European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00166.22P.0830.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:
„1. Der Unterlassungsauftrag vom 25. 8. 2021 wird in nachstehendem Umfang aufrecht erhalten.
Die beklagte Partei ist schuldig, die weitere Verbreitung nachstehender wort- und sinngleicher Inhalte des Accounts 'f*' im elektronischen Kommunikationsnetz I*, insbesondere mit der URL *, mit weltweiter Wirkung zu unterlassen und/oder zu beseitigen, und zwar:
a.) zu behaupten, der Kläger würde seinen Sohn zu einem Mörder erziehen, sei ein 'Bruchpilot', leide an einer Gehirnkrankheit ('Wahnvorstellungen') und sei ein potentieller Selbstmordpilot;
b.) zu behaupten, der Kläger sei ein Hooligan‑Rapper, der die Justiz getäuscht habe; der Kläger habe Medien, Arbeitgeber und Behörden hinters Licht geführt;
c.) zu behaupten, der Kläger habe seinem Bruder R* B* gedroht, ihn unter falschen Anschuldigungen inhaftieren zu lassen;
d.) zu behaupten, durch eine Zeugenaussage sei eine Drogeneinnahme des Klägers bewiesen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die weitere Verbreitung nachstehender wort- und sinngleicher Inhalte des Accounts 'f*' im elektronischen Kommunikationsnetz I*, insbesondere mit der URL *, mit weltweiter Wirkung zu unterlassen und/oder zu beseitigen, und zwar:
den Kläger namentlich ('Spitzname: A*'; ('A* B*')) in die Nähe des Germanwings Selbstmordpiloten L* zu rücken; den Kläger als Teufel zu skizzieren oder darzustellen; E-Mails des Klägers zu veröffentlichen; Fotos zeigend den Kläger zu veröffentlichen, die aus dem Zusammenhang gerissen seien,
wird abgewiesen und der Unterlassungsauftrag vom 25. 8. 2021 in diesem Umfang aufgehoben.
3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 611,68 EUR (darin enthalten 89,28 EUR an Umsatzsteuer und 76 EUR an Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
II. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 665,63 EUR (darin enthalten 68,49 EUR an Umsatzsteuer und 254,67 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Beklagte mit Sitz in D* (Irland) betreibt unter der URL * für Österreich zuständig den Onlinedienst „I*“ und hat die Möglichkeit, den Zugriff von Nutzern des Onlinedienstes „I*“ oder dessen Nutzung durch Dritte zu ändern, zu sperren oder zu kündigen. Der in S* wohnhafte Kläger, dessen Sohn F* heißt, ist als First Officer (Co-Pilot) bei einer inländischen Fluglinie tätig. Sein Spitzname lautet „A*“. Er war vor seiner Arbeit als Pilot als Fußballprofi tätig. Er ist der einzige Pilot, der bei dieser Fluglinie tätig ist und früher professioneller Fußballspieler war, und er war auch der einzige Fußballprofi mit dem Namen A* B*. Unter dem Künstlernamen „S*“ hat er vor Jahren ein Lied mit dem Titel „E*“ aufgenommen, welches von seinem Bruder R* B* veröffentlicht wurde. Der Kläger ist unter dem Namen „S*“ nicht allgemein bekannt.
[2] R* B* hat beim von der Beklagten betriebenen Onlinedienst unter der Adresse * und dem Nutzernamen „f*“ einen Account eingerichtet. Er wurde mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 30. 7. 2020 zu 5 Cg 53/19x rechtskräftig verurteilt, gegenüber dem Kläger verschiedene, im Einzelnen festgestellte Behauptungen zu unterlassen; diesbezüglich ist ein Exekutionsverfahren anhängig. Weiters wurde ihm mit Beschluss des Landesgerichts Wels vom 1. 10. 2018 zu 11 Hv 117/18x im Zusammenhang mit einer Verurteilung wegen gefährlicher Drohung auch zum Nachteil des Klägers eine Weisung unter anderem mit dem Inhalt erteilt, zur Familie des Klägers persönliche Kontakte per Telefon, WhatsApp, Facebook, E‑Mails oder auf sonstige Weise zu vermeiden. Die Dauer der Weisung wurde aufgrund einer Strafanzeige des Klägers gegen R* B* unter Zugrundelegung der gegenständlichen Inhalte des Accounts „f*“ verlängert.
[3] Von R* B* aufgestellte Behauptungen führten dazu, dass der Kläger von seinem Arbeitgeber für rund einen Monat außer Dienst gestellt wurde, wobei dies vor Abrufbarkeit des Accounts geschah.
[4] Das Erstgericht stellte auf den Urteilsseiten 7 bis 52 im Einzelnen abgebildete, jedenfalls ab 16. 12. 2020 abrufbare Postings (Bilder, Kommentare und Texte) des Accounts des R* B* fest, darunter jene der Beilage ./L. Das Bild mit dem Text „Making a Child Murderer“ (Beil ./L, 3) zeigt kein Bild des Klägers. Die teilweise vorhandene Abbildung des Kopfes eines Kindes mit dem Text „F*“ zeigt nicht den Sohn des Klägers, sondern den Teil eines Kindheitsfotos des R* B*. Auf dem Bild mit drei Flugzeugen, eines gänzlich und zwei teilweise zeigend (Beil ./D), war der Text „Spitznamen A* (A* B*)“ nicht vorhanden und war somit nicht Inhalt des Accounts. Am 18. 8. 2021 hatte der Account 1.685 Abonnenten.
[5] Der Account-Inhalt führte dazu, dass der Kläger von Freunden und Arbeitskollegen, nicht aber von Flugpassagieren darauf angesprochen wurde, dies mit dem Hinweis, dass er quasi als fluguntauglich hingestellt werde. Wenn er als Pilot im Einsatz ist, erfolgt seinerseits – für die Passagiere verständlich – die Nennung seines Namens.
[6] Auf ein (im einzelnen festgestelltes) begründetes Aufforderungsschreiben des nunmehrigen Klagevertreters, den Account zu löschen, teilte die Beklagte mit, dass das Konto nicht gelöscht werde, weil es nicht gegen die Gemeinschaftsrichtlinien der Beklagten verstoße.
[7] Nach Erlassung des gegenständlichen Unterlassungsauftrags wurde seitens der Beklagten R* B*s Account „f*“ in Österreich geogeblockt. Ein Zugriff von einem Rechner mit einer österreichischen IP-Adresse ist seither nicht mehr möglich.
