AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L524.2134324.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER, LL.B. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2016, Zl. 1070558110 – 150550836/BMI-BFA_BGLD_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.02.2017, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3
AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 23.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.05.2015 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei Araber, in Bagdad geboren, ledig und habe von 1999 bis 2011 in Bagdad die Grundschule besucht. In Bagdad habe er in XXXX gewohnt. Im Irak seien weiterhin seine Eltern und seine beiden Schwestern wohnhaft. Den Irak habe er legal am 05.04.2015 mit einem Flugzeug verlassen. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass seine Familie und er im Jahr 2014 bedroht worden seien und sie hätten ein Schreiben in ihre Wohnung bekommen. Der Beschwerdeführer sei von unbekannten Personen entführt und gegen Bezahlung wieder entlassen worden. Kurz vor seiner Ausreise sei auch die Wohnung in Brand gesteckt worden. Daher habe er beschlossen, den Irak zu verlassen.
2. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 29.04.2016 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er Sunnit sei, von 1999 bis 2012 die Schule besucht und als Buchhalter gearbeitet habe. Er habe von seiner Geburt bis zu seiner Ausreise in Bagdad, XXXX , gelebt. Seine Eltern würden seit April 2015 in einem sunnitischen Bezirk, XXXX , leben. Die beiden Schwestern würden seit ihrer jeweiligen Heirat im Jahr 2010 bzw. 2001 in Suleymaniyah leben.
Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass es am 04.09.2014 Aufstände gegen Sunniten gegeben habe. Alle Sunniten hätten die Gebiete verlassen sollen. Die meisten Sunniten seien aber geblieben, weil es diese Aufforderungen öfter gegeben habe und danach nichts passiert wäre. Am selben Tag habe die Familie eine schriftliche Drohung der schiitischen Miliz Saraj Salam Sader erhalten. Es sei eine Warnung gewesen und alle Sunniten sollten die Gegend verlassen. Die Familie sei darin namentlich erwähnt worden. Diese Drohung hätten sie nicht ganz ernst genommen und auch andere Familien hätten solche Drohungen erhalten. Zwischen dem 04.09.2014 und dem 14.12.2014 sei dann nichts mehr passiert. Am 14.12.2014 sei der Beschwerdeführer von bewaffneten Leuten entführt und sieben Tage festgehalten worden. Er sei auf der Straße auf dem Heimweg gewesen, als ein Auto gekommen sei, in dem sich drei Personen befunden hätten und Waffen auf ihn gerichtet worden seien. Er sei aufgefordert worden einzusteigen und ihm seien die Augen verbunden, die Hände gefesselt und das Handy weggenommen worden. Er sei zu einer Wohnung gebracht und dort in einem Zimmer gefoltert worden. Sie hätten ihn auch in einen Sarg gelegt. Alle zwei bis drei Stunden sei der Sarg geöffnet worden und sie hätten ihm zu essen gegeben. Sie hätten gefragt, wie viel Geld die Familie habe und sich nach der Firma des Vaters, der Computerartikel verkauft habe, erkundigt. Nach sieben Tagen sei sein Vater kontaktiert worden und sie hätten US-$ 15.000,-
verlangt. Nach der Bezahlung sei er freigelassen worden. Danach sei er davon ausgegangen, dass sich die Lage beruhige und er habe sich am 22.01.2015 an der Schule angemeldet. Am 22.03.2015 sei das Haus der Familie in Brand gesetzt worden. Später erklärte der Beschwerdeführer, das Haus sei am 20.03.2015 in Brand gesteckt worden. Er vermute, dass dies die Miliz gewesen sei. Der Anschlag habe sich um 6 Uhr ereignet, als er und seine Eltern noch geschlafen hätten. Sie hätten Glasscherben gehört und ein Kanister sei durch das Fenster geflogen. Die Küche und das Wohnzimmer seien angezündet worden, weil diese sich an der Straßenseite befunden hätten. Er habe seiner Mutter geholfen, aus dem Haus zu gehen. Sie hätten die Feuerwehr gerufen, die um 7 Uhr gekommen sei. Er habe daraufhin Angst bekommen, dass er durch weitere Anschläge sterbe. Daher habe er sich ein paar Tage später zur Ausreise entschlossen. Bis zur Ausreise habe er sich mit seinen Eltern bei einer Tante im Bezirk XXXX in Bagdad versteckt. Dort habe es keine Vorfälle gegeben. Der Beschwerdeführer legte unter anderem Kopien des Drohbriefs, des Brandberichts, des Polizeiaktes über die Entführung sowie Bilder einer Wohnung vor.
3. Mit Bescheid des BFA vom 22.08.2016, Zl. 1070558110 – 150550836/BMI-BFA_BGLD_RD, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es nicht glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer einer Verfolgung durch eine schiitische Miliz ausgesetzt gewesen sei oder bei einer Rückkehr ausgesetzt wäre. Es hätten sich auch aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes ergeben, der zur Gewährung von Asyl führen würde. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer legte weitere Dokumente vor.
5. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 10.02.2017 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Beschwerdeführer und ein Vertreter der belangten Behörde als Parteien teilnahmen. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit gegeben, ausführlich seine Fluchtgründe zu schildern.
6. Am 17.02.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht unaufgefordert eine Stellungnahme des BFA zur Bewegungsfreiheit im Falle der Rückkehr in den Irak sowie zum Wohnbezirk des Beschwerdeführers im Irak ein. Dem Beschwerdeführer wurde diese Stellungnahme übermittelt und er gab seinerseits eine Stellungnahme ab.
7. Mit Schreiben vom 14.09.2017 wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderfeststellungen zur Lage im Irak übermittelt. Dazu gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab und legte weitere Beweismittel betreffend seine Integration in Österreich vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist Sunnit. Der Beschwerdeführer wurde in Bagdad geboren und lebte zusammen mit seinen Eltern in Bagdad, in einem Haus, das dem Vater des Beschwerdeführers gehört. Der Beschwerdeführer hat zwei Schwestern, die verheiratet sind und im Nordirak leben. Im Irak leben zumindest noch eine Tante mütterlicherseits und ein Onkel väterlicherseits mit ihren Familien.
Der Beschwerdeführer besuchte die Grundschule, die Mittelschule und die Berufsschule. Er hat insgesamt ca. zehn Jahre die Schule besucht. Der Beschwerdeführer hat als Buchhalter in der Firma seines Vaters gearbeitet.
Der Beschwerdeführer verließ ca. im April 2015 den Irak legal mit dem Flugzeug und reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 23.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich, er ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer ist gesund.
Der Beschwerdeführer verbringt seinen Tag mit dem Lernen der deutschen Sprache, er trifft sich mit Freunden und spielt Fußball. Er ist für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2017 für einen Deutschkurs, Niveau A1, angemeldet. Der Beschwerdeführer ist nicht erwerbstätig. Er verfügt über eine Einstellungszusage eines Raumausstatters, aus der jedoch nicht die konkrete Tätigkeit hervorgeht. Der Beschwerdeführer besuchte einen eintägigen Werte- und Orientierungskurs. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines österreichischen Führerscheins. Er bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist strafrechtlich unbescholten.
Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer von schiitischen Milizen bedroht und entführt worden ist und das Haus der Familie des Beschwerdeführers in Brand gesetzt wurde. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seiner Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung wegen der von ihm behaupteten unerlaubten Beziehung zu einem Mädchen ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.
Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:
1. Politische Lage
Innenpolitik:
Die derzeitigen Anti-IS-Operationen sind zwar insofern erfolgreich, als sie den IS schwächen, gleichzeitig verschärfen sie aber die politische Instabilität. Die vom Iran unterstützten schiitischen Milizen haben gemeinsam mit der Partei des Ex-Premiers Nouri al-Maliki dem amtierenden Premier Abadi gedroht, ein Misstrauensvotum gegen ihn auszusprechen. Abadi steht in Gefahr sein Amt zu verlieren, und muss Zugeständnisse gegenüber den Milizen machen. Abadi war es beispielsweise auch nicht möglich, die Milizen davon abzuhalten, ihre Operationen in Tal Afar wieder aufzunehmen (ISW 7.2.2017).
Zusätzlich dazu hat das irakische Parlament im November 2016 die Volksmobilisierungseinheiten (Popular Mobilisation Forces/Hashd al-Shaabi) – jene Milizen, die wie die irakischen Sicherheitskräfte gegen den IS kämpfen – rechtlich der Armee gleichgestellt. [ ] Die meisten dieser Milizen sind schiitisch, etliche davon sind vom Iran abhängig, sind radikal und werden der Verbrechen an Sunniten beschuldigt. [ ] Diese rechtliche Gleichstellung ist ganz nach dem Geschmack von Expremier Nuri al-Maliki, der zurück an die Macht will und dessen neue politische Hausmacht die Milizen sind (Standard 28.11.2016).
Maliki gelingt es auch zunehmend mit Misstrauensanträgen gegenüber Abadis Ministern die Regierung zerbröckeln zu lassen. Der Verteidigungsminister und der Finanzminister wurden im Jahr 2016 bereits entlassen (Standard 23.9.2016). Über die Sommermonate 2016 wurden mit derartigen Methoden bereits fünf Minister erfolgreich abgesetzt (AA 7.2.2017).
Auch für die Region Kurdistan im Irak ist die Frage, ob Maliki zurück an die Macht kommt, von großer Bedeutung. Massoud Barzani, der Präsident der Kurdischen Regionalregierung [Amtszeit bereits abgelaufen - er befindet sich aber nach wie vor Amt], hat immer wieder mit Ankündigungen, die Unabhängigkeit Kurdistans erklären zu wollen, aufhorchen lassen. Falls Maliki zurückkehren würde, würde er dies in die Tat umsetzen, so Barzani (Ekurd Daily 23.1.2017).
Insbesondere auch im Süden des Irak regt sich verstärkter Widerstand gegen Malikis Vorhaben, an die Spitze der Macht zurückkehren zu wollen. Die Anhänger der Sadr-Bewegung wollen mittels Demonstrationen die Hoffnung Malikis auf eine Rückkehr verhindern. Ein inner-schiitischer Konflikt zwischen Sadristen und Maliki-Anhängern ist spürbar, auch wenn diesbezügliche militärische Auseinandersetzungen unwahrscheinlich sind (Al Monitor 26.12.2017). Am 11. Februar kam es in Bagdad allerdings zu schiitisch-schiitischen Zusammenstößen. Sicherheitskräfte der schiitisch dominierten Regierung schossen auf schiitische Demonstranten der regierungskritischen Sadr-Bewegung. Dabei wurden mindestens 6 Personen getötet, weitere hunderte wurden verletzt, außerdem wurden dabei Raketen in die "Green Zone" (ehemalige internationale Zone, in der sich viele Regierungs- und Botschaftsgebäude befinden) geschossen. Gerichtet war die Demonstration v.a. gegen den konfessionell-ethnischen Proporz in der irakischen Politik. Die Sadr-Bewegung richtet sich zwar v.a. auch gegen eine Rückkehr Malikis, gerade diesem könnte jedoch der Aktivismus Sadrs nutzen, da er den amtierenden Premier Abadi zusätzlich schwächt (MEE 12.2.2017, vgl. Standard 13.2.2017).
Die letzten nationalen Wahlen, die im April 2014 stattfanden, gewann der ehemalige Premierminister Nouri al-Maliki. Da es auf Grund seines autoritären und pro-schiitischen Regierungsstils massive Widerstände gegen Maliki gab, trat er im August 2014 auf kurdischen, internationalen, aber auch auf innerparteilichen Druck hin zurück (GIZ 6.2015). Es wird ihm unter anderem vorgeworfen, mit seiner sunnitisch-feindlichen Politik (Ausgrenzung von sunnitischen Politikern, Niederschlagung sunnitischer Demonstrationen, etc.) deutlich zur Entstehung radikaler sunnitischer Gruppen wie dem IS beigetragen zu haben (Qantara 17.8.2015). Maliki‘s Nachfolger ist der ebenfalls schiitische Parteikollege Haidar al-Abadi (beide gehören der schiitischen Dawa-Partei an), der eine Mehrparteienkoalition anführt, und der mit dem Versprechen angetreten ist, das ethno-religiöse Spektrum der irakischen Bevölkerung wieder stärker abzudecken (GIZ 6.2015). Allerdings gelang es Abadi bislang nicht, politische Verbündete für seine Reformpläne (insbesondere die Abschaffung des konfessionell-ethnischen Proporzes) zu finden. Er hat mit dem besonders Iran-freundlichen Ex-Premier Maliki (nunmehr Vorsitzender der Dawa-Partei) einen starken Widersacher innerhalb seiner Partei. Ein Problem Abadis ist auch die Macht der schiitischen Milizen, von denen viele vom Iran aus gesteuert werden (s. Abschnitt 3.1.). Diese Milizen - eher lose an die irakische Armee angeschlossen - sind für Abadi einerseits unverzichtbar im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (Standard 5.1.2015), gleichzeitig wird deren Einsatz von der sunnitischen Bevölkerung aber als das "Austreiben des Teufels mit dem Beelzebub" gesehen. Die Sunniten fürchten das skrupellose Vorgehen dieser Milizen - einige betrachten den IS sogar als das geringere Übel und dulden die Extremisten daher in ihren Gebieten (ÖB Amman 5.2015). In der Tat unterscheiden sich einige der mit der Zentralregierung in Bagdad verbündeten schiitischen Milizen hinsichtlich ihres reaktionären Gesellschaftsbildes und ihrer Brutalität gegenüber Andersgläubigen kaum vom IS (Rohde 9.11.2015). Die US-Regierung (sowohl die Bush-, als auch die Obama-Regierung), die auch mit der Badr-Miliz zusammengearbeitet hat, hat vor den Gewaltexzessen der schiitischen Milizen gegenüber der sunnitische Bevölkerung die Augen verschlossen, und hat damit den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten angetrieben (Reuters 14.12.2015). Die aufgestaute Wut der Sunniten - auch darüber, dass sie niemanden mehr in der Regierung haben, der mit machvoller Stimme für sie sprechen könnte, trägt in Kombination mit dem Vorgehen der schiitischen Milizen dazu bei, dass sich viele Sunniten radikalisieren oder sich einfach aus Mangel an Alternativen unter die Kontrolle des IS begeben (Qantara 17.8.2015).
Zwölf Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 ist der Irak ein Staat ohne Gewaltmonopol, ohne Kontrolle über große Teile seines Territoriums oder seiner Grenzen, dessen Souveränität zunehmend vom Iran ausgehöhlt wird (Standard 4.12.2015). Nach 2003 ist der Irak (gemeinsam mit Syrien) zum Spiel- und Schlachtfeld konkurrierender regionaler und globaler Interessen zwischen Iran, Saudi-Arabien, der Türkei, den USA und neuerdings auch Russland geworden (Rohde 9.11.2015), wobei sich das Kräfteverhältnis der beiden wichtigsten Verbündeten der irakischen Regierung - die USA auf der einen Seite und der Iran auf der anderen - zunehmend zu Gunsten des Iran verschiebt. Der eher schwache Premierminister Abadi versucht es beiden Verbündeten recht zu machen: Damit die USA ihn aus der Luft unterstützen, muss er versuchen, die iranisch-assoziierten schiitischen Milizen vom Schlachtfeld fernzuhalten (Standard 4.12.2015).
Unter großem öffentlichem Druck und nach Demonstrationen tausender Menschen vor dem schwer bewachten Regierungsviertel in Bagdad hat Abadi Ende März 2016 angekündigt, sein altes Kabinett durch eine Regierung unabhängiger Technokraten zu ersetzen. Bisher waren alle Minister mit politischen Gruppen verbunden. Die neuen sollen nun laut Abadi auf Basis von Professionalität, Effizienz und Integrität ausgewählt werden (Spiegel 31.3.2016). Jedoch scheint das neue Kabinett zu zerbröckeln, bevor es überhaupt zur Abstimmung kommt. Die meisten Parteien stemmen sich gegen den drohenden Machtverlust (SK 8.4.2016).
