BVwG W222 1421188-2

BVwGW222 1421188-28.11.2018

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W222.1421188.2.00

 

Spruch:

W222 1421188-2/21E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.04.2015, Zl. XXXX , aufgrund des Vorlageantrags des XXXX , geb. XXXX , StA. Nepal, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2015, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.10.2018 zu Recht erkannt:

 

A)

 

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. abgewiesen.

 

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wir mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des befristeten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG auf 1 Jahr herabgesetzt wird.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer, ein nepalesischer Staatsangehöriger, stellte am 10.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.08.2011, Zl XXXX , gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen wurde. Unter einem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nepal ausgewiesen.

 

Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.03.2012, Zl. C9 421188-.1/2011/2E, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 sowie 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Da der Beschwerdeführer zu wesentlichen Punkten seines Fluchtvorbringens betreffend eine Verfolgung seiner Familie durch Maoisten keine übereinstimmenden Angaben getätigt habe, erachtete der Asylgerichtshof den Fluchtgrund des Beschwerdeführers nicht als glaubhaft. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer auch nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK verletzt werden, zumal eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat nicht vorliege. Die öffentlichen Interessen an der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften würden das Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich überwiegen, weil er keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet habe und Hinweise auf eine berücksichtigungswürdige besondere Integration in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht schon angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer nicht erkennbar seien.

 

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11.06.2012, Zl. U 728/12, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen die Entscheidung des Asylgerichtshofes abgewiesen.

 

Am 21.03.2013 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a FPG, der mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 05.08.2013 abgewiesen wurde. Der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Büro II. Instanz, vom 18.10.2013 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag gemäß § 46a Abs. 1a FPG 2005 zurückgewiesen wird. Der zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 20.02.2014, Zl. B 1482/2013, zurückgewiesen.

 

Am 03.09.2014 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005. Dabei brachte er ein Konvolut an Unterlagen in Vorlage und gab im Wesentlichen an, seit dem 10.08.2011 durchgängig in Österreich aufhältig zu sein, am 11.07.2013 eine Deutschprüfung über das Niveau A2 abgelegt zu haben und über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 zu verfügen.

 

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2015 wurde der Antrag gemäß § 55 AsylG vom 03.09.2014 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005 idgF als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bezüglich seines Asylverfahrens ein außerordentliches Rechtsmittel eingelegt habe, weshalb er im Entscheidungszeitpunkt über ein Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz verfüge und sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als unzulässig zurückzuweisen sei. Da die Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 erfolgt sei, sei entsprechend § 10 Abs. 3 AsylG keine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

 

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht, worin moniert wurde, dass die Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG nicht rechtmäßig gewesen sei, weil das Asylverfahren des Beschwerdeführers bereits abgeschlossen sei und er nicht über eine Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfüge.

 

Nachdem der Beschwerdeführer am 16.04.2015 niederschriftlich einvernommen worden war, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Beschwerdevorentscheidung vom 25.04.2015 den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 03.09.2014 gemäß § 55 AsylG 2005 idgF ab. Unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG idgF erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig sei (Spruchpunkt I.), und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 FPG idgF wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Seinem Antrag auf Heilung der Mängel gemäß § 4 AsylG-DV iVm § 8 AsylG-DV vom 16.04.2015 wurde stattgegeben (Spruchpunkt IV.). Begründend wurde festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer seit März 2012 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und keinerlei Ambitionen gezeigt habe, sich selber ein Reisedokument zu besorgen. Es bestehe kein schützenswertes Familienleben und die Integration des Beschwerdeführers sei als mäßig anzusehen, zumal er seine Unterstützer nicht bzw. nur flüchtig kenne, lediglich das Fitnesscenter besuche und nach wie vor von staatlicher Unterstützung lebe. Er habe zwar Deutschkurse besucht, jedoch sei er während der gesamten Einvernahme auf den Dolmetscher angewiesen gewesen. Das öffentliche Interesse an einem geregelten Fremden- und Einwanderungswesen überwiege daher das private Interesse am Verbleib im Bundesgebiet. Da der Beschwerdeführer seinen gesamten Aufenthalt aus öffentlichen Mitteln bestreite, keinerlei Ambitionen gezeigt habe, aus einem seine Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen und mittellos sei, sei § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt. Zudem stelle die Ausübung einer illegalen Beschäftigung eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Interessen dar, weshalb von der Erlassung eines Einreiseverbots nicht abgesehen werden könne. Dem Antrag auf Heilung werde stattgegeben, weil zur Erlangung eines Reisedokuments die persönliche Antragstellung in Berlin notwendig sei.

 

In der Folge stellte der Beschwerdeführer rechtzeitig gemäß § 15 VwGVG einen (irrtümlicherweise als "Beschwerde" bezeichneten) Vorlageantrag, worin im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass sich die Behörde nicht mit der Lage im Herkunftsstaat auseinandergesetzt habe und veraltete Länderberichte zugrunde gelegt habe. Angesichts des schweren Erdbebens im April 2015 sei die Lage in Nepal äußerst prekär und würde die Abschiebung des Beschwerdeführers Art. 2 und Art. 3 EMRK verletzen. Der Einvernahmeleiter habe lediglich eine Frist von einem Tag für die Vorlage eines neuen Vorarbeitsvertrages eingeräumt. Da der Beschwerdeführer nicht aufgefordert worden sei, Deutsch zu sprechen, und der Einvernahmeleiter ausschließlich unter Zuhilfenahme des Dolmetschers mit ihm gesprochen habe, habe er sich kein abschließendes Bild über die Deutschkenntnisse verschaffen können. Entgegen der Ansicht der Behörde würden die Unterstützungserklärungen durchwegs von guten Bekannten bzw. Freunden stammen. Während des Aufenthalts in Österreich sei es den Behörden trotz Mitwirkung des Beschwerdeführers nicht gelungen, ein Heimreisezertifikat bei der nepalesischen Botschaft zu erwirken. Außerdem entspreche es notorischem Amtswissen, dass von der nepalesischen Botschaft in der Regel keine Antworten auf Anfragen zur Erlangung von Identitätsdokumenten zu erwarten sind. Daher sei die Unmöglichkeit der Abschiebung nicht vom Beschwerdeführer zu vertreten und müsse davon ausgegangen werden, dass sein Aufenthalt ex lege geduldet sei. Bei der Verhängung des Einreiseverbotes hätte berücksichtigt werden müssen, dass der Beschwerdeführer während seines gesamten Aufenthalts ordnungsgemäß gemeldet gewesen sowie unbescholten sei und dass er zugegeben habe, gelegentlich erwerbstätig zu sein, sowie im Rahmen seiner Möglichkeiten am Verfahren mitgewirkt habe.

 

In einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.05.2015 wurde entgegnet, dass sich die Behörde lediglich bezüglich der erneut behaupteten Bedrohung durch Maoisten auf die Entscheidung des Asylgerichtshofes gestützt habe und im Bescheid die aktuellsten Länderfeststellungen verwertet worden seien. Die Lage in Nepal sei zwar prekär, aber nicht aussichtslos, zumal die UN und viele weitere Organisationen dort tätig seien und nicht das gesamte Staatsgebiet vom Erdbeben im April 2015 verwüstet worden sei. Die Behörde sei nicht verpflichtet, so lange zu warten, bis es dem Fremden "genehm" sei, einen Arbeitsvorvertrag vorzulegen, zumal der Beschwerdeführer schon Jahre dafür Zeit gehabt habe. Entgegen den Angaben des Beschwerdeführers habe die Behörde diesem unterstellt, sich nicht selbstständig um ein Reisedokument bemüht zu haben, weshalb die zitierte höchstgerichtliche Entscheidung betreffend ein Heimreisezertifikat ins Leere gehe. Der Beschwerdeführer habe die Einvernahme durch einen Dolmetscher verlangt und das nunmehr behauptete freundschaftliche Verhältnis zu der genannten Person der Behörde nicht zur Kenntnis gebracht.

 

Mit Schreiben vom 04.10.2018 ersuchte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers um eine vierzehntägige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zu den Länderfeststellungen und legte einen Arbeitsvorvertrag vor.

 

Am 08.10.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche öffentliche Verhandlung statt. Mit Schreiben vom 19.10.2018 wurde das Länderinformationsblatt dem rechtsfreundlichen Vertreter geschickt und eine vierzehntägige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt. Bis dato langte keine Stellungnahme ein.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen

 

Der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nepal, bekennt sich zum hinduistischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Chhetri an. Er ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Am 21.03.2012 und am 28.05.2012 wurde gegen den Beschwerdeführer Anzeigen wegen rechtswidrigen Aufenthaltes gemäß § 120 Abs. 1a FPG erstattet.