[8] Der Kläger beantragte, einen Unterlassungsauftrag gemäß § 549 ZPO zu erlassen, wonach der Beklagten aufgetragen werde,
„die weitere Verbreitung nachstehender wort- und sinngleicher Inhalte des Accounts 'f*' im elektronischen Kommunikationsnetz I*, insbesondere mit der URL *, mit weltweiter Wirkung zu unterlassen und/oder zu beseitigen und zwar:
a.) der Kläger würde seinen Sohn zu einem Mörder erziehen, sei ein 'Bruchpilot', leide an einer Gehirnkrankheit ('Wahnvorstellungen'), wäre ein potentieller Selbstmordpilot und rücke ihn namentlich ('Spitzname: A*'; ('A* B*')) in die Nähe des Germanwings Selbstmordpiloten L* durch Texte und Bilder,
b.) den Kläger als Teufel zu skizzieren oder darzustellen oder zu behaupten, der Kläger sei ein Hooligan-Rapper, der die Justiz getäuscht hätte; der Kläger hätte Medien, Arbeitgeber und Behörden hinters Licht geführt,
c.) E-Mails des Klägers zu veröffentlichen, Fotos zeigend den Kläger zu veröffentlichen, die aus dem Zusammenhang gerissen seien, und zu behaupten, der Kläger hätte seinen Bruder R* B* gedroht, ihn unter falschen Anschuldigungen inhaftieren zu lassen,
d.) zu behaupten, durch eine Zeugenaussage wäre eine Drogeneinnahme des Klägers bewiesen,
wie im einzelnen auf der Sammelbeilage ./L wiedergegeben, die einen untrennbaren verbundenen Bestandteil des Unterlassungsauftrages bildet.“
[9] Der Kläger brachte vor, er habe am 16. 12. 2020 festgestellt, dass sein Bruder R* B* auf „I*“ unter * mit dem Nutzernamen „f*“ eine Hassseite eingerichtet habe, um den Kläger, dessen minderjährigen Sohn F* sowie die ihn verurteilende österreichische Justiz zu verunglimpfen. R* B* sei bereits mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 30. 7. 2020 zu 5 Cg 53/19x verurteilt worden, es unter anderem zu unterlassen, die Behauptung aufzustellen, der Kläger habe Aussagen im Zusammenhang mit dem Selbstmord des Germanwings-Piloten A* L* getätigt, wonach er und seine Lebensgefährtin bzw jetzige Ehefrau ihrem Leben gemeinsam ein Ende setzen könnten oder würden, wobei der Kläger sich auch vorstellen könne, dabei Hunderte mit in den Tod zu reißen. Eine diesbezügliche Exekutionsführung gegen R* B* habe nicht zur Entfernung der angeführten Hassseite geführt. Dieser verunglimpfe durch die Seite auch den Kläger gegenüber seinem Arbeitgeber. Der betreffende Hass‑Account werde immer umfangreicher und habe per 18. 8. 2021 1.735 Abonnenten und 6.100 Follower. Die Aufforderung des Klägers vom 23. 12. 2020 zur Löschung der Einträge sei von der Beklagten abgelehnt worden. Durch eine einfache G*-Suche sei es für Dritte leicht möglich gewesen, anhand der im Account beinhalteten Begriffe wie der Fluglinie oder Fußballspieler den Kläger zu identifizieren.
[10] Die Beklagte wendete die sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichts ein und hielt dem Begehren – soweit im Revisionsverfahren von Relevanz – entgegen, der gegenständliche Rechtsstreit sei nach irischem Recht zu beurteilen und sei im Übrigen auch nach österreichischem Recht keine hinreichende Abmahnung erfolgt, weil keine erfolgte Persönlichkeitsverletzung des Klägers aufgezeigt worden sei. Vielmehr würden sich diese auf einen ganzen I*-Account beziehen, der 120 Postings enthalte, deren Bilder sich nicht offenkundig auf den Kläger beziehen würden. Trotz ihrer Einwendungen gegen den Unterlassungsauftrag habe sie jedoch den I*-Account des R* B* (*) in Österreich geogeblockt und damit unzugänglich gemacht. Auch seien die Voraussetzungen des Mandatsverfahrens gemäß § 549 ZPO nicht erfüllt, seien die behaupteten Ansprüche anhand der Klagsangaben und diesbezüglicher Nachweise doch nicht hinreichend substanziiert bzw bestimmt. Zudem überschreite der Unterlassungsauftrag den zulässigen Inhalt gemäß § 549 ZPO und sei weder mit weltweiter Wirkung noch zeitlich unbeschränkt möglich.
[11] Das Erstgericht wies die Unzuständigkeitseinrede zurück. Es hob den zunächst erlassenen und vorläufig vollstreckbaren (§ 549 Abs 4 ZPO) Unterlassungsauftrag auf und wies das Klagebegehren ab. Infolge der gegen den Unterlassungsauftrag erhobenen Einwendungen sei zu prüfen, ob für den Dritten iSd § 20 Abs 3 ABGB das Vorliegen einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte objektiv erkennbar sei, wobei dem Inhalt der Abmahnung Bedeutung zukomme, werde dem Dritten damit doch erstmals der behauptete Sachverhalt als mittelbarer Störer bekannt. Die objektive Erkennbarkeit könne aufgrund einer individuellen namentlichen Nennung einer Person und einer damit verbundenen bildlichen Darstellung vorliegen. Gegenständlich könnten aber weder der Inhalt des Aufforderungsschreibens nach § 20 Abs 3 ABGB noch die aufgezeigten Inhalte des Accounts „f*“ der Person des Klägers hinreichend eindeutig und bestimmt zugeordnet werden. Es fehle an einer für die Beklagte objektiv erkennbaren, hinreichenden Zuordnungsmöglichkeit dahingehend, dass die im Unterlassungsauftrag enthaltenen Behauptungen und Darstellungen die Person des Klägers betreffen würden. Die Verwendung des Spitznamens „A*“ stelle aufgrund seiner allgemeinen Gebräuchlichkeit kein hinreichendes Merkmal für eine Zuordnungsmöglichkeit an den Kläger dar. Im Account sei der Name des Klägers nicht genannt worden. Die Verwendung einer bildlichen Darstellung des Klägers als abrufbarer Inhalt des Accounts im Zusammenhang mit dessen textlichen Inhalten habe sich aus dem Beweisverfahren im Umfang der vorliegenden Behauptungen nicht ergeben.
