OGH 1Ob226/19w

OGH1Ob226/19w21.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P* N* (vormals C*), *, vertreten durch die Stolitzka & Partner Rechtsanwälte OG, Wien, gegen die beklagte Partei J* L*, vertreten durch die Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen Löschung einer Grundbuchseintragung und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. Oktober 2019, GZ 1 R 118/19s‑52, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom (richtig) 28. Mai 2019, GZ 18 Cg 40/18h‑45, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127464

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach den Feststellungen verkaufte der Kläger dem Beklagten eine in Österreich gelegene Liegenschaft nur zum Schein und zum Zweck, diese dem Zugriff deutscher Strafverfolgungsbehörden zu entziehen. Dies war der Grund, warum der Beklagte den Kaufpreis nicht aus seinem Vermögen aufwendete, sondern dafür Geld aus dem Vermögen des Klägers herangezogen wurde. Der Geldbetrag wurde durch Vermögensumstrukturierungen vom wirtschaftlichen Einflussbereich des Klägers in jenen eines vormals mit ihm befreundeten Dritten umgeschichtet, der dann dem Beklagten zum Ankauf der Liegenschaft – zum Schein – (mündlich) ein Darlehen einräumte und den vollständigen Kaufpreis (stammend aus dem Vermögen des Klägers) zur Verfügung stellte.

Ob die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung zutrifft, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüfen. Ein Mangel des Berufungsverfahrens läge in diesem Zusammenhang nur vor, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge überhaupt nicht (RIS‑Justiz RS0043371) oder nur so mangelhaft befasst hätte, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind (RS0043371 [T13]; RS0043150). Das Berufungsgericht hielt die eingehende Beweiswürdigung des Erstgerichts mit umfangreichen eigenen Ausführungen für nachvollziehbar und plausibel, sodass der behauptete Verfahrensmangel nicht vorliegt.

2. Unberechtigt ist auch der Vorwurf, die Entscheidung sei auf überschießende Feststellungen zu einem Scheingeschäft der Parteien gestützt worden, haben doch die Gerichte alle relevanten Umstände festzustellen und zu berücksichtigen, die in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes fallen (RS0040318). Der Kläger hat sich – worauf bereits das Berufungsgericht ohne Fehlbeurteilung verwies – ausdrücklich auf ein Scheingeschäft berufen und dazu auch ausreichendes Vorbringen erstattet. Er brachte vor, der Beklagte habe sich einverstanden erklärt, die Liegenschaft „anzukaufen“, und der Kaufvertrag habe einzig dem Zweck gedient, die Liegenschaft einem allfälligen Zugriff durch deutsche Strafverfolgungsbehörden zu entziehen; der Kaufpreis sei mit vom Kläger zur Verfügung gestellten Geldmitteln bezahlt worden. Damit hat er zweifellos vorgebracht, dass die Parteien nicht beabsichtigten, einen „echten“ Kaufvertrag mit den damit verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen abzuschließen.

3. Ob im Hinblick auf den Inhalt einer Prozessbehauptung eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht bzw wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0042828). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe seine Zug‑um‑Zug‑Einrede im erstinstanzlichen Verfahren zwar auf den Kaufpreis, nicht aber auf (seit der Übergabe der Liegenschaft) von ihm gezahlte Betriebskosten von 58.556 EUR gestützt, ist eine Auslegung des Vorbringens im Einzelfall und begründet im Allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0044273 [insbesondere T41, T43, T47, T49]). Mit seinen weitwendigen Ausführungen in der Revision vermag der Beklagte nicht schlüssig darzulegen, dass er die Zug‑um‑Zug‑Einrede gerade auch auf gezahlte Betriebskosten gestützt hätte.

4.1. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, der Beklagte habe sich in der Berufung nicht gegen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts gewandt, wonach die Willenserklärungen bezüglich des Kaufvertrags nur zum Schein abgegeben worden seien, weshalb der Vertrag gemäß § 916 Abs 1 ABGB unwirksam sei, und auch nicht gegen die Nichtigkeit des [wie immer zu qualifizierenden] Erwerbstitels für die Eigentumsübertragung. Diese Beurteilung wird im Rechtsmittel nicht in Zweifel gezogen. Eine in einem selbständigen Streitpunkt unterbliebene Rechtsrüge kann aber in der Revision nicht nachgetragen werden (RS0043480 [T22]).

4.2. Ausgehend von der Beurteilung als nichtiges (Schein-)Geschäft richtet sich die Rückführung der daraufhin erbrachten Leistung grundsätzlich nach § 877 ABGB (ausdrücklich zum Scheingeschäft etwa 1 Ob 241/69 = SZ 43/38; Gschnitzer in Klang IV/12 155 und 421; Rummel in Rummel/Lukas 4 § 877 ABGB Rz 1, § 916 ABGB Rz 7; Pletzer in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 877 Rz 11; Riedler in Schwimann/Kodek 4§ 877 ABGB Rz 1). Demnach hat jeder Teil alles zurückzustellen, was er aus einem solchen Vertrag zu seinem Vorteil erhalten hat. Stehen beiden Teilen Rückforderungsansprüche zu, so brauchen diese nur Zug um Zug erfüllt zu werden (RS0016321).

Inhalt und Umfang des Anspruchs nach § 877 ABGB richten sich nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (RS0016361 [T4, T5]). Leistungskondiktionen dienen der Rückgängigmachung ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen, die in einer Leistung bestehen. Sie setzen daher eine Leistung des Verkürzten an den Bereicherten voraus. Als Leistung ist die zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens durch bewusste Zuwendung anzusehen (vgl RS0020192).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger nach diesen Grundsätzen nicht als Kondiktionsschuldner anzusehen ist, ist nicht zu beanstanden. Der Kaufpreis wurde vom Beklagten nicht aus seinem Vermögen aufgewendet. Vielmehr wurde hiefür Geld aus dem Vermögen des Klägers herangezogen und der Kaufpreis durch Vermögensumstrukturierungen von seinem wirtschaftlichen Einflussbereich in jenen eines Dritten umgeschichtet, der dem Beklagten zum Schein ein Darlehen zum Ankauf der Liegenschaft einräumte und so den vollen Kaufpreis aus dem Vermögen des Klägers zur Verfügung stellte. Der angebliche Darlehensbetrag, mit dem zum Schein durch Anweisung des Kaufpreises vom Konto des Beklagten bei einer Bank in H* an den Treuhänder die Tilgung der Kaufpreisschuld erfolgte, wurde durch die Auszahlung des restlichen Kaufpreises – nach Lastenfreistellung durch einen Anwalt als Treuhänder der Kaufvertragsabwicklung – dem Kläger ausbezahlt. Die Kaufpreisvaluta wurden „im Kreis geschickt“. Der Kläger hat den Kaufpreis aus eigenem Vermögen aufgebracht und – nach der im Kaufvertrag vorgesehenen Lastenfreistellung – zugezählt erhalten. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass bei dieser – ebenso zur Verschleierung des tatsächlichen wirtschaftlichen Eigentums an der Liegenschaft dienlichen – Konstruktion und Vorgehensweise der Kläger nicht bereichert sei und daher als Kondiktionsschuldner des Kaufpreises nicht in Betracht komme, und die Kaufpreiszahlung tatsächlich nicht aus Mitteln des Beklagten erfolgt sei, weshalb diesem ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch in Höhe der Kaufpreisschuld gegenüber dem Kläger nicht zustehe, ist unbedenklich, zumal aus den Feststellungen zu den Scheingeschäften auch folgt, dass der Beklagte aus dem „Darlehensvertrag“ keine Rückzahlung an den Dritten zu leisten hatte. Die Ausführungen des Beklagten übergehen, dass er im Rahmen des Scheingeschäfts keine Leistung an den Kläger erbrachte, weil der Kaufpreis aus dessen Vermögen stammte und es damit nicht zu einer Vermehrung fremden Vermögens kam, sondern nur eigenes Vermögen des Klägers umgeschichtet wurde.

Von den Tatsacheninstanzen wurden ausreichende Feststellungen zur Beurteilung des fehlenden Bereicherungsanspruchs des Beklagten getroffen, sodass die behaupteten sekundären Feststellungsmängel nicht vorliegen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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