Quellen:
- AA - AUSWÄRTIGES AMT (07.02.2017): Berlin, Gz.: 508-516.80/3 IRQ, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2016)
- Al Monitor (26.12.2017): Can public outcry in southern Iraq end Maliki’s political ambitions?
- Ekurd Daily (23.1.2017): Barzani: Kurdistan would declare independence if Maliki becomes Iraqi PM again, http://ekurd.net/kurdistan-independence-maliki-2017-01-23 , Zugriff 13.2.2017
- Middle East Eye (12.2.2017): Inter-Shia tension mounts in Baghdad after clashes,
http://www.middleeasteye.net/news/inter-shia-tension-mounts-baghdad-after-clashes-1268563748 , Zugriff 13.2.2017
- ISW - Institute for the Study of War (7.2.2017): Warning Update:
Iraq’s Sunni Insurgency Begins as ISIS Loses Ground in Mosul,
- Standard (28.11.2016): Milizen: Zerstörung der Armee www.derstandard.at/2000048292489/Irakische-Milizen-Zerstoerung-der-Armee , Zugriff 10.2.2017
- Standard (23.9.2016): Parlament feuert Finanzminister: Iraks Regierung zerbröselt,
http://derstandard.at/2000044800677/Finanzminister-zurueckgetreten-Iraks-Regierung-wird-sturmreif-geschossen , Zugriff 13.2.2017
- Standard (13.2.2017): Schiiten gegen Schiiten im Irak, http://derstandard.at/2000052505984/Schiiten-gegen-Schiiten-im-Irak , Zugriff 13.2.2017
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2015): Irak – Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/irak/geschichte-staat/ , Zugriff 17.12..2015
- Österreichische Botschaft Amman (5.2015): Asylländerbericht Irak
- Qantara (17.8.2015): Der Irak ist irreversibel gespalten, https://de.qantara.de/inhalt/der-aufstieg-des-is-und-der-zerfall-des-irak-der-irak-ist-irreversibel-gespalten , Zugriff 14.1.2016
- Rohde, Achim (9.11.2015): Konfliktporträt: Irak, veröffentlicht von BPB
http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016
- Der Standard (4.12.2015): Der Irak wird zum Spielfeld für ein neues Match,
http://derstandard.at/2000026971833/Der-Irak-wird-zum-Spielfeld-fuer-ein-neues-Match , Zugriff 14.1.2016
- Der Standard (5.11.2015): Iraks Premier Abadi fährt seinen Reformkarren an die Wand,
http://derstandard.at/2000025096956/Iraks-Premier-Abadi-faehrt-seinen-Reformkarren-an-die-Wand , Zugriff 14.1.2016
- Reuters (14.12.2015): Torture by Iraqi militias: the report Washington did not want you to see, http://www.reuters.com/investigates/special-report/mideast-crisis-iraq-militias/ , Zugriff 9.3.2016
- Der Spiegel (31.3.2016): Proteste im Irak: Regierungschef nominiert Technokraten-Kabinett, http://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-regierungschef-haider-al-abadi-nominiert-technokraten-kabinett-a-1084907.html , Zugriff 6.4.2016
- Standard Kompakt (8.4.2016): Irak: Reformkabinett stolpert vor dem Start
1.1. "Islamischer Staat"
Der IS (der "Islamische Staat") baut innerhalb seiner Einflussgebiete pseudo-staatliche Strukturen auf. So gibt es beispielsweise einen "Diwan" (vergleichbar mit einem Ministerium) für natürliche Ressourcen, einschließlich der Verwertung von Antiquitäten. Ein anderer Diwan behandelt die "Verwertung" von Kriegsbeute, einschließlich SklavInnen (The Daily Star 29.12.0215). Unterstützung bekommt der IS von einigen ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei. Die Organisation Jaysh Rij?l a?-?ar?qa an-Naqshabandiya (Army of the Men of the Naqshbandi Order, auch Naqshabandi Order genannt - kurz JRTN) und andere ähnliche Ex-Baathistische Gruppen stimmen zwar nicht mit der Ideologie des IS überein, unterstützen diesen zum Teil aber als eine Organisation, die die irakische Regierung bekämpft (CRS 9.2015). Frühere Geheimdienstagenten, Kommandanten von Spezialeinheiten und Parteifunktionäre des Saddam-Regimes zählen zu den führenden Mitgliedern des IS und waren auch maßgeblich bei seinem strategischen Aufbau beteiligt (Qantara 13.7.2015).
Es gibt eine strenge Religionspolizei (Welt 21.9.2015), ein IS-Regierungskabinett, den IS-Militärrat sowie den Schura-Rat, in dem die IS-Kleriker sitzen, die gleichzeitig als oberste Richter fungieren. Eine Trennung zwischen Religion und Staat existiert nicht. Die IS-Ideologie ist offizielle Staatsdoktrin. Der IS hat seine Gebiete in Provinzen aufgeteilt, diese wiederum in Bezirke. Jede Provinz wird von einem IS-Gouverneur regiert. Dabei nutzt der IS die ihm unterstellte zivile Verwaltung, einen eigenen Sicherheitsapparat samt Geheimdienst sowie eigene Gerichtshöfe. Die Bezirke haben ebenfalls eigene Verwaltungs- und Sicherheitsorgane sowie Richter. Der Islamische Staat bezeichnet Abu Bakr al-Baghdadi als seinen Kalifen und Anführer. Zumindest nach außen ist Baghdadi das Gesicht der Organisation. Die Finanzierung des IS findet über viele verschiedene Quellen statt. Die wichtigsten sind:
Zwangspfändungen, Versklavung, Zwangsprostitution, Lösegeld, Einkommensteuer, Zoll, Kulturraub, Ölschmuggel sowie die Übernahme von Strom- und Wasserversorgern. Teilweise zahlt die irakische Regierung die Gehälter der in IS-Gebiet lebenden Staatsbediensteten noch aus – wovon der IS profitiert (Spiegel 2.12.2015). Teilweise setzt der Staat die Zahlungen der Gehälter aber aus, und versucht damit dem IS zu schaden, macht damit aber gleichzeitig die dort lebende Bevölkerung erst recht vom IS abhängig (Al Arabiya 23.12.2015).
Die Anführer des IS haben langjährige Erfahrung im Untergrund. Während der US-Besatzungszeit mussten sie sich verstecken und sie wissen daher auch, wie man die Überwachungsmethoden der US-Amerikaner austrickst (Spiegel 2.12.2015).
Quellen:
- Al Arabiya (23.12.2015): Despair, hardship as Iraq cuts off wages in ISIS cities,
http://english.alarabiya.net/en/business/economy/2015/10/02/Despair-hardship-as-Iraq-cuts-off-wages-in-ISIS-cities.html , Zugriff 23.12.2015
- CRS - Congressional Research Service, Iraq (9.2015): Politics and Governance, https://www.fas.org/sgp/crs/mideast/RS21968.pdf , Zugriff 27 10. 2015
- The Daily Star (29.12.2015): Seized documents reveal Daesh’s departments of war spoils,
http://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2015/Dec-29/329313-seized-documents-reveal-daeshs-departments-of-war-spoils.ashx , Zugriff 14.1.2016
- Die Welt (21.9.2015): Küssen, Schuhe anschauen und enge Jeans verboten,
http://www.welt.de/politik/ausland/article146637319/Kuessen-Schuhe-anschauen-und-enge-Jeans-verboten.html , Zugriff 15.1.2015
- Qantara (13.7.2015): The strategists of terror, https://en.qantara.de/content/interview-with-der-spiegel-reporter-christoph-reuter-the-strategists-of-terror , Zugriff 19.1.2016
- Rohde, Achim (9.11.2015): Konfliktporträt: Irak,
http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016
- Spiegel (2.12.2015): Terrormiliz IS - So funktioniert der "Islamische Staat",
http://www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-alles-wichtige-zum-is-a-1042664.html#sponfakt=1 , Zugriff 23.12.2015
- Die Zeit (18.11.2015): "Dies ist kein Konflikt der Kulturen", http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-11/islamischer-staat-paris-attentat-david-romano-militaer-strategie/seite-2 , Zugriff 14.1.2016
2. Sicherheitslage
Die irakischen Streitkräfte machten zuletzt bei der Rückeroberung von Westmossul Fortschritte und kesselten den IS ("Islamischen Staat") in der Altstadt Mossuls ein, die einem Labyrinth aus engen Gassen gleicht. Die Große Al-Nuri-Moschee, die sich in der Altstadt befindet, und in der der Anführer des IS (sogenannter "Islamischer Staat") Abu Bakr al-Baghdadi nach dem Ausrufen des "Kalifats" seine Gefolgschaft einschwor, wurde am 21.Juni 2017 zerstört. Laut den irakischen Streitkräften habe der IS die Moschee in die Luft gesprengt, um das Vorankommen der pro-Regierungstruppen zu verlangsamen (BBC 22.6.2017), bzw. könnte auch dahinterstehen, dass der IS verhindern will, dass das Ende des "Kalifats" in der symbolträchtigen Moschee verkündet werden kann (BAMF 26.6.2017). Der IS behauptet, dass die Moschee bei einem US-Luftangriff zerstört worden sei (BBC 22.6.2017). Am 29.6.2017 erklärte dann die irakische Armee ihren Sieg über den IS in Mossul, nachdem sie das Gelände der zerstörten Al-Nuri-Moschee in der Altstadt eingenommen hatte. [ ] Selbst wenn der IS noch immer einige Häuserblöcke hält, in denen sich auch noch Zivilisten befinden, hielt Premier Haidar al-Abadi noch am Donnerstag in Westmossul seine Siegesrede (Harrer 30.6.2017). Laut Spiegel vom 29.6.2017 sind die IS-Kämpfer Militärschätzungen zufolge auf etwa 40 Prozent der Altstadt oder ein Prozent des gesamten Stadtgebietes zurückgedrängt worden. [ ] Nach wie vor kontrolliert der IS Gebiete im Westen und Süden der Stadt. Auch im Umland Mossuls und in anderen Regionen des Irak hält der IS noch einige Gebiete. (Spiegel 29.6.2017). Al-Baghdadi ist verschwunden – russische und iranische Militärs vermuten, dass er bei einem russischen Luftangriff in der Gegend von Raqqa in Syrien getötet wurde, wohin er mit einem Teil seiner Gefolgschaft schon zu Jahresbeginn geflüchtet sein soll (Harrer 30.6.2017).
In Mossul kam es zuletzt zu vergeblichen Gegenangriffen durch den IS auf befreite Stadtteile. Es kommt zudem immer wieder zu Selbstmordattentaten, auch in Ostmossul (BAMF 26.6.2017, vgl. Al-Jazeera 26.6.2017). IS-Kämpfer setzten in befreiten Gebieten Mossuls Häuser und Autos in Brand (Al-Jazeera 26.6.2017).
Die irakische Armee ist sehr zurückhaltend mit Informationen über die verbliebene IS-Stärke oder darüber, wie viele IS-Gefangene in staatlicher Gewalt sind – und wer diese Leute sind. In der Altstadt von Mossul sollen noch höchstens 350 IS-Kämpfer sein, hieß es vor wenigen Tagen. In Mossul sind in den vergangenen Monaten Tausende von ihnen gefallen. Die letzten sprengen sich nach Angaben irakischer Militärs häufig in die Luft, bevor sie gefangen genommen werden können. In der Altstadt liegen viele ungeborgene, verwesende Leichen. Die irakische Armee befreit mit Westmossul laut Kommentatoren keine Stadt, sondern Ruinen (Harrer 30.6.2017).
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Grafik mit Stand 26.6.2017 (BBC 22.6.2017)
Die Schlacht um Mossul tobt bereits seit mehr als acht Monaten, mit großen Verlusten der irakischen Armee und enormen Opfern der Zivilbevölkerung, die der Rache des IS ausgesetzt waren, auf die aber auch die Militärkampagne – mit massiven US-Luftschlägen – wenig Rücksicht nahm (Harrer 30.6.2017). Seit Beginn der Offensive waren tausende Zivilisten getötet worden. Jene, die nicht geflohen oder getötet worden sind, sehen sich Hunger und Tod ausgesetzt. Kämpfer des IS verstecken sich unter der Zivilbevölkerung und missbrauchen Einwohner als menschliche Schutzschilde (Spiegel 29.6.2017).
Unter der dem IS entkommenen Bevölkerung Mossuls hat schon die große Abrechnung begonnen. Auf die irakische Justiz, die international immer wieder wegen ihrer "schnellen" Prozesse kritisiert wird, kommt eine schwierige Aufgabe zu (Harrer 30.6.2017). Es wird auch von Übergriffen von Soldaten und Milizionären auf die Bevölkerung – die unter Generalverdacht steht, Sympathie für den IS zu hegen – berichtet (Harrer 30.6.2017). Nicht nur in den befreiten Gebieten der Stadt, sondern auch in den Flüchtlingslagern kommt es seit Wochen zu Racheakten an Angehörigen von IS-Kämpfern bis hin zum Mord. Mossul wird außerdem den Zuzug ebenso wie die Möglichkeit des Umzugs innerhalb Mossuls massiv einschränken. Künftig besteht ein Rückkehrrecht nur dann, wenn man nachweisen kann, dass man vor Juni 2014 in Mossul gelebt hat und nur zur alten Adresse. Ausnahmen soll es lediglich bei Zerstörung der alten Wohnung geben (BAMF 26.6.2017). Gleichzeitig gab es zuletzt Berichte, dass die irakische Armee und andere lokale Sicherheitskräfte hunderte IDP-Familien zur Rückkehr in Gebiete von Westmossul zwingen, obwohl diese weiterhin dem Risiko ausgesetzt sind, vom IS attackiert zu werden. Auf diese Weise soll Platz für weitere IDPs geschaffen werden, die aus neu zurückeroberten Gebieten stammen (HRW 18.5.2017).
Laut UNHCR-Bericht vom 27.6.2017 sind nach wie vor Tausende in Mossul im IS-Gebiet eingeschlossen, werden als menschliche Schutzschilde benutzt und sind Terror und Hunger ausgesetzt. Die eingeschlossenen Einwohner Mossuls riskieren täglich ihr Leben bei verzweifelten Versuchen, die Frontlienien zu durchqueren. Laut Zahlen der Regierung sind seit Beginn der Offensive im Oktober 2016 mehr als 875.000 Menschen aus Mossul geflohen, aus Westmossul alleine fast 700.000. Über 679.000 Menschen bleiben aus der Stadt vertrieben, die Mehrheit davon ist in Camps rund um Mossul untergebracht (UNHCR 27.6.2017). Die Zustände in den Flüchtlingslagern um Mossul sind geprägt von Mangel an Nahrung und Medikamenten (BAMF 26.6.2017).
Seit der US-Invasion in den Irak im Jahr 2003 ist ein starker Anstieg der Todeszahlen zu beobachten, der sich insbesondere ab dem Jahr 2012 noch einmal verstärkt. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Todeszahlen im Irak (in Dunkelrot) bis zum Jahr 2014.
