BVwG G304 2176732-1

BVwGG304 2176732-13.7.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2176732.1.00

 

Spruch:

G304 2176732-1/33E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 01.02.2018 und 31.01.2019 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Am 23.07.2015 gab der BF bei seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinem Fluchtgrund an:

 

"Es herrscht Krieg, ich habe Angst entführt oder getötet zu werden. Ich wurde entführt und von meiner Familie für meine Freilassung ein Lösegeld erpresst."

 

Als Rückkehrbefürchtung gab der BF an:

 

"Entführung durch die ISIS und auch den Tod."

 

2. Am 31.05.2015 gab der BF bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) als Fluchtgrund im Wesentlichen an, sein Onkel in Kanada, ehemaliges hochrangiges Mitglied der Baath-Partei habe sich im Fernsehen negativ über die irakische Regierung geäußert, was die Tötung einiger Verwandten nach sich gezogen habe, und weshalb auch der BF gefährdet sei.

 

Als Rückkehrbefürchtung gab der BF an:

 

"Ich kann nicht zurück. Sie haben alle schon umgebracht, sie werden auch mich umbringen. Alles ist echt, das sind keine Fälschungen."

 

3. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 23.07.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen, und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1. bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des BF zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.)

 

4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und dem BF den Status des Asylberechtigten, in eventu den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu erteilen, allenfalls die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung aufzuheben, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

5. Am 16.11.2017 wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt vorgelegt.

 

6. Am 01.02.2018 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, mit dem BF und seinem Rechtsvertreter im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

 

7. Am 09.04.2018 langte beim BVwG eine schriftliche Stellungnahme des Rechtsvertreters des BF vom 05.04.2018 ein.

 

8. Am 31.01.2019 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, mit dem BF, dem Pfarrer, der den BF in Österreich getauft hat, als Zeugen, und seinem Rechtsvertreter im Beisein einer Dolmetscherin für die arabische Sprache eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

 

9. Am 03.06.2019 langte beim BVWG eine schriftliche Stellungnahme des Rechtsvertreters des BF ein, in welcher auf diverse Länderberichte, darunter auch zur Konversion zum Christentum hingewiesen wurde.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger vom Irak und stammt aus Bagdad. Er gehört der arabischen Volksgruppe an.

 

1.2. Er ist in Österreich vom muslimisch-sunnitischen Glauben zum Christentum konvertiert und wurde im November 2018 getauft. Bereits in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 31.05.2017 gab er bei Aufnahme seiner persönlichen Daten an, Sunnit zu sein, später nach Rückübersetzung jedoch wörtlich: "Ich bin kein praktizierender Moslem. Eigentlich bin ich kein Moslem."

 

1.3. Der BF reiste zu einem unbestimmten Zeitpunkt im Jahr 2015 aus dem Irak aus und gelangte schlepperunterstützt über die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien nach Österreich. Das Geld für die Reise in Höhe von USD 7.000,- konnte der BF selbst aufbringen. Am 23.07.2015 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

1.4. Der BF hat in Bagdad insgesamt sechs Jahre lang die Schule besucht und vor seiner Ausreise als Bauarbeiter, Fliesenleger und Maler gearbeitet - im Jahr 2007 auch in Erbil und Sulaymaniyah - und sich auf diese Weise seinen Lebensunterhalt bestreiten können.

 

1.5. Der BF hat in seinem Herkunftsstaat noch Familienangehörige - seine Mutter, einen Bruder und zwei Schwestern, die nahe der Heimatstadt des BF wohnen. Sein Vater ist im Jahr 2011 gestorben.

 

Ob der BF zu seinen Familienangehörigen im Irak noch aufrechten Kontakt hat oder diese aufgrund seiner Konversion zum Christentum den Kontakt zu ihm abgebrochen haben, konnte nicht festgestellt werden.

 

1.6. Das Fluchtvorbringen des BF vor dem BFA, ein Onkel des BF, hochrangiges Mitglied der Baath-Partei, habe sich im Fernsehen für die Baath-Partei und gegen die irakische Regierung ausgesprochen, was die Tötung einiger Verwandten des BF nach sich gezogen habe, weshalb nunmehr auch der BF gefährdet sei, konnte nicht geglaubt werden, konnten doch nach Ausreise des BF im Jahr 2015 seine näheren Familienangehörigen - Mutter, Bruder und Schwestern, zu denen der BF jedenfalls bis zur Konversion des BF in Österreich im Jahr 2018 aufrechten Kontakt hatte, unbehelligt im Irak verbleiben, was andernfalls nicht möglich gewesen wäre.

 

Ebenso wenig feststellbar war, dass der BF, wie er in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA anführte, wegen einer politisch regierungsfeindlichen Äußerung im Fernsehen von schiitischen Milizangehörigen festgenommen und eine Zeit lang - unter unmenschlichen Bedingungen - in Haft gehalten worden sein soll.

 

1.7. Fest steht, dass der BF aufgrund der allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat im Jahr 2015 ausgereist ist.

 

1.8. Des Weiteren steht fest, dass der BF im Irak nie Probleme mit der Polizei, Behörden oder Gerichten hatte.

 

1.9. Probleme wegen seiner arabischen Volksgruppenzugehörigkeit waren ebenso wenig feststellbar.

 

Dass der BF, wie er in der mündlichen Verhandlung am 31.01.2019 erstmals vorbrachte, "für die schiitische Mehrheit ein besonderes Feindbild" wäre, sei er doch laut seinen Angaben nicht nur ein geborener Schiit gewesen, der diesen Glauben nie praktiziert habe, sondern nunmehr sogar vom "islamischen Glauben abgefallen", wird nicht festgestellt, konnte der BF doch zuvor in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 31.05.2017 keine konkreten Probleme wegen seiner Religionszugehörigkeit, sondern nur allgemeingehalten angeben: "Ich musste bei jeder Kontrolle befürchten, dass sie mich schlagen oder auslachen, wenn sie sehen, dass ich Sunnit bin. Das ist aber allgemein im Irak bekannt."

 

1.10. Der BF hat im Bundesgebiet einige Integrationsschritte gesetzt, ein ÖSD Sprachzertifikat A2 erworben, und war in Österreich im Zeitraum von März bis August 2018 auch gemeinnützig tätig.