 

Nachdem der Beschwerdeführer unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet eingereist war, stellte er am 10.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, über den mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.03.2012 gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 sowie 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 negativ entschieden wurde. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a FPG vom 21.03.2013 wurde rechtskräftig mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Büro II. Instanz, vom 18.10.2013 zurückgewiesen. Am 03.09.2014 stellte er den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

 

Der ledige und kinderlose Beschwerdeführer ist in Österreich seit dem 12.08.2011 durchgängig aufrecht gemeldet. Er verfügt weder über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte, noch lebt er in einer Lebensgemeinschaft. Am 11.07.2013 und am 14.07.2014 absolvierte er Deutschprüfungen für die Niveaus A2 und B1. Er verfügt über einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich, spielt Fußball sowie Volleyball und besucht ein Fitnesscenter.

 

Während des Asylverfahrens arbeitete der Beschwerdeführer vier Monate als Zeitungszusteller; danach reinigte er bis April 2015 ungefähr zwei Mal pro Woche entgeltlich PKWs, wofür er keine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz hatte. Er war einige Male ehrenamtlich als Dolmetscher für eine Rechtsberatungsorganisation tätig. Zurzeit geht er keiner regelmäßigen Beschäftigung nach. Der Beschwerdeführer bezieht seit seiner Einreise nach Österreich und abgesehen vom Zeitraum Oktober 2011 bis Juli 2014 Leistungen im Rahmen der Grundversorgung, nunmehr im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung. Dem Beschwerdeführer wurde in den Jahren 2015 und 2016 angeboten, für die XXXX in der Küche vollbeschäftigt arbeiten zu können, wenn er eine Arbeitsgenehmigung für Österreich bekommt. Der Beschwerdeführer äußerte im Jahr 2015 die Absicht, eine Ausbildung als "Altenfachsozialbetreuer" beginnen zu wollen. Am 13.01.2017 schloss der Betreiber eines nepalesischen Restaurants mit dem Beschwerdeführer einen Arbeitsvorvertrag für ein unbefristetes Vollzeit-Arbeitsverhältnis als Kellner ab. Darüber hinaus konnten weitere maßgebliche Anhaltspunkte, die für die Annahme einer besonderen Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sprechen würden, nicht festgestellt werden.

 

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Distrikt XXXX in der Verwaltungszone XXXX . Seine Muttersprache ist Nepali. Er besuchte in Nepal zehn Jahre lang die Schule und zwei Jahre lang ein College für Management. Seine Mutter, seine Schwester und zwei Onkel mütterlicherseits leben in Nepal. Der Vater des Beschwerdeführers befindet sich derzeit in Indien, arbeitet dort in einem Restaurant und schickt seiner Familie Geld nach Nepal. Die Familie des Beschwerdeführers bestreitet ihren Lebensunterhalt von der Erwerbstätigkeit des Vaters und durch eine familieneigene Landwirtschaft.

 

Zur Lage im Herkunftsstaat:

 

Politische Lage

 

Nepal hat ca. 147.181 km² Fläche und ca. 29,5 Mio. Einwohner. Die Hauptlandessprache ist Nepalesisch (AA 2 .2018). Regierungsform ist eine parlamentarische Mehrparteien-Demokratie, die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996-2006) entstand. Staatsoberhaupt ist seit 28.10.2015 die Präsidentin Bidya Devi Bhandari (AA 2 .2018; vgl. AA 3 .2018).

 

Nepal war 240 Jahre lang ein hinduistisches Königreich. Die ersten freien Parlamentswahlen im Mai 1991 gelten als Geburtsstunde der parlamentarischen Demokratie in Nepal. Die oftmals rasch wechselnden Koalitions- und Minderheitsregierungen konnten die Erwartungen der breiten Bevölkerung jedoch nicht erfüllen. Der Unmut führte schließlich im Februar 1996 zur Aufnahme des bewaffneten Kampfes der maoistischen Rebellenbewegung unter Führung der Unified Communist Party of Nepal (UCPN-M) gegen das bestehende politische System mit dem Ziel der Etablierung einer Volksrepublik. Der Konflikt zwischen Sicherheitskräften und Maoisten eskalierte nach 1999 landesweit und forderte im Verlauf von zehn Jahren rund 13.000 Todesopfer auf beiden Seiten. Mehr als 1.200 Menschen gelten noch immer als vermisst. Die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996 - 2006) Anfang April 2008 gewählte erste verfassungsgebende Versammlung erklärte in ihrer konstituierenden Sitzung Nepal zur Demokratischen Bundesrepublik. Die zweite verfassungsgebende Versammlung wurde in allgemeinen Wahlen am 19.11.2013 gewählt. Die endgültige Staatsform, das Regierungs- und Wahlsystem sowie die künftige föderale Gliederung (sieben Provinzen) regelt die neue Verfassung, die am 16.9.2015 durch die verfassungsgebende Versammlung verabschiedet und am 20.9.2015 verkündet wurde. Mit Verkündung der Verfassung hatte sich die verfassungsgebende Versammlung aufgelöst. Die Funktion übernahm in Folge das Parlament. Das Parlament und die sieben neu eingerichteten Provinzparlamente sind am 7.12.2017 gewählt worden (AA 3 .2018).

 

In den im November und Dezember 2017 abgehaltenen Parlaments- und Provinzwahlen erhielten die Vereinte Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (CPN-UML) und ihr Bündnispartner, die Kommunistisch-Maoistische Zentrumspartei (CPN-MC), 121 bzw. 53 Sitze im Unterhaus, das über 275 Sitze verfügt. Bei der bislang stärksten Partei Nepali Congress (NC) verfehlten dagegen viele Politiker den Wiedereinzug ins Parlament. In der südlichen Provinz Nr. 2 erhielten zwei Parteien, die die Minderheit der Madhesi vertreten, eine parlamentarische Mehrheit. Das linke Bündnis der Kommunisten verstärkte seine Position noch, indem es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat erhielt. Die CPN-UML und die CPN-MC gewannen dort 27 bzw. 12 Sitze von insgesamt 59. Nach dem überwältigenden Wahlsieg des linken Bündnisses hat der Führer der CPN-UML Khadga Prasad Sharma Oli das Amt des Premierministers Nepals als Nachfolger von Sher Bahadur Deuba angetreten.

 

Die verfassungsmäßigen Vorschriften und neuen Mehrheitsverhältnisse machen es wahrscheinlich, dass Nepal, anders als in der Vergangenheit, von Premierministern regiert wird, die mehrere Jahre im Amt bleiben werden. Nach den erfolgreichen Wahlen sind jetzt auf der Gemeinde-, der Provinz- und der Bundesebene gewählte Volksvertreter dabei, die Exekutive zu kontrollieren (GIZ 3.2018b; vgl. DS 14.2.2018).

 

Auf nationaler Ebene wird Nepal ein Bestehen von demokratischen Institutionen attestiert. Doch sind diese instabil, etwas umstritten und wegen fortwährender politischer Kontroversen wenig effektiv (BTI 2018). Diese ersten nationalen, regionalen und lokalen Wahlen, welche unter einer neuen Verfassung mit einer hohen Wahlbeteiligung stattfanden, bedeuten trotz einiger Gewaltmeldungen einen Aufwärtstrend für Nepal (FH 2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage bleibt vor allem in urbanen Zentren wie Kathmandu und Pokhara angespannt. Unruhen, Streiks und Anschläge sind zu keiner Zeit auszuschließen (BMEIA 28.3.2018). Nepal befindet sich in einer politischen Übergangsphase. Seit Inkrafttreten der Verfassung am 20.9.2015 haben sich die politischen Spannungen erhöht, da sie nicht von allen politischen Parteien und Gesellschaftsgruppen akzeptiert wird. Zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2016 führten zahlreiche Proteste und Generalstreiks auf nationaler, regionaler und Distrikt-Ebene zu mehrmonatigen Versorgungsengpässen; vor allem die Treibstoffversorgung war stark eingeschränkt. Erneute Ereignisse dieser Art sind jederzeit möglich. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt. Sie haben vereinzelte Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden verursacht (EDA 18.12.2017). Im jetzigen politischen Umfeld kommt es in Nepal nur noch gelegentlich zu kurzfristig ausgerufenen "Bandhs" (Zwangsstreiks jedweder Art, auch im Kathmandu-Tal, mit Blockaden/Straßensperren); manchmal werden diese auch gewaltsam durchgesetzt. Letzteres gilt auch für sog. Transportstreiks. Nach den bisherigen Erfahrungen können diese Protestaktionen das öffentliche Leben empfindlich stören. Besonders im Terai ist mit Protestaktionen und gewaltsamen, unter Umständen gefährlichen Auseinandersetzungen zu rechnen (AA 20.3.2018).

 

Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen, Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch. Auf Grund der politischen Instabilität und der Unzuverlässigkeit des Rechtssystems ist eine steigende Gewaltbereitschaft und Kriminalität im ganzen Land feststellbar (AA 20.3.2018).