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(VOH 17.11.2015)
Im Jahr 2014 war der Konflikt im Irak der zweit-tödlichste (nach Syrien) weltweit. Es wurden laut der österreichischen Botschaft in Amman 21.073 Todesopfer verzeichnet. Damit haben sich die Opferzahlen im Irak verglichen zu 2013 (9.742 Todesopfer) mehr als verdoppelt. Auch die Anschlagskriminalität im Irak erreichte, vor allem durch die Taten des IS, 2014 einen Höhepunkt. Die Anzahl der IrakerInnen, die 2014 Opfer von Anschlägen wurden, erreichte ein Ausmaß wie zuvor nur in den berüchtigten Bürgerkriegsjahren 2006/2007: über 12.000 tote und 23.000 verletzte ZivilistInnen (ÖB Amman 5.2015).
Die folgende Grafik zeigt die Anzahl der getöteten Zivilisten im Irak (inkl. Zivilpolizisten) für die Monate Jänner bis Dezember 2015 sowie die Anzahl der getöteten Iraker insgesamt. Demnach wurden im Jahr 2015 12.740 Iraker getötet, 7.515 davon waren Zivilisten (inklusive Zivilpolizei). 14.855 Zivilisten (inkl. Zivilpolizei) wurden verletzt. UNIRAQ wurde bei der Erfassung der Opferzahlen behindert, die Zahlen sollten daher als Minimumangaben gesehen werden. Sofern man anhand dieser Zahlen auf die Sicherheitslage im Irak schließen kann, hat sich die diese im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr 2014 gebessert. Verglichen mit dem Jahr 2013 war die Sicherheitslage im Jahr 2015 schlechter. In der folgenden Grafik finden sich die Mindestzahlen für das Jahr 2015:
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Quelle: Daten: UNAMI (Jänner bis Dezember 2015), Grafik:
Staatendokumentation
Für den Monat Februar 2016 berichtet UNAMI, dass zumindest 670 Iraker getötet und 1.290 verletzt wurden. Darunter waren 410 getötete Zivilisten (einschließlich Bundespolizei, Sahwa Zivilschutz, Leibwächter, Polizei für den Schutz von Gebäuden und Anlagen, sowie Feuerwehr) und 1.050 verletzte. Die Provinz Bagdad war (im Monat Februar 2016) mit zumindest 277 getöteten Zivilisten dabei am stärksten betroffen, ebenfalls stark betroffen waren Diyala (40 getötete Zivilisten), Nineweh (42 getötete Zivilisten) und Kirkuk (29 getötete Zivilisten). Auf Grund der unübersichtlichen und volatilen Sicherheitslage können laut UNAMI die zu Anbar dokumentierten Zahlen (4 getötete und 126 verletzte Zivilisten) besonders stark von den tatsächlichen Zahlen abweichen (UNAMI 2.2016). Im März 2016 wurden nach der Zählung von Iraq Body Count (IBC) 1.073 Zivilpersonen getötet. Nach der UN Assistance Mission for Iraq (UNAMI) gab es 575 zivile Todesopfer und 1.196 Verletzte im März 2016. Weiter wurden 544 Mitglieder der irakischen Armee, Peshmerga-Kämpfer und andere Verbündete (ohne Opferzahlen der Anbar-Operationen) getötet und 365 verletzt. Die am stärksten betroffene Provinz war im März abermals Bagdad mit 1.029 (259 Tote, 770 Verletzte) zivilen Opfern. In der Provinz Nineweh gab es 133 Tote und 89 Verletzte, in der Provinz Babil 65 Tote und 141 Verletzte, in der Provinz Kirkuk 34 Tote und 57 Verletzte, in der Provinz Diyala elf Tote und in der Provinz Salahuddin sechs Tote und einen Verletzten (Mindestzahlen) (BAMF 4.4.2016).
Am 27.2.2016 kam es zu einem Doppel-Selbstmordanschlag im schiitisch dominierten Viertel Sadr City (Bagdad) mit 70 Todesopfern. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Doppelanschlag (Reuters 29.2.2016). Bei einem weiteren – ebenfalls vom IS verübten – Selbstmordanschlag am 6.3.2016 südlich der Stadt Bagdad starben 47 Menschen (National 6.3.2016).
Die am meisten gefährdeten Personengruppen sind neben religiösen und ethnischen Minderheiten auch Berufsgruppen wie Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte, Mitglieder des Sicherheitsapparats, sogenannte "Kollaborateure", aber auch Mitarbeiter von Ministerien (AA 07.02.2017).
Insgesamt kann die Sicherheitslage im Irak im Jahr 2015 als weiterhin höchst instabil bezeichnet werden. Die Kampfhandlungen konzentrierten sich weitgehend auf die Provinzen Anbar, Ninewah und Salah al-Din. Die irakische Regierung und die KRG konzentrierten sich weiterhin darauf, territoriale Fortschritte gegen den IS zu machen (UN Security Council 26.10.2015).
Der Aufstieg der zahlreichen konfessionellen Milizen und sonstigen bewaffneten Organisationen und Gruppen geht insbesondere auf den Bürgerkrieg von 2005 bis 2007 zurück. Heute stehen sich v.a. der aus Al-Qaida hervorgegangene "Islamische Staat", die schiitischen Milizen und die kurdischen Peschmerga gegenüber. Die schiitischen Milizen in ihrer Gesamtheit werden als militärisch stärker als die irakische Armee eingeschätzt (Standard 18.11.2015), und einige davon machen sich massiver Menschenrechtsverletzungen schuldig (RSF 18.4.2015, vgl. HRW 20.9.2015, vgl. Rohde 9.11.2016). Neben deren gewaltsamen Übergriffen auf Teile der sunnitischen Bevölkerung gibt es auch schiitische Milizen, die - ähnlich wie islamistische sunnitische Gruppen - gegen (nach deren Definition) "un-islamisches" Verhalten vorgehen und z.B. Bordelle, Nachtclubs oder Alkoholgeschäfte attackieren (Washington Post 21.1.2016). Die Peschmerga kämpfen zwar an der Seite der Zentralregierung, beschränken sich jedoch auf die Verteidigung der kurdischen Gebiete gegen den IS (Rohde 9.11.2015), gleichzeitig befinden sie sich aber auch in einem gespannten Verhältnis zu den schiitischen Milizen (Deutschlandfunk 5.12.2015). All diese Akteure sind mit externen Mächten liiert, allen voran Iran, Saudi-Arabien, Türkei oder den USA (Rohde 9.11.2015). Die USA sind mit einigen tausend US-Soldaten im Irak präsent und haben vor, ihre Präsenz mit weiteren Bodentruppen auszubauen. (Spiegel 2.12.2015, vgl. FAZ 24.10.2015, vgl. Focus 9.3.2016). Die von den USA angeführte Koalition gegen den IS hat im Irak seit Beginn ihrer Luftangriffe im August 2014 mehr als 6.800 Luftschläge durchgeführt (auf der folgenden Karte in blau dargestellt). Die Karte zeigt außerdem, welche Gebiete vom IS kontrolliert werden, bzw. in welchen Gebieten der IS die Möglichkeit hat, frei zu operieren – schraffiert dargestellt (BBC 29.2.2016):
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Die folgende Karte zeigt, welche Gebiete im Irak von welchen militärischen Organisationen/Milizen kontrolliert werden:
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Quelle: ISW (16.06.2017)
Laut einer Untersuchung des in den USA ansässigen Instituts IHS Jane's habe der IS im Jahr 2015 in Syrien und Irak insgesamt mehr Land eingebüßt als erobert. Insgesamt soll die Miliz etwa 14 Prozent ihres Territoriums eingebüßt haben. Zu den Verlusten im Irak zählten die Stadt Tikrit und die Raffinerie von Baiji. Zudem haben die Extremisten die Kontrolle über einen Teil einer Schnellstraße zwischen Raqqa in Syrien und Mossul im Irak verloren, was logistische Schwierigkeiten mit sich bringe. Erobert hat der IS im Irak die Provinz Anbar, sowie deren Hauptstadt Ramadi [letztere wurde in der Zwischenzeit wieder zurückerobert] (Standard 22.12.2015).
Im November 2015 eroberten die irakisch-kurdischen Peschmerga gemeinsam mit Einheiten der türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihres syrischen Ablegers YPG und mit Unterstützung durch amerikanische Luftschläge die Stadt Sinjar vom IS zurück (NZZ 13.11.2015). (In der Folge dessen kam es dort zwischenzeitlich zu Zusammenstößen zwischen jesidischen Kämpfern und Einheiten der KDP-Peschmerga (Ekurd 26.11.2015).)
Den Kurden gelang es auch, den IS aus Dörfern in der Nähe von Kirkuk zu vertreiben (NTV 11.9.2015). Gleichzeitig benutzen die Kurden den Krieg gegen den IS aber auch, um in den ohnehin lange umstrittenen Gebieten kurdische Fakten zu schaffen (unter anderem auch mit der Übernahme der Stadt Kirkuk im Sommer 2014), Araber werden zum Teil vertrieben (20Minuten 8.2015, vgl. Deutschlandfunk 15.7.2015). Umgekehrt kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, wo Teile der sunnitischen Bevölkerung den vorrückenden Peshmerga in den Rücken fallen und mit dem IS zusammenarbeiten. Es herrscht Misstrauen auf beiden Seiten, bei den Kurden, sowie den Arabern (20Minuten 8.2015).
Im Dezember 2015 gab Abadi die Rückeroberung der Stadt Ramadis bekannt, die im Mai in die Hände des IS gefallen war. Für die Armee ist der Sieg in Ramadi ein wichtiger und lang ersehnter Erfolg (Standard 29.12.2015). In dem ein Jahr andauernden Kampf gegen den IS in Ramadi, wurde die Stadt völlig zerstört (Haaretz 18.1.2016).
Stammeskämpfer haben die am 19.02.16 begonnenen Gefechte gegen den IS in Falluja eingestellt, nachdem der IS Angaben der Armee zufolge mehr als 100 Bewohner der Stadt als Geiseln gefangen genommen hatte. Angaben des Verwaltungschefs zufolge soll es sich um rund 60 Gefangene handeln. Die Stämme befürchteten, dass die Geiseln hingerichtet würden (BAMF 22.2.2016). Ende März 2016 begannen irakische Truppen (mit Unterstützung durch US-Luftangriffe) mit einer Großoffensive auf die vom IS besetzte Großstadt Mossul, der zweitgrößten Stadt Iraks, die nach wie vor vom IS gehalten wird (Standard 24.3.2016).
Quellen:
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- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (22.2.2016): Gruppe
22 - Informationszentrum Asyl und Migration, Briefing Notes,
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- FAZ – Frankfurter Allgemeine (24.10.2015): Verteidigungsminister Carter rechnet mit weiteren Kampfeinsätzen, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/amerikanische-truppen-im-irak-verteidigungsminister-carter-rechnet-mit-weiteren-kampfeinsaetzen-13873630.html , Zugriff 14.1.2016
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2.1. Die wichtigsten im Irak operierenden militärischen Akteure und Milizen
Iraqi Security Forces (ISF)
Den ISF kommt nach dem Abzug der Streitkräfte der Koalition ab 2011 eine besonders gewichtige Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit im Irak zu. Die ISF haben drei Hauptzweige: die irakische Armee, die irakische Polizei und die National Police.
Die ISF sind zum Teil infiltriert von schiitischen Arabern, während sunnitische Araber in den ISF unterrepräsentiert sind (ISW o.D.a). Teilweise wurden schiitische Milizen, die für ihr brutales Vorgehen gegen Sunniten bekannt sind (s. Abschnitt 8., sowie 8.2.), auch in die ISF integriert, was die Sunniten Iraks mit besonderer Sorge sehen.
Die ISF verübten aber auch selbst Attacken auf zivile sunnitische Gebiete (ISW o.D.b). Darüber hinaus haben die ISF das Problem, dass es im Land schiitische Milizen gibt, die zusammengenommen sogar als militärisch stärker als die ISF eingeschätzt werden (Standard 18.9.2015).
Insbesondere im Sommer 2014 machten die ISF keine gute Figur und überließen dem IS kampflos große Gebiete des Landes - unter anderem die Stadt Mossul (Spiegel 15.6.2014). Zehntausende irakische Soldaten verließen im Juni 2014 ihre Posten und flüchteten. Viele aus Angst vor dem IS, viele meinten, sie hätten den Befehl dazu bekommen. Es fehlte unter anderem an einer starken Führung, sowie an fehlender Motivation, zweiteres wohl auch, weil sich viele nicht mit der Politik des damaligen Präsidenten Maliki identifizieren konnten. Die ursprünglich 400.000 Mann starke Armee, die mit US-Hilfe aufgebaut worden war, wird nunmehr auf 85.000 aktive Soldaten geschätzt. Das Verteidigungsministerium hatte die Zahl offenbar hochgespielt, man spricht in diesem Zusammenhang von "Geistersoldaten". Abadi gab im November 2014 zu, dass es 50.000 solcher Geistersoldaten gab (Global Security o.D.).
Schiitische Milizen
- Mahdi Armee (auch bekannt als Jaysh al-Mahdi - JAM): Die konfessionell geprägten Konflikte der Jahre 2006-2008 waren zum Teil angefacht von schiitischen Milizen, z.B. von Milizen wie der vom schiitischen Kleriker Moqtada Al Sadr aufgestellten Mahdi Armee, gegründet im Jahr 2004 um die militärische US-Präsenz im Irak zu bekämpfen (CRS 31.12.2015). Sadr beschloss 2008 die Miliz in eine friedliche Organisation umzuwandeln, behielt aber eine kleinere Truppe von Kämpfern. Darüber hinaus entstanden aus der Mahdi Army mehrere Splittergruppen (ISW 1.2009). Im Juni 2014 kam es zu einer Neugründung der Mahdi Armee durch Sadr unter dem neuen Namen The Peace Brigades, mit dem Ziel, den IS zu bekämpfen. Die Größe der Organisation wird (Stand Juni 2014) auf 10.000 bis 50.000 geschätzt (Stanford University 24.7.2015).
- Vom Iran trainierte Milizen (z.B.: Kata’ib Hezbollah und Asa’ib Ahl Al Haq): Ebenfalls von Sadr inspiriert, gründeten sich weitere schiitische Milizen, von denen sich einige später aus dem Kontrollbereich Sadrs herausbegaben und zunehmend unter die Kontrolle des Iran und des Kommandanten der iranischen Qods Forces, Maj. Gen. Qasem Soleimani, gelangten. Die beiden Milizen, die am stärksten von Soleimani ausgerüstet und beraten werden, sind Asa’ib Ahl al-Haq (AAH) und Kata’ib Hezbollah (Hezbollah Battalions). Zweitere wurde im Jahr 2009 von den USA als terroristische Organisation eingestuft (CRS 31.12.2015). Die Organisation Asaib Ahl al-Haq hat neben ihrem Hauptquartier in Bagdad, wo sie auch zwei politische Büros hat, weitere Büros in al-Khalis, Basra, Tal Afar, Hillah, and Najaf und unterhält darüber hinaus Kontakte zu Stammesführern in den Provinzen Thi-Qar, Muthanna, and Maysan. Der ehemalige Präsident Maliki setzte die Miliz in Anbar zum Teil anstelle von Polizisten ein (Stand August 2015) (Stanford University 13.8.2015). Die Organisation ist stark vernetzt mit der irakischen Regierung und der Polizei (insb. in Bagdad) (FIS 29.4.2015).
- Die Organisation Badr Miliz steht im Gegensatz dazu weder Sadr nahe, noch war sie in den Jahren 2003-2011 ein Gegenspieler der USA (CRS 31.12.2015). Sowohl die Bush-Regierung, als auch die Obama-Regierung haben mit der Badr-Miliz zusammengearbeitet (Reuters 14.12.2015). Die Badr Miliz war der bewaffnete Flügel des Islamic Supreme Council of Iraq, einer schiitischen Partei. Ihr Anführer Hadi al-Amiri ist einer der Hardliner, wenn es darum geht, schiitische Milizen dazu zu benutzen, um von Sunniten bewohnte Gebiete zurückzuerobern (CRS 31.12.2015).