 

1.11. Der BF ist - bislang - in Österreich strafrechtlich unbescholten geblieben. Fest steht, dass er in Österreich einmal wegen Körperverletzung angezeigt wurde. Dieser Anzeige lag ein Vorfall in der Asylunterkunft zugrunde, welchen der BF, befragt danach, in der mündlichen Verhandlung am 31.01.2019 folgendermaßen schilderte:

 

"Ich wurde von vier afghanischen Personen angegriffen, die in der selben Unterkunft untergerbacht sind. Zuerst haben sie mich verbal angegriffen, danach begangen sie mich zu schlagen. Danach haben wir uns wieder versöhnt und wurde die Sache nicht weiterverfolgt."

 

2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

 

2.1. Sicherheitslage

 

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).

 

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht - staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).

 

2.1.1. Sicherheitslage Bagdad

 

Die Provinz Bagdad ist die kleinste und am dichtesten bevölkerte Provinz des Irak, mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit der Provinz wird sowohl vom "Baghdad Operations Command" kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst zieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

 

Im Jahr 2016 verzeichnete die Provinz Bagdad noch immer die höchste Zahl an Opfern im gesamten Land. Die Sicherheitslage verbesserte sich jedoch in Bagdad als die Schlacht um Mosul begann. Während Joel Wing im Januar 2016 in Bagdad noch durchschnittlich 11,6 Angriffe pro Tag verzeichnete, sank diese Zahl zwischen April und September 2017 auf durchschnittlich 3 Angriffe pro Tag (OFPRA 10.11.2017; vgl. Joel Wing 8.7.2017, Joel Wing 4.10.2017). Seit 2016 ist das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. Es gab einen Rückgang an IS-Aktivität, nach den Vorstößen der irakischen Truppen im Nordirak, obwohl der IS weiterhin regelmäßig Angriffe gegen militärische und zivile Ziele durchführt, insbesondere, aber nicht ausschließlich, in schiitischen Stadtvierteln. Darüber hinaus sind sunnitische Bewohner der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen ausgesetzt, einschließlich Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen (OFPRA 10.11.2017).

 

Terroristische und politisch motivierte Gewalt setzte sich das ganze Jahr 2017 über fort. Bagdad war besonders betroffen. UNAMI berichtete, dass es von Januar bis Oktober 2017 in Bagdad fast täglich zu Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern kam. Laut UNAMI zielten einige Angriffe auf Regierungsgebäude oder Checkpoints ab, die von Sicherheitskräften besetzt waren, während viele andere Angriffe auf Zivilisten gerichtet waren. Der IS führte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung durch, einschließlich Autobomben- und Selbstmordattentate (USDOS 20.4.2018).

 

Laut Joel Wing kam es im Januar 2018 noch zu durchschnittlich 3,3 sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad pro Tag, eine Zahl die bis Juni 2018 auf durchschnittlich 1,1 Vorfälle pro Tag sank (Joel Wing 3.7.2018). Seit Juni 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Bagdad langsam wieder auf 1,5 Vorfälle pro Tag im Juli, 1,8 Vorfälle pro Tag im August und 2,1 Vorfälle pro Tag im September gestiegen. Diese Angriffe bleiben Routine, wie Schießereien und improvisierte Sprengkörper und konzentrieren sich hauptsächlich auf die äußeren südlichen und nördlichen Gebiete der Provinz (Joel Wing 6.10.2018).

 

Insgesamt kam es im September 2018 in der Provinz Bagdad zu 65 sicherheitsrelevanten Vorfällen. Damit verzeichnete Bagdad die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im ganzen Land (Joel Wing 6.10.2018). Auch in der ersten und dritten Oktoberwoche 2018 führte Bagdad das Land in Bezug auf die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle an. Wenn man jedoch die Größe der Stadt bedenkt, sind Angriffe immer noch selten (Joel Wing 9.10.2018 und Joel Wing 30.10.2018).

 

In Bezug auf die Opferzahlen war Bagdad von Januar bis März 2018, im Mai 2018, sowie von Juli bis September 2018 die am schwersten betroffene Provinz im Land (UNAMI 1.2.2018; UNAMI 2.3.2018; UNAMI 4.4.2018; UNAMI 31.5.2018; UNAMI 1.8.2018; UNAMI 3.9.2018; UNAMI 1.10.2018). Im September 2018 verzeichnete UNAMI beispielsweise 101 zivile Opfer in Bagdad (31 Tote, 70 Verletzte) (UNAMI 1.10.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2.2. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF)

 

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, Sicherheitskräften, die vom Verteidigungsministerien verwaltet werden, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Popular Mobilization Forces), und dem Counter-Terrorism Service (CTS). Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig; es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Infrastruktur in diesem Bereich verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der Counter-Terrorism Service (CTS) ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören (USDOS 20.4.2018).

 

Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen. Sie sind noch nicht befähigt, landesweit den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Personelle Unterbesetzung, mangelnde Ausbildung, mangelndes rechtsstaatliches Bewusstsein vor dem Hintergrund einer über Jahrzehnte gewachsenen Tradition von Unrecht und Korruption auf allen Ebenen sind hierfür die Hauptursachen. Ohnehin gibt es kein Polizeigesetz, die individuellen Befugnisse einzelner Polizisten sind sehr weitgehend. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt (AA 12.2.2018).

 

Straffreiheit ist ein Problem. Es gibt Berichte über Folter und Misshandlungen im ganzen Land in Einrichtungen des Innen- und Verteidigungsministeriums. Nach Angaben internationaler Menschenrechtsorganisationen findet Missbrauch vor allem während der Verhöre inhaftierter Personen im Rahmen der Untersuchungshaft statt. Probleme innerhalb der Provinzpolizei des Landes, einschließlich Korruption, bleiben weiterhin bestehen. Armee und Bundespolizei rekrutieren und entsenden bundesweit Soldaten und Polizisten. Dies führt zu Beschwerden lokaler Gemeinden bezüglich Diskriminierung aufgrund ethno-konfessioneller Unterschiede durch Mitglieder von Armee und Polizei. Die Sicherheitskräfte unternehmen nur begrenzte Anstrengungen, um gesellschaftliche Gewalt zu verhindern oder darauf zu reagieren (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

2.3.Minderheiten

 

In der irakischen Verfassung vom 15.10.2005 ist der Schutz von Minderheiten verankert (AA 12.2.2018). Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten unter weitreichender faktischer Diskriminierung und Existenzgefährdung. Der irakische Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen (AA 12.2.2018).