[12] Das Berufungsgerichtbestätigte diese Entscheidung. Rechtlich folgerte es, neben den allgemeinen müssten besondere Prozessvoraussetzungen vorliegen, damit der gegenständliche Unterlassungsanspruch im Mandatsverfahren geltend gemacht werden könne. Durch das Erheben von Einwendungen werde das ordentliche Verfahren über die Klage eingeleitet, in dem auch eine Klagsänderung dahingehend zulässig sei, dass Ansprüche, die nicht im Rahmen des Mandatsverfahrens gemäß § 549 Abs 1 ZPO geltend gemacht werden konnten, releviert werden. Aus dem klägerischen Vorbringen werde aber deutlich, dass lediglich Ansprüche gegen die Beklagte als Host-Provider nach dem neuen Mandatsverfahren geltend gemacht würden. Die Abbildungen und Texte des Accounts stellten keinen hinreichenden Bezug zur Person des Klägers dar und könnten die im Klagebegehren angeführten Inhalte hieraus nicht abgeleitet werden, weshalb der vom Kläger zu führende Nachweis einer erheblichen, eine natürliche Person in ihrer Menschenwürde beeinträchtigenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten im elektronischen Kommunikationsnetz der Beklagten misslungen sei. Es reiche im Lichte der geforderten gravierenden Rechtsverletzungen nicht aus, dass Freunde und Arbeitskollegen den Bezug zum Streit zwischen den Brüdern herstellen haben können.
[13] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil es zur Rechtsverfolgung nach dem Hass‑im‑Netz‑Bekämpfungsgesetz BGBl I 2020/148 (HiNBG) keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe und die Rechtsfragen, wie das Verfahren abzuwickeln sei, insbesondere nachdem Einwendungen gegen den Unterlassungsauftrag erhoben wurden, wann eine erhebliche, eine natürliche Person in ihrer Menschenwürde beeinträchtigende Verletzung von Persönlichkeitsrechten bei bildlichen Darstellungen in einem elektronischen Kommunikationsnetz vorliege und wie der Inhalt des Unterlassungsauftrags durch einen Nachweis aus dem elektronischen Kommunikationsnetz abzuleiten sei, solche von erheblicher Bedeutung seien.
Rechtliche Beurteilung
[14] Die dagegen gerichtete Revision des Klägers ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig. Sie ist auch teilweise berechtigt.
[15] 1. Ob die Voraussetzungen für einen Unterlassungsauftrag nach § 549 Abs 1 ZPO vorlagen, ist für die Sachentscheidung im ordentlichen Verfahren nicht relevant:
[16] 1.1. Will eine natürliche Person im Mandatsverfahren nach § 549 ZPO einen Antrag auf Erlassung eines Unterlassungsauftrags stellen, muss sie eine erhebliche, sie in ihrer Menschenwürde beeinträchtigende Verletzung von Persönlichkeitsrechten in einem elektronischen Kommunikationsnetz geltend machen und der Klage einen Nachweis aus dem elektronischen Kommunikationsnetz anschließen. Der Unterlassungsauftrag ist zu erlassen, wenn sich der behauptete Anspruch aus den Angaben in der Klage schlüssig ableiten lässt (§ 549 Abs 1 ZPO).
[17] 1.2. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, etwa mangels Geltendmachung einer erheblichen, eine natürliche Person in ihrer Menschenwürde beeinträchtigenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten, ist der Antrag auf Erlassung eines Unterlassungsauftrags abzuweisen und in der Regel das ordentliche Verfahren über den geltend gemachten Unterlassungsanspruch einzuleiten (§ 549 Abs 3 ZPO iVm § 556 Abs 5 ZPO; Mokrejs‑Weinhappel, Zivilprozessuale Maßnahmen zur Bekämpfung von „Hass im Netz“, ÖJZ 2021/7, 53 [59]; vgl A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 556 Rz 7; Klicka in Fasching/Konecny, ZPO³ § 556 Rz 3 und Rz 9). Werden gegen die Erlassung eines Unterlassungsauftrags Einwendungen erhoben, so ist gemäß § 549 Abs 5 iVm § 557 Abs 3 ZPO ebenfalls das ordentliche Verfahren durchzuführen und über den Anspruch mit Urteil zu entscheiden (Mokrejs-Weinhappel, ÖJZ 2021/7, 53 [62]).
[18] 1.3. Gemäß § 549 Abs 3 ZPO iVm § 558 ZPO ist im ordentlichen Verfahren mit Urteil zu entscheiden. Darin ist auszusprechen, ob der gegen die beklagte Partei erlassene Unterlassungsauftrag aufrecht erhalten bleibe oder ob und inwiefern derselbe aufgehoben werde, und auch über die meritorische Berechtigung des Unterlassungsbegehrens zu erkennen (vgl zum Wechselzahlungsauftrag A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 558 Rz 3; Höllwerth in Höllwerth/Ziehensack, ZPO § 558 Rz 6; Klicka in Fasching/Konecny, ZPO³ § 558 Rz 4).
[19] Schon zum Wechselmandatsverfahren wurde judiziert, dass bei Berechtigung des Anspruchs, aber Fehlen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrags neben der Verurteilung des Beklagten zur Leistung auch der Wechselzahlungsauftrag aufrecht zu erhalten ist (vgl 8 Ob 77/05i; 4 Ob 514/71; A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 558 Rz 2; Höllwerth in Höllwerth/Ziehensack, ZPO § 558 Rz 4; aM Klicka in Fasching/Konecny, ZPO³ § 558 Rz 4). Denn der Unterlassungsauftrag ist nur eine vorweggenommene Entscheidung über den aufgrund der Einwendungen im ordentlichen Verfahren zu beurteilenden Anspruch (vgl 8 Ob 77/05i). Dies gilt auch für das am Wechselmandatsverfahren orientierte (ErläutRV 481 BlgNR 27. GP 10) Mandatsverfahren nach § 549 ZPO. Kommt daher das Gericht zum Ergebnis, dass zwar die Voraussetzungen für die Erlassung des Unterlassungsauftrags gefehlt haben, wohl aber der Anspruch berechtigt ist, dann ist der Beklagte zur Unterlassung zu verurteilen. In einem solchen Fall ist auch der Unterlassungsauftrag aufrecht zu erhalten (aM Mokrejs-Weinhappel, ÖJZ 2021/7, 53 [62]).