- Schiitische Miliz-Soldaten, die sich nach der Offensive des IS 2014 formierten: Viele schlossen sich den sich gegen des IS richtenden Popular Mobilization Forces (PMF) an, denen auch einige Sunniten angehören (CRS 31.12.2015).
Sunnitische Milizen
- Islamischer Staat (IS):
- Army of the Men of the Naqshbandi Order (Jaysh Rij?l a?-?ar?qa an-Naqshabandiya, abkekürzt: JRTN) und ehemalige Militärkommandanten unter Saddam Hussein: Einige der aufständischen Gruppen bestehen aus Mitarbeitern des ehemaligen Saddam-Regimes oder aus ehemaligen Mitgliedern des irakischen Militärs. Darunter finden sich die Gruppen 1920 Revolution Brigades, die Islamic Army of Iraq und v.a. die Naqshabandi Order (JRTN). Letztere ist hauptsächlich in der Provinz Ninewah aktiv und wird von den USA als terroristische Organisation eingestuft. Die JRTN sowie mit ihr verbundene andere ex-baathistische Gruppierungen sind nicht mit der IS-Ideologie einverstanden, unterstützen den IS zum Teil jedoch als eine Organisation, die sich gegen die irakische Regierung wendet (CRS 31.12.2015).
- Sunnitische Stammesführer/Sons of Iraq Fighters:
Ungefähr 100.000 irakische Sunniten sind bekannt als "Sons of Iraq" (auch "Awakening" oder "Sahwa" genannt). Es handelt sich um bewaffnete Männer, die während der Jahre 2003-2006 das US-Militär im Irak bekämpften, aber sich danach mit den US-Streitkräften gegen Al Qaida Iraq (den Vorläufer des IS) verbündeten. Ihnen wurde zugesagt, dass sie in die ISF integriert werden sollen, aber nur ein Teil wurde letztlich tatsächlich eingegliedert. Die übrigen wurden in Checkpoints eingesetzt, und erhielten ein geringes Gehalt, wurden aber nicht formell eingegliedert. Als Ergebnis dessen waren einige dieser Kämpfer desillusioniert und Berichten zufolge schlossen sich einige (Zahlen sind nicht bekannt) dem IS an (CRS 31.12.2015).
Kurdische Kämpfer
- Die KDP-Peschmerga sind der militärische Arm der Partei der Barzani-Familie im nordirakischen Kurdistan. KDP-Peschmerga und PUK-Peschmerga teilen sich die Kontrolle über das autonome Gebiet Kurdistan auf. Die KDP-Peschmerga sind in den Provinzen Dahuk und Erbil präsent. Darüber hinaus kontrollieren sie größere Gebiete (außerhalb der autonomen Region) im Norden der Provinz Ninewah.
- Die PUK-Peschmerga sind in den Provinzen Sulaymaniyah und Halabja präsent, und sie kontrollieren größere Gebiete (außerhalb der autonomen Region) im Nordosten der Provinz Kirkuk (ISW 25.11.2015).
Es gibt seit langem Bestrebungen zur Zusammenführung der KDP-Peschmerga und der PUK-Peschmerga zu einer einheitlichen Armee. Eine effektive und vollständige Vereinigung ist jedoch auf Grund der Konkurrenzsituation und des Misstrauens gegeneinander nicht erfolgt (CMEC 16.12.2015).
- Die türkisch-kurdische Arbeiterpartei PKK, die von der Türkei als terroristische Organisation bekämpft wird, ist auch im Nordirak aktiv (insb. in den Qandil-Bergen), und betreibt dort einige Stützpunkte. Diese werden von den türkischen Streitkräften attackiert.
- Die syrische Partei PYD (Partei der Demokratischen Union) mit ihrem militärischen Arm YPG (Volksverteidigungseinheiten) gilt als der syrische Ableger der türkischen PKK (Standard 22.10.2015) und ist im Irak im Gebiet um Sinjar aktiv (ISW 25.11.2015).
Quellen:
- CRS - Congressional Research Service, Iraq: Politics and Governance, dated 16 September 2015, https://www.fas.org/sgp/crs/mideast/RS21968.pdf , date accessed: 27 October 2015
- CMEC – Carnegie Middle East Center (16.12.2015): Kurdistan’s Political Armies: The Challenge of Unifying the Peshmerga Forces, http://carnegie-mec.org/2015/12/16/kurdistan-s-political-armies-challenge-of-unifying-peshmerga-forces/in5p , Zugriff 18.1.2016
- Finnish Immigration Service (29.4.2015): SECURITY SITUATION IN
BAGHDAD - THE SHIA MILITIAS,
http://www.migri.fi/download/61225_Security_Situation_in_Baghdad_-_The_Shia_Militias_29.4.2015.pdf?01abe06266acd288 , Zugriff 20.10.2015
- Global Security (o.D.): Iraqi Army (IA) - June 2014 Collapse, http://www.globalsecurity.org/military/world/iraq/nia-collapse.htm , Zugriff 18.1.2016
- ISW – Institute for the Study of War (o.D.a): Iraqi Security Forces, http://www.understandingwar.org/iraqi-security-forces# , Zugriff 14.1.2016
- ISW - Institute for the Study of War (o.D.b):
http://www.understandingwar.org/report/beyond-islamic-state-iraqs-sunni-insurgency#sthash.wb8xvtLK.dpuf , Zugriff 14.1.2016
- ISW – Institute for the Study of War (25.11.2015): Iraq Control of Terrain Map: November 25, 2015, http://www.understandingwar.org/sites/default/files/Iraq Blobby map 25 NOV 2015_0.pdf , Zugriff 14.1.2016
- ISW – Institute for the Study of War (25.11.2015): Iraq Control of Terrain Map: November 25, 2015, http://www.understandingwar.org/sites/default/files/Iraq Blobby map 25 NOV 2015_0.pdf , Zugriff 14.1.2016
- ISW (1.2009): Jaysh al-Mahdi, http://www.understandingwar.org/jaysh-al-mahdi , Zugriff 15.1.2016
- Reuters (14.12.2015): Torture by Iraqi militias: the report Washington did not want you to see, http://www.reuters.com/investigates/special-report/mideast-crisis-iraq-militias/ , Zugriff 9.3.2016
- Spiegel (15.6.2014): Deserteure im Irak: Eine Armee zerfällt http://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-armee-auf-flucht-vor-isis-aus-mossul-nach-arbil-a-975299.html , Zugriff 14.1.2016
- Der Standard (22.10.2015): Erdogan: PKK, PYD, IS und Syriens Geheimdienst hinter Ankara-Anschlag - derstandard.at/2000024371447/Erdogan-PKK-PYD-IS-und-Syriens-Geheimdienst-hinter-Ankara-Anschlag, Zugriff 18.1.2016
- Der Standard (18.9.2015): Schiitische Milizen sollen aus Tikrit abziehen,
www.derstandard.at/2000022440305/Schiitische-Milizen-sollen-aus-Tikrit-abziehen , Zugriff 14.1.2016
- Stanford University (24.7.2015): Mahdi Army, https://web.stanford.edu/group/mappingmilitants/cgi-bin/groups/view/57 , Zugriff 18.1.2016
- Stanford University (13.8.2015): Mapping Militant Organizations - Asa'ib Ahl al-Haq,
http://web.stanford.edu/group/mappingmilitants/cgi-bin/groups/view/143#locations , Zugriff 25.3.2016
2.2. Bagdad
Die terroristischen Aktivitäten der letzten Jahre setzten sich im Jahr 2016 fort, eine besondere Rolle spielten dabei die Anschläge des IS, insbesondere auf Städte. Bagdad war dabei am meisten betroffen, indem dort mehr als der Hälfte der aller Todesfälle verzeichnet wurden. UNAMI berichtet von nahezu täglichen Attacken mit improvisierten Sprengfallen (IEDs) von Jänner bis Oktober. Der IS führte insbesondere Angriffe auf Zivilisten in jenen Vierteln Bagdads aus, die mehrheitlich schiitisch sind. Der diesbezüglich größte Angriff des Jahres 2016 fand am 3. Juli statt. Dabei wurden im schiitisch dominierten Viertel Karrada 292 Zivilisten getötet und hunderte verletzt (USDOS 3.3.2017). Eine gewisse Sicherheit ist in Bagdad lediglich in der "grünen" internationalen Zone (Green Zone) im Zentrum der Stadt gewährleistet (ÖB 12.2016). Die Anschläge des IS finden dabei zunehmend auf Märkten und in Wohngegenden statt, der IS zielt dabei vorwiegend auf Zivilisten ab (UNAMI 1.2.2017).
Milizen und konfessioneller Konflikt
Die Vorstöße des IS im Nord- und Zentralirak 2014 und Anfang 2015 sowie das damit verbundene Sicherheitsvakuum in anderen Landesteilen haben dazu geführt, dass Milizen und Stammesführer in vielen Gegenden die Macht an sich gerissen haben, die Kriminalität zugenommen hat und insgesamt das staatliche Machtmonopol und die Rechtsstaatlichkeit aufgeweicht wurden, einschließlich in der Hauptstadt Bagdad (UNHCR 14.11.2016). Die PMF-Milizen, die ursprünglich entstanden sind, um den IS zu bekämpfen [andere gab es allerdings auch schon vor dem IS], verrichten nun in den Stadtvierteln von Bagdad Polizeiarbeit. Dadurch konkurrieren sie mit der regulären Polizei, missachten die Gesetze und verhalten sich oft eher wie mafiöse Gruppen. Im September 2016 kam es im Zafaraniyah-Viertel sogar zu einem Kampf zwischen schiitischen Milizen und der örtlichen Polizei. Die Milizen erschweren zunehmend die Arbeit der lokalen Polizeikräfte. Führungskräfte der Polizei sind gezwungen, mit den führenden Vertretern der Milizen, die in ihrem Stadtteil operieren, zu kooperieren, gesetzt den Fall, die Viertel befänden sich überhaupt unter Polizeikontrolle. Die meisten Stadtviertel von Bagdad haben einen Stützpunkt, zumeist in Form eines Büros, der zu der jeweiligen Miliz gehört, die in dem Teil der Stadt präsent ist (manchmal sind auch mehrere Milizen in einem Viertel präsent). Laut Angaben eines Bagdader Polizisten könne man die mutmaßlichen Rechtsverletzungen der Milizen nicht ahnden; Es käme auch zu Straßenkämpfen zwischen den Milizen und die Polizei müsse neutral bleiben und würde daher nicht in die Kämpfe eingreifen (Niqash 19.1.2017).
Offiziell ist nach wie vor das sogenannte "Baghdad Operations Command" (BOC) für die Sicherheit in der Stadt zuständig. Es umfasst etwa 70.000 Mitglieder, die aus Soldaten der regulären Armee, der Militärpolizei und der normalen Polizei sowie aus Geheimdiensten bestehen. Viele Bewohner haben jedoch den Eindruck, dass das BOC nicht in der Lage ist, seine Aufgabe zu erfüllen (Niqash 19.1.2017). Daher gibt es den Ruf danach, dass die PMF-Milizen auch offiziell für die Sicherheit zuständig sein sollen, bzw. den Druck, auch von Seiten verschiedener Parlamentsmitglieder, die Milizen stärker in Bagdads Sicherheitskonzept einzubinden, oder ihnen sogar die Sicherheitsagenden komplett zu übergeben und das BOC aufzulösen (IFK 25.7.2017; vgl. Niqash 19.1.2017). Problematisch werden diese Entwicklungen v.a. auch auf Grund der Tatsache gesehen, dass die PMF-Milizen konfessionell sehr einseitig (schiitisch) aufgestellt sind, und einige von ihnen direkt mit dem iranischen Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei affiliiert sind [sowie auf Grund der von ihnen im Irak begangenen Menschenrechtsverletzungen] (Al-Monitor 9.6.2017).
Die zielgerichtete Gewalt gegen sunnitische Araber hat in Bagdad ebenso wie in anderen von der Regierung kontrollierten Gebieten des Irak seit 2014 zugenommen (UNHCR 14.11.2016). In Bagdad wurde gemeldet, dass sunnitische Binnenvertriebene gedrängt wurden, aus schiitischen und gemischt sunnitisch-schiitischen Wohngebieten auszuziehen (UNHCR 14.11.2016). Auch gewaltsame Vertreibungen von Sunniten aus mehrheitlich von Schiiten bewohnten Vierteln Bagdads kamen laut dem Leiter des Sicherheitskomitees des Provinzrates Bagdad vor. Zum Teil würde es dabei weniger um konfessionell motivierten Hass gehen, sondern darum, die Grundstücke der vertriebenen Familien übernehmen zu können (IC 1.11.2016). Laut Berichten begehen die PMF-Milizen in Bagdad immer wieder Kidnappings und Morde an der sunnitischen Bevölkerung (die nicht untersucht werden), oder sie sprechen Drohungen dieser gegenüber aus (HRW 27.1.2016; Al-Araby 17.5.2017). Laut dem Parlamentsmitglied Abdul Karim Abtan langen bezüglich der Welle von konfessionell motivierten Entführungen und Morden fast täglich Berichte ein; er beschuldigt die Polizei, die Vorfälle zu ignorieren und den Milizen zu erlauben, straffrei zu agieren (Al-Araby 17.5.2017). Viele Familien waren in Bagdad durch den konfessionellen Konflikt dazu gezwungen, ihre Häuser zu verlassen und sie siedelten sich zunehmend entlang konfessioneller Grenzen wieder an (IOM 31.1.2017). Somit sind separate sunnitische und schiitische Viertel entstanden. Bagdad ist weiterhin entlang konfessioneller Linien gespalten (IOM 31.1.2017). Dies geht auch aus den folgenden Grafiken hervor, die die zunehmende konfessionelle Gliederung der Stadt in den Jahren 2003, 2010 und 2016 zeigen:
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Quelle: National Geographic (o.D.)
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Quelle: Izady 2016
Insbesondere in den Stadtvierteln Ghazaliya, Mansur und Dawudi wurde auch von sunnitischen Moscheen berichtet, die Schikanen von Seiten der PMF-Milizen und der irakischen Sicherheitskräfte ausgesetzt sind. Diese haben Checkpoints vor den Moscheen eingerichtet, an denen sie Kontrollen durchführen. Laut einem Imam käme es fast täglich zu Verhaftungen; meistens erfolge eine Freilassung nach kurzer Zeit, nach der Entrichtung eines Betrages von 2.000 bis 10.000 Dollar (AQAA 14.4.2016).
Proteste
Darüber hinaus kommt es immer wieder zu Protesten in Bagdad, die v. a. mit der regierungskritischen Sadr-Bewegung in Zusammenhang stehen. Bei den im Jahr 2016 stattfindenden Protesten mit tausenden Demonstranten kam es sogar zweimal zur Durchbrechung der Barrieren zur stark befestigten "Green Zone". Dabei kam es auch zu gewaltsamen Reaktionen der Sicherheitskräfte, bei denen letztere auf Demonstranten schossen, Dutzende wurden verletzt. Am 11. Februar 2017 kam es in Bagdad erneut zu Zusammenstößen, bei denen Sicherheitskräfte der schiitisch dominierten Regierung auf schiitische Demonstranten der Sadr-Bewegung schossen, und bei denen es abermals zur Durchbrechung der Green-Zone-Barrieren kam. Dabei wurden mindestens sechs Personen getötet, weitere hunderte wurden verletzt, außerdem wurden dabei Raketen vom Typ Katyusha in die Green Zone geschossen. Gerichtet war die Demonstration v.a. gegen den konfessionell-ethnischen Proporz in der irakischen Politik (MEE 12.2.2017, vgl. Standard 13.2.2017; Al-Jazeera 12.2.2017).