 

Quellen:

 

 

2.3.1. Sunnitische Araber

 

Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich 2017 vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.2.2018). Es gab zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch-arabischen IDPs durch Regierungskräfte, die PMF und die Peshmerga (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

2.4. Religionsfreiheit

 

Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Gemäß Art. 2 Abs. 1 ist der Islam Staatsreligion und eine Hauptquelle der Gesetzgebung (AA 12.2.2018). Es darf kein Gesetz erlassen werden das den "erwiesenen Bestimmungen des Islams" widerspricht (USDOS 29.5.2018; vgl. RoI 15.10.2005). In Abs. 2 wird das Recht einer jeden Person auf Religions- und Glaubensfreiheit sowie das Recht auf deren Ausübung garantiert. Explizit erwähnt werden in diesem Zusammenhang Christen, Jesiden und Mandäer-Sabäer, jedoch nicht Anhänger anderer Religionen (RoI 15.10.2005; vgl. USDOS 29.5.2018). Art. 3 der Verfassung legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung des Irak fest, betont aber auch den arabisch-islamischen Charakter des Landes (AA 12.2.2018; vgl. UNHCR 15.1.2018). Art. 43 verpflichtet den Staat zum Schutz der religiösen Statten. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestande, wie z. B. den Abfall vom Islam; auch spezielle, in anderen islamischen Ländern existierende Straftatbestande, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht (AA 12.2.2018). Das Zivilgesetz sieht einen einfachen Prozess für die Konversion eines Nicht-Muslims zum Islam vor. Die Konversion eines Muslims zu einer anderen Religion ist jedoch gesetzlich verboten (USDOS 29.5.2018). Die folgenden religiösen Gruppen werden durch das Personenstandsgesetz anerkannt: Muslime, chaldäische Christen, assyrische Christen, assyrisch-katholische Christen, syrisch-orthodoxe Christen, syrisch-katholische Christen, armenisch-apostolische Christen, armenisch-katholische Christen, römisch-orthodoxe Christen, römisch-katholische Christen, lateinisch-dominikanische Christen, nationale Protestanten, Anglikaner, evangelisch-protestantische Assyrer, Adventisten, koptisch-orthodoxe Christen, Jesiden, Sabäer-Mandäer und Juden. Die staatliche Anerkennung ermöglicht es den Gruppen, Rechtsvertreter zu bestellen und Rechtsgeschäfte wie den Kauf und Verkauf von Immobilien durchzufuhren. Alle anerkannten religiösen Gruppen haben ihre eigenen Personenstandsgerichte, die für die Behandlung von Ehe-, Scheidungs- und Erbschaftsfragen zuständig sind. Laut der jesidischen NGO Yazda gibt es jedoch kein Personenstandsgericht für Jesiden (USDOS 29.5.2018).

 

Minderheiten sind auch weiterhin mit Belästigungen, einschließlich sexueller Übergriffe, und Einschränkungen durch lokale Behörden in einigen Regionen konfrontiert. Da Religion, Politik und Ethnizität oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, viele Vorfälle als ausschließlich auf religiöser Identität beruhend zu kategorisieren. Einige Jesiden und christliche Führer berichten von Belästigungen und Misshandlungen durch kurdische Sicherheitskräfte, einschließlich Anforderungen für Sicherheitsgenehmigungen, die von den Asayish auferlegt werden und die die Bewegungsfreiheit von Jesiden zwischen der Provinz Dohuk und dem Sinjar-Gebiet einschränken.

 

Christen berichten von Belästigungen und Misshandlungen an zahlreichen Checkpoints, die von Einheiten der Volksmobilisierungseinheiten (PMF) betriebenen werden. Dadurch wird die Bewegungsfreiheit im Gebiet der Ninewa-Ebene behindert (USDOS 29.5.2018).

 

Christen und Jesiden geben an, dass die Zentralregierung in Bagdad eine gezielte demografische Veränderung fordert, indem sie Schiiten mit Land und Häusern ausstattet, damit diese in traditionell christliche Gebiete ziehen (USDOS 29.5.2018).

 

Vertreter religiöser Minderheiten berichten, dass die Zentralregierung im Allgemeinen nicht in religiöse Handlungen eingreift und sogar für die Sicherheit von Gotteshäusern und anderen religiösen Statten, einschließlich Kirchen, Moscheen, Schreinen, religiösen Pilgerstatten und Pilgerrouten, sorgt (USDOS 29.5.2018).

 

2.4.1. Christen

 

Schätzungen gehen davon aus, dass heute noch etwa 200.000 bis 400.000 Christen im Irak leben (zum Vergleich 2003: 1,5 Mio.). Die Situation der Christen (v. a. assyrische sowie mit Rom unierte chaldäische Christen) hat sich kirchlichen Quellen zufolge seit Ende der Diktatur 2003 stark verschlechtert. Viele Christen sehen für sich keine Zukunft im Irak. In den vergangenen Jahren sind daher hunderttausende irakische Christen ins Ausland geflohen (AA 12.2.2018).

 

Ca. 67 Prozent der irakischen Christen sind chaldäische Katholiken, fast 20 Prozent Mitglieder der Assyrischen Kirche des Ostens. Der Rest sind syrisch-orthodox, syrisch-katholisch, armenischkatholisch, armenisch-apostolisch, anglikanisch und andere Protestanten. In der Autonomen Region Kurdistan gibt es etwa 3.000 evangelikale Christen (Angehörige protestantischer

 

Freikirchen) (USDOS 29.5.2018).

 

Christen in Bagdad und anderen von der Regierung kontrollierten Gebieten stehen Berichten

 

zufolge unter gesellschaftlichem Druck, sich an strenge Interpretationen islamischer Normen zu halten, die öffentliches Verhalten regeln. So stehen Christen beispielsweise unter Druck, den Betrieb von Nachtclubs, Spirituosenladen und Restaurants, in denen Alkohol angeboten wird, aufzugeben.