[20] 1.4. Für die Sachentscheidung im ordentlichen Verfahren ist daher nicht mehr relevant, ob eine erhebliche, eine natürliche Person in ihrer Menschenwürde beeinträchtigende Verletzung von Persönlichkeitsrechten iSd § 549 Abs 1 ZPO vorliegt. Die Klage ist betreffend die materielle Anspruchsberechtigung vielmehr als „gewöhnliche“ Unterlassungsklage zu behandeln (vgl Schoditsch, Die Erheblichkeitsschwelle des § 549 ZPO, ÖJZ 2022/107, 913 [914]; idS auch Mokrejs-Weinhappel, ÖJZ 2021/7, 53 [62]).
[21] 1.5. Damit kann im vorliegenden Fall offen bleiben, ob die geltend gemachten Rechtsverletzungen erhebliche, den Kläger in seiner Menschenwürde beeinträchtigende Verletzungen von Persönlichkeitsrechten iSd § 549 Abs 1 ZPO darstellen.
[22] 2. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nach österreichischem Recht zu beurteilen:
[23] 2.1. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Host‑Provider iSd § 16 ECG mit dem Sitz in Irland, was nicht mehr strittig ist.
[24] 2.2. Gemäß Art 3 Abs 2 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (E‑Commerce-RL; § 20 ECG), dürfen die Mitgliedstaaten den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen („Herkunftslandprinzip“). Im koordinierten Bereich stellt Art 3 der E-Commerce-RL – vorbehaltlich der dort genannten Ausnahmen – das grundsätzliche Verbot auf, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das im Sitzmitgliedstaat dieses Anbieters – hier Irland – geltende Sachrecht vorsieht (EuGH 25. 10. 2011, verb Rs C‑509/09 und C‑161/10 , eDate Advertising ua, Rz 63‑68). Gemäß ErwGr 22 der E-Commerce-RL dient dies nicht nur dem freien Dienstleistungsverkehr, sondern auch der Rechtssicherheit für Anbieter und Nutzer. In den koordinierten Bereich fallen gemäß Art 2 lit h sublit i der E-Commerce-RL (bzw § 3 Z 8 ECG) grundsätzlich auch Anforderungen betreffend die (rechtliche) Verantwortlichkeit des Diensteanbieters (6 Ob 180/21w [ErwGr 2.1.2.]), somit auch eine einen Host-Provider treffende Verpflichtung zur Unterlassung der Verbreitung von Persönlichkeitsrechte verletzenden Inhalten.
[25] 2.3. Das Herkunftslandprinzip gilt aber nicht unbeschränkt. Neben den in § 21 ECG (Art 3 Abs 3 iVm dem Anhang der E-Commerce-RL) genannten Bereichsausnahmen können Gerichte auch gemäß § 22 ECG (in Umsetzung des Art 3 Abs 4 der E-Commerce-RL) im Einzelfall zum Schutz taxativ genannter Rechtsgüter und unter Wahrungdes Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abweichend vom Herkunftslandprinzip Maßnahmen treffen (7 Ob 189/11m; 6 Ob 180/21w), dies unter anderem zum Schutz der Würde einzelner Menschen (§ 22 Abs 2 Z 2 ECG entsprechend Art 3 Abs 4 lit a sublit i der E-Commerce-RL). Die Materialien führen hierzu explizit aus, dass § 22 Abs 2 Z 2 ECG den Schutz bestimmter Persönlichkeitsrechte natürlicher Personen (§ 16 ABGB) umfasst: „Die Regelung betrifft auch 'Maßnahmen' zum Schutz der Ehre (vgl. die §§ 7 ff. Mediengesetz sowie § 1330 ABGB), sofern natürliche Personen geschützt werden sollen. Ein Zivilgericht kann etwa in einem Rechtsstreit wegen Ehrenbeleidigung vom Herkunftslandprinzip abweichen und die Angelegenheit – unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 des Entwurfs – nach den Bestimmungen des § 1330 ABGB beurteilen“ (ErläutRV 817 BlgNR 21. GP 48).
[26] 2.4. Die E-Commerce-RL beeinträchtigt die nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten den zuständigen Behörden oder Gerichten zustehende Möglichkeit, von einem Provider das Abstellen oder Verhindern einer Rechtsverletzung zu verlangen, grundsätzlich nicht (vgl Art 12 Abs 3, Art 13 Abs 2 und Art 14 Abs 3 der E‑Commerce-RL). Von den in der Richtlinie festgelegten Haftungsprivilegien werden behördliche (bzw gerichtliche) Anordnungen zur Sperre des Zugangs oder zur Entfernung von Inhalten sowie nach dem jeweils anwendbaren Recht bestehende Unterlassungsansprüche ausdrücklich ausgenommen (Ciresa in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 19 ECG Rz 2 und Rz 9 f). Die Voraussetzungen und die Modalitäten solcher gerichtlicher Verfügungen bestimmen sich nach nationalem Recht (vgl EuGH C‑18/18 Rn 24 f [Glawischnig‑Piesczek gegen Facebook]). Allerdings haben die Mitgliedstaaten beim Erlass dieser Regelungen die sich aus dem Unionsrecht, insbesondere der E-Commerce-RL, ergebenden Anforderungen zu beachten. Dem entsprechen die Regelungen des § 19 Abs 1 und § 22 ECG.
[27] Daher ist im vorliegenden Fall zunächst zu beurteilen, ob der in § 22 Abs 2 Z 2 ECG genannte Fall vorliegt, der ein Abweichen vom Herkunftslandprinzip des § 20 Abs 1 ECG rechtfertigt.
2.5. Verletzung der Ehre als Eingriff in die Würde des Menschen:
[28] 2.5.1. Dass eine Verletzung des Rufs und der Ehre eines Menschen eine Verletzung dessen Würde bedeuten kann, ist nicht zweifelhaft (ErläutRV 817 BlgNR 21. GP 48 [zum ECG]; Aicher in Rummel ABGB4 § 16 Rz 22). Auch der EuGH anerkannte als Ziel einer Verfügung iSd Art 18 Abs 1 der E-Commerce-RL, den Ruf und die Ehre einer Person wirksam zu schützen und den Schutz der von diffamierenden Äußerungen betroffenen Person sicherzustellen (EuGH C‑18/18 Rn 44 und 46). Dabei soll die E-Commerce-RL nach deren ErwGr 10 in den Bereichen, in denen ein Handeln auf Gemeinschaftsebene geboten ist, ein hohes Schutzniveau (auch) für den Schutz der Menschenwürde gewährleisten. Unter Berücksichtigung dieses angestrebten hohen Schutzniveaus und des Umstands, dass die Achtung der Menschenwürde einen wichtigen Grundbaustein der Werte der Union darstellt (Art 2 EUV; Art 1 GRC; vgl Rn 31 der Schlussanträge GA Pitruzella zu C‑460/20 [TU und RE gegen Google LLC], wonach schon die Verbreitung einer unrichtigen Information über eine Person im Internet eine schwerwiegende Beeinträchtigung seiner Würde darstelle), ist diesbezüglich kein strenger Maßstab anzulegen.