Statistiken
Anm.: Die irakische Regierung veröffentlicht selbst keine Zahlen mehr. Es gibt im Wesentlichen drei Quellen, die Statistiken zu den Opferzahlen im Irak veröffentlichen: UNAMI, Iraqi Body Count und Joel Wing (in "Musings on Iraq"). Diese Zahlen unterscheiden sich betreffend der Methodik und insbesondere der Höhe der Zahlen voneinander. Es handelt sich bei keiner dieser Quellen um Schätzungen, die das wahre Ausmaß der Opferzahlen darzustellen versuchen, sondern jeweils lediglich um jene Vorfälle, die dokumentiert werden konnten. Alle drei Quellen betonen selbst, dass keinesfalls der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. (UNAMI 2016/2017; IBC 7.2017; Wing 20.7.2017; weitere Informationen zur Methodologie der der Quellen s. auch in Abschnitt Sicherheitslage). Die folgende Grafik zeigt die von UNAMI dokumentierten Zahlen der in der Provinz Bagdad in den Monaten Jänner 2015 bis Juni 2017 getöteten Zivilisten. Diese Zahlen sind laut Stellungnahme von UNAMI als absolute Mindestzahlen und nicht als vollständig anzusehen. UNAMI sei bei der Dokumentation der Vorfälle behindert worden und es könne laut UNAMI sein, dass diese Zahlen das Ausmaß der Folgen der Gewalt und der terroristischen Handlungen herunterspielen. Bundespolizisten wurden in diesen Zahlen bis November 2017 inkludiert, danach nicht mehr:
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(Quelle UNAMI 2016/2017; Darstellung Staatendokumentation)
Die folgende Grafik veranschaulicht die von Iraqi Body Count dokumentierten monatlichen Zahlen an getöteten Zivilisten in der Provinz Bagdad:
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(IBC 7.2017)
Die folgende Grafik zeigt die monatlichen Zahlen der von Joel Wing auf "Musings on Iraq" dokumentierten sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Provinz Bagdad (in blau), sowie die im Zuge derer getöteten Zivilisten (in rot) im letzten Jahr (Zeitraum Jänner bis Juni 2017).
Anm.: Stammesbezogene Gewalt ist wiederum nicht in die Statistik einbezogen (s.o.):
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(Quelle Musings on Iraq 2016/2017; Darstellung Staatendokumentation)
Der folgende Auszug aus der Statistik von Joel Wing (Musings on Iraq) zeigt exemplarisch die in der Provinz Bagdad auf fast täglicher Basis stattfindenden Anschläge (s. auch Stansfield 26.4.2017; vgl. ÖB 12.2016).
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(MOI 7.2017)
Quellen:
- Al-Araby (17.5.2017): 'Don't enter Baghdad': Wave of murder-kidnappings grips Iraq capital, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/5/17/dont-enter-baghdad-wave-of-murder-kidnappings-grips-iraq-capital , Zugriff 3.8.2017
- Al-Monitor (9.6.2017): PMU wants to take over Baghdad’s security , http://www.al-monitor.com/pulse/en/originals/2017/06/iraq-security-baghdad-operations-command-pmu.html , Zugriff 3.8.2017
- Al-Jazeera (12.2.2017): Violence grips protest rally in Baghdad, http://www.aljazeera.com/news/2017/02/protesters-killed-violence-grips-baghdad-rally-170211140644671.html , Zugriff 28.8.2017
- AQAA - Al-Quds Al-Arabi (14.4.2016): Sunnitische Moscheen in Bagdad Schikanen durch PMF ausgesetzt, Verhaftungen von Moscheebesuchern [masajid al-sunna fi Baghdad tatacarrad li-mudayaqat al-hashd al-schacbi wa ictiqalat tutal ruwwadha], http://www.alquds.co.uk/?p=516332 , Zugriff 3.8.2017
- Standard (13.2.2017): Schiiten gegen Schiiten im Irak, http://derstandard.at/2000052505984/Schiiten-gegen-Schiiten-im-Irak , Zugriff 13.2.2017
- HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Iraq, https://www.ecoi.net/local_link/318408/457411_de.html , Zugriff 21.3.2016
- IBC - Iraqi Body Count (7.2017): Database - Documented civilian deaths from violence, https://www.iraqbodycount.org/database/ , https://www.iraqbodycount.org/about/ , Zugriff 24.7.2017
- IC - Informed Comment (1.11.2016): Sectarian Tensions flare in Baghdad as some Sunni Arab families forced from Neighborhoods (Autor: Ibrahim Saleh),
https://www.juancole.com/2016/11/sectarian-tensions-neighborhoods.html , Zugriff 3.8.2017
- IFK – Institut für Friedenssicherung und Konfliktfoschung - Republik Österreich BMLVS (25.7.2017): Fact Sheet Irak, Nr. 63, http://www.bundesheer.at/pdf_pool/publikationen/fact_sheet_syrien_irak_63.pdf , http://www.bundesheer.at/wissen-forschung/publikationen/publikation.php?id=835 , Zugriff 3.8.2017
- IOM - International Organization for Migration (31.1.2017):
Community Stabilization Handbook: An overview of community transition and recovery achievements in Iraq 2015-2016, http://reliefweb.int/report/iraq/iom-community-stabilization-handbook-overview-community-transition-and-recovery , Zugriff 3.8.2017
- Izady – Dr. Michael Izady, Columbia University (2016): Baghdad:
Ethnic Composition in 2015,
http://gulf2000.columbia.edu/images/maps/Baghdad_Ethnic_2015_lg.png , Zugriff 8.3.2016
- MEE - Middle East Eye (12.2.2017): Inter-Shia tension mounts in Baghdad after clashes,
http://www.middleeasteye.net/news/inter-shia-tension-mounts-baghdad-after-clashes-1268563748 , Zugriff 13.2.2017
MOI – Musings on Iraq (2016/2017): Violence in Iraq / Dead and
Wounded in Iraq, Anm.: Zu den jeweiligen Monatsberichten s. folgende
Hyperlinks:
http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2016/09/violence-in-iraq-august-2016.html
,
http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2016/10/violence-in-iraq-sep-2016.html , http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2016/11/5198-dead-and-wounded-in-iraq-in-oct.html
http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2016/12/4360-dead-3920-wounded-in-iraq-november.html
http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2017/01/24079-reported-dead-and-39166-wounded.html
http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2017/02/violence-in-iraq-january-2017.html
http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2017/03/4290-dead-and-wounded-in-iraq-in.html
http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2017/04/6732-dead-and-wounded-in-iraq-in-march.html
http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2017/05/2677-killed-and-1742-wounded-in-iraq.html
http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2017/07/3230-dead-1128-wounded-in-iraq-june-2017.html
http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2017/07/3230-dead-1128-wounded-in-iraq-june-2017.html , Dezember-Zahlen: Wing, Joel (20.7.2017): Per Email
- National Geographic (o.D.): What Does It Mean to Be Iraqi Anymore?,
http://news.nationalgeographic.com/news/special-features/2014/08/140801-iraq-sunni-shiite-baghdad-caliphate-saddam-hussein-al-qaeda-infocus/ , Zugriff 14.1.2016
- Niqash (19.1.2017): Baghdad’s Legal Gangs? As Iraqi Police Lose Control Of Streets, Militias Take Over, http://www.niqash.org/en/articles/security/5524/ , Zugriff 2.8.2017
- ÖB – Österreichische Botschaft Amman (12.2016): Asylländerbericht – Irak, per Email
- Stansfield, Gareth – Professor of Middle East Politics and the Al-Qasimi Chair of Arab Gulf Studies at the University of Exeter (26.4.2017): EASO COI Meeting Report Iraq, Practical Cooperation Meeting 25.- 26. April, Brussels, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/IRQ_Meeting_Report.pdf , Zugriff 24.7.2017
- UNAMI - UN Assistance Mission for Iraq (2016/2017): UN Casualties
Figures for Iraq for the Month of XX, Anm.: Zu den jeweiligen
Monatsberichten s. folgende Hyperlinks:
Zugriff 25.7.2017
- UNAMI – UN Assistance Mission Iraq (1.2.2017): UN Casualties Figures for Iraq for the Month of January 2017 , http://uniraq.org/index.php?option=com_k2view=itemid=6725:un-casualties-figures-for-iraq-for-the-month-of-january-2017Itemid=633lang=en , Zugriff 13.2.2017
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (14.11.2016): UNHCR Position on Returns to Iraq,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1479283205_2016-11-14-unhcr-position-iraq-returns.pdf , http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1485247972_opendocpdf.pdf , Zugriff 6.8.2017
- USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Iraq,
http://www.ecoi.net/local_link/337187/479950_de.html , Zugriff 6.8.2017
2.3. Islamischer Staat
Der IS begeht im Irak massive Menschenrechtsverletzungen. Das Iraqi Observatory for Human Rights berichtet von 7.700 Exekutionen, die der IS im Irak durchgeführt haben soll. Ungefähr 2.100 davon fanden in der IS-Hochburg Mossul statt, 1.900 in der Provinz Anbar. 250 in der Provinz Diyala und 110 in der Provinz Kirkuk. Dabei sind bei diesen Zahlen weitere tausende Opfer des IS noch nicht berücksichtigt, die z.B. im Zuge von Selbstmordattentaten getötet wurden. Ebenfalls nicht in diesen Zahlen berücksichtigt sind die ungefähr 5.000 Jesiden, die im August 2014 in der Provinz Sinjar vom IS getötet wurden, während sie versuchten dem IS zu entkommen. Es kann vermutet werden, dass die Todeszahlen in Wahrheit noch wesentlich höher sind als die bereits sehr hohen hier dokumentierten Zahlen.
Der IS wendet besonders grausame Methoden der Folter und Exekution an, wie z.B. Steinigungen, Enthauptungen, Herunterwerfen von Gebäuden oder das Benutzen von Kindern, um die Exekution zu vollziehen (Ibitimes 24.9.2015).
Insbesondere die jesidische Bevölkerung ist von Genozid, Vergewaltigungen, Folterungen und Mord betroffen, wie das US Holocaust Memorial Museum in seinem Bericht schreibt. Große Zahlen von jesidischen Frauen und Kindern, die gekidnappt worden sind, werden als SklavInnen, zum Teil als Sex-SklavInnen gehalten oder verkauft (Agence France-Presse 13.11.2015). Auch andere ethnische und religiöse Minderheiten wie beispielsweise die Schabak und die Turkmenen sind von massiven Menschenrechtsverletzungen betroffen (ÖB Amman 5.2015). Christen, Jesiden, Turkmenen und Schabak sind von massiven Vertreibungen von Seiten des IS betroffen (FAZ 15.11.2015).
Es gibt in den vom IS kontrollierten Gebieten sehr strenge Verhaltens- und Kleidungsvorschriften. Frauen müssen sich komplett mit schwarzer Kleidung verhüllen, es gibt Berichte von Männern, die ausgepeitscht wurden, weil ihre Ehefrauen nicht vollständig verhüllt waren. Die Menschen in diesen Gebieten leben in ständiger Angst, für "Vergehen" bestraft zu werden (BBC 9.6.2015), wie z.B. den Besitz eines Mobiltelefons. Die Flucht aus Mossul wird durch Verminung verhindert, sodass die Stadt einer Art Gefängnis gleicht (Guardian 9.12.2015).
Mit der Genehmigung des IS dürfen Personen teilweise die vom IS kontrollierten Städte verlassen, in der Regel werden dann Besitztümer (z.B. das Auto) als Pfand verlangt, die eingezogen werden, falls der Ausreisende nicht mehr zurückkehrt (Daily Star 2.6.2015). In anderen Fällen wird auch die Herausgabe der Namen der Verwandten des Ausreisenden verlangt. Diese können dann im Falle des Fernbleibens inhaftiert werden (BID 2.1.2016).
Berichten des UNHCR zufolge sollen in Falluja (Provinz Anbar), rund 70 Kilometer westlich von Bagdad, mindestens 76 Menschen aufgrund mangelhafter Ernährung und fehlender Medikamente gestorben sein. 65 von ihnen hätten nicht mit den notwendigen Medikamenten versorgt werden können, elf seien durch verdorbene oder ungeeignete Nahrung vergiftet worden. UNHCR zufolge können aufgrund der IS-Kontrolle keine Helfer in die Stadt gelangen. Infolge der Blockade sind - medizinischen Kreisen zufolge - in den vergangenen Wochen rund 200 Menschen gestorben (BAMF 22.2.2016).
Angaben aus Diplomatenkreisen zufolge hat der IS im Jahr 2015 Senfgas gegen kurdische Kämpfer südlich der kurdischen Stadt Erbil (Provinz Erbil) eingesetzt. Labortests von Proben, die kurdische Kämpfer im letzten August bei einem Gasangriff genommen hatten, sind allerdings noch nicht abgeschlossen (BAMF 22.2.2016).
Quellen:
? Agence France-Presse (13.11.2015): IS committing genocide against
Yazidis in Iraq: report,
http://reliefweb.int/report/iraq/committing-genocide-against-yazidis-iraq-report , Zugriff 15.1.2016
? BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (22.2.2016): Gruppe
22 - Informationszentrum Asyl und Migration, Briefing Notes,
http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1456148840_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-22-02-2016-deutsch.pdf , Zugriff 9.3.2016
? BID – Business Insider Deutschland (2.1.2016): It's 'hell': How ISIS prevents people from fleeing its 'caliphate', http://www.businessinsider.de/how-isis-controls-life-caliphate-raqqa-capital-2015-12?r=US&IR=T , Zugriff 18.1.2016
? BBC (9.6.2015): Inside Mosul: What's life like under Islamic State?, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-32831854 , Zugriff 15.1.2016
? Daily Star (2.6.2015): Life under Isis in Raqqa and Mosul: 'We're living in a giant prison',
http://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2015/Jun-02/300199-anxious-iraqi-men-brace-for-isis-beard-patrols-in-mosul.ashx , Zugriff 15.1.2016
? FAZ – Frankfurter Allgemeine (15.11.2015): Der Exodus aus dem Irak verlangsamt sich,
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/fluechtlingsstrom-der-exodus-aus-dem-irak-verlangsamt-sich-13910780.html , Zugriff 15.1.2016
? Guardian (9.12.2015).
http://www.theguardian.com/world/2015/dec/09/life-under-isis-raqqa-mosul-giant-prison-syria-iraq , Zugriff 15.1.2016
? Ibitimes – International Business Times (24.9.2015): Isis: Islamic State executed over 10,000 men, women and children in Syria and Iraq,
http://www.ibtimes.co.uk/isis-terror-group-executed-over-10000-men-women-children-syria-iraq-1521094 , Zugriff 15.1.2016
? Österreichische Botschaft Amman (5.2015): Asylländerbericht Irak
2.4. Regierung, ISF, schiitische Milizen
Die laut Human Rights Watch außer Kontrolle geratenen schiitischen Milizen (HRW 20.9.2015) begehen breit angelegte und systematische Menschenrechtsverletzungen (AI 24.2.2016, HRW 27.1.2016). Es werden Zivilisten werden aus ihren Häusern vertrieben, gekidnappt, willkürlich verhaftet, gefoltert und in einigen Fällen in Massenexekutionen getötet. Insbesondere in jenen Gebieten, die die Milizen vom IS zurückerobern, wird die sunnitische Bevölkerung pauschal schikaniert. V.a. die Miliz Asa’ib Ahl Al Haqq ist hier besonders hervorzuheben (HRW 15.2.2015, vgl. BTI 2016). Von den schiitischen Milizen wurden ganze Dörfer systematisch zerstört, sie wurden geplündert, niedergebrannt, oder gesprengt (HRW 27.1.2016). Von April bis Dezember 2015 sind alleine in der Provinz Salah al-Din zumindest 718 Sunniten von Kämpfern schiitischer Milizen entführt worden (Reuters 14.12.2015). Es werden sogar Stimmen laut, die meinen, dass sich einige der schiitischen Milizen teilweise hinsichtlich ihres reaktionären Gesellschaftsbildes und ihrer Brutalität gegenüber Andersgläubigen, kritischen JournalistInnen und Menschen mit anderer sexueller Orientierung kaum vom IS unterscheiden (Rohde 9.11.2015).