 

Bedenken bestehen hinsichtlich Aktivitäten von indischen Grenzsicherheitskräften, welche außerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche agieren. Darüber hinaus sollen chinesische Grenztruppen an der nördlichen Grenze zur Autonomen Region Tibet gelegentlich auf nepalesischem Territorium operieren (BTI 2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Regionale Problemzone Terai

 

Politische und ethnische Spannungen sind im Terai und in den östlichen Hügelgebieten ausgeprägter als in anderen Teilen des Landes. Im Terai-Gebiet im Süden des Landes agieren zahlreiche bewaffnete Gruppierungen und es kommt häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Es besteht ein Risiko von lokalen Unruhen, Blockaden und Streiks (Bandhs), besonders in Siraha, Sarlahi, Dhanusha, Bara, Kailali, Dang und Kapilbastu, sowie in den östlichen Hügeldistrikten inklusive Jhapa (EDA 18.12.2017; vgl. AA 20.3.2018, BMEIA 28.3.2018).

 

Am 8.8.2015 einigten sich vier der wichtigsten Parteien darauf, Nepal in der neuen Verfassung als föderale Republik zu definieren und in sieben föderal verwaltete Bundesstaaten aufzuteilen. Ethnische Gruppen im Süden und mittleren Westen von Nepal protestierten gegen die neue Struktur, die ihnen ihrer Meinung nach die politische Repräsentanz verweigerte. In der Folge kam es zu gewalttätigen Protesten in der Region Terai. Die Sicherheitskräfte wendeten bei mehreren Zusammenstößen mit Protestierenden exzessive, unverhältnismäßige oder unnötige Gewalt an. Bis Oktober 2015 waren mehr als 50 Zivilpersonen und Polizeiangehörige bei diesen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen (AI 24.2.2016; vgl. BTI 2018). Von Ende August 2015 bis zum Frühjahr 2016 forderten Unruhen im westlichen Terai mehrere Todesopfer und Verletzte und es wurde eine Ausgangssperre verhängt. Erneute Ereignisse dieser Art sind jederzeit möglich (EDA 18.12.2017; vgl. AA 20.3.2018, BMEIA 28.12.2017, AI 22.2.2018).

 

Im März 2017 kam es im Distrikt Saptari (östliches Terai) zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten der Madhesi und Sicherheitskräften, die mehrere Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderten. Während der Untersuchung der Todesfälle wurden Beamte der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) in ihrem Fahrzeug von Anhängern jener Partei angegriffen, welche die Wahl boykottierten (AI 22.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Die Gerichtsbarkeit ist unabhängig und gemäß internationalen Maßstäben des Rechtsdenkens ausgerichtet. Das Justizwesen ist jedoch anfällig für politischen Druck, Bestechung und Drohungen. Das Gerichtswesen ist dreistufig: an der Spitze steht der Oberste Gerichtshof, darunter rangieren Berufungs- und Distriktgerichte. Der Oberste Gerichtshof ist für die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zuständig (GIZ 3.2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Durch den Obersten Gerichtshof wurden mehrere politische Führer wegen Korruption anklagt und mutige Entscheidungen mit Bezug auf Übergangsjustiz, Staatsbürgerschaft und Quoten getroffen (BTI 2018).

 

Die Behörden setzen Gerichtsbeschlüsse, einschließlich Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, nicht konsequent um. Der Respekt für die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen und das Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane sind erodiert. Die formelle Justiz ist in Nepal für Konfliktparteien oft kaum erreichbar, unzuverlässig und zu teuer. Die weit verbreitete Korruption der Polizeibehörden und der Staatsverwaltung trägt dazu bei, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane setzt (GIZ 3.2018; vgl. USDOS 3.3.2017).

 

Unsichere Eigentumsrechte stellen für Einkommensschwache ein besonderes Problem dar, da es diesem Personenkreis oft an einer geeigneten Dokumentation mangelt, um einen Anspruch auf Grund und Boden bei der Verwaltung und bei örtlichen Gerichten durchzusetzen (BTI 2018).

 

Bei der Umsetzung und Mittelausstattung für die beiden Übergangsmechanismen der Justiz, der Wahrheitskommission (Truth and Reconciliation Commission - TRC) und der Untersuchungskommission für Verschwindenlassen / verschwundene Personen (Commission on the Investigation of Enforced Disappeared Persons - CIEDP), kommt es zu Verzögerungen. Während der Konfliktzeit begangene Verbrechen werden nur ungenügend strafverfolgt (USDOS 3.3.2017).

 

Die Regierung hat das vom Obersten Gerichtshof in den Jahren 2014 und 2015 angeordnete Gesetz zur Untersuchung von Fällen verschwundener Personen, Wahrheit und Versöhnung nicht abgeändert. Bis Ende des Jahres hatten die TRC und die CIEDP über 60.000 bzw. 3.000 Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen wie Mord, Folter und Verschwindenlassen durch staatliche Sicherheitskräfte und Maoisten während des Konflikts von 1996 bis 2006 gesammelt. Effektive Untersuchungen fanden nicht statt. Ein akuter Mangel an Ressourcen und Kapazitäten beeinträchtigt die Fähigkeit der beiden Organe, Aufklärung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu erbringen (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Sicherheitsbehörden

 

Die Aufgabe der Nepal Police (NP) ist die Durchsetzung von Recht und Ordnung, während die Armed Police Force (APF) für die Terrorismusbekämpfung, für die Gewährleistung der Sicherheit während Ausschreitungen und öffentlichen Unruhen, für die Unterstützung bei Naturkatastrophen und für den Schutz wichtiger Infrastruktur zuständig ist. NP und APF können Fahndungs- und Haftbefehle ohne gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Überprüfung erlassen. Beide Einheiten verfügen, genauso wie die Armee (Nepal Army - NA), über eine Menschenrechtskommission, aber nur die Kommissionen von NP und NA verfügen über unabhängige Ermittlungsbefugnisse. Alle Sicherheitskräfte erhalten eine Menschenrechtsschulung. Von der NP wurde festgestellt, dass die Missbrauchsvorwürfe bezüglich der Zeit des Bürgerkriegs durch die Truth and Reconciliation Commission (TRC) behandelt werden sollten. Die Menschenrechtskommission der Nepal Police berichtete zwischen Juli 2015 und Juli 2016 über drei Beschwerden, die sich alle auf Foltervorwürfe bezogen und zur Bestrafung von zehn Polizeibeamten führten. Sieben Offiziere erhielten offizielle Rügen und drei wurden nicht befördert. Zusätzlich rügte die nepalesische Polizei in drei Folterfälle aus dem abgelaufenen Jahr fünf Beamte und mahnte einen anderen Beamten ab. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) und das Advocacy Forum (AF) berichten jedoch unabhängig voneinander, dass sie seit August 2016 mehrere Beschwerden wegen Polizeigewalt bei den Bezirksgerichten einreichten, die alle noch anhängig sind. AF informiert weiters, dass es keine Beschwerden mehr an die Menschenrechtskommission der NP richtet, da diese auf keine der über 100 Beschwerden, welche AF seit 2010 eingereicht hat, reagiert hat. Die Polizeikorruption, vor allem bei unterbezahlten niederen Polizeibeamten, und die mangelhafte Bestrafung polizeilichen Missbrauchs bleiben weiterhin Probleme (USDOS 3.3.2017).

 

Bemühungen, die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen zu gewährleisten, werden weiterhin dadurch stark untergraben, dass die Polizei die zur Einleitung von Ermittlungen erforderlichen Berichte (First Information Reports) nicht anfertigt, keine Untersuchungen einleitet und gerichtliche Anweisungen nicht befolgt. Dies gilt selbst in Fällen von mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen, Menschenhandel, geschlechtsspezifischer Gewalt sowie von Folter und anderen Misshandlungen (AI 24.2.2016).

 

Angebliche unangemessene Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte bei den Protesten zwischen August 2015 und Februar 2016 - besonders in der Region Terai - werden kritisiert und als erhebliches Menschenrechtsproblem betrachtet (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Obwohl sich sowohl die Interimsverfassung von 2007 als auch die Verfassung von 2015 mit dem Thema Folter befassen, wird diese nicht explizit kriminalisiert und das Gesetz enthält keine klaren Leitlinien zur Bestrafung der Täter. Das Folter-Entschädigungs-Gesetz sieht eine Entschädigung für Folteropfer vor; das Opfer muss eine Beschwerde einbringen und den Fall vor Gericht verfolgen. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) erklärt, dass Folteropfer wegen der Einschüchterungen durch Sicherheitskräfte und aus Angst vor Repressalien oft zögern, eine offizielle Beschwerde einzureichen. Weiters wurden laut THRDA zahlreiche Folterfälle vom Gericht aufgrund fehlender glaubwürdiger Beweise, insbesondere medizinischer Befunde, zurückgewiesen. In Fällen, in denen die Gerichte dem Opfer einen Schadenersatz zusprachen oder eine Disziplinarmaßnahme gegen die Polizei verordneten, wurden die Urteile nur selten umgesetzt. THRDA verzeichnet eine leichte Steigerung von Misshandlungen. In den ländlichen Teilen der Terai-Region ist gemäß NGO-Angaben keine Verbesserung bezüglich Polizeigewalt feststellbar. Berichten zufolge wird der Polizei im Distrikt Kailali willkürliche Verhaftung, Folter und andere Misshandlungen bzw. erzwungene Geständnisse im Zusammenhang mit der Tötung von Demonstranten und einem Kind in Tikapur im August 2015 vorgeworfen (USDOS 3.3.2017).