[29] 2.5.2. Jedenfalls als ausreichend sinddiesbezüglich Ehrverletzungen anzusehen, die den Kernbereich der Persönlichkeitsrechte betreffen (Klicka, Der örtliche Wirkungsbereich gerichtlicher Löschungsanordnungen im Lichte der E des EuGH C‑18/18 , Glawischnig‑Piesczek/Facebook Ireland, MR 2019, 270 [273]; vgl auch Zöchbauer MR 2014, 290 [292, Glosse]; vgl zu § 549 ZPO: Schoditsch, Die Erheblichkeitsschwelle des § 549 ZPO, ÖJZ 2022/107, 913 [914 f]). Dazu gehören die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie (RS0122148).
[30] Ob die Voraussetzungen vorliegen, dass ein innerstaatliches Gericht gemäß § 22 Abs 1 und Abs 2 Z 2 ECG aufgrund einer Verletzung des Rufs und der Ehre eines Menschen zu dessen Schutz vom Herkunftslandprinzip des § 20 Abs 1 ECG zum Schutz der Würde abweicht, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
[31] 2.5.3. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im konkreten Fall erfolgten mehrere gegen die Ehre des Klägers gerichtete Äußerungen des selben Täters in dem selben Account des von der Beklagten betriebenen Onlinedienstes. Diese standen miteinander in Zusammenhang, wobei durch die Äußerungen, der Kläger erziehe seinen Sohn zum Mörder, habe eine Gehirnkrankheit samt Wahnvorstellungen und sei ein potentieller Selbstmordpilot, das Familienleben und der Gesundheitszustand des Klägers betroffen waren (dazu unten Punkt 5.1.). Dazu kommen die weiteren hier untersagten Äußerungen, die in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen. Damit lag nach dem Gesamtbild des Eingriffs eine Verletzung der Würde des Klägers vor. Um iSd § 22 Abs 1 und Abs 2 Z 2 ECG einen wirksamen Schutz der Würde des Klägers zu gewährleisten, sind im vorliegenden Fall alle Äußerungen nach dem selben Sachrecht zu beurteilen.
[32] 2.6. Ob die Untersagung der Veröffentlichung konkreter rechtswidriger Äußerungen in einem angemessenen Verhältnis zu den damit verfolgten Zielen steht, also erforderlich und verhältnismäßig ist (§ 22 Abs 1 ECG), muss nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (vgl RS0121910). Im Hinblick auf den erörterten hohen Wert des zu schützenden Guts der Würde des Klägers liegen hier auch diese Voraussetzungen vor.
[33] 2.7. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist auf Ansprüche wegen ehrverletzender und/oder rufschädigender Äußerungen (die Rom II-VO findet im Hinblick auf deren Art 1 Abs 2 lit g keine Anwendung) nach dem anzuwendenden § 48 Abs 2 IPRG (RS0121351) das Recht jenes Staats anzuwenden, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt wurde. Dabei hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass auch der Ort, an dem eine im Ausland hergestellte Druckschrift, Sendung oder dergleichen im Inland einlangt und dort ihre (rechtswidrige) Wirkung entfaltet, als Begehungsort anzusehen ist (4 Ob 89/92; 6 Ob 145/12k; 6 Ob 106/14b), wobei dies auch für eine Verbreitung im Internet gilt (6 Ob 26/16s [ErwGr 2.]; 6 Ob 106/14b). Sowohl der Kläger als auch dessen Bruder haben ihren Wohnsitz im Inland. Daher sind die geltend gemachten Ansprüche des Klägers nach österreichischem Recht zu beurteilen.
[34] 3. Eine ausreichende Abmahnung erfolgte spätestens durch das Vorbringen im gegenständlichen Verfahren:
[35] 3.1. Der Kläger nimmt die Beklagte als Host‑Providerin in Anspruch. Er stellt nicht in Abrede, dass dafür gemäß § 20 Abs 3 ABGB eine Abmahnung der Beklagten eine materiell‑rechtliche Anspruchsvoraussetzung darstellt (ErläutRV 481 BlgNR 27. GP 8 f; Pierer, Passivlegitimation bei Verletzungen von Persönlichkeitsrechten im Internet, ZIIR 2021, 292 [296]). Zweck dieser an die Bestimmung des § 81 Abs 1a UrhG angelehnten Abmahnung ist es, die erforderliche Kenntnis eines Diensteanbieters von der rechtswidrigen Information herzustellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, den Inhalt unverzüglich zu entfernen; reagiert der Diensteanbieter auf eine solche Mitteilung nicht, kann gerichtlich gegen ihn vorgegangen werden. Zur Auslegung dieser Bestimmung kann daher auf die zu § 81 UrhG ergangene Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden (ErläutRV 481 BlgNR 27. GP 8).
[36] 3.2. Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass nach der Rechtsprechung zu § 81 Abs 1a UrhG die Abmahnung durch entsprechendes Vorbringen in einem bereits anhängigen Verfahren ersetzt werden kann (RS0129808; ausführlich 4 Ob 140/14p). Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall des § 20 Abs 3 ABGB, was auch die Revisionsbeantwortung nicht bezweifelt. In diesem Fall entsteht dann ein Unterlassungsanspruch, wenn der Provider das beanstandete Verhalten fortsetzt oder das Vorliegen einer Rechtsverletzung bestreitet. Jedenfalls Letzteres liegt hier vor. Es wird noch darzulegen sein, dass der Kläger seinen Anspruch im Prozess – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch ausreichend dargelegt hat. Ob in der vorprozessualen Abmahnung durch den Kläger die hier nun klageweise geltend gemachten Rechtsverletzungen für die Beklagte ausreichend erkennbar waren, muss daher nicht beantwortet werden.