Auch die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) selbst verübten Attacken auf zivile sunnitische Gebiete (ISW o.D.).
Quellen:
- AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/local_link/319677/445031_en.html , Zugriff 10.3.2016
- Bertelsmann Foundation (2016): BTI 2016; Iraq Country Report,
http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Iraq.pdf , Zugriff 10.3.2016
- Rohde, Achim (9.11.2015): Konfliktporträt: Irak,
http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016
- HRW – Human Rights Watch (20.9.2015): Irak: Übergriffe durch Milizen schaden Kampf gegen ISIS, https://www.hrw.org/de/news/2015/09/20/irak-ubergriffe-durch-milizen-schaden-kampf-gegen-isis , Zigriff 15.1.2016
- HRW – Human Rights Watch (15.2.2015): Iraq: Militias Escalate Abuses, Possibly War Crimes,
https://www.hrw.org/news/2015/02/15/iraq-militias-escalate-abuses-possibly-war-crimes , Zugriff 15.1.2016
- HRW - Human Rights Watch(27.1.2016): World Report 2016,
https://www.ecoi.net/local_link/318408/443588_en.html , Zugriff 6.4.2016
- ISW – Institute for the Study of War (o.D.): Beyond The Islamic State: Iraq's Sunni Insurgency, http://www.understandingwar.org/report/beyond-islamic-state-iraqs-sunni-insurgency# , Zugriff 15.1.2016
- Reuters (14.12.2015): Torture by Iraqi militias: the report Washington did not want you to see, http://www.reuters.com/investigates/special-report/mideast-crisis-iraq-militias/ , Zugriff 11.3.2016
3. IDPs und Flüchtlinge / Bewegungsfreiheit
Der Irak ist seit über einem Jahrzehnt Schauplatz enormer Vertreibungswellen. Innerhalb der letzten beiden Jahre hat sich dies auf Grund der Verschlechterung der Sicherheitslage im Zentral- und Südirak noch einmal massiv verschärft (RI 2.11.2015). Seit Januar 2014 sind geschätzte 3,2 Millionen Menschen zu Internvertriebenen (IDPs) geworden (Stand 1. Jänner 2016). Über 10 Millionen Menschen sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen (UNOCHA 4.1.2016). Außerdem befinden sich im Irak rund 245.000 syrische Flüchtlinge (WFP 15.12.2015).
Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und dem IS führten dazu, dass fast 3,2 Mio. Menschen aus den Provinzen Anbar, Niniveh und Salah al-Din ihre Heimat verließen und in anderen Teilen des Landes Schutz suchten. Viele flohen in die Region Kurdistan oder in andere Provinzen. Einige der Binnenvertriebenen wurden mehr als einmal vertrieben. Im Mai 2015 flohen etwa 500.000 Menschen aus der Provinz Anbar, nachdem der IS die Provinzhauptstadt Ramadi eingenommen hatte. Vielen von ihnen wurde eine Aufnahme in Bagdad von den Behörden verwehrt. Die humanitären Bedingungen für die Binnenvertriebenen waren nach wie vor hart; in vielen Fällen hatten sie keinen Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen. Einige Vertriebene sollen in der kurdischen Stadt Sulaimaniyah von der dortigen Bevölkerung tätlich angegriffen und verletzt worden sein. Andere, die in die Region Kurdistan geflohen waren, wurden inhaftiert, weil man sie verdächtigte, mit dem IS in Verbindung zu stehen.
IOM dokumentierte für den Zeitraum 1.Jänner 2014 bis 3.Dezember 2015
3.195.390 internvertriebene Iraker (532.565 Familien). In den Provinzen Bagdad und Anbar befinden sich mit jeweils 18 Prozent die größten Anteile dieser IDPs, in Dahuk 13 Prozent, Kirkuk 12, Erbil 10, Ninewa 7 und in Suleimaniya 5 Prozent. Bis Dezember 2015 seien Berichten zufolge 458.358 Personen zu ihrem Herkunftsort zurückgekehrt (IOM 18.12.2015). Die folgende Grafik zeigt die Herkunftsregionen der IDPs in Prozent:
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(Quelle: IOM 3.2016)
Die Hauptstadt Bagdad (ca. 570.000) und in geringerem Maße der schiitisch geprägte Südirak (ca. 200.000) haben zahlreiche Binnenvertriebene aus umkämpften Gebieten aufgenommen. Aus Furcht vor der Infiltration von Terroristen kam es jedoch zeitweise zur Schließung von Provinzgrenzen. (AA 07.02.2017). Es gab Berichte, dass IDPs aufgrund ihrer Identität oder Herkunft der Zugang zu sicheren Gebieten versperrt wurde, wodurch sie potentieller Gefahr ausgesetzt wurden. In zahlreichen Gebieten waren IDPs Einschränkungen der Bewegungsfreiheit ausgesetzt, die gegen internationale Standards verstoßen. Der für diese Einschränkungen angegebene Grund ist zumeist die Furcht vor militanten Gruppen, die in Checkpoints eindringen oder Schläferzellen aufbauen könnten. Seit Jänner 2015, als der IS in Anbar erstmals aktiv wurde, wurden Berichte von Menschen, die an Checkpoints festgehalten wurden und daran gehindert wurden, bestimmte Provinzen des Irak zu betreten, immer häufiger. Es gibt regelmäßige Berichte von Zugangssperren in von der irakischen Regierung kontrollierte Gebiete, sowie auch in unter der Kontrolle der Autonomieregion Kurdistan stehende Gebiete. Laut OCHA sind zahlreiche Checkpoints für IDPs geschlossen, zuletzt v. a. im Süden von Sulaymaniyah und in der Provinz Kirkuk. Im Süden verhindern die Zugangsbeschränkungen das Vorankommen von sunnitischen IDPs in die vorwiegend schiitischen Provinzen. Das betrifft viele Familien aus Anbar, die z.B. nach Bagdad, Karbala und Basra wollen. Generell gibt es starke Einschränkungen der Bewegungsfreiheit aufgrund von konfessionellen Spannungen, insbesondere in Bagdad und Salah al-Din, und dies beeinträchtigt die Möglichkeit der Menschen, Zugang zu Versorgungsleistungen und Unterstützung zu finden (IRIN 19.5.2015).
Laut UK Home Office hängen die beobachteten Zugangsbeschränkungen meist mit bestimmten Kriterien zusammen, wie der Zusammensetzung der Familie, dem religiösen und ethnischen Hintergrund, dem Herkunftsort, dem Alter, in der betreffenden Provinz und dem Mangel an Aufnahmekapazitäten (Home Office 11.2015, bzgl. des Kriteriums Alter: UNAMI 13.7.2015). Männern, die älter sind als 18 Jahre, ist beispielsweise die Einreise in die Provinz Qadisiya verwehrt worden, während die Provinzen Najaf und Wassit im Berichtszeitraum Dezember 2014 – April 2015 gar keinen neuen IDPs Einlass gewährten (UNAMI 13.7.2015). Die Provinz Babil (Anm.: auch Babylon) hat ab Mai 2015 ebenfalls keine IDPs mehr eingelassen (IOM 11.2015). Die Kriterien, die an solchen Zugangs-Checkpoints gelten, müssen nicht unbedingt klar definiert sein oder können sich plötzlich ändern. Eine häufig angewandte Beschränkung der Bewegungsfreiheit ist das sogenannte "Sponsorensystem". Personen, die in eine Provinz einreisen wollen, müssen einen Sponsor (eine Referenzperson, die im Zielgebiet lebt) vorweisen (Home Office 11.2015). Ein solches Sponsorensystem wird z. B. angewendet auf IDPs aus Anbar, die nach Bagdad flüchten wollen, sowie für viele IDPs, die in die kurdische Autonomieregion flüchten wollen (Home Office 11.2015). Im November 2015 berichtete auch IOM, dass die Bewegungsmöglichkeiten der Flüchtlinge nun noch mehr eingeschränkt seien, da die meisten Provinzen ein neues Gesetz angenommen hätten, das Binnenvertriebene dazu verpflichte, bei der Ankunft einen lokalen Bürgen vorzuweisen (IOM 11.2015).
Selbst wenn der Zugang gewährt wird, kann es für IDPs zusätzliche Anforderungen geben, um sich bei den lokalen Behörden zu registrieren (Home Office 11.2015). Der UNHCR berichtete bereits im Oktober 2014, dass speziell im Süden des Irak Binnenvertriebene von Provinz zu Provinz reisen, um Behörden zu finden, die sie registrieren, damit sie Zugang zu Leistungen wie z.B. Grundversorgung, Bildung und Bargeldversorgung erhalten. Darüber hinaus wird berichtet, dass die Fortbewegungsfreiheit der IDPs zusätzlich durch Unsicherheit (auch auf Grund konfessioneller Spannungen) und laufende militärische Operationen eingeschränkt ist. Der Großteil der Verbindungswege wird von bewaffneten Gruppen kontrolliert (UNHCR 10.2014). Zum Teil werden IDP-Familien nur dann durch einen Checkpoint gelassen, wenn sich die erwachsenen Männer bereit erklären den paramilitärischen Einheiten der Volksmobilisierung (PMU) beizutreten (UNAMI 13.7.2015).
Die Ankunft von IDPs in einem bestimmten Gebiet verschärft immer auch die Spannungen zwischen den ethno-religiösen Gruppen (Home Office 11.2015).
In den Gebieten, die die Kurden vom IS zurückerkämpft haben, insbesondere in den von den Kurden neu besetzten Gebieten werden arabische IDPs von kurdischen Sicherheits-/Streitkräften zu tausenden in sogenannten Sicherheitszonen festgehalten. Sie werden davon abgehalten, in ihre Wohngebiete zurückzukehren, während die kurdischen IDPs zurückkehren dürfen. Teilweise werden auch gezielt Häuser von Arabern zerstört, damit diese nicht zurückkehren. Außerdem kommt es vor, dass Araber von KRI-Streitkräften ohne Anklage für längere Zeit inhaftiert werden (HRW 25.2.2015).
Auch für die Stadt Kirkuk und Umgebung liegen Berichte vor, denen zufolge Sunniten von Kurden aus ihren Gebieten vertrieben werden (Deutschlandfunk 15.7.2015).
Die IDPs leben in gemieteten Unterkünften, unfertigen Gebäuden, Notunterkünften, oft ohne adäquate Ernährung, Wasserversorgung oder medizinische Versorgung. Von den 3,2 Millionen IDPs befinden sich in etwa 2,3 Millionen im Zentral- und Südirak (RI 2.11.2015). Das World Food Programme setzte sich das Ziel, 2,2 Millionen Vertriebene und vom Konflikt betroffene Personen im Irak mit einer monatlichen Essensration zu versorgen. Auf Grund der Zugangsbeschränkungen musste das Word Food Programme seine Hilfsleistungen zurückstufen und versorgt nun lediglich 1,5 Millionen Menschen jeden Monat (WFP 1.12.2015). Das World Food Programme war auf Grund von Unterfinanzierung dazu gezwungen, die Essensrationen um bis zu 50 Prozent zu verringern, was dazu führt, dass viele Familien, die bisher versorgt waren, nun ebenfalls unter Nahrungsmittel-Unsicherheiten leiden (UN News Service 27.11.2015).
In den nicht-kurdischen Gebieten erreicht die humanitäre Hilfe die Menschen weitaus seltener als in der kurdischen Autonomieregion teilweise, weil es an Information mangelt, welche Güter/Leistungen benötigt werden und wie diese dorthin transportiert werden sollen, und teilweise, weil gewaltsame Konflikte es den humanitären Organisationen praktisch unmöglich machen, in diesen Gegenden zu operieren (RI 2.11.2015).
Neben dem IS sind auch die Preisfluktuationen und die reduzierte Wasserversorgung dafür verantwortlich, dass die Nahrungsmittelproduktion im Irak lahm gelegt ist, was die Lage der 2,4 Millionen Iraker, die an unsicherer Nahrungsmittelzufuhr leiden, verschärft (UN News Service 27.11.2015).
Ein UN-Beobachter hat bereits im Mai 2015 die irakischen Behörden für ihr Versagen, den fast 3 Millionen IDPs im Irak adäquate Unterstützung und Schutz zu bieten, massiv kritisiert (IRIN 19.5.2015).
Beispiele für die Rückkehr von Flüchtlingen, die vor dem Terror des IS geflohen waren, gibt es auch. So sind seit der Rückeroberung von Tikrit im vergangenen März durch schiitische Freiwilligenmilizen und die irakische Armee zwei Drittel der einst 200.000 – überwiegend sunnitischen – Einwohner in die Stadt zurückgekehrt (FAZ 15.11.2015).
Die folgende Übersicht zeigt Daten zu Binnenvertriebenen:
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Quellen:
- AA - AUSWÄRTIGES AMT (07.02.2017): Berlin, Gz.: 508-516.80/3 IRQ, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2016)
- AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/local_link/319677/445031_en.html , Zugriff 10.3.2016
- Deutschlandfunk (15.7.2015): Die fragwürdigen Methoden der Peschmerga,
http://www.deutschlandfunk.de/kurden-im-nordirak-die-fragwuerdigen-methoden-der-peschmerga.724.de.html?dram:article_id=325533 , Zugriff 18.1.2016
- FAZ – Frankfurter Allgemeine (15.11.2015): Der Exodus aus dem Irak verlangsamt sich,
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/fluechtlingsstrom-der-exodus-aus-dem-irak-verlangsamt-sich-13910780.html , Zugriff 15.1.2016
- HRW – Human Rights Watch (25.2.2015): Iraqi Kurdistan: Arabs Displaced, Cordoned Off, Detained, https://www.hrw.org/news/2015/02/25/iraqi-kurdistan-arabs-displaced-cordoned-detained , Zugriff 15.1.2016
- IOM – International Organisation for Migration (11.2015): Babylon Governorate Profile, June-
- September 2015, http://iomiraq.net/file/2253/download , Zugriff 15.1.2016
- IOM – International Organization for Migration (3.2016):
Displacement Tracking Matrix, http://iomiraq.net/dtm-page , Zugriff 8.3.2016 (hier kann für jede Provinz die Zahl der IDPs, sowie deren Herkunftsprovinz abgerufen werden.)