 

Während der Untersuchungshaft kommt es nach wie vor zu Fällen von Folter - etwa um Geständnisse zu erzwingen. Das neue Strafgesetz, welches durch das Parlament im August 2017 verabschiedet wurde, enthält Bestimmungen, welche Folter und andere Misshandlungen unter Strafe stellen und mit einer Höchststrafe von fünf Jahren ahnden. Ein eigenständiges Anti-Folter-Gesetz, welches im Parlament anhängig bleibt, entspricht bei weitem nicht den völkerrechtlichen Anforderungen (AI 22.2.2018).

 

Die Regierung verhindert gründliche Untersuchungen bzw. das Ergreifen schwerwiegender Disziplinarmaßnahmen gegen Polizisten, die wegen Brutalität und Folter angeklagt wurden. Der UN-Ausschuss gegen Folter stellte fest, dass die Folterung von Verdächtigen in Untersuchungshaft weit verbreitet ist. Amnesty International berichtet von Fällen von Folterung von Frauen und Kindern (FH 27.1.2017).

 

Gemäß dem Folterbericht von AF waren 17,2% der 1.212 befragten Insassen im Jahr 2015 und 16,2% im Jahr 2014, einer körperlichen Misshandlung ausgesetzt. Der gleiche Bericht weist auf einen leicht erhöhten Anstieg der Folterfälle unter Häftlingen indigener Gruppen hin. Laut der Menschenrechtskommission der Nepal Police (NP) wurde der Großteil der angeblichen Vorfälle nicht offiziell angezeigt oder formell untersucht. Bis August 2016 besuchte die Menschenrechtskommission der NP sieben Haftanstalten in vier Distrikten, und befragte die Häftlinge über die Behandlung in der Haft (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

Korruption

 

Das Verwaltungssystem ist marode, voller Korruption und dringend reformbedürftig (BTI 2018). Korruption bleibt auf allen Ebenen der Verwaltung ein Problem (USDOS 3.3.2017).

 

Wie in den meisten südasiatischen Ländern deuten verschiedene Indikatoren auf eine schwache Leistungsfähigkeit des Staates hin. Während die Verwaltungsstruktur des Staates über die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung hinausgeht, ist die schwache Verwaltung nicht in der Lage, allen Bürgern einen gerechten Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen zu gewähren. Gerade im ländlichen Raum ist die Infrastruktur zu schwach, um eine solide administrative Basis für die politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen (BTI 2018).

 

Obwohl das Gesetz Strafen für Behördenkorruption vorsieht, gibt es weiterhin Berichte darüber, dass korrupte Praktiken ungestraft ausgeübt werden. Es gibt zahlreiche Meldungen über korrupte Handlungen auf allen Regierungsebenen, in politischen Parteien und parteinahen Organisationen. Auch die Gerichtsbarkeit ist von Bestechungen betroffen. Korruption und Straflosigkeit stellen auch innerhalb der Polizei weiterhin ein Problem dar, vor allem in den unteren Rängen (USDOS 3.3.2017).

 

Nepal liegt im 2017 Corruption Perceptions Index von Transparency

International mit einer Bewertung von 31 (von 100) (0=highly

corrupt, 100=very clean) auf Platz 122 (von 176) (je höher, desto

schlechter) (TI 2018). 2016 lag das Land mit Bewertung 29 auf Platz 131 (von 180) (TI 2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

(...)

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Nach dem verheerenden Erdbeben am 25.4.2015 wurde innerhalb weniger Monate eine neue Verfassung verabschiedet, welche im September 2015 in Kraft trat. Sie wies zahlreiche Defizite in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte auf und sah eine föderalistische Staatsstruktur vor, die von den ethnischen Gruppen in der Terai-Region abgelehnt wurde. Der Verfassungsänderung folgten gewalttätige Zusammenstöße zwischen Protestierenden und Polizei - besonders in den Gebieten der Terai, und führte von August 2015 bis Februar 2016 zu zahlreichen Toten (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017, AI 22.2.2018, BTI 2018). Im August 2016 genehmigte jedoch die Regierung die Gründung einer unabhängigen Juristischen Kommission, um Menschenrechtsverletzungen während der Unruhen bezüglich der Verfassungsänderung zu untersuchen. Aber seit September wurde die Arbeit noch nicht aufgenommen (USDOS 3.3.2017).

 

Durch eine ungleiche Verteilung der Katastrophenhilfe nach dem Erdbeben wurden benachteiligte Gruppen diskriminiert; in allen betroffenen Gebieten kam es zu Verzögerungen beim Wiederaufbau (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017). Hunderttausende Überlebende des Erdbebens von 2015 (fast 70% der Betroffenen) leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25% der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende der Überlebenden des Erdbebens nicht förderfähig. Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

 

Weitere Menschenrechtsprobleme sind die Schikanierung von Medien und die Einschränkung der Presse durch Selbstzensur. Die Regierung begrenzte die Versammlungsfreiheit vor allem in den Gebieten, wo die gewalttätigen Proteste gegen die Verfassungsänderung stattfanden. Die Freiheitsrechte von Flüchtlingen, insbesondere tibetischer Herkunft, wurden teilweise eingeschränkt. Die Staatsbürgerschaftsgesetze und -regelungen sind diskriminierend und tragen zur Entstehung von Staatenlosigkeit bei. Früh- und Zwangsehen sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt gegen Frauen, einschließlich Mitgiftmorde, sind nach wie vor ernste Probleme. Es wird weiterhin über Gewalt gegen Kinder, auch in Waisenhäusern, berichtet; die Vorfälle werden jedoch selten gerichtlich verfolgt. Menschenhandel von Kindern und Erwachsenen zu Zwecken sexueller Ausbeutung kommt häufig vor. Personen mit Behinderung und einige ethnische Minderheiten leiden unter Diskriminierung (USDOS 3.3.2017). Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige "unberührbarer Kasten" (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 3.2018). Die Schikanierung aufgrund von Geschlecht oder Zugehörigkeit zu sexuellen Minderheiten ist nach wie vor verbreitet. Die Arbeitnehmerrechte werden teilweise eingeschränkt. Bei der Bekämpfung von Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft gibt es nur geringe Fortschritte. Trotz Verbots sich diese weiterhin gebräuchlich. Bei der Bekämpfung von Kinderarbeit gibt es moderate Fortschritte (USDOS 3.3.2017).

 

Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 3.2018). Diesbezüglich wurden bereits die ersten Initiativen ergriffen. Die Untersuchungskommission zum erzwungenen Verschwinden von Personen (Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons - CIEDP), hat eine Gesetzesvorlage erarbeitet, die darauf zielt, Verschwindenlassen unter Strafe zu stellen. Daneben möchte die CIEDP auch solche Fälle untersuchen, in denen die Opfer des Verschwindenlassens auch gefoltert wurden oder anderen Verbrechen ausgesetzt waren. Die o.g. Forderungen wurden jedoch bis jetzt von der Regierung ignoriert. Die Regierung hatte die Kommission gebildet, ohne ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden, das das Verschwindenlassen von Personen kriminalisiert, womit sie Vorgaben des Obersten Gerichts ignorierte, den Transitional Justice Act entsprechend zu überarbeiten. Sie sah sich deshalb dem Vorwurf von Zivilgesellschaft, Menschenrechtsorganisationen und internationaler Gemeinschaft ausgesetzt, eine zahnlose Übergangsjustiz etablieren zu wollen, bei der die schweren Verbrechen aus der Konfliktzeit nicht mehr strafrechtlich aufgearbeitet würden. Laut CIEDP dienen die Maßnahmen der Regierung nur dazu, die Erlassung der erforderlichen Gesetze und die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen verzögern zu können (SAB 1 .2016; vgl. THT 26.3.2017).