 

Berichten zufolge kommt es durch bewaffnete Gruppen gegenüber Personen, die ihrer Ansicht nach gegen solche Regeln verstoßen, zuweilen zu Drohungen, Belästigungen und

 

körperlichen Misshandlungen (UNHCR 15.1.2018).

 

Im Laufe der letzten Jahre gab es Berichte über Tötungen und Entführungen von Angehörigen religiöser Minderheiten, einschließlich Christen, durch bewaffnete Gruppen aus konfessionellen oder kriminellen Gründen bzw. einer Kombination daraus. Häuser von Christen, die seit 2003 aus Bagdad vertrieben wurden, sowie Kirchen und Kloster wurden Berichten zufolge illegal von mächtigen Einzelpersonen, Milizen und kriminellen Netzwerken beschlagnahmt. In einigen Fällen wurde behauptet, dass die christlichen Eigentümer oder Mieter direkt bedroht wurden, was dazu führte, dass sie ihre Hauser evakuierten (UNHCR 15.1.2018).

 

In der Autonomen Region Kurdistan wie in angrenzenden Gebieten, die von der kurdischen

 

Regionalregierung kontrolliert werden, haben seit 2003 viele christliche Fluchtlinge aus anderen Landesteilen Zuflucht gefunden. Sie leben derzeit unter schwierigen materiellen und sozialen Bedingungen als IDPs - zumeist in der kurdischen Provinz Dohuk. Es gibt dort keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung. Viele Christen haben bereits seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein in der Autonomen Region Kurdistan Zuflucht gefunden. Es gibt christliche Städte oder auch große christliche Viertel in Großstädten wie beispielsweise Ankawa in Erbil, in denen Christen in Frieden leben können (AA 12.2.2018).

 

Quellen:

 

 

der Republik Irak,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-

 

 

amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irakstand-

 

dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 16.8.2018

 

 

Christians in Baghdad, http://www.refworld.org/docid/5a66f80e4.html , Zugriff 29.8.2018

 

 

Report 2017 - Iraq,

https://www.state.gov/j/drl/rls/irf/2017/nea/280984.htm , Zugriff 21.8.2018

 

2.5. Rückkehr

 

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018).

 

Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

2.6. Grundversorgung und Wirtschaft

 

In vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wiederhergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 12.2.2018).

 

Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 12.2.2018). Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Jobangebote sind mit dem Schließen mehrerer Unternehmen zurückgegangen. Im öffentlichen Sektor sind ebenfalls viele Stellen gestrichen worden. (IOM 13.6.2018).

 

Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD pro Tag verdienen, zu unterstützen.

 

Aufgrund der derzeitigen Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt. Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen angeboten (IOM 13.6.2018).

 

Quellen:

 

 

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

 

2.2. Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf die im angefochtenen Bescheid dazu getroffenen Feststellungen und dienen der gegenständlichen Verfahrensführung.

 

Dass der BF der arabischen Bevölkerungsgruppe angehört, konnte er durch sein im Verfahren diesbezüglich einheitliches Vorbringen glaubhaft machen.

 

2.3. Dass der BF an einem bestimmten Tag im Jahr 2015 aus dem Irak ausgereist und schlepperunterstützt nach Österreich weitergereist ist, war aufgrund diesbezüglich glaubhafter Angaben des BF feststellbar.

 

2.4. Die Feststellungen zum sechsjährigen Schulbesuch und zur Erwerbstätigkeit des BF im Irak als Bauarbeiter, Fliesenleger und Maler ergaben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren und unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 31.05.2017 gab der BF glaubhaft an, einmal vor zehn Jahren - noch zu Lebzeiten seines Vaters - im Irak auch in Erbil und Sulaymanyah am Bau, als Maler und Fliesenleger gearbeitet zu haben (Niederschrift über Einvernahme vor dem BFA, S. 13).

 

Dass der Vater des BF im Jahr 2011 gestorben ist, konnte der BF durch eine Sterbeurkunde glaubhaft machen (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 10).

 

2.5. Dass der BF in seinem Herkunftsstaat nahe der Stadt Bagdad noch seine Mutter und einen Bruder und zwei Schwestern hat, konnte der BF in der Einvernahme vor dem BFA am 31.05.2017 glaubhaft machen (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 3).

 

In der mündlichen Verhandlung am 31.01.2019, befragt, ob er derzeit von Österreich aus noch Bindungen an seinen Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder sonstigen Personen unterhalte, und wenn ja, wie dieser Kontakt konkret aussehe und ob dieser telefonisch, brieflich oder per E-Mail stattfinde bzw. wie regelmäßig dieser sei, gab der BF - ausweichend - an:

 

"Ich kann mich erinnern. Ich habe nur eines nicht gesagt. Was auch nicht protokolliert wurde. (...)."

 

An dieser Stelle nahm der BF auf seine Fluchtgründe Bezug, antwortete jedoch nicht auf die Frage zu aufrechten Bindungen im Irak. (Niederschrift über VH am 31.01.2019, S. 6)"

 

Dieses ausweichende Antwortverhalten des BF spricht dafür, dass der BF im Irak noch Kontakt zu Bezugspersonen hat, auch die Tatsache, dass der BF nach Erörterung der Situation konvertierter Rückkehrer und damit offenbar nach Bewusstwerden, dass noch eine Antwort zu im Irak bestehende Bindungen ausständig ist, angab, dass, obwohl seine Familie nicht selbst den muslimisch-sunnitischen Glauben praktiziere, diese nach seiner Konvertierung den Kontakt zu ihm abgebrochen habe, gelte der BF für sie doch als Sünder (Niederschrift über VH am 31.01.2019, S. 7). Festgestellt kann ein aufrechter Kontakt des BF zu seiner Familie im Irak jedoch nicht, weil ebenso gut möglich ist, dass seine der muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung angehörende Familie, obwohl sie nicht selbst strenggläubig ist, den BF wegen seiner Konversion tatsächlich für einen Sünder hält.

 

2.6. Das Fluchtvorbringen des BF in seiner Einvernahme vor dem BFA am 31.05.2017, aus dem Irak ausgereist zu sein, weil sein Onkel in Kanada sich im Fernsehen für die Baath-Partei und gegen die irakische Regierung ausgesprochen habe, was die Tötung einiger Verwandten des BF nach sich gezogen habe und weshalb auch der BF gefährdet sei, war nicht glaubhaft.