- IOM – International Organization for Migration (18.12.2015):
Displacement and Returns Continue in Iraq: IOM, http://www.iom.int/news/displacement-and-returns-continue-iraq-iom , Zugriff 8.3.2016
- IRIN - Integrated Regional Information Networks (19.5.2015): UN Watchdog blasts Iraq over IDP treatment, http://www.refworld.org/country ,,,,IRQ„555f1a6e4,0.html, Zugriff 5.6.2015
- RI – Refugees International (2.11.2015): DISPLACED IN IRAQ:
LITTLE AID AND FEW OPTIONS,
http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=search&docid=563868d14&skip=0&query=displace&coi=IRQ , Zugriff 15.1.2016
- UK Home Office (11.2015): Country Information and Guidance Iraq:
Security situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016
- UN News Service (27.11.2015): UN agencies concerned about worsening humanitarian conditions of displaced Iraqis in Kurdistan, http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=searchdocid=565c6b89309askip=0query=displacecoi=IRQquerysi=displacesearchin=titlesort=date , Zugriff 15.1.2016
- UNAMI - UN Assistance Mission for Iraq: Report on the Protection of Civilians in Armed
Conflict in Iraq: 11 December 2014 - 30 April 2015, 13. Juli 2015
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1436959266_unami-ohchr-4th-pocreport-
11dec2014-30april2015.pdf , Zugriff 15.1.2016
- UNOCHA (4.1.2016): Portraits of Iraqi Displacement, https://unocha.exposure.co/portraits-of-iraqi-displacement , Zugriff 15.1.2016
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (20.10.2015): UNHCR provides shelter to Iraqis uprooted by conflict in Anbar,
http://www.ecoi.net/local_link/313757/452054_de.html , Zugriff 15. 1.2016
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (10.2014): UNHCR Position on Returns to Iraq,
https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1422446548_irq-102014.pdf , Zugriff 15. 1.2016
- WFP – World Food Programme (1.12.2015): Iraq Crisis Situation Report #31, 1. December 2015,
http://documents.wfp.org/stellent/groups/public/documents/ep/wfp279858.pdf , Zugriff 19.1.2016
- WFP – World Food Programme (15.12.2015): Iraq Crisis Situation Report #32, 15 December 2015,
http://reliefweb.int/report/iraq/iraq-crisis-situation-report-32-15-december-2015 , Zugriff 15.1.2016
3.1. Humanitäre Lage sowie Zugang zur Autonomieregion Kurdistan
Der mit Abstand größte Teil der IDPs flüchtet in die vergleichsweise sichere kurdische Autonomieregion (Home Office 11.2015). Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht. Durch den Zustrom von Binnenvertriebenen ist die Region Kurdistan-Irak an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit angelangt. Mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge sind allein seit Anfang des Jahres 2014 nach Kurdistan-Irak geflohen. Hinzu kommen mehr als 250.000 syrische Flüchtlinge (AA 07.02.2017).
Die humanitäre Lage verschlechtert sich zunehmend, u.a. auf Grund des beschränkten Zugangs zu Jobs und wirtschaftlichen Möglichkeiten, was dafür verantwortlich ist, dass viele gezwungen sind, auf den Körper schädigende Hunger-Bewältigungsstrategien umzustellen. Der Bevölkerungszuwachs erhöht den Druck auf die bereits beschränkten Ressourcen und die aufnehmenden Gemeinden. IDP-Familien müssen meist mehrmals innerhalb von Kurdistan übersiedeln, um Arbeit zu finden und ihre Familien ernähren zu können. (UN News Service 27.11.2015).
Die Bevölkerung der Autonomieregion hat sich durch die Flüchtlingswellen um 28 Prozent erhöht. Der kurdischen Regierung (KRG) gelingt es durch diese Situation kaum, den 1,6 Millionen Flüchtlingen und IDPs, die Zuflucht in der Autonomieregion gesucht haben, Unterstützung, Ansiedelungsmöglichkeiten und Schutz bieten zu können. Auch das Gesundheitssystem ist überlastet (HRC 10.2015).
Der Zugang in die KRI kann für IDPs jedoch äußerst schwierig sein und hängt vom religiösen und ethnischen Profil der jeweiligen Personen ab. Die Möglichkeit, Zutritt zur KRI zu bekommen, indem man einen Bürgen vorweist, der in der KRI lebt (diese Regelung gab es v. a. für Araber, Turkmenen und Schabakis), wurde weitgehend wieder abgeschafft, weil dieses Bürgen-System offenbar vorwiegend zu einem Geschäft für Menschen innerhalb der KRI wurde, die gegen Geld als Bürgen auftraten. Seit November 2014 wurde die Aufnahme (über den Landweg) von turkmenischen und arabischen IDPs in die KRI weitgehend gestoppt, abgesehen von jenen, die bereits im Besitz von KRI-Aufenthaltsgenehmigungen sind. Bezüglich Personen, die Minderheiten wie z.B. der jesidischen Minderheit angehören, scheint es so zu sein, dass der Zutritt zur KRI im Normalfall gewährt wird. Die Zugangsbeschränkungen zur KRI folgen keinem konsistenten Muster/ keiner konsistenten Politik und können sich laufend ändern. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses UNHCR-Berichts (März 2016) ist es arabischen, turkmenischen und christlichen IDPs im Normalfall möglich, über den Flughafen in Erbil oder jenen in Sulaymaniyah in die KRI zu gelangen. Araber oder Turkmenen sind (in der KRI) wesentlich häufiger in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, als beispielsweise Jesiden. Araber haben regelmäßig das Problem, dass ihre Papiere konfisziert werden, was ihre Bewegungsfreiheit stark einschränkt (UNHCR 3.2016).
Für nicht aus der KRI stammende Kurden kann es durchaus möglich sein, in die KRI zu übersiedeln/zu flüchten. Das hängt von den besonderen Umständen und der Reiseroute ab. Sie können einen 10-Tages-Besuchsaufenthalt in der KRI beantragen, den sie danach für weitere 10 Tage verlängern können. Falls sie Arbeit finden, können sie länger bleiben, sofern sie sich bei den Behörden registrieren und Details ihres Arbeitgebers preisgeben. Es gibt keine Hinweise, dass die Behörden der KRI pro-aktiv Kurden aus der KRI ausweisen, deren Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist (UK Home Office 11.2015).
Quellen:
- AA - AUSWÄRTIGES AMT (07.02.2017): Berlin, Gz.: 508-516.80/3 IRQ, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2016)
- HRC – Human Rights Columbia (10.2015): TASK FORCE REPORT
STATE-BUILDING IN IRAQI KURDISTAN,
http://humanrightscolumbia.org/sites/default/files/documents/peace-building/state_building_kurdistan.pdf , Zugriff 15.1.2016
- HRW – Human Rights Watch (25.2.2015): Iraqi Kurdistan: Arabs Displaced, Cordoned Off, Detained, https://www.hrw.org/news/2015/02/25/iraqi-kurdistan-arabs-displaced-cordoned-detained , Zugriff 15.1.2016
- Minority Rights Group (2.2015): Between the Millstones: The State of Iraq’s Minorities Since the Fall of Mosul, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1425309440_mrg-rep-iraq-online.pdf , Zugriff 23.11.2015
- UK Home Office (11.2015): Country Information and Guidance Iraq:
Internal relocation (including documentation and feasibility of return),
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448437152_iraq-cig-ir-nov-15.pdf , Zugriff 7.12.2015
- UK Home Office (11.2015): Country Information and Guidance Iraq:
Security situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016
- UNHCR (3.2016): Note on the Situation of Yazidis in the Kurdistan Region of Iraq (KR-I)
- UN News Service (27.11.2015): UN agencies concerned about worsening humanitarian conditions of displaced Iraqis in Kurdistan, http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=searchdocid=565c6b89309askip=0query=displacecoi=IRQquerysi=displacesearchin=titlesort=date , Zugriff 15.1.2016
4. Grundversorgung/Wirtschaft
Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht stetig und in allen Landesteilen gewährleisten. Irak besitzt kaum eigene Industrien. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Über vier
Millionen Iraker erhalten reguläre Gehälter von der Regierung, die 2015 aufgrund der schlechten Haushaltslage teilweise erst mit mehrmonatiger Verspätung gezahlt wurden. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. Nach Angaben des UN-Programms "Habitat" gleichen die Lebensbedingungen von 57 Prozent der städtischen Bevölkerung im Irak denen von "Slums". Es gibt Lebensmittelgutscheine für Bedürftige. Die UN-Mission ermittelte schon im Juni 2013, dass vier Millionen Iraker unterernährt sind. Etwa ein Viertel der 36 Mio. Iraker lebt unterhalb der Armutsgrenze (2 US-Dollar/Tag).
Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen. Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser (AA 07.02.2017).
Berichten des UNHCR zufolge sollen in der vom IS kontrollierten Stadt Falluja (Provinz Anbar), rund 70 Kilometer westlich von Bagdad, mindestens 76 Menschen aufgrund mangelhafter Ernährung, ungeeigneter, giftiger Nahrung und fehlender Medikamente gestorben sein (BAMF 22.2.2016).
Quellen:
? AA - AUSWÄRTIGES AMT (07.02.2017): Berlin, Gz.: 508-516.80/3 IRQ, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2016)
5. Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt: In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 07.2.2017).
Im Kontrollgebiet des IS hinderten IS-Kämpfer Menschen daran, das Gebiet zu verlassen um andernorts medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen (AI 22.2.2016). Die medizinische Versorgung in den IS-kontrollierten Gebieten ist sehr schlecht: In der vom IS kontrollierten Stadt Falluja beispielsweise sind mindestens 76 Menschen aufgrund mangelhafter Ernährung und fehlender Medikamente gestorben sein. 65 von ihnen hätten nicht mit den notwendigen Medikamenten versorgt werden können. UNHCR zufolge können aufgrund der IS-Kontrolle keine Helfer in die Stadt gelangen. Infolge der Blockade sind - medizinischen Kreisen zufolge - in den vergangenen Wochen (Stand 22.2.2016) rund 200 Menschen gestorben (BAMF 22.2.2016).
Quellen:
? AA - AUSWÄRTIGES AMT (07.02.2017): Berlin, Gz.: 508-516.80/3 IRQ, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2016)
? AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/local_link/319677/445031_en.html , Zugriff 10.3.2016
? BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (22.2.2016): Gruppe
22 - Informationszentrum Asyl und Migration, Briefing Notes,
http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1456148840_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-22-02-2016-deutsch.pdf , Zugriff 9.3.2016
6. Rückkehr
Eine freiwillige Rückkehr in den Irak aus dem österreichischen Bundesgebiet ist über Vermittlung entsprechender Rückkehrberatungseinrichtungen und nach erteilter Zustimmung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Unterstützung von IOM-Österreich möglich. IOM stellt im Gefolge der administrativen Abwicklung Flugtickets zur Verfügung und gewährt in Einzelfällen besonderer Hilfsbedürftigkeit auch finanzielle Überbrückungshilfe. Aktuell erfolgt eine solche Rückkehr in den Irak über die Flughäfen in Bagdad, Erbil, Basra und Najaf. Im Jahr 2015 haben ca. 150 Rückkehrer in den Irak diese Unterstützung in Anspruch genommen.
Von Anfang Jänner bis Ende Juni traten insgesamt 3195 Asylwerber freiwillig die Heimreise an. Die meisten von ihnen, nämlich 926, stammen aus dem Irak. Am zweit- und dritthäufigsten machten sich Afghanen (431) und Iraner (414) auf den Weg zurück in ihre Heimat. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres kam es laut Innenministerium (BMI) zu 2576 freiwilligen Ausreisen – das entspricht einer Steigerung von beinahe einem Viertel. Damals reisten Kosovaren (1140) am häufigsten zurück, gefolgt von Irakern (750) und Serben (498).[ ] Er will so schnell wie möglich zurück nach Bagdad – obwohl er sein ganzes Hab und Gut verkauft hat, um nach Österreich zu flüchten.[ ]). (kurier.at, 13.07.2016, https://kurier.at/chronik/oesterreich/weiss-nicht-ob-ich-je-asyl-bekomme/209.431.467 )
Aktuelle Tendenzen zeigen, dass vor allem aus Deutschland, Belgien, Finnland und Österreich zunehmend mehr Iraker freiwillig in den Irak zurückkehren, darunter auch mit Ziel Bagdad: IOM unterstützt irakische Rückkehrer aus Belgien; am 01.02.2016 reisten 106 Iraker, davon 93 Männer, 13 Frauen und 17 Kinder nach Bagdad zurück. Sie finden Unterstützung durch IOM. Sie kam am Flughafen in Bagdad sicher an, wo sie von IOM Beschäftigten empfangen wurden. IOM koordiniert mit dem zuständigen irakischen Ministerium. Das Reintegrationsprogramm umfasst ua. die Unterkunft, Einrichtung, Jobsuche, Unterstützung bei der Gründung von Kleinstunternehmungen. 2015 erhielten mehr als 3000 zurückkehrende Iraker europaweit Unterstützung durch IOM. 2015 kehrten aus Belgien 1014 Iraker freiwillig zurück, vorwiegend nach Bagdad, einige auch nach Basra und Najaf. 2014 waren es nur 57 Personen. (IOM Helps Iraqi Migrants Voluntarily Return Home from Belgium, 01.02.2016, http://www.iom.int/news/iom-helps-iraqi-migrants-voluntarily-return-home-belgium )
Das Rückkehrprojekt Magnet, das zwischen Jänner 2012 und Juni 2013 u. a. eine Kooperation von IOM-Österreich mit dem Büro für Migration und Vertriebene sowie dem Ministerium für Arbeit und Soziales der kurdischen Autonomieregierung beinhaltete, unterstützte freiwillige Rückkehrer aus Österreich, wie auch aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden, bei der Re-Integration in den Arbeitsmarkt der kurdischen Autonomieregion. Das Nachfolgeprojekt Magnet II, welches im Juni 2014 gestartet wurde und seither in Kooperation zwischen der kurdischen Regionalregierung und den jeweiligen belgischen, finnischen, niederländischen, französischen und britischen Behörden umgesetzt wird, kann von Rückkehrern aus Österreich aktuell nicht in Anspruch genommen werden.
Im Rahmen des Rückkehrprogramms AVRR (Assisted Voluntary Return and Reintegration) von IOM kehrten im Jahr 2015 insgesamt über 3.000 ehemalige Asylwerber aus 14 verschiedenen europäischen Ländern freiwillig in den Irak, nach Bagdad, Erbil, Suleimanyia und Basra, zurück. Dies stellt eine Zunahme von ca. 200% gegenüber dem Jahr 2014 dar. IOM unterstützt die Rückkehrer neben der Organisation der Reise selbst mit Reintegrationsmaßnahmen wie Mikrokrediten, provisorischen Unterkünften, Arbeitssuche und wichtigen Gütern des täglichen Lebens und arbeitet dabei mit dem irakischen Migrationsministerium und dem Migrationsbüro der kurdischen Autonomieregierung zusammen.
Quelle:
? IOM Österreich: www.iomvienna.at ; telefonische Auskünfte von IOM-Österreich an das BVwG, Außenstelle Linz am 22.10.2015
? IOM Iraq Mission:
http://iomiraq.net/article/0/movement-and-assisted-migration (Zugriff am 9.5.2016)
? IOM Iraq Mission: IOM Helps Iraqi Migrants Voluntarily Return Home from Belgium,
http://iomiraq.net/article/0/iom-helps-iraqi-migrants-voluntarily-return-home-belgium (Zugriff am 9.5.2016)
? IOM Iraq Mission: Iraq Mission Overview 2015, http://iomiraq.net/file/5703/download (Zugriff am 9.5.2016)
? KURIER.at: "Weiß nicht, ob ich je Asyl bekomme", http://kurier.at/chronik/oesterreich/weiss-nicht-ob-ich-je-asyl-bekomme/209.431.467 , Zugriff am 14.07.2016
Die irakische Verfassung garantiert in ihrem Art. 44 die innerstaatliche Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit jedes Staatsbürgers. Es stehen vor diesem Hintergrund Einzelbestimmungen für die Regulierung dieser Grundfreiheiten in Anwendung, so hinsichtlich der Vorlage bestimmter Identitätsdokumente sowie der persönlichen Aussage vor den jeweiligen örtlichen Behörden. Als die beiden wichtigsten Dokumente für den Verkehr mit den Behörden, neben der Registrierung etwa für die Zuteilung von Lebensmittelrationen oder die Ausstellung anderer Dokumente, dienen der Staatsbürgerschaftsnachweis sowie der Personalausweis (Identity Card), weitere maßgebliche Dokumente sind Wohnsitzbestätigungen (Meldenachweis), Lebensmittelrationskarten, Geburts- und Sterbeurkunden. Laut UNHCR werden die vier erstgenannten Dokumente in der Regel von örtlichen Niederlassungsbehörden im Parteienverkehr verlangt. In den drei autonomen kurdischen Provinzen des Nordiraks werden in Ermangelung dieser Dokumente auch Ersatzpapiere (sogen. Information Card) für den einmaligen Gebrauch verwendet. In Ermangelung der Vorlage entsprechender Identitätsdokumente kommt es zu Schwierigkeiten beim Passieren von Checkpoints und/oder der Registrierung durch die zuständigen Behörden sowie der Erlaubnis zur Niederlassung, was in der Folge zur Einschränkung des Bezugs staatlicher Leistungen führen kann. Die örtlichen Büros von IOM und deren Partnern setzen demgegenüber ausdrücklich nicht die Vorlage solcher Dokumente für die Gewährung ihrer Unterstützungsleistungen an IDP voraus. Erhebungen von IOM aus 2014 zufolge gaben nur ca. 10% aller IDP den Verlust solcher Dokumente verursacht durch die Umstände der internen Vertreibung an. Demgegenüber sind über 90% aller IDP von den jeweiligen örtlichen Behörden registriert worden.