 

Bis Juni 2017 erhielt der CIEDP 3.093 Beschwerden über Verschwindenlassen. Eine weitere Aufsichtsbehörde, die Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission - TRC) nahm trotz fehlender Ressourcen bereits ihre Arbeit auf; sie ist in sieben Provinzen anwesend und bis Juni 2017 erhielt sie 58.000 Beschwerden bezüglich Menschenrechtsverletzungen vor allem aus der Zeit des Bürgerkriegs. Der Vorsitzende der TRC berichtet, dass Gerechtigkeit für die Opfer von außergerichtlicher Tötung, Verschwindenlassen, Vergewaltigung und Folter aufgrund der mangelhaften Gesetzeslage nicht gewährleistet werden kann (THT 8.7.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Haftbedingungen

 

Laut Menschenrechtsorganisationen entsprechen die Haftbedingungen nicht internationalen Standards. Nach offiziellen Angaben gab es im August 2016 19.078 Häftlinge verteilt auf 74 Gefängnisse (offizielle Kapazität: 10.978). Dementsprechend wird berichtet, dass Überbelegung ein ernstes Problem ist. Allerdings ist eine gewisse Verbesserung festzustellen, da neue Haftzentren eröffnet wurden. Weiters bemängelt das Büro des Generalstaatsanwalts (OAG) in manchen Haftanstalten das Fehlen von natürlichem Tageslicht, sanitären Einrichtungen, Kücheneinrichtung und Betten. Laut Advocacy Forum (AF) hatten einige Insassen keinen Zugang zu sauberem Wasser und erhielten unzureichendes Essen. Außerdem wurde ein Mangel an Belüftung, Heizung und Bettwäsche festgestellt. Häftlinge in Untersuchungshaft werden generell getrennt von verurteilten Personen untergebracht. Aufgrund des Mangels an Jugendstrafvollzugsanstalten werden jedoch teilweise auch Minderjährige in Einrichtungen für Erwachsene inhaftiert. Kinder dürfen manchmal mit ihren inhaftierten Eltern im Gefängnis bleiben. Nicht alle Haftanstalten verfügen über separate Bereiche für Frauen. Die NGO Child Workers in Nepal berichtet, dass Minderjährige, die in Gefängnissen für Erwachsene untergebracht werden, oft Mobbing durch ältere Insassen ausgesetzt sind, von der Polizei schlecht behandelt und oft gezwungen werden, die Toiletten zu reinigen. Die medizinische Versorgung ist unzureichend (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 27.1.2017).

 

Laut dem Bericht der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es Beschwerdemöglichkeiten für Häftlinge nach einem vorgeschriebenen Verfahren. Diese Gelegenheit wird jedoch laut AF von den Insassen aus Angst vor Bedrohung und Einschüchterung nur selten genutzt. Auf Beschwerden, die von NGOs und internationalen Organisationen eingereicht werden, reagieren die Behörden schneller. Es gibt keinen Ombudsmann, um die Beschwerden von Gefangenen zu untersuchen. Es existiert kein institutioneller Mechanismus für die Überwachung der Gefängnisse. Einige unabhängige Menschenrechtsbeobachter, z.B. der UN-Hochkommissar für Menschenrechte und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC), dürfen Monitoringbesuche in Haftanstalten durchführen. Einigen NGOs wurden der Zugang oder Gespräche mit den Insassen jedoch verwehrt (USDOS 3.3.2017).

 

In der Untersuchungshaft kommt es weit verbreitet auch zu Folter (FH 27.1.2017), in der Haft zu körperlichen Misshandlungen (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

Todesstrafe

 

Nepal gehört zu jenen Staaten, die die Todesstrafe völlig abgeschafft haben (AI 4.3.2018)

 

Quellen:

 

 

Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz sieht Bewegungs- und Reisefreiheit, aber auch das Recht auf Emigration und Rückkehr vor. Eine Ausnahme bilden Flüchtlinge; diese müssen bezüglich ihrer Bewegungsfreiheit oft gesetzlich geregelte Einschränkungen hinnehmen. Die Einschränkungen der Flüchtlingsbewegungen werden aber nicht einheitlich durchgesetzt. Die Regierung stellt seit 20 Jahren keine Ausweisdokumente für tibetische Flüchtlinge mehr aus. Es gibt Berichte über Vertriebene aus Tibet, die aufgrund fehlender Personaldokumente an Kontrollpunkten von der Polizei schikaniert oder zurückgeschickt werden. Um Frauen vor Menschenhandel oder Misshandlung zu schützen, führte die Regierung für Frauen ein Mindestalter von 24 Jahren für Auslandsreisen zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung ein. Diese Regelung wird jedoch von NGOs und Menschenrechtsaktivisten als diskriminierend und kontraproduktiv empfunden, da so Frauen auf informellem Weg über die indische Grenze migrieren (USDOS 3.3.2017). Rekrutierungsunternehmen nutzen weiterhin ihren politischen Einfluss, um Ermittlungen, Strafverfolgung und Wiedergutmachungen für Missbrauch und Ausbeutung von Migranten zu verhindern (AI 22.2.2018).

 

Während Streiks sind Reisen auf dem Landweg nicht oder nur unter schwierigen Bedingungen möglich (AA 20.3.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

(...)

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Der zehnjährige Bürgerkrieg hat die wirtschaftliche Entwicklung Nepals deutlich beeinträchtigt. Mit dem 2006 eingeleiteten Friedensprozess haben sich die politischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft bislang nur wenig verbessert. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum bewegte sich in den letzten Jahren real zwischen 2% und 4%. Die schweren Erdbeben vom April / Mai 2015 und die innenpolitische Krise nach Verkündung der neuen Verfassung (20.9.2015) haben zu einem weiteren Einbruch der Wirtschaft geführt, von dem sich das Land nur langfristig erholen wird. Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 733,7 US-Dollar (GTAI, prognostiziert für 2016) ist Nepal das zweitärmste Land Südasiens und zählt weiterhin zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Ein Viertel der Bevölkerung lebt unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Die nepalesische Wirtschaft ist faktisch weitgehend privatwirtschaftlich verfasst, aber auch geprägt durch starre sozialstaatliche Elemente sowie durch privilegierte Staatsunternehmen. Ausgeprägte Bürokratie sowie eine unzureichende Infrastruktur beeinträchtigen das Investitionsklima und damit die wirtschaftliche Entwicklung. Nepal ist noch immer ein weitgehend von der Subsistenzwirtschaft geprägter Agrarstaat. Die Landwirtschaft beschäftigt mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen und trägt mehr als ein Drittel zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Der Anteil des verarbeitenden Sektors am BIP hingegen ist aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen für Industriebetriebe in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Der Tourismus im Kathmandu-Tal, im tropischen Regenwald des Terai und im Himalaja ist eine wichtige Deviseneinnahmequelle. Der Dienstleistungssektor profitiert stark vom zunehmenden Fremdenverkehr. Etwa 90% aller Unternehmen des Landes sind Kleinbetriebe, die einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigung leisten, aber nur 4% zum BIP beitragen. Die Inflation ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und liegt aktuell bei etwa 8,5% (IWF, 2015). Ausländische Direktinvestitionen machen nur einen sehr geringen Anteil am gesamten Staatshaushalt aus. Ein Drittel des Budgets wird von der Gebergemeinschaft im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit finanziert (AA 3 .2017; vgl. GIZ 1.2018a).

 

Es existieren keine zuverlässigen Erhebungen zur Arbeitslosigkeit. Die offizielle Erwerbslosenquote ist relativ niedrig (2016: 3.2%), die Unterbeschäftigung ist jedoch weit verbreitet (BTI 2018). In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl jener, die das Land aufgrund der politischen Instabilität und der schweren wirtschaftlichen Krise verließen, exponentiell gestiegen. Neben dem traditionellen Zielland Indien sind mit dem Öl-Boom und dem wirtschaftlichen Aufstieg Asiens, Länder am Persischen Golf und in Südostasien zu attraktiven Destinationen geworden. Schätzungen gehen davon aus, dass heute vier bis fünf Millionen Nepalesen im Ausland arbeiten, deren Geldleistungen an die Familien im Heimatland zwischen 25 und 35% des BIP ausmachen. Mit der zunehmenden Emigration ist die Rekrutierung von Arbeitskräften zu einem lukrativen Geschäft geworden. Über 800 sogenannte "manpower companies" werben über lokale Agenten Arbeitswillige in den Dörfern an und organisieren Transport, Ausreisepapiere und Verträge mit den Arbeitgebern in den Zielländern. Die große Mehrheit der Arbeitsmigranten sind junge Männer. Der Anteil der Frauen hat mit der steigenden Nachfrage nach Hausangestellten in den Golfstaaten im letzten Jahrzehnt zwar zugenommen, Frauen machen aber erst etwa 10% der Arbeitskräfte im Ausland aus und sind besonders gefährdet (GIZ 1.2018b; vgl. AA 3 .2017, GIZ 1.2018a, DR 25.4.2017).