 

Der BF brachte in seiner Einvernahme vor dem BFA am 31.05.2017 vor, einer seiner Brüder sei etwa ein Monat nach seiner Ausreise nach Deutschland geflüchtet, ein weiterer sei zusammen mit seiner Mutter und seinen zwei Schwestern weiterhin im Irak, nahe der Heimatstadt Bagdad, geblieben.

 

Der BF brachte vor, neben männlichen Verwandten sei auch eine Tante des BF getötet worden. Demzufolge wären nach seiner Ausreise als Familienmitglieder des angeblich der Baath-Partei zugehörigen Onkels neben männlichen auch die weiblichen Familienangehörigen des BF - Mutter und zwei Schwestern - gefährdet gewesen. Diese konnten jedoch jedenfalls mit einem Bruder des BF weiterhin unbehelligt im Irak verbleiben.

 

Der BF berichtete dann vor dem BFA davon, als er nach einem Aufenthalt in der Türkei in den Irak zurückgekehrt war, sei er von schiitischen Milizangehörigen festgenommen, geschlagen, befragt worden, was er in der Türkei gemacht habe, und welche Informationen er dort verbreitet habe, und insgesamt 15 Tage lang in Haft gehalten worden zu sein (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 7).

 

Der BF führte diesbezüglich vor dem BFA an:

 

"Sie sagten, du arbeitest gegen die Regierung, sie sagten mir, du bist Terrorist, weil meine Onkel damals Mitglieder der Baath-Partei zu Zeiten von Saddam Hussein waren." (Niederschrift über Einvernahme des BF vor BFA, S. 5).

 

Vor dem BFA befragt, wer die Personen sind, von denen der BF seiner Meinung nach bedroht bzw. verfolgt werde, gab er an:

 

"Vom Staat und von den Milizen. Ich habe es nicht geglaubt, als ich freigelassen wurde und ich wusste, dass sie alle anderen Cousins schon getötet haben. Sie haben uns das Haus weggenommen samt Möbel die drinnen sind. Sie haben drauf geschrieben, das ist das Haus von den Terroristen der Baath-Partei." (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 3).

 

Der BF berichtete davon, dass nach der regierungsfeindlichen politischen Äußerung seines Onkels im Fernsehen viele Familienangehörige des BF getötet worden seien und auch der BF bedroht sei. Dem Vorbringen des BF vor dem BFA, gefährdet zu sein, von schiitischen Milizangehörigen anstelle seiner ausgereisten und im Ausland befindlichen Verwandten belangt zu werden (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 11), war daher nicht zu folgen, wären doch bei tatsächlichem Interesse schiitischer Milizangehöriger an Familienangehörigen seines Onkels aus Kanada von ihnen doch auch die nach Ausreise des BF im Irak verbliebenen Familienangehörigen des BF - Mutter, Bruder und Schwester, die zu einer weiteren - verheirateten - Schwester des BF in einen Vorort Bagdads gezogen sind - aufgesucht worden. Diese konnten jedoch unbehelligt im Irak verbleiben.

 

Die vor dem BFA geschilderte Festnahme und Anhaltung des BF in Haft durch schiitische Milizangehörige ist auch deshalb nicht glaubhaft, weil der BF zwar angab, im Zuge der Übergriffe auch einen "Bruch am Gelenk des kleinen Fingers" erlitten zu haben, diesbezüglich in der niederschriftlichen Einvernahme jedoch festgehalten wurde, dass der BF seinen Fingeransatz gezeigt habe, darauf jedoch kaum etwas zu sehen sei (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 7), und der BF einen von ihm BF angeblich erlittenen Bruch nicht beweisen konnte, sondern gegen Schluss der Einvernahme nach Rückübersetzung nur ergänzte, "eine kleine Narbe am rechten kleinen Finger" zu haben, und eine kleine Narbe jedenfalls eine erlittene Schnittverletzung, nicht jedoch auch einen Bruch beweisen kann.

 

Es war auch nicht nachvollziehbar ist, warum der BF dann nach mehrtägiger Haft wieder freigelassen worden sein soll, zumal er laut seinem Vorbringen als Verräter, der gegen die Regierung arbeitet, gegolten haben soll (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 11).

 

Der BF konnte somit wegen einer negativen politischen Äußerung seines Onkels im Fernsehen jedenfalls keine ihm bei einer Rückkehr drohende Gefahr glaubhaft machen.

 

Der BF steigerte sein Fluchtvorbringen zudem insofern, als er in seiner mündlichen Verhandlung am 31.01.2019 angab, damals auch aus Angst vor dem IS geflüchtet zu sein, obwohl er nach Vorhalt vor dem BFA, "von den Milizen haben Sie in der Erstbefragung nichts erwähnt, sondern den IS" (Niederschrift vor BFA, S. 10), ein diesbezügliches Vorbringen ausdrücklich verneint hat (Niederschrift vor BFA, S. 11), obwohl er in der Erstbefragung hinsichtlich seiner Rückkehrbefürchtung tatsächlich vom IS gesprochen hat: "Entführung durch die ISIS und auch den Tod."(Niederschrift über seine Erstbefragung, S. 5).

 

Im Bewusstsein, dass die Erstbefragung nicht der Aufnahme der näheren Fluchtgründe dient, wird darauf hingewiesen, dass der BF als Fluchtgrund in der Erstbefragung angab: "Es herrscht Krieg, ich habe Angst, entführt oder getötet zu werden, ich wurde entführt und von meiner Familie für meine Freilassung ein Lösegeld erpresst."

 

Dieses Vorbringen, vor allem das Voranstellen der Kriegssituation beim Fluchtvorbringen in der Erstbefragung, spricht für eine Ausreise aufgrund der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat und nicht für eine konkrete Bedrohung des BF.

 

Der aktuellen Länderberichtslage, konkret einem UNHCR-Bericht von Mai 2019 folgend steht fest, dass sich die Sicherheit in Bagdad in Zusammenhang mit den allgemeinen Sicherheitsverbesserungen 2018, 2019, weitgehend stabilisiert hat.

