erwartung etwa einer testamentarischen Zuwendung infolge erbrachter Leistungen (§ 1435 ABGB), nicht jedoch gemäß § 1042 ABGB (Stefula aaO; Kellner/Barth, JBl 2007, 690; dies in Barth/Ganner aaO 472). Ausgeschlossen ist vor allem aber auch die Zahlung einer Entlohnung oder sonstigen Vergütung (Stefula aaO; ebenso 1 Ob 46/01y, wonach Eltern von ihren Kindern gemäß § 137 Abs 2 ABGB „unentgeltlich angemessene Dienste verlangen" können).
3.6. Ob dies auch gilt, wenn das Kind gegenüber den Eltern Leistungen erbringt, die seine Beistandspflicht nach § 137 Abs 2 ABGB übersteigen, ist in der Rechtsprechung nicht geklärt. Dass die erbrachten Leistungen die Beistandspflichten überstiegen, bedeutet jedenfalls vor dem Hintergrund der Einordnung des § 137 Abs 2 ABGB als lex imperfecta aber noch nicht, dass sie damit - außerhalb einer konkreten Vereinbarung - auch abzugelten wären. Auszugehen ist lediglich davon, dass unterhaltsrechtliche, erbrechtliche oder sonstige Sanktionen denjenigen nicht treffen könnten, der derartige Leistungen verweigert.
3.6.1. Die zu 3.5. zitierte österreichische Lehre nimmt zu dieser Frage nicht explizit Stellung, scheint jedoch eher davon auszugehen, dass auch derartige Leistungen nicht abgeltbar sein sollen. Lediglich Deixler-Hübner meint (in ihrem im vorliegenden Verfahren für den Beklagten erstatteten und in iFamZ 2009, 134 unter dem Titel „Sind Beistandsleistungen zwischen Angehörigen - vor allem im Eltern-Kind-Verhältnis - finanziell abgeltbar?" veröffentlichten Privatgutachten) unter Hinweis auf deutsche und schweizerische Rechtsprechung und Literatur, außerhalb des Kernbereichs der Beistandsverpflichtung sei ein Entgeltanspruch für geleistete Dienste, wenn sie nicht schenkungshalber erbracht worden sind, „stets zu bejahen", und zwar selbst dann, wenn es an einer vertraglichen Regelung zwischen den Beteiligten fehle.
3.6.2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 1 Ob 135/01m unter Hinweis auf die Entscheidung 1 Ob 46/01y im Verhältnis zwischen Ehegatten zwar ausgeführt, erbringe ein Angehöriger Pflegeleistungen, so habe er zumindest dann, wenn diese Leistungen weit über dasjenige hinausgehen, was üblicherweise in Wahrnehmung einer besonderen Beistandspflicht zu leisten ist, Anspruch auf deren finanzielle Abgeltung; der hiefür angemessene Betrag sei im Wege einer fiktiven Berechnung zu ermitteln, weil die Pflegeleistungen nicht durch professionelle Kräfte erbracht werden. In der Entscheidung 6 Ob 641/90 (EFSlg 63.520) wurde ausgesprochen, dass ein pflegebedürftiges Kind, das von seiner Mutter im Ausmaß einer vollen Arbeitsleistung betreut wird, für die Kosten seiner Pflege gegenüber der Mutter aufzukommen habe; die Leistungen seien angemessen abzugelten (ebenso 3 Ob 540/91 EvBl 1992/27).
Allerdings hat sich der Oberste Gerichtshof in diesen Entscheidungen aufgrund der dort primär zu lösenden Rechtsfrage, inwieweit tatsächlich zur Verfügung gestelltes Pflegegeld unterhaltsrechtlich Eigeneinkommen des pflegenden Ehegatten oder Elternteils im Verhältnis zu einem Dritten ist, mit der hier zu lösenden Rechtsfrage des Beistandsverhältnisses zwischen Pflegendem und Gepflegten nicht näher auseinandergesetzt. Es ist daher durchaus fraglich, ob die dort getroffenen Aussagen in dieser Allgemeinheit im hier zu beurteilenden Kontext aufrecht erhalten werden können. Im Übrigen wurde bereits in der Entscheidung 10 ObS 121/07b (EF-Z 2008/38 [Gitschthaler]) klargestellt, dass die Bewertung der von der Mutter ihrem pflegebedürftigen Sohn gegenüber erbrachten Leistungen „mit der Höhe des Pflegegeldes zu deckeln" sei; außerdem sei der Sohn „frei in der Wahl, für welche Leistungen er das Pflegegeld heranzieht". Von einem Abgeltungsanspruch des pflegenden Elternteils ging der Oberste Gerichtshof daher in dieser Entscheidung offensichtlich nicht mehr aus.