 

Nach zwei schweren Erdbeben, die im April und Mai 2015 Nepal erschüttert und verheerende Schäden im Kathmandu-Tal und den Bergdörfern des Himalaya angerichtet haben, erholt sich das Land nur langsam. Damals kamen fast 9.000 Menschen ums Leben, 3,5 Millionen wurden obdachlos, 400.000 Familien benötigen Hilfe. Der Wiederaufbau läuft auch zwei Jahre später nur schleppend. Laut der Wiederaufbaubehörde wurde bisher erst rund 4.000 Menschen eine zweite Rate der zugesicherten Gelder ausgezahlt, nur 420 bekamen bisher die volle Zahlung. Trotz nationaler und internationaler Unterstützung beklagten die Hilfsorganisationen fehlende Vorgaben der Regierung für den notwendigen Wiederaufbau (DR 25.4.2017; vgl. GIZ 1.2018a).

 

Nepal verfügt außer den familiären sozialen Netzwerken über kein Wohlfahrtssystem. In bestimmten Fällen sind NGOs bemüht, diese Lücke zu füllen, aber deren Tätigkeit ist sehr stark von dem jeweiligen Standort und von internationalen Spenden abhängig, somit können nicht die gleichen Leistungen im ganzen Land angeboten werden. Es gibt nur vereinzelt Privatinitiativen; die öffentlichen Sozialdienste sind rückständig und unzureichend, obwohl sich die Situation in den letzten Jahren leicht verbesserte (BTI 2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Die medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen unzureichend und entspricht häufig nicht europäischem Standard. Dennoch hat sich der Gesundheitszustand der nepalesischen Bevölkerung in den vergangenen Jahren stark verbessert. Insbesondere ist es gelungen, die Zahl der Todesfälle von Müttern und Neugeborenen deutlich zu senken. Doch noch gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Armen und Wohlhabenden sowie zwischen Stadt und Land. Qualität und Verfügbarkeit grundlegender Gesundheitsdienstleistungen sind für weite Teile der Bevölkerung nach wie vor unzureichend. Eine ausreichende Grundversorgung besteht in Kathmandu und den gängigen Touristenzielen. In Kathmandu ist die medizinische Versorgung in einzelnen Fachbereichen durchaus auch auf einem hohen Niveau (AA 19.1.2018; vgl. BMZ 3.2018).

 

Das Gesundheitswesen in Nepal liegt in der Zuständigkeit des Gesundheitsministeriums, das für die kurativen Leistungen, Krankheitsprävention, Gesundheitsförderung und die Einrichtung der medizinischen Grundversorgung zuständig ist. Zusätzliche Gesundheitsleistungen werden von internationalen und nationalen NGOs, von Privatärzten, privaten Krankenschwestern und alternativen Heilpraktikern (z.B. Ayurveda Gesundheitszentren) zur Verfügung gestellt. Zwischen 2015 und 2016 gab es 104 öffentliche Krankenhäuser, 303 private Krankenhäuser, 202 Primäre Gesundheitszentren (PHCC) und 3.803 Gesundheitsstationen. Eine grundlegende Gesundheitsversorgung wurde auch von 12.660 medizinischen Beratungsstellen (PHCORC) gewährleistet. Darüber hinaus wurden im Rahmen des Erweiterten Immunisierungsprogramms (EPI) 16.134 Schutzimpfungen durchgeführt. Diese Maßnahmen wurden mit Hilfe von 49.523 freiwilligen medizinischen Helferinnen der Gemeinden (FCHV) unterstützt (DOHS 2.2017).

 

Das Gesundheitswesen ist aber insgesamt nur schwach entwickelt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat keinen Zugang zu den wichtigsten Medikamenten, auf 100.000 Einwohner kommen im Durchschnitt nur 21 Ärzte. Unterernährung und Erkrankungen des Magen-Darmtraktes, parasitäre Krankheiten, Tuberkulose, Typhus, Malaria, Tollwut, Augen- und Schilddrüsenerkrankungen sind verbreitet. Die Zahl der HIV-Infizierten beläuft sich auf 70.000. Die Kinder- und Müttersterblichkeitsraten sind sehr hoch. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei etwa 70 Jahren. In den ländlichen Gebieten ist die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung besonders schlecht. Auf dem Land fehlt es an Ärzten und Medikamenten, die Wege zu Gesundheitsstationen sind in entlegenen Regionen sehr weit. Die Bevölkerung ist daher noch in hohem Maße auf die traditionellen Heilpraktiken angewiesen. Seit Anfang der 1990er Jahre versucht die Regierung mit der Einrichtung von Gesundheitsstationen (sub-health posts) in ländlichen Gebieten der gesamten Bevölkerung ein Mindestmaß an grundlegenden Gesundheitsdiensten zugänglich zu machen. Die Regierungsentscheidung 7,2% des Jahresbudgets in den Gesundheitssektor zu investieren, ist ein wichtiges Element sozialer Sicherheit. Der Gesundheitssektor steht dennoch vor anhaltenden Herausforderungen, um die Situation für die benachteiligten Bevölkerungsgruppen zu verbessern: Zugangsbarrieren müssen verringert werden, die Qualität von Dienstleistungen muss gesteigert und sozial gerecht finanziert und die dauerhafte Verfügbarkeit von Medikamenten muss gesichert werden (GIZ 1.2018b).

 

In Nepal gibt es keine Krankenversicherung. Die ärztliche Behandlung ist frei, aber alle für die Behandlung erforderlichen Medikamente und Materialien müssen selbst besorgt werden, so dass für die Ärmsten der Armen praktisch keine medizinische Versorgung möglich ist (DNH o.D.).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Rückkehr

 

Die Regierung erlaubt den Staatsbürgern von Nepal Emigration, und die Staatsbürger können jederzeit in jede Region von Nepal zurückkehren. Die Regierung arbeitet im Allgemeinen mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen bei der Bereitstellung von Schutz und Unterstützung für Asylwerber und Flüchtlinge zusammen (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die Feststellungen zum Verfahrensablauf ergeben sich aus dem Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der vorliegenden Gerichtsakte.

 

Die Staatsangehörigkeit, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers sowie die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand ergeben sich aus seinen Angaben vor der Verwaltungsbehörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellungen betreffend die Anzeigen wegen rechtswidrigen Aufenthaltes gemäß § 120 Abs. 1a FPG gründen auf den im Verwaltungsakt einliegenden Anzeigen des Landespolizeikommandos für Wien und des Stadtpolizeikommandos XXXX . Dass er strafrechtlich unbescholten ist, wurde einem aktuellen Strafregisterauszug entnommen.

 

Die Feststellungen zum Familien- und Privatleben in Österreich und in Nepal einschließlich allfälliger Aspekte einer Integration des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus seinen Angaben im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren in Zusammenschau mit den ergänzenden Angaben, schriftlichen Eingaben, vorgelegten Bescheinigungsmitteln und amtswegig eingeholten Auskünften im gegenständlichen Verfahren.

 

Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Sie wurden in der mündlichen Verhandlung am 08.10.2018 erörtert und der Beschwerdeführer trat den herangezogenen Länderinformationen nicht entgegen. Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte, wonach sich die allgemeine Lage zwischenzeitig in einer Weise verändert hätte, die von Amts wegen wahrzunehmen wäre. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Nepal zugrunde gelegt werden konnten.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht unter anderem über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z 1).

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Seine Entscheidung hat es an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage auszurichten (vgl. VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076).

 

Zu A) I.)

 

3.2. Abweisung des Antrags gemäß § 55 AsylG 2005

 

Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" betitelte § 55 AsylG lautet wie folgt: "(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

 

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

 

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

 

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

 

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 70/2015 sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

 

"1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

 

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich, weshalb kein unzulässiger Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens vorliegt.

 

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Geht man im vorliegenden Fall von einem bestehenden Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich aus, fällt die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Lasten des Beschwerdeführers aus:

 

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055). Ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt kann den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet - unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände - ein großes Gewicht verleihen (vgl. VwGH 10.05.2011, Zl. 2011/18/0100, mwN). Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. zuletzt VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325; auch VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249; 30.08.2011, 2008/21/0605; 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; 30.06.2016, Ra 2016/21/0165).

 

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert. In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

Im vorliegenden Fall hält sich der Beschwerdeführer seit seiner illegalen Einreise und anschließender Antragstellung auf internationalen Schutz im August 2011, sohin seit rund sieben Jahren und zwei Monaten im österreichischen Bundesgebiet auf. Dieser lange Zeitraum ist grundsätzlich als Verstärkung seines persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich zu werten, jedoch wird die Dauer des Aufenthalts maßgeblich dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer trotz des rechtskräftig negativen Ausgangs des Asylverfahrens im März 2012 rechtswidrig im Bundesgebiet verblieb und die Ausreiseverpflichtung missachtete. Der Beschwerdeführer hält sich sohin seit mehr als sechs Jahren unrechtmäßig in Österreich auf. Der Umstand, dass der weit überwiegende Teil des Inlandsaufenthalts des Beschwerdeführers unrechtmäßig war, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005; VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0165; VwGH 11.11.2013, 2013/22/0072) bei der Interessensabwägung zu berücksichtigen. Zudem war der rechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers bloß auf die vorläufige Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber gestützt, was ihm bewusst gewesen sein musste.