 

Der BF gab in der mündlichen Verhandlung am 31.01.2019 an:

 

"Die Besserung der Sicherheitslage im Irak, von der im Allgemeinen ausgegangen werde, habe in jedem Fall keine Auswirkung auf die Lebenssituation des BF. (...) Selbst unter der Annahme, dass die ehemaligen Baath-Anhänger nicht mehr verfolgt werden würde - was aber bestritten wird - sei der BF für die schiitische Mehrheit ein besonderes Feindbild, da er nicht nur geborener Schiit ist, der diesen Glauben nicht praktiziert hat, sondern nunmehr sogar vom islamischen Glauben abgefallen ist."

 

Dass der BF, wie er in der mündlichen Verhandlung am 31.01.2019 erstmals vorbrachte, "für die schiitische Mehrheit ein besonderes Feindbild" wäre, wäre er doch nicht nur geborener Schiit, der diesen Glauben nie praktiziert habe, sondern sei er nunmehr sogar vom "islamischen Glauben abgefallen", ist nicht glaubhaft, hat der BF doch im Verfahren zuvor nie konkrete Probleme wegen seines bis zur Konversion in Österreich bestandenen muslimisch-sunnitischen Glaubens, sondern vor dem BFA nur die allgemeingehaltene Befürchtung davor, als Sunnit von Schiiten geschlagen oder ausgelacht zu werden, angeführt. Eine individuelle konkrete Bedrohung des BF in Zusammenhang mit seiner Religionszugehörigkeit konnte daher nicht festgestellt werden, ebenso wenig eine ihn vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen in Bagdad betroffene Gruppenverfolgung der arabisch-sunnitischen Bevölkerungsgruppe.

 

Es konnte aufgrund vorgelegter Nachweise zur Taufvorbereitung in Österreich und des vorgelegten Taufscheins über die Taufe des BF im November 2018 zwar die Konversion des BF vom muslimisch-sunnitischen Glauben zum Christentum bzw. römisch-katholischen Glauben, nicht jedoch eine deswegen dem BF bei einer Rückkehr drohende Gefahr vor Verfolgung glaubhaft gemacht werden, dies deshalb, weil unter anderem in schriftlichen Stellungnahmen seines Rechtsvertreters von April und Juni 2019 unter Bezugnahme auf diverse Länderberichte und Judikatur nur allgemein auf die Lage für Konvertiten im Irak hingewiesen wurde, eine bei einer Rückkehr des BF in den Irak wegen seiner Konversion ihm drohende Gefahr aus den aktuellen Länderberichten jedoch nicht hervorgeht. Laut einem UNHCR-Bericht von Jänner 2018 stehen Christen in Bagdad und anderen von der Regierung kontrollierten Gebieten Berichten zufolge unter gesellschaftlichem Druck, sich an strenge Interpretationen islamischer Normen zu halten, die öffentliches Verhalten regeln. So stehen Christen beispielsweise unter Druck, den Betrieb von Nachtclubs, Spirituosenladen und Restaurants, in denen Alkohol angeboten wird, aufzugeben, und kommt es Berichten zufolge durch bewaffnete Gruppen gegenüber Personen, die ihrer Ansicht nach gegen solche Regeln verstoßen, zuweilen zu Drohungen, Belästigungen und körperlichen Misshandlungen.

 

Eine gegen islamische Regeln verstoßende Verhaltensweise des BF, etwa Verkauf von Alkohol, und eine Bedrohung des BF durch bewaffnete Gruppen deswegen, ist bei einer Rückkehr jedenfalls nicht zu erwarten, war der BF doch vor seiner Ausreise nie im Verkauf, sondern im Irak als Bauarbeiter, Fliesenleger und Maler, somit in anderen Arbeitsbereichen, tätig und beschäftigt.

 

Laut Länderfeststellungen besteht im Irak zudem offizielle Religionsfreiheit und für den BF laut einem aktuellen UNHCR-Bericht von April 2019 wegen Wegfalls des Zugangserfordernisses eines Bürgen vielerorts im Irak, so auch in der Heimatstadt des BF "Bagdad" und etwa auch in Erbil und Sulaymaniyah, wo der BF laut seinen glaubhaften Angaben vor dem BFA am 31.05.2017 sich noch zu Lebzeiten seines Vaters aufgehalten und gearbeitet hat, eine Rückkehrmöglichkeit.

 

Mit seiner nunmehr in einem Vorort Bagdads wohnhaften Familie hat der BF laut seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung am 31.01.2019 seit seiner Konversion keinen Kontakt mehr. Es besteht für ihn laut Länderfeststelllungen jedoch die Möglichkeit, sich woanders niederzulassen, gibt es doch laut einem aktuell gültigen Länderbericht des Auswärtigen Amtes von Februar 2018 christliche Städte oder auch große christliche Viertel in Großstädte wie beispielsweise Ankawa in Erbil, in denen Christen in Frieden leben können.

 

Mit schriftlicher Stellungnahme des Rechtsvertreters des BF vom 05.04.2018 wurde vorgebracht, dass sich das Fluchtvorbringen des BF auf die Furcht vor Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit des BF zur Gruppe der Sunniten sowie aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Familie von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei stütze. Ehemalige Mitglieder der Baath-Partei bzw. deren Familienmitglieder würden gezielt von schiitischen Milizen verfolgt, weil sich diese für die Zeit unter Saddam Hussein rächen wollen. Der BF erfülle somit das UNHCR Risikoprofil und habe dadurch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung zu befürchten. Des Weiteren wurde auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.02.2018 zur Lage von Familienangehörigen von Mitgliedern der Baath-Partei im Irak und auf eine weitere Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 21.06.2017 zur Lage und Rolle von aktiven Baathisten sowie ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei sowie deren Angehörigen hingewiesen und unter anderem vorgebracht, die ehemaligen Baath-Mitglieder auf der Liste würden verdächtigt, Verbindungen zu einer Reihe militanter Organisationen zu haben, die beim Widerstand gegen die US-Besatzung eine entscheidende Rolle gespielt hätten und ein Dorn im Auge der Regierung seien. Bezug genommen wurde auch auf Länderberichte zur Konversion zum Christentum und auch diesbezügliche Länderberichte, darunter auf einen des US-Außenministeriums von August 2017 zur Religionsfreiheit, wonach das Personenstandsrecht und weitere Bestimmungen die Konversion von Muslimen zu anderen Religionen verbieten würden. Es wurde auf die Konversion des BF in Österreich als Nachfluchtgrund und keine dem BF im Irak zustehende innerstaatliche Fluchtalternative hingewiesen und gegen Schluss der Stellungnahme Folgendes angeführt:

 

"Inwiefern es nun dem BF, der als Familienmitglied ehemaliger Baath-Partei Mitglieder ein UNHCR - Risikoprofil erfüllt und aufgrund seiner Konversion zum Christentum sowie der unterstellten oppositionellen Gesinnung verfolgt wird, möglich sein soll, sich ohne eine Gefährdung von Leib und Leben wieder in Bagdad bzw. sonst wo im Irak niederzulassen, ist keineswegs nachvollziehbar.

 

Der in Kanada lebende Onkel des BF wünscht keinen Kontakt mehr zum BF, da ihn der BF nach der Veröffentlichung der Videoaufnahmen beschimpft hatte. Auch die in Amerika lebende Tante des BF konnte leider nicht vermitteln."

 

Wie oben in der Beweiswürdigung ausgeführt, konnte der BF keine Bedrohungssituation aufgrund der ehemaligen politischen Aktivität des sich in Kanada politisch negativ gegenüber der irakischen Regierung geäußerten Onkels glaubhaft machen.

 

Eine fluchtauslösende aufgrund der muslimisch-sunnitischen Religionszugehörigkeit des BF für den BF im Irak konkret bestandene Bedrohungssituation war ebenso wenig feststellbar, sondern vielmehr eine Ausreise aufgrund der allgemeinen von Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten begleiteten Kriegsunruhen.

 

Ebenso wie keine konkrete fluchtauslösende Bedrohung des BF festgestellt werden konnte, kann vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen auch keine dem BF bei einer Rückkehr durch die in Österreich erfolgte Konversion drohende Gefahr festgestellt werden.

 

2.7. Zur Lage im Irak

 

Die dieser Entscheidung zugrunde gelegten aktuellen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuell gültigen am 20.11.2018 gesamtaktualisierten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, wobei die letzte Kurzinformation in das Länderinformationsblatt am 09.04.2019 eingefügt wurde, mit unbedenklichen Quellen staatlicher und nichtstaatlicher Natur.

 

Zu diesen Länderfeststellungen ergänzend wird auf einen UNHCR-Länderbericht von Mai 2019 hingewiesen, wonach sich die Sicherheitslage in Bagdad 2018, 2019 zunehmend verbessert hat.

 

2.8. Ein Nachweis für eine gesundheitliche Beeinträchtigung des BF wurde nicht vorgelegt, weshalb eine solche auch nicht festgestellt werden konnte.

 

2.9. Die in Österreich vom BF gesetzten Integrationsschritte ergaben sich aus im Verfahren vorgelegten Integrationsnachweisen, eine gewisse sprachliche Integration aus den vorgelegten ÖSD Sprachzertifikaten A1 und A2 von Juli 2018 und März 2019, und eine weitere Eingliederung aus einem Nachweis über die gemeinnützige Tätigkeit bei der Wohnortgemeinde des BF.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchteil A):

 

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

 

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.

 

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

 

Das Fluchtvorbringen des BF über eine Bedrohungssituation wegen einer regierungsfeindlichen Äußerung seines Onkels im Fernsehen war nicht glaubhaft, weshalb keine asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie des politisch regierungsfeindlich eingestellten Onkels des BF vorliegen kann.

 

Eine Bedrohungssituation wegen der ehemaligen Zugehörigkeit des BF zur muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung bzw. eine in Bagdad alle Sunniten betroffene Gruppenverfolgung war ebenso wenig feststellbar, sondern nur kriegsbedingte Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten.

 

Eine in Zusammenhang mit der ehemaligen muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung des inzwischen in Österreich zum Christentum konvertierten BF und damit eine wegen dem Konventionsgrund der Religion dem BF drohende Verfolgung liegt somit ebenfalls nicht vor.

 

Da auch die in Österreich erfolgte Konversion des BF zum Christentum vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen keinen Nachfluchtgrund darstellt, können laut Länderfeststellungen Christen in Bagdad bei Einhaltung der islamischen Regeln doch unbehelligt ihr Leben führen, und besteht für diese religiöse Minderheitengruppe im Irak die Möglichkeit, sich in vorwiegend christlich besiedelten Gebieten, etwa im Nordirak in Erbil, niederzulassen, was auch der BF, sollte er in Bagdad bei seiner Familie, die, nachdem sie von seiner Konversion erfahren haben, laut Angaben des BF in mündlicher Verhandlung am 31.01.2019 den BF als Sünder bezeichnet und den Kontakt zu ihm abgebrochen haben, nicht mehr unterkommen können, in Erwägung ziehen kann.

 

Der BF konnte mit seinem Fluchtvorbringen jedenfalls keine ihm bei einer Rückkehr in den Irak drohende Verfolgung iSv Art. 1 Abschnitt A der GFK glaubhaft machen.

 

In Gesamtbetrachtung aller Umstände war somit kein Asylgrund ersichtlich, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß

 

§ 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen war.

 

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

 

Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind zunächst konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein "real risk" einer gegen Art. 3 MRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236; VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwH).

 

Unter "real risk" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (grundlegend VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; RV 952 BlgNR XXII. GP 37). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die Feststellung einer Gefahrenlage im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung.

 

Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; 14.10.1998, Zl. 98/01/0122).

 

Nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofs obliegt es dabei grundsätzlich dem Beschwerdeführer, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (EGMR U 05.09.2013, I. gegen Schweden, Nr. 61204/09; VwGH 18.03.2015, Ra 2015/01/0255; VwGH 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 18.12.2002, Zl. 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86). So führt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller, Beweise zu beschaffen, dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (EGMR U 05.07.2005, Said gegen Niederlande, 5.7.2005).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offenbliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

 

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind.