[37] 4. Der Kläger ist in den inkriminierten Postings ausreichend erkennbar:
[38] 4.1. Voraussetzung der Aktivlegitimation zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen Verletzung des § 1330 ABGB ist ein hinreichender Bezug des Äußerungsinhalts zu einer bestimmten Person, dem Betroffenen (6 Ob 162/10d; vgl RS0031766). Für die persönliche Betroffenheit des Einzelnen ist die Namensnennung nicht erforderlich. Es reicht aus, wenn die Identifizierbarkeit nur für einige mit dem Betroffenen im Kontakt stehende Personen besteht (6 Ob 173/11a; RS0067196 [T1]).
[39] 4.2. Von dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht in korrekturbedürftiger Weise abgewichen. Es wurde bereits dargelegt, dass für die Beurteilung des gegenständlichen Unterlassungsbegehrens im ordentlichen Verfahren (infolge Einspruchs gegen einen Unterlassungsauftrag nach § 549 Abs 1 ZPO) keine besonderen Anspruchsvoraussetzungen verwirklicht sein müssen.
[40] 4.3. Nach den Feststellungen gibt es keine weitere Person, die in Österreich zunächst Fußballprofi war und dann bei dieser Fluglinie Pilot. Der Kläger wurde durch Freunde und Arbeitskollegen auch tatsächlich identifiziert und auf den Account-Inhalt angesprochen.
[41] Eine hinreichende Identifizierbarkeit des Klägers liegt hier daher vor.
5. Zur inhaltlichen Beurteilung der einzelnen Unterlassungsbegehren:
[42] 5.1. Der ehrenrührige Vorwurf, der Kläger würde seinen (mit Vornamen genannten) Sohn zum Mörder erziehen, weil dieser bereits als Dreijähriger dazu herangezogen worden sei, dem Bruder des Klägers unter einem Vorwand die Existenz zu entziehen, in seinem Namen wäre Leid angerichtet worden (Beil ./L, 3), betrifft das Familienleben des Klägers als Teil des Kernbereichs seiner Persönlichkeitsrechte und ist hier weder einer den Eingriff rechtfertigenden Interessenabwägung zugänglich (RS0122148) noch einem Wahrheitsbeweis (Kissich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 1330 Rz 34). Überdies wurden zum Vorliegen eines diesbezüglichen Tatsachensubstrats weder Vorbringen noch Beweisanbote erstattet und folglich auch keine Feststellungen getroffen, was ebenfalls zulasten der beweispflichtigen Beklagten ausschlägt (vgl RS0031798).
[43] Der Vorwurf, der Kläger leide an einer Gehirnkrankheit samt Wahnvorstellungen aufgrund einer chronischen traumatischen Enzephalopathie und sei (deshalb) ein potentieller Selbstmordpilot (Beil ./L, 4 und 5), fußt auf dieser konkret genannten Tatsachengrundlage einer Erkrankung. Dieser Vorwurf betrifft die Gesundheit des Klägers als Teil des Kernbereichs seiner Persönlichkeitsrechte und ist ebenfalls weder einer den Eingriff rechtfertigenden Interessenabwägung zugänglich noch einem Wahrheitsbeweis (Kissich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 1330 Rz 34), der im Übrigen auch nicht angetreten wurde.
[44] 5.2. Betreffend die ehrverletzende Bezeichnung des Klägers als „Bruchpilot“ hat die Beklagte zum Vorliegen eines diesbezüglichen Tatsachensubstrats weder Vorbringen noch Beweisanbote erstattet und wurden folglich auch keine Feststellungen getroffen (zur Beweislast vgl RS0031798). Dieser wertenden Kritik fehlt somit die Basis eines konkreten und wahren Sachverhalts. Sie unterliegt daher als Beschimpfung dem Tatbild des § 1330 Abs 1 ABGB (6 Ob 135/20a [ErwGr 1.1.]; 6 Ob 285/01g).
[45] 5.3. Auch hinsichtlich der Äußerungen, der Kläger sei „ein Hooligan-Rapper, der die Justiz getäuscht hätte“, der Kläger habe Medien, Arbeitgeber und Behörden hinters Licht geführt (Beil ./L, 9 und 11), der Kläger habe gedroht, seinen Bruder unter falschen Anschuldigungen inhaftieren zu lassen (Beil ./L, 12), und durch eine Zeugenaussage sei eine Drogeneinnahme des Klägers bewiesen, hat die Beklagte zum Vorliegen eines diesbezüglichen wahren Tatsachenkerns weder Vorbringen noch Beweisanbote erstattet und somit den Wahrheitsbeweis nicht angetreten. Auch diese Vorwürfe sind (auch) ehrenrührig iSd § 1330 Abs 1 ABGB.
[46] 5.4. Betreffend eine Skizzierung oder Darstellung des Klägers als Teufel und der Veröffentlichung von den Kläger zeigenden Fotos stellte das Erstgericht jedoch fest, dass sich aus dem Beweisverfahren die „Verwendung einer bildlichen Darstellung“ des Klägers im Account nicht ergeben habe, was dahingehend zu verstehen ist, dass die darin enthaltenen Bilder nicht nachweislich den Kläger zeigen. Gegenteiliges lässt sich auch aus den Feststellungen zu den Wahrnehmungen von Freunden und Arbeitskollegen und den Ergebnissen einer G*-Suche nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat die diesbezügliche Beweisrüge des Klägers für nicht gesetzmäßig ausgeführt erachtet, wogegen die Revision keine inhaltlichen Argumente enthält. Damit ist in dritter Instanz von dieser Feststellung auszugehen. Soweit sich der Kläger gegen die Veröffentlichung seiner E-Mails wendet, ist den getroffenen Feststellungen (vgl Blg ./L, 10 und 11) ebenfalls nicht zu entnehmen, dass diese vom Kläger verfasst worden wären. Schon deshalb sind diesbezügliche Unterlassungsansprüche nicht berechtigt.
[47] 5.5. Gleiches gilt für eine „namentliche Annäherung“ des Klägers an den „Germanwings Selbstmordpiloten“, die den Postings mangels festgestellter Namensnennung nicht entnommen werden kann.
[48] 6. Die beantragte Erfassung sinngleicher Inhalte durch das Unterlassungsgebot ist zulässig:
[49] 6.1. In der Entscheidung C‑18/18 ( Glawischnig-Piesczek gegen Facebook) hat der EuGH ausgesprochen, dass die E-Commerce-RL, insbesondere deren Art 15 Abs 1, dem Gericht eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, einem Host-Provider aufzugeben, die von ihm gespeicherten Informationen, die einen sinngleichen Inhalt haben wie jene Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt wurden, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, sofern das Überwachen und das Nachforschen der von einer solchen Verfügung betroffenen Informationen auf solche Informationen beschränkt ist, die eine Aussage vermitteln, deren Inhalt im Vergleich zu dem Inhalt, der zur Feststellung der Rechtswidrigkeit geführt hat, im Wesentlichen unverändert geblieben ist, und sofern die Informationen die in der Verfügung genau bezeichneten Einzelheiten umfassen und die Unterschiede in der Formulierung dieses sinngleichen Inhalts im Vergleich zur Formulierung, die die zuvor für rechtswidrig erklärte Information ausmacht, nicht so geartet sind, dass sie den Host-Provider zwingen, eine autonome Beurteilung dieses Inhalts vorzunehmen (idS Rn 53).
[50] 6.2. Der Oberste Gerichtshof hat ausgehend von diesen Erwägungen des EuGH mittlerweile mehrfach und unter Auseinandersetzung mit dem Einwand beschränkter technologischer Möglichkeiten ausgesprochen, dass nach Art 15 Abs 1 der E-Commerce-RL (§ 18 Abs 1 ECG) für Access-Provider und Host-Provider zwar keine allgemeine Überwachungspflicht hinsichtlich der von ihnen übermittelten oder gespeicherten fremden Inhalte besteht. Sie dürfen nicht dazu verpflichtet werden, von sich aus aktiv nach rechtswidrigen Inhalten zu suchen. Die Anordnung zielgerichteter Überwachungsmaßnahmen der nationalen Behörden und Gerichte ist aber zulässig. Dazu gehören insbesondere die Unterlassungsanordnungen der Zivilgerichte, die auch künftige Rechtsverletzungen und auch solche durch andere (dritte) Nutzer erfassen dürfen. Unterlassungsanordnungen können sich nicht nur auf den ursprünglichen rechtswidrigen Inhalt, sondern auch auf wortgleiche oder sinngleiche Inhalte beziehen. Sinngleiche Inhalte sind solche, die im Kern dem als rechtswidrig beurteilten Inhalt entsprechen. Die „Kern-Übereinstimmung“ muss sich dabei auf den ersten laienhaften Blick ergeben oder durch technische Mittel (zB eine Filtersoftware) feststellbar sein. Zudem müssen die für das Rechtswidrigkeitsurteil maßgebenden Kriterien in der Unterlassungsanordnung ausreichend bestimmt angegeben werden. Werden diese Grundsätze eingehalten, so ist die Unterlassungsanordnung ausreichend bestimmt und nicht überschießend und schafft für den Provider keine unverhältnismäßige Verpflichtung. Die abschließende Beurteilung, ob eine nach Titelerlassung erfolgte angebliche Verletzungshandlung vom Unterlassungstitel gedeckt ist oder nicht, hat letztlich im Rahmen des Exekutionsverfahrens bzw in einem daran anknüpfenden allfälligen Impugnationsverfahren zu erfolgen (4 Ob 36/20b; 6 Ob 195/19y).
[51] Daran ist festzuhalten. Die Revisionsbeantwortung zeigt auch keine Argumente auf, die Anlass gäben, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
[52] 6.3. Auch im vorliegenden Verfahren gibt das beantragte Unterlassungsgebot, soweit ihm nach den obigen Ausführungen Berechtigung zukommt, das von der Beklagten zu unterlassende Verhalten konkret an und verlangt keine autonome Beurteilung der Beklagten. Die Unterlassungsverfügung ist auch ausreichend bestimmt, macht den Inhalt des Rechtswidrigkeitsurteils unmissverständlich deutlich und ist nicht überschießend; sie schafft somit keine unverhältnismäßige Kontrollverpflichtung für die Beklagte.
[53] 7. Die Wirkung des Unterlassungsgebots ist nicht räumlich zu begrenzen:
[54] 7.1. Zur Frage der weltweiten Wirkung hat der EuGH in der Entscheidung C‑18/18 (Glawischnig‑Piesczek gegen Facebook) ausgesprochen, dass die E-Commerce-RL, insbesondere deren Art 15 Abs 1, einem Gericht eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, einem Host-Provider aufzugeben, im Rahmen des einschlägigen internationalen Rechts weltweit die von der Unterlassungsverfügung betroffenen Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren. Dazu verweist der EuGH darauf, dass grundsätzlich nicht angenommen werden kann, dass Unterlassungsmaßnahmen in ihrer Reichweite begrenzt sind, wenn es um ihre Durchführung geht, weil sie ausdrücklich „jede“ mutmaßliche Rechtsverletzung abstellen oder „jeden“ weiteren Schaden verhindern sollen (Rn 30 unter Hinweis auf andere Sprachfassungen des Art 18 Abs 1 der E‑Commerce‑RL). Die E-Commerce-RL sieht keine (auch räumliche) Beschränkung der Reichweite der zulässigen Untersagungsmaßnahmen vor (Rn 49). Aus den ErwGr 58 und 60 geht jedoch hervor, dass der Unionsgesetzgeber angesichts der globalen Dimension des elektronischen Geschäftsverkehrs von der Notwendigkeit ausging, dafür Sorge zu tragen, dass die Unionsvorschriften in diesem Bereich mit den internationalen Regeln im Einklang stehen (Rn 51). Es ist Sache der Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass die von ihnen erlassenen Maßnahmen, die weltweit Wirkung erzeugen sollen, diese Regeln gebührend berücksichtigen (Rn 52).
[55] 7.2. Demnach bejaht der EuGH die grundsätzliche Zulässigkeit weltweiter Unterlassungsanordnungen und geht davon aus, dass die E-Commerce-RL grundsätzlich eine solche weltweite Wirkung intendiert. Gleichzeitig legt der EuGH mit dem Einschub ,im Rahmen des einschlägigen internationalen Rechts‘ die Schranke für eine solche weltweite Anordnung fest. Dem Verweis des EuGH auf die ErwGr 58 und 60 der E-Commerce-RL kann der Inhalt dieser Schranke entnommen werden. Damit will der EuGH offenkundig zum Ausdruck bringen, dass die Bestimmungen der Richtlinie den auf internationaler Ebene geltenden Regeln entsprechen sollen. Dazu gehören vor allem die Regeln, die im Rahmen internationaler Übereinkommen, wie zB der WTO, der OECD oder der UNCITRAL, ausverhandelt wurden. Diese Schranke richtet sich in erster Linie an den Unionsgesetzgeber. Für die nationalen Behörden und Gerichte bedeutet dies naheliegend, dass sie im Rahmen ihrer Entscheidungen auf die jeweiligen international anerkannten Rechtsgrundsätze Bedacht zu nehmen haben (4 Ob 36/20b [ErwGr 5.2.]).
[56] 7.3. Anders als der urheberrechtliche Anspruch, so wie auch andere immaterialgüterrechtliche Ansprüche, die nicht weltumspannend ausgerichtet, sondern territorial begrenzt sind, ist der Schutz von Persönlichkeitsrechten grundsätzlich nicht territorial begrenzt (4 Ob 36/20b; 4 Ob 173/19y; vgl EuGH C-194/16 [Bolagsupplysningen]).
[57] 7.4. Bei Ansprüchen wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten richtet sich die internationale Zuständigkeit gemäß Art 7 Nr 2 EuGVVO nach den Kriterien, die der EuGH insbesondere in den Entscheidungen zu C‑509/09 (eDate Advertising) und C‑194/16 [Bolagsupplysningen] vorgegeben hat. Danach kann bei solchen Ansprüchen (als Streudelikte) der gesamte (materielle und immaterielle) Schaden entweder am Sitz des Beklagten oder in dem Mitgliedstaat geltend gemacht werden, in dem sich der Mittelpunkt der Interessen des Klägers befindet. Demgegenüber kann an jedem Veröffentlichungsort nur der jeweilige Teilschaden geltend gemacht werden (siehe dazu auch 4 Ob 181/18y und 4 Ob 173/19y). Der Gerichtsstand für Deliktsklagen ist weit zu verstehen und umfasst nicht nur Ansprüche auf Schadenersatz, sondern auch Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche (4 Ob 181/18y). In der Entscheidung C-194/16 (Bolagsupplysningen) sprach der EuGH (in einer Persönlichkeitsrechte betreffenden Rechtssache) aus, dass in Anbetracht der umfassenden Abrufbarkeit der auf einer Website veröffentlichten Angaben und Inhalte und des Umstands, dass die Reichweite ihrer Verbreitung grundsätzlich weltumspannend ist, ein auf die Richtigstellung dieser Angaben und die Entfernung dieser Inhalte gerichteter Antrag einheitlich und untrennbar ist und somit nur bei einem Gericht erhoben werden kann, das für die Entscheidung über einen Antrag auf Ersatz des gesamten Schadens zuständig ist, und nicht bei einem Gericht, das nicht über eine solche Zuständigkeit verfügt.
[58] 7.5. Für einen Anspruch iSd Art 7 Nr 2 EuGVVO, der weltweit geltend gemacht werden soll, ist demnach erforderlich, dass das angerufene Gericht über einen internationalen Zuständigkeitstatbestand verfügt, an dem der gesamte Schaden geltend gemacht werden kann. Damit werden auch Schwierigkeiten bei einer grenzüberschreitenden Vollstreckung hintangehalten (4 Ob 36/20b EvBl 2020, 785 [788 f, Brenn]).
[59] Dieses Kriterium ist im vorliegenden Fall angesichts des festgestellten Wohnsitzes des Klägers in Österreich und seiner Beschäftigung bei der inländischen Fluglinie erfüllt.
[60] 7.6. Es wurde bereits dargelegt, dass die kollisionsrechtliche Beurteilung, durch die im Zusammenspiel mit den internationalen Zuständigkeitstatbeständen den international anerkannten Rechtsgrundsätzen regelmäßig entsprochen wird, im vorliegenden Fall ergibt, dass der Sachverhalt nach inländischem Recht zu beurteilen ist.
[61] Nach österreichischem Recht unterliegen weder die hier geltend gemachten Unterlassungsansprücheeinerräumlichen Einschränkung noch sind die darüber gefällten gerichtlichen Entscheidungen räumlich zu begrenzen.
[62] Im vorliegenden Fall hat der Kläger auch ausdrücklich die weltweite Geltung des Unterlassungsgebots beantragt. Dies war daher (zur Klarstellung) im Urteilsspruch zum Ausdruck zu bringen.
[63] 8. Eine zeitliche Befristung des Unterlassungsgebots ist nicht in den Urteilsspruch aufzunehmen:
[64] 8.1. Die in der Revisionsbeantwortung herangezogenen Ausführungen des Generalanwalts in den Schlussanträgen der Rechtssache C‑18/18 (Glawischnig-Piesczek gegen Facebook) zu einer zeitlichen Beschränkung einer durch gerichtliche Verfügung angeordneten „Überwachungspflicht“ eines Providers finden keinen Niederschlag in dieser Entscheidung des EuGH. Aus Art 15 der E-Commerce-RL ergibt sich daher keine Verpflichtung, die Überwachungspflicht des Host‑Providers bereits in der gerichtlichen Anordnung zeitlich zu begrenzen.
[65] 8.2. Aus dem inländischen Recht lässt sich eine solche zeitliche Begrenzung eines wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten erlassenen Unterlassungsgebots ebenfalls nicht ableiten. Gegenteiliges wird von der Beklagten auch gar nicht dargelegt.
[66] 8.3. Daher ist keine zeitliche Befristung des Unterlassungsgebots in den Urteilsspruch aufzunehmen.
[67] 9. Die Revision hat daher teilweise Erfolg. Die Urteile der Vorinstanzen sind teilweise abzuändern.
10. Kosten:
[68] 10.1. Aufgrund der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung war auch die Kostenentscheidung neu zu treffen, die sich auf § 43 Abs 1 ZPO stützt. Ausgehend von einem Obsiegen des Klägers zu zwei Dritteln hat er Anspruch auf Ersatz eines Drittels seiner Rechtsanwaltskosten und zwei Drittel seiner Barauslagen. Barauslagen der Beklagten sind nicht angefallen.
[69] 10.2. Die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren gründet auf §§ 50, 43 Abs 1 ZPO, ausgehend von der selben Obsiegensquote des Klägers. Die Bemessungsgrundlage für die Pauschalgebühr beträgt jedoch lediglich 750 EUR (§ 16 Abs 1 Z 1 lit e GGG).
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