 

Da über den Antrag auf internationalen Schutz bereits nach rund sieben Monaten seit der Antragstellung eine rechtskräftig negative Entscheidung vorlag, durfte der Beschwerdeführer seinen zukünftigen Aufenthalt nicht mehr als gesichert betrachten und nicht mehr darauf vertrauen, in Zukunft in Österreich verbleiben zu können (vgl. VwGH 29.04.2010, 2010/21/0085). Das Gewicht eines zwischenzeitig entstandenen Privatlebens wird somit schon dadurch gemindert, dass sich der Beschwerdeführer nicht darauf verlassen konnte, sein Leben auch nach Beendigung der Asylverfahren in Österreich fortzuführen, sich also zum Zeitpunkt, in dem das Privatleben entstanden ist, des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen. Dabei verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass ein unsicherer Aufenthaltsstatus nicht zur Konsequenz hat, dass der während unsicheren Aufenthaltes erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen ist (vgl. VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).

 

So ist zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass er sich Kenntnisse der deutschen Sprache aneignete und Deutschprüfungen über die Niveaus A2 und B1 absolvierte. Zudem verfügt er über einen Bekannten- und Freundeskreis, wie durch die vorgelegten Unterstützungsschreiben belegt wurde. Auch hinsichtlich einer beruflichen Integration zeigte sich der Beschwerdeführer bemüht, zumal er eine Einstellungszusage in einem Almbetrieb bekam und einen Arbeitsvorvertrag mit dem Betreiber eines nepalesischen Restaurants abschloss. Demgegenüber geht er keiner regelmäßigen Beschäftigung nach und lebt von staatlichen Unterstützungsleistungen im Rahmen der Grundversorgung. Abgesehen vom Besuch eines Fitnesscenters und davon, dass der Beschwerdeführer einige Male als Dolmetscher für eine Rechtsberatungsorganisation fungierte, ist er in keinen Vereinen oder sonstigen Organisationen tätig. Gemessen an der Aufenthaltsdauer hat sich im vorliegenden Fall sohin nur ein mäßiger Grad an Integration ergeben. Dem Umstand, dass der Beschwerdeführer über Einstellungszusagen bzw. Arbeitsvorverträge verfügt, kann im Sinne einer Gesamtbetrachtung aktuell keine wesentliche Bedeutung zukommen, zumal der Beschwerdeführer mangels Aufenthaltsberechtigung und Arbeitserlaubnis keiner legalen Beschäftigung nachgehen könnte (vgl. VwGH 21.1.2010, 2009/18/0523; 29.6.2010, 2010/18/0195; 17.12.2010, 2010/18/0385; 22.02.2011, 2010/18/0323).

 

Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seines Privatlebens in Österreich wird dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste. Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216).

 

Gegen den Beschwerdeführer wurde auch zwei Mal wegen rechtswidrigen Aufenthalts in Österreich Anzeige erstattet. Dadurch wird deutlich, dass er bewusst und trotz rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung jahrelang das österreichische Fremdenpolizei- und Einwanderungsrecht durch Nichtbefolgen der Ausreiseaufforderung missachtete, wodurch das öffentliche Interesse am Erlass und Vollzug einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verstärkt und die Dauer seines Aufenthalts in Österreich relativiert wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

 

Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet steht zudem das öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung gegenüber, dem nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ein hoher Stellenwert zukommt. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

Im Besonderen ist in diesem Zusammenhang auf die folgenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, in denen selbst nach langjährigem Aufenthalt und erfolgten Integrationsschritten seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeenden Maßnahme bejaht wurde: VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; 3 Jahre Berufstätigkeit; gute Deutschkenntnisse; engen Kontakt zu Freundes- und Bekanntenkreis sowie Bruder in Österreich; Unbescholtenheit; kaum Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0031 (achtjähriger Aufenthalt; familiäre Bindung zu Onkel, der BF unterstützt; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit;

Grundversorgung), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029 (knapp achtjähriger Aufenthalt; beabsichtigte Eheschließung mit öst. Staatsbürgerin;

Sohn in Ö geboren; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; nahezu durchgehende Beschäftigung; sozial vielfältig vernetzt und integriert).

 

Die zu Österreich bestehenden Bindungen des Beschwerdeführers sind im Vergleich zu jenen seines Herkunftsstaates schwach ausgeprägt. Er verbrachte den weit überwiegenden und prägenden Teil seines Lebens in Nepal, wurde dort sozialisiert und besuchte die Schule. Zudem verfügt er dort über familiäre Anknüpfungspunkte, weil seine Familienangehörigen (Mutter, Schwester und Onkel) nach wie vor in Nepal von der familieneigenen Landwirtschaft leben und vom in Indien arbeitenden Vater des Beschwerdeführers finanziell unterstützt werden. Ein Vergleich der Lebensverhältnisse führt sohin jedenfalls zu einem Überwiegen der nach wie vor bestehenden Bindungen zum Herkunftsstaat.

 

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, Zl. 2002/18/0112).

 

Aufgrund dieser Erwägungen ist die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgenommene Beurteilung, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung in den Hintergrund treten, nicht zu beanstanden. Allein ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfGH 12.06. 2010, U 613/10-10, vgl. idS VwGH 11. 12. 2003, 2003/07/0007).

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist sohin zu Recht davon ausgegangen, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie an einem geordneten Zuwanderungswesen im vorliegenden Fall schwerer wiegen als die privaten Interessen des Beschwerdeführers. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK daher nicht geboten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

3.3. Erlassung einer Rückkehrentscheidung

 

§ 10 Abs. 3 AsylG 2005 lautet: "Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

 

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

Da der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG 2005 zu Recht abgewiesen wurde, war entsprechend den zitierten Bestimmungen eine Rückkehrentscheidung gleichzeitig zu erlassen. Obigen Erwägungen zu Punkt 3.2. zufolge, ist die Erlassung der Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

 

Insofern im Vorlageantrag unter näherer Begründung geltend gemacht wird, der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei ex lege geduldet, ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, hinzuweisen, wonach für den Fall der Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines "Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK" gemäß § 55 AsylG 2005 eine amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 nicht vorgesehen ist. Es besteht nämlich gar keine Notwendigkeit für eine amtswegige Prüfung der Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nach § 57 AsylG 2005, wenn sich der Fremde - wie im vorliegenden Fall - entschieden hat, ausdrücklich einen Antrag auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels zu stellen und damit erkennbar (nur) dessen Voraussetzungen für gegeben erachtet (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Hinsichtlich der Behauptung einer Duldung besteht für den Beschwerdeführer allerdings die Möglichkeit, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 persönlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu stellen, das dann darüber zu entscheiden hat.

 

3.4. Zulässigkeit der Abschiebung

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seinem Erkenntnis vom 16.12.2015, Ra 2015/21/0119, (in einer Verfahrenskonstellation nach § 75 Abs. 20 AsylG 2005) fest, dass eine Beurteilung der Zulässigkeit der Abschiebung im Rahmen des Rückkehrentscheidungsverfahrens inhaltlich nicht von einer bereits ausgesprochenen Entscheidung über die Gewährung subsidiären Schutzes abweichen könne, sondern lediglich die notwendige Folge eines negativen Abspruchs über einen Antrag auf internationalen Schutz darstelle. In seinem Erkenntnis vom 24.05.2016, Ra 2016/21/0101, konkretisierte der Verwaltungsgerichtshof diese Erwägungen, indem er ausführte, dass dies nur bei unveränderter Sachlage gelte. Stehe dagegen im Raum, dass sich die Verhältnisse im Herkunftsstaat maßgeblich verändert - aus der Sicht des Fremden: verschlechtert - hätten, so sei eine Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob eine Abschiebung in den Herkunftsstaat (noch) zulässig sei.

 

Entsprechend dieser Judikatur ergibt sich verfahrensgegenständlich die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat bereits aus dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.03.2012, Zl. C9 421188-.1/2011/2E. Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde sowohl in Bezug auf den Status des Asylberechtigten als auch in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig abgewiesen, weshalb die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs grundsätzlich zu bejahen ist. Der Beschwerdeführer machte zudem im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 08.10.2018 keine für ihn bestehenden Gefahren in Nepal geltend. Da sich weder die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers geändert haben - zumal der Beschwerdeführer gesund sowie arbeitsfähig ist und seine Familienangehörigen in Nepal leben -, noch aus den Länderberichten - unter Berücksichtigung des schweren Erdbebens im Jahr 2015 und den damit einhergehenden Problemen im Herkunftsland - eine derart gravierende Änderung der allgemeinen Situation in Nepal erkennbar ist, dass im Falle einer Rücküberstellung von einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK auszugehen wäre, ist weiterhin von der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nepal auszugehen.