 

Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

 

Fest steht, dass der BF im Irak sechs Jahre lang die Schule besucht und keinen Beruf erlernt hat, seinen Lebensunterhalt jedoch über diverse Beschäftigungen wie Arbeiten am Bau, als Fliesenleger oder Maler, sowohl in Bagdad als auch in Erbil und Sulaymaniyah, bestreiten konnte, und dies auch bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Fall sein wird, zumal die zugrunde gelegten Länderberichte für nichts Gegenteiliges sprechen.

 

Laut Länderfeststellungen besteht im Irak zudem für den BF laut einem aktuellen UNHCR-Bericht von April 2019 wegen Wegfalls des Zugangserfordernisses eines Bürgen vielerorts im Irak, so auch in der Heimatstadt des BF "Bagdad" und etwa auch in Erbil und Sulaymaniyah, wo der BF laut seinen glaubhaften Angaben vor dem BFA am 31.05.2017 sich noch zu Lebzeiten seines Vaters aufgehalten und gearbeitet hat, eine Rückkehrmöglichkeit.

 

Im gegenständlichen Fall geht sowohl aus der aktuellen allgemeinen Länderberichtslage bzw. der prekären allgemeinen Sicherheitslage im Irak als auch der individuellen Rückkehrsituation des BF keine dem BF bei einer Rückkehr drohende Art. 2 oder Art. 3 EMRK - Verletzung hervor.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß

 

§ 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

 

3.3. Zur Rückkehrentscheidung:

 

3.3.1. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

 

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

 

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

 

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren

 

binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des

 

Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

 

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

 

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

 

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

 

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

 

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

 

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

 

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

 

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, so ist gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 BGBl. I 100/2005 idgF lautet wie folgt:

 

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

 

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

 

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

 

Im gegenständlichen Fall keine der in § 57 AsylG für die Erteilung dieser Aufenthaltsberechtigung erforderliche Voraussetzung vor.

 

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idgF lautet wie folgt:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei-

 

und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

(...)."

 

Der EGMR hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

 

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;

20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;

22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124;

11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, des Weiteren der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0265, mwN, sowie zuletzt den Beschluss vom 07.09.2016, Ra 2016/19/0168).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (s. etwa die Erkenntnisse vom 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058, vom 21.01.2016, Ra 2015/22/0119, und in diesem Sinn auch jenes vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 mwN sowie den Beschluss vom 15.03.2016, Ra 2016/19/0031) und dass das persönliche Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren.

 

Im gegenständlichen Fall war der BF seit Antragstellung am 23.07.2015 für die Dauer seines Asylverfahrens nur vorläufig aufenthaltsberechtigt. Seiner bislang nicht einmal vier Jahre, somit weniger als fünf Jahre langen Aufenthaltsdauer kommt nach angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessensabwägung zu.

 

Der BF hat während der Zeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet zudem keine besonderen Integrationsschritte gesetzt bzw. setzen können.

 

Im März 2019 wurde mit einer Gemeinde im Bundesgebiet nachweislich eine Vereinbarung über "gemeinnützige Beschäftigung für Asylwerbende" für den Zeitraum von Anfang April bis Ende September 2019 geschlossen. Demnach ist der BF seit April 2019 und damit seit erst rund drei Monaten in besagter Gemeinde gemeinnützig tätig.

 

Die Anerkennung im Zuge eines nachgereichten Unterstützungsschreibens durch eine Privatperson von April 2019 kann der gemeinnützigen Tätigkeit des BF bei der Interessensabwägung auch kein besonderes Gewicht verleihen, auch wenn der BF - diesem Unterstützungsschreiben folgend seine Arbeiten - Malerarbeiten, Rasenmähen, Unkrautjäten, Saubermachen - "immer freundlich, fleißig und hilfsbereit" erledigt.

 

Fest steht, dass der BF in keiner Partnerschaft lebt und keine Familienangehörige oder sonstige berücksichtigungswürdige Bezugspersonen in Österreich hat.

 

Seinen im Zuge seiner Konversion in Österreich geknüpften Sozialkontakten und geschlossenen Freundschaften kann, zumal der BF zu Angehörigen der christlichen Glaubensgemeinschaften zwar nicht nur bei kirchlichen Aktivitäten - etwa bei Gebetsrunden, sondern auch darüber hinaus regelmäßigen Kontakt pflegt, mangels Glaubhaftmachung einer besonderen Nahebeziehung zu einer bestimmten Person bzw. bestimmten Personen jedoch keine bei der Interessensabwägung berücksichtigungswürdige Art. 8 EMRK - Intensität zukommen.

 

In Gesamtbetrachtung überwiegen jedenfalls die öffentlichen Interessen die privaten Interessen des BF, der den Großteil seines Lebens im Irak verbracht, dort die Schule und seinen Lebensunterhalt durch Maler-, Bau- und Fliesenlegerarbeiten bestreiten können hat und, wie aus seinen im Zuge der Konversion in Österreich geschlossenen Freundschaften ersichtlich, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch bei einer Rückkehr in den Irak und dort in ein vor allem von Christen besiedeltes Gebiet in der Lage sein wird, alsbald sozialen Anschluss als Rückhalt bei der Wiedereingliederung in die irakische Gesellschaft zu finden.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung war im gegenständlichen Fall jedenfalls gerechtfertigt und verhältnismäßig, weshalb die Beschwerde dagegen als unbegründet abzuweisen war.

 

3.3.2. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung durchsetzbar ist, sind gemäß § 46 Abs. 1 FPG von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn die Überwachung der Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint, sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder dies aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist oder Fremde einem Einreise- oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Im gegenständlichen Fall liegt kein Abschiebungshindernis vor, zumal der in Österreich zum Christentum konvertierte BF bei einer Rückkehr nach Bagdad oder in mehrheitlich christlich besiedelte Gebiete im Nordirak, etwa in Erbil oder Sulaymanyia, wo er noch zu Lebzeiten seines Vaters im Jahr 2007 erwerbstätig war, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit wie bereits vor seiner Ausreise seinen Lebensunterhalt durch Arbeiten als Maler-, Fliesenleger und am Bau bestreiten können wird und aus den Länderfeststellungen die Grundversorgung und staatliche Unterstützungsmaßnahmen bei der Arbeitssuche ersichtlich sind.

 

Die Beschwerde war daher auch gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak als unbegründet abzuweisen.

 

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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