Alle wesentlichen persönlichen Daten werden von den örtlichen Standesämtern in Personenstandsregistern festgehalten bzw. ergänzt. Diese sind grundsätzlich auch für die Neuausstellung verloren gegangener Personalausweise zuständig. Sofern der Zugang zu einem Personenstandsamt nicht möglich oder zu gefährlich ist, kann die Übertragung der entsprechenden Daten auf Antrag bei der örtlichen Niederlassung des Ministeriums für Vertriebene und Migranten, in der KRG beim örtlichen Büro der Behörde für Vertriebene und Migranten, zur jeweiligen Behörde des Aufenthaltsorts veranlasst werden, dies ist auch bei irakischen Botschaften möglich. Darüber hinaus bietet UNHCR Unterstützung bei der Erlangung neuer Identitäts- und andere Dokumente durch seine sogen. Protection and Reintegration Centers vor Ort an, so auch in Dohuk, Erbil und Suleymaniah. In Ermangelung der Möglichkeit persönlichen Erscheinens beim Personenstandsamt seiner Herkunftsregion ist es einer IDP auch möglich, die Neuausstellung von Identitätsdokumenten durch dort anwesende Verwandte oder andere Dritte unter Vorlage einer beglaubigten Vollmacht zu veranlassen. Als Mindestvoraussetzungen für die Neuausstellung solcher Dokumente genügen allfällige Kopien von elterlichen Dokumenten, Meldenachweise oder die Angabe der Nummer des "Familienbuches" am örtlichen Standesamt. Zuletzt existiert in Bagdad auch ein zentraler Mikrofilm-Speicher aller bisherigen Personenstandsdaten, sollte ein bestimmtes Personenstandsregister zerstört worden sein. Das Gesagte gilt sinngemäß auch für die Erlangung eines Staatsbürgerschaftsnachweises, der von der nationalen Staatsbürgerschaftsbehörde in Bagdad ausgestellt wird bzw. bei den örtlichen Zweigstellen in den jeweiligen Provinzen beantragt werden kann.
Quelle:
? British Home Office, COI on Internal relocation in Iraq vom 24.12.2014 in der Fassung der Aktualisierung vom 22.10.2015; https://www.gov.uk/government/publications/iraq-country-information-and-guidance )
7. Echtheit der Dokumente/Zugang zu gefälschten Dokumenten
Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte Visaetiketten auf, die der Deutschen Botschaft Bagdad durch das irakische Außenministerium per Verbalnote zwecks Überprüfung zugesandt wurden. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden. Es werden keine Legalisationen durch die Deutsche Botschaft Bagdad oder das Generalkonsulat Erbil vorgenommen. Inhaltliche Urkundenüberprüfungen durch die Botschaft oder GK Erbil sind derzeitig nicht möglich; die irakischen Behörden leisten keine Amtshilfe. Die von der Botschaft Bagdad durchgeführte Prüfung der formellen Echtheit durch Inaugenscheinnahme irakischer Urkunden im Amtshilfeverfahren für deutsche Behörden wurde zu Februar 2013 eingestellt.
Quelle:
AA - AUSWÄRTIGES AMT (07.02.2017): Berlin, Gz.: 508-516.80/3 IRQ, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2016)
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner Schulbildung, seiner beruflichen Tätigkeit, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren sowie aus den Verwaltungsakten. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist, gründet sich auf das eigene Vorbringen des Beschwerdeführers in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellung, dass zumindest eine Tante mütterlicherseits und ein Onkel väterlicherseits mit deren Familien im Irak leben ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellung über die Anmeldung zu einem Deutschkurs ergibt sich aus der entsprechenden vorgelegten Anmeldebestätigung.
Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug sowie einem eingeholten GVS-Auszug, jeweils vom 25.09.2017.
Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:
Der Beschwerdeführer brachte vor, dass die Familie ("wir") am 04.09.2014 eine schriftliche Drohung bekommen habe. Er erklärte, dass in der Drohung der Name der Familie erwähnt sei (AS 71 und 73). Der Beschwerdeführer legte auch eine Kopie dieses Drohschreibens vor. Darin ist jedoch entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht der Name der Familie erwähnt, sondern es wird ausschließlich der Vater des Beschwerdeführers bedroht (AS 123). Damit hat nicht – wie der Beschwerdeführer behauptet hat – die Familie eine Drohung erhalten, sondern nur der Vater des Beschwerdeführers. Schon diese Angaben des Beschwerdeführers, die nicht mit dem von ihm vorgelegten Dokument übereinstimmen, sprechen gegen die Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers. Diese wird auch durch die weiteren Angaben des Beschwerdeführers sowohl in der Einvernahme vor dem BFA als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht weiter gemindert.
So hat der Beschwerdeführer auch zu der von ihm vorgebrachten Entführung unterschiedliche Angaben in der Einvernahme vor dem BFA und er mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gemacht, weshalb es ihm nicht gelungen ist, diese Entführung glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer gab vor dem BFA an, dass er sich gerade auf dem Heimweg befunden habe, als er entführt worden sei (AS 73). Auch in seiner Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, er sei auf dem Weg vom Markt nach Hause gewesen, als er entführt worden sei (AS 233). Die von ihm vorgelegte Anzeige seines Vaters ist nicht mit diesen Angaben in Einklang zu bringen. Dort ist nämlich die Rede davon, dass der Beschwerdeführer morgens das Haus verlassen habe und zu seinen Freunden unterwegs gewesen sei und er nicht mehr zurückgekehrt sei (AS 131 und 133). Schließlich änderte der Beschwerdeführer sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung und behauptete hier, dass er auf dem Weg zur Arbeit gewesen sei, als er entführt worden wäre (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Aber auch diese Angaben stimmen nicht mit der Anzeige vollständig überein, da dort vom Vater behauptet wird, der Beschwerdeführer wäre auf dem Weg zu Freunden gewesen, der Beschwerdeführer selbst aber angibt, auf dem Weg in die Arbeit gewesen zu sein. Damit gibt es nun drei Varianten hinsichtlich der Entführung. Zunächst die Version vor dem BFA, wonach der Beschwerdeführer auf dem Heimweg entführt worden sei, weiters die Version der Anzeige, er sei auf dem Weg zu Freunden entführt worden und schließlich die in der mündlichen Verhandlung geschilderte Version, er sei auf dem Weg zur Arbeit entführt worden. Auf den Vorhalt seiner Angaben vor dem BFA behauptete der Beschwerdeführer, er hätte auch vor dem BFA angegeben, auf dem Weg zur Arbeit entführt worden zu sein und die Protokollierung der Einvernahme vor dem BFA sei falsch (Seite 18 des Verhandlungsprotokolls). Diesbezüglich ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass gemäß § 15 AVG – soweit nicht Einwendungen erhoben wurden – eine gemäß § 14 leg.cit. aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis liefert, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt. Ungeachtet des Umstandes, dass Protokollrügen bei Rückübersetzung der Niederschrift grundsätzlich im Rahmen derselben Amtshandlung vorzubringen sind (§ 14 Abs. 3 und 4 AVG), vermochte der Beschwerdeführer mit seinen unzutreffenden Erklärungen der Beweiskraft der Niederschrift vom 29.04.2016 nichts Entscheidendes entgegen zu setzen bzw. keinen erfolgreichen Gegenbeweis anzutreten. Auf Seite 6 des Einvernahmeprotokolls vom 29.04.2016 ist eindeutig protokolliert, "Ich war auf der Straße auf dem Heimweg. Es kam ein Auto.". Der Beschwerdeführer hat die Richtigkeit der Niederschrift mit seiner Unterschrift auf jeder Seite des Protokolls bestätigt und angegeben, dass es keine Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher gegeben habe und auch nach Rückübersetzung der Niederschrift keine Ergänzungen gemacht. Zudem findet sich auf der letzten Seite des Protokolls folgender handschriftlicher Vermerk des Beschwerdeführers in arabischer Sprache: "Alle Angaben wurden richtig aufgenommen und richtig geschrieben." (AS 79 und Seite 4 des Verhandlungsprotokolls). Zweifel an der Richtigkeit des Inhalts der Niederschrift bestehen daher nicht.
Der Beschwerdeführer legte verschiedene Anzeigen seines Vaters betreffend die Entführung des Beschwerdeführers vor. Bei einer dieser Anzeigen (AS 137) findet sich auf der Übersetzung, dass der "Vater" entführt worden sei. Die arabischsprachige Anzeige wurde vom Dolmetscher in der mündlichen Verhandlung erneut übersetzt. Dieser klärte auf, dass sich das Wort Vater vom Wort Sohn im Arabischen nur durch einen Strich unterscheidet, und es wohl deshalb zur fehlerhaften Übersetzung gekommen ist. Auf dem Dokument steht tatsächlich das Wort Sohn, wie auch auf den übrigen Anzeigen, die ebenso vom Sohn sprechen (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Dieser Irrtum in der Übersetzung einer Anzeige wurde somit nachvollziehbar aufgeklärt. Dennoch ist es dem Beschwerdeführer mit den vorgelegten Anzeigen nicht gelungen, seine behauptete Entführung glaubhaft zu machen. Einerseits hat der Beschwerdeführer diese Anzeigen nur in Kopie vorgelegt und ist damit eine Überprüfung der Echtheit der Dokumente nicht möglich. Diesbezüglich wird auch darauf hingewiesen, dass sich aus den Länderfeststellungen zum Irak ergibt, dass jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, gegen Bezahlung beschafft werden kann. Andererseits handelt es sich lediglich um Anzeigen des Vaters, die auf die bloße Behauptung des Vaters hin ausgestellt werden. Ob die angezeigten Umstände auch tatsächlich stattgefunden haben, wird anlässlich der Ausstellung der Anzeige jedoch nicht geprüft. Diese Anzeigen sind daher nicht geeignet, das Vorbringen des Beschwerdeführers ausschließlich auf Grund dieser Anzeigen als wahr festzustellen.
Dass die Angaben des Beschwerdeführers zur Entführung nicht den Tatsachen entsprechen, ergibt sich auch aus den übrigen vom Beschwerdeführer erstatteten Angaben hierzu. Der Beschwerdeführer machte zu den Entführern selbst unterschiedliche Angaben. Zwar gab er vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend an, dass ihn drei Personen entführt hätten, hinsichtlich der näheren Umstände weichen die Angaben jedoch voneinander ab. Vor dem BFA erklärte er, dass "sie" die Waffen auf ihn gerichtet hätten (AS 73). Hingegen behauptete er vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass einer der Personen eine Waffe auf ihn gerichtet hätte. Dass auch die anderen Leute bewaffnet gewesen wären und die Waffen auf ihn gerichtet hätten, behauptete er nicht mehr (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch dies spricht gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer machte auch zu den Ereignissen während seiner siebentägigen Festhaltung durch die Entführer divergierende Angaben. Vor dem BFA meinte der Beschwerdeführer, er sei während der sieben Tage in einem Sarg gelegen, der verschlossen worden sei. Alle zwei bis drei Stunden sei er geöffnet worden und man hätte ihm zu essen gegeben. Auf die Frage, ob er dabei nicht erstickt wäre, wenn der Sarg nur alle zwei bis drei Stunden geöffnet worden sei, meinte er, dass er sich dann wie in Trance befunden habe (AS 73). Dem Beschwerdeführer wurde offenbar die Unglaubhaftigkeit seines eigenen Vorbringens bewusst, denn in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete er nun, dass der Sarg Löcher gehabt habe, damit er atmen könne (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Dies behauptete er vor dem BFA noch nicht, obwohl er – wie oben dargestellt – explizit gefragt wurde, ob er denn nicht erstickt wäre, wäre der Sarg immer verschlossen gewesen. Mit diesem Vorbringen vor dem Bundesverwaltungsgericht ist der Eindruck entstanden, dass der Beschwerdeführer versucht, seine unglaubwürdigen Angaben doch noch als glaubhaft erscheinen zu lassen. Dies ist ihm jedoch angesichts der zahlreichen widersprüchlichen Angaben in seinem gesamten Vorbringen nicht gelungen.
Während der Beschwerdeführer vor dem BFA behauptete, sieben Tage im Sarg gelegen zu sein, gab er vor dem Bundesverwaltungsgericht an, sieben Tage alleine in einem Zimmer und dort eingesperrt gewesen zu sein (AS 73 und Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese unterschiedlichen Angaben sprechen gegen die Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens.
Schließlich erklärte der Beschwerdeführer, dass er nach Zahlung von Lösegeld freigelassen worden sei. Auch hinsichtlich dieses Vorbringens äußerte sich der Beschwerdeführer vor dem BFA anders als in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. In der Einvernahme vor dem BFA gab der Beschwerdeführer nämlich an, dass nach sieben Tagen sein Vater kontaktiert worden sei und sie von ihm Lösegeld verlangt hätten (AS 73). Dagegen behauptete der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass bereits zwei Tage nach der Entführung der Beschwerdeführer seinen Vater habe anrufen müssen und er das Telefon dem Entführer geben habe müssen. Der Entführer habe dann das Lösegeld vom Vater verlangt (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer selbst den Vater habe anrufen müssen, behauptete er vor dem BFA noch nicht.
Dem Beschwerdeführer war es auch nicht möglich, die Männer, die ihn entführt hätten, auch nur annähernd zu beschreiben. Er gab nur an:
"Sie waren uniformiert, sie haben Bart, keinen Schnurrbart, sie hatten einen Vollbart. Sie waren bewaffnet und uniformiert." (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer nicht behauptet hat, dass die Männer vermummt gewesen wären und er sieben Tage mit ihnen verbracht habe, ist es nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, die Männer konkreter zu beschreiben. Es hätte ihm etwa möglich sein müssen, markante Merkmale der Männer zu benennen, jedenfalls aber wären zumindest detaillierte Schilderungen zum Aussehen der Männer möglich gewesen. Da dies dem Beschwerdeführer nicht möglich war, muss davon ausgegangen werden, dass die behauptete Entführung und Anhaltung gar nicht stattgefunden hat, weshalb sich auch die Beschreibung der Männer in den kurzen allgemeinen Schilderungen zum Bartwuchs der Männer erschöpfte.
Der Beschwerdeführer schilderte auch einen Brandanschlag auf das Haus seiner Familie, der sich am 20.03.2015 ereignet hätte. Auch diesbezüglich machte der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht andere Angaben als noch vor dem BFA, weshalb es ihm auch