3.6.3. Gegen die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 135/01m durch den Hinweis auf die Entscheidung 1 Ob 46/01y gezogene Gleichstellung der Entgeltsproblematik mit einer Anstandsschenkung nach § 785 Abs 3 ABGB spräche auch, dass im letzteren Fall der Gepflegte selbst eine „Gegenleistung" erbringen wollte und deshalb den pflegenden Angehörigen schenkungsweise bedachte. Bei der vorliegenden Konstellation erfolgte jedoch gerade keine Abgeltung und war von einer solchen offensichtlich auch nicht die Rede; jedenfalls beruft sich der Beklagte nicht auf konkrete Vereinbarungen mit dem Kläger oder dessen Sachwalterin.
Für die Verneinung eines Entgeltanspruchs würde im Übrigen sprechen, dass der pflegende Angehörige bereits vor oder zumindest noch während der Erbringung dieser Leistungen gegenüber dem zu Pflegenden oder dessen Sachwalter offen legen müsste, dass er diese Leistungen nicht unentgeltlich, sondern in der Erwartung einer Gegenleistung zu erbringen gedenkt. Dies hätte für den zu pflegenden Angehörigen unter anderem den Vorteil, von vorneherein erkennen zu können, ob er (wohl regelmäßig in einer gewissen Dankbarkeitshaltung dem Pflegenden gegenüber) unentgeltliche Leistungen in Anspruch nimmt oder ob diese Leistungen gegen Entgelt erbracht werden; in letzterem Fall stünde ihm dann die Möglichkeit offen, sich vielleicht doch - zur Vermeidung der Dankbarkeitserwartung - für eine professionelle Betreuung zu entscheiden. Auf diese Art und Weise könnten jedenfalls Irrtümer des Gepflegten von vorneherein ausgeschlossen werden.
Und letztlich dürfte auch nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, dass im Regelfall derartige Auseinandersetzungen nicht zwischen dem gepflegten und dem pflegenden Angehörigen geführt werden, sondern eher erst nach dem Tod des Gepflegten. In diesem Fall würde die Ermittlung des tatsächlichen Sachverhalts jedoch erheblich von den - oft nicht zu widerlegenden - Schilderungen der Pflegeperson abhängen.
3.7. Letztlich kann die von der Revision des Beklagten aufgeworfene Frage jedoch dahin gestellt bleiben:
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde der Kläger nämlich jedenfalls seit dem Jahr 2002 primär und überwiegend von Pflegerinnen betreut, wofür er von 2005 bis 2007 neben dem zu 2.1. erörterten Betrag von 34.132,98 EUR monatlich weitere 1.000 EUR (durch die Sachwalterin aus seinem Vermögen) zu leisten hatte. Demgegenüber übernahmen der Beklagte bzw seine Ehegattin selbst „zeitweise" die Betreuung des Klägers, wenn die professionellen Betreuerinnen einen „freien Tag" hatten; dann „kümmerte" sich der Beklagte gemeinsam mit seiner Ehegattin um den rund um die Uhr betreuungsbedürftigen Kläger. Dazu kamen organisatorische Leistungen des Beklagten, insbesondere im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung des Klägers; der Beklagte koordinierte die Betreuungsleistungen und die Kontaktaufnahme mit den Ärzten. Und schließlich verrichtete der Beklagte für den Kläger auf mehreren Liegenschaften diverse Arbeiten wie etwa das Rasenmähen, die Obsternte, den Baumschnitt und die Gartenbetreuung, in welchem Zusammenhang verschiedene zusätzliche Fahrten erforderlich waren.
Der Beklagte ist diesen Feststellungen inhaltlich weder in seiner Berufung entgegen getreten noch begehrt er in seiner Revision ergänzende Feststellungen zu den von ihm erbrachten Leistungen. Soweit er in der Berufung die Unterlassung der Beiziehung eines Sachverständigen rügte, bezog er sich dabei auf den „Wert" der von ihm erbrachten Leistungen; darauf kommt es jedoch nicht an. Das Ausmaß der festgestellten, vom Beklagten dem Kläger gegenüber erbrachten Tätigkeiten und Leistungen, die diesem eine Fremdpflege gerade nicht ersparten, übersteigt insgesamt die vom Beklagten als Kind unentgeltlich zu erbringenden Beistandsleistungen nach § 137 Abs 2 ABGB nicht. Zu 3.4. wurde dargelegt, dass unter anderem als von der Beistandspflicht erfasst die Rücksichtnahme auf eine Krankheit des anderen, der Zuspruch von Trost in Krisenzeiten, die Erbringung kleinerer Arbeitsleistungen für den anderen wie etwa Rasenmähen, Schneeräumung oder die Beförderung mit dem Kraftfahrzeug zu notwendigen Terminen angesehen werden. Dazu gehören im vorliegenden Fall auch die Organisation und Koordinierung der Betreuung des Klägers und seiner ärztlichen Versorgung sowie dessen tageweise Betreuung bei Abwesenheit der professionellen Pflegekräfte. Die vom Beklagten mit der Begründung geltend gemachte Gegenforderung, er habe Pflegeleistungen über seine Beistandspflicht hinaus erbracht, besteht daher nicht zu Recht.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Ein Streitgenossenzuschlag steht dem Kläger gemäß § 15 RATG nicht zu, weil der Nebenintervenient auf seiner Seite dem Verfahren beigetreten ist.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)