OGH 6Ob106/14b

OGH6Ob106/14b9.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch SWS Scheed Wöss Schöppl Rechtsanwälte OG in Linz, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung (Streitwert 36.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 2. April 2014, GZ 4 R 44/14i‑19, mit dem das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 14. Jänner 2014, GZ 4 Cg 90/13p‑14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00106.14B.1009.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.189,44 EUR (darin 198,24 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Parteien und die Vorinstanzen sind übereinstimmend von der Anwendbarkeit österreichischen Rechts, konkret des § 1330 ABGB ausgegangen. Auf Ansprüche wegen ehrverletzender und/oder rufschädigender Äußerungen ist nach § 48 Abs 1 IPRG (die Rom II‑VO findet im Hinblick auf deren Art 1 Abs 2 lit g keine Anwendung) das Recht jenes Staates anzuwenden, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt wurde (6 Ob 321/04f; 6 Ob 145/12k), wobei der Oberste Gerichtshof auch schon ausgesprochen hat, dass auch der Ort, an dem eine im Ausland hergestellte Druckschrift, Sendung oder dergleichen im Inland einlangt und dort ihre (rechtswidrige) Wirkung entfaltet, als Begehungsort anzusehen ist (4 Ob 89/92; 6 Ob 145/12k). Die Beklagte hat zwar ihren Sitz in Deutschland, der Beitrag mit den von der Klägerin inkriminierten Behauptungen wurde auch auf der Website www.*****.de online gestellt; da sich die Veröffentlichungen der Beklagten aber insbesondere auch auf Österreich beziehen, von österreichischen Landwirten gelesen werden und sich der konkrete Beitrag mit der österreichischen IG ***** und der österreichischen Klägerin befasste, begegnet die Anwendung österreichischen Rechts durch die Vorinstanzen keinen Bedenken (vgl § 48 Abs 2 Satz 2 IPRG).

2. Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, dass die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Beweislast hinsichtlich des Verschuldens im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB uneinheitlich erscheine.

2.1. Der erkennende Senat nahm erst jüngst zu der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage Stellung und führte in der Entscheidung 6 Ob 143/13t aus: Wie das Schadenersatz- und das Feststellungsbegehren hängt auch der Anspruch auf Widerruf und dessen Veröffentlichung vom Vorliegen eines Verschuldens des Beklagten ab. Die Herstellung des Tatbestands des § 1330 Abs 2 ABGB setzt dabei kein grobes Verschulden voraus. Es genügt, dass der Verbreiter unwahrer Behauptungen zumindest wissen musste, dass diese unrichtig waren. Ein Verschulden des Behauptenden kann nur verneint werden, wenn er gute Gründe hatte, seine Behauptung als wahr anzusehen (6 Ob 40/04g). Die fahrlässige Unkenntnis des Beklagten von der Unwahrheit seiner Behauptungen hat dabei der Kläger zu beweisen (6 Ob 78/99k). Damit ist diese Rechtsfrage aber beantwortet; im Übrigen ist die Frage der Beweislast hier gar nicht relevant, weil der Klägerin der Beweis fahrlässigen Verhaltens auf Seiten der Beklagten gelungen ist (dazu 2.2.5.).

Ebenfalls geklärt ist, dass der Anspruch auf Unterlassung verschuldensabhängig ist (vgl nur 4 Ob 11/90; 6 Ob 235/02f mit weiteren Nachweisen); auch insoweit liegt daher eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor.

2.2. Es gelingt aber auch der Beklagten in ihrer Revision nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision versucht lediglich, eine unrichtige rechtliche Beurteilung des von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalts darzutun:

2.2.1. Das Berufungsgericht ging bei Beurteilung der von der Klägerin inkriminierten Aussagen von Tatsachenbehauptungen aus. Dies ist durchaus vertretbar, lassen sich Aussagen wie jemand habe „Schulden von 2,8 Mio EUR angehäuft“, „einige Hauptakteure bei der [Klägerin würden] für die Verbindlichkeiten haften“ und „im Falle des Konkurses könnten deren Höfe auf dem Spiel stehen“ ohne weiteres verifizieren oder falsifizieren. Jedenfalls ist die Frage, ob eine Äußerung eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil darstellt, keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Erheblichkeit.

2.2.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen betragen zwar die Verbindlichkeiten der Klägerin 2.773.649,29 EUR. Diese Behauptung ist aber insofern unvollständig, als die Klägerin gleichzeitig jedenfalls über Forderungen aus Lieferungen und Dienstleistungen in Höhe von 2.140.204,01 EUR verfügt; dazu kommen laut Jahresabschluss zum 31. 3. 2012 sonstige Forderungen in Höhe von 622.810,87 EUR, was die Beklagte in ihrer Berufungsbeantwortung auch gar nicht bestritten hat. Der Jahresabschluss weist einen Bilanzgewinn von 12.259,79 EUR aus.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Behauptung unwahr, wenn ihr sachlicher Kern nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt; die Unrichtigkeit kann sich dabei auch aus der Unvollständigkeit des bekanntgegebenen Sachverhalts ergeben, wenn dadurch ein unrichtiger Eindruck erweckt wird (6 Ob 295/03f; 6 Ob 250/06t). Dieser unrichtige Eindruck wurde im Online-Beitrag der Beklagten noch dadurch verstärkt, dass die Klägerin mit der Gefahr einer Insolvenz in Zusammenhang gebracht wurde (vgl 6 Ob 795/82 ÖBl 1984, 130).

2.2.3. Entgegen den Behauptungen der Beklagten haften ihre vier Gesellschafter nur für einen Teil der Verbindlichkeiten aus dem operativen Konto; die Behauptung, die Hauptakteure würden für „die“ Verbindlichkeiten, also für knapp 2,8 Mio EUR haften, ist somit unwahr. Hinweise auf eine Insolvenzgefahr für die Klägerin, vor allem, dass bei einer solchen die Höfe der Gesellschafter auf dem Spiel stehen könnten, finden sich in den Feststellungen nicht.

2.2.4. Die Beklagte beruft sich in der Revision auf die Zitatenjudikatur. Nach dieser ist die bloße Weitergabe ehrenbeleidigender und rufschädigender Äußerungen ‑ neben anderen Voraussetzungen ‑ gerechtfertigt, wenn das bekämpfte Zitat in einer wahrheitsgetreuen Wiedergabe der Äußerung des Dritten besteht und keine Identifikation des Verbreiters mit der veröffentlichten Meinung des Zitierten stattfindet (stRsp, statt vieler 6 Ob 91/07m; 6 Ob 256/08b MR 2009, 302 [Höhne, 291]). Ein derartiges Zitat enthält der inkriminierte Online-Beitrag der Beklagten jedoch gerade nicht, wird doch dort zwar eine bestimmte Person erwähnt, jedoch nicht zweifelsfrei klargestellt, dass die unter 2.2.1. erwähnten Äußerungen von dieser Person stammen und von der Beklagten lediglich zitiert werden. So wird insbesondere nicht offen gelegt, wer hinsichtlich der Haftungen mutmaßt und wer einen Konkurs der Klägerin für möglich hält. Damit hat die Beklagte die Äußerungen auch selbst zu vertreten.

2.2.5. Die Beklagte meint in der Revision, sie habe sich auf die im Online-Beitrag genannte Person verlassen können („zuverlässige Quelle“). Dazu hat der Oberste Gerichtshof jedoch bereits in der Entscheidung 1 Ob 4/87 (SZ 60/93 = MR 1987, 131 [Korn]) klargestellt, dass fahrlässiges Handeln oder Unterlassen immer dann vorliegt, wenn dem Schädiger der Vorwurf gemacht werden muss, er hätte bei gehöriger Willensanspannung erkennen können, dass er gefährlich und rechtswidrig handle und anders hätte handeln können. Dabei ist der Grad der Aufmerksamkeit und des Fleißes objektiv zu beurteilen. Für die Sorgfaltspflicht der Massenmedien fällt dabei verschärfend ins Gewicht, dass sie ein breites Publikum, das ihnen ein besonders großes Maß an Glaubwürdigkeit beimisst, ansprechen; deshalb trifft Journalisten die Verpflichtung zu sorgfältigen Recherchen und sorgfältiger Prüfung der Zuverlässigkeit der Informationsquellen, wobei es für den Umfang dieser Prüfungspflicht wesentlich darauf ankommt, wie zuverlässig der jeweilige Informant ist.

Von der als zuverlässige Quelle genannten Person wurde allerdings in einem (anderen) Online-Beitrag der A***** berichtet, dass diese Person sich von den Geschäftstätigkeiten der Beklagten distanziert habe; das Verhältnis sei spürbar abgekühlt. Im Online-Beitrag der Beklagten selbst ist von einem entbrannten Machtkampf und dem Umstand die Rede, dass die genannte Person als Obfrau der IG ***** nicht entlastet und durch einen anderen Obmann ersetzt worden sei, wobei Hintergrund der Streit mit der Klägerin sei. Bei diesem Sachverhalt durfte aber die genannte Person nicht als „zuverlässige Quelle“ angesehen werden, die die Beklagte von weiteren Recherchen entbinden hätte können. Tatsächlich berief sich die Beklagte in weiterer Folge im abgeänderten Online-Beitrag auch nicht (mehr) auf diese Person als Quelle, sondern auf den Online-Beitrag der A*****.

3. Damit war die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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