 

Da sohin keine Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Heimatland im Sinne des § 50 FPG bedroht wäre, ist der Ausspruch des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nepal nicht zu beanstanden.

 

3.5. Frist für die freiwillige Ausreise

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, wurde die Frist von der belangten Behörde zu Recht mit zwei Wochen festgelegt.

 

Zu A) II.)

 

3.6. Erlassung eines Einreiseverbotes

 

Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid gemäß § 53 Abs. 1 FPG ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

 

Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 leg. cit., vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.

 

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230). Ebenso ist bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes die Dauer der von der Person ausgehenden Gefährdung zu prognostizieren; außerdem ist auf private und familiäre Interessen Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109). Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 07.11.2012, 2012/18/0057).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 60 Abs. 2 Z 7 FPG (vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. VwGH 13.09.2012, 2011/23/0156; 22.01.2013, 2012/18/0191).

 

Weiters ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr abzuleiten, dass er seinen Unterhalt im Weg strafbarer Handlungen zu finanzieren versucht und/oder die Republik Österreich finanziell belastet (vgl. VwGH 13.12.2002, 2000/21/0029). Die Mittellosigkeit des Fremden ist im Hinblick auf die daraus resultierende Gefahr der illegalen Beschaffung der Mittel zum Unterhalt eine ausreichende Grundlage für die gerechtfertigte Annahme, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet (vgl. VwGH 14.04.1994, 94/18/0133). Dafür, dass die umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist nicht erforderlich, dass der Fremde tatsächlich bereits strafbare Handlungen begangen hat; bereits die Gefahr der finanziellen Belastung der öffentlichen Hand rechtfertigt die besagte Annahme (siehe VwGH 13.10.2000, 2000/18/0147; 17.12.2001, 99/18/0182; 13.09.2006, 2006/18/0215). Im Falle der Mittellosigkeit eines Fremden bedarf es nicht der Feststellung weiterer Umstände, um eine negative Prognose für den weiteren Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet zu begründen (vgl. VwGH 13.12.2002, 2000/21/0029).

 

Vor dem Hintergrund dieser zu § 60 Abs. 2 Z 7 FPG vor Inkrafttreten des FrÄG 2011 - sohin zur Vorgängerbestimmung des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG idgF - ergangenen Rechtsprechung, welche sich auf die aktuellen fremdenrechtlichen Bestimmungen übertragen lässt, ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Voraussetzung des § 53 Abs 2 Z 6 FPG erfüllt ist.

 

Unter Spruchpunkt IV. der Beschwerdevorentscheidung wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt. Wie in der Beschwerde und in einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl geltend gemacht wurde, zitierte die Verwaltungsbehörde im Spruch offenkundig versehentlich § 53 Abs. 2 Z 3 FPG, zumal sich die behördliche Entscheidung inhaltlich eindeutig auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG stützt. Der Spruch war dementsprechend zu berichtigen.

 

Zur Frage der Mittellosigkeit im gegenständlichen Fall wurde das Fehlen von Unterhaltsmitteln in der Beschwerde bzw. im Laufe des Beschwerdeverfahrens nicht bestritten. Der Beschwerdeführer bezieht - entsprechend seinem eigenen Vorbringen - weiterhin Grundversorgungsleistungen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung vom Land Tirol, worauf er keinen Rechtsanspruch hat. Zudem gab er vor der Verwaltungsbehörde und in der Beschwerde zu, in Österreich gelegentlich einer Erwerbstätigkeit nachgegangen zu sein, obwohl er keine dafür erforderliche arbeitsmarktrechtliche Beschäftigungsbewilligung besessen habe. Die Verhängung eines Einreiseverbotes gegen den Beschwerdeführer war mangels nachgewiesener hinreichender Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes und im Hinblick auf die bereits ausgeübte "Schwarzarbeit" daher jedenfalls notwendig. Im Falle eines unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet einerseits und der Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung andererseits, stellt der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefährdung öffentlicher Interessen dar (vgl. VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0371). Es war somit bei einem weiteren Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet jedenfalls von einer von ihm ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bzw. von einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft auszugehen, stellen doch die bei einer illegal ausgeübten Beschäftigung entstehenden Lohnsteuerabgaben und Sozialversicherungsbeiträge als finanzieller Schaden im Bundesgebiet an.

 

Es kann daher der belangten Behörde nichts vorgeworfen werden, wenn sie im vorliegenden Fall von einer Gefahr für öffentliche Interessen, insbesondere der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausging, welche die Anordnung eines Einreiseverbotes erforderlich machte, zumal diese Maßnahme angesichts der vorliegenden Verstöße gegen österreichische Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommenen persönlichen Fehlverhaltens zur Verwirklichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele unbedingt geboten erscheint.

 

Die Nichteinhaltung des Gebotes des § 3 Abs. 2 AuslBG stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes und dem Schutz der inländischen Arbeitnehmer dar (vgl. VwGH 04.09.1992, 92/18/0185). Angesichts dessen, dass sohin ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" besteht (vgl. VwGH 20.12.2013, 2013/21/0047), vermögen auch die privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers zu Österreich in Form eines Freundes- und Bekanntenkreises, der erworbenen Deutschkenntnisse und einer etwas mehr als siebenjährigen Aufenthaltsdauer nicht dazu führen, dass von der Erlassung eines Einreiseverbotes Abstand genommen werden müsste.

 

Das von der Verwaltungsbehörde erlassene Einreiseverbot erweist sich sohin dem Grunde nach als rechtmäßig, jedoch erachtet das Bundesverwaltungsgericht die Dauer des Einreiseverbots von fünf Jahren als nicht angemessen:

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf das Ausschöpfen der vorgesehenen Höchstfristen nicht regelmäßig schon dann erfolgen, wenn einer der Fälle des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 bzw. des Abs. 3 Z 1 bis 8 FPG vorliegt (vgl. etwa VwGH 24.05.2016, Ra 2015/21/0187). Die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote (insbesondere solcher in einer Dauer von weniger als 18 Monaten) - oder überhaupt das Unterbleiben eines Einreiseverbotes - hat regelmäßig nur dann stattzufinden, wenn von dem betreffenden Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Das wird verschiedentlich dann der Fall sein, wenn der Drittstaatsangehörige bloß einen der Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 leg. cit. erfüllt (vgl. VwGH 24.05.2018, Ra 2018/19/0125).

 

In casu wurde das gegen den Beschwerdeführer verhängte Einreiseverbot bloß auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG gestützt. Da ihm jedoch von der belangten Behörde kein weiterer in § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 bzw. des Abs. 3 Z 1 bis 8 FPG geregelter Tatbestand angelastet wurde, erweist sich die Ausschöpfung der Höchstdauer von fünf Jahren als zu lange. Es bliebe ferner in anderen, gravierenderen Fällen kein angemessener Spielraum mehr nach oben offen. Zudem war zu berücksichtigen, dass der unbescholtene Beschwerdeführer bestrebt war, nach Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung eine legale Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet aufzunehmen, wie sich aus den Feststellungen betreffend Einstellungszusagen bzw. Arbeitsvorverträgen ergibt. Daher kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass er keine substantiierte Arbeitszusage während seiner Aufenthaltsdauer erhalten habe und dass er keinerlei Ambitionen gezeigt habe, aus eigenem seine Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen, wie von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde. Außerdem war zu beachten, dass die vom Beschwerdeführer gelegentlich ausgeübte "Schwarzarbeit" mittlerweile mehrere Jahre zurückliegt, er sich im Laufe des gegenständlichen Verfahrens geständig zeigte und seitdem keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgeht.

 

Angesichts dessen, dass sich beim Beschwerdeführer die aus der Mittellosigkeit eines Fremden abzuleitende Gefahr der Ausübung einer "Schwarzarbeit" bereits realisiert hat, erscheint eine Herabsetzung des Einreiseverbots auf ein Jahr verhältnismäßig. Eine weitere Herabsetzung erweist sich angesichts des bereits gesetzten Fehlverhaltens als nicht angemessen.

 

Unter Berücksichtigung der auf Grund des Fehlverhaltens und der sonstigen persönlichen Umstände des Beschwerdeführers getroffenen Gefährlichkeitsprognose war die Dauer des Einreiseverbots daher spruchgemäß in angemessener Weise auf ein Jahr herabzusetzen und der Beschwerde insoweit spruchgemäß stattzugeben.

 

Zu B)

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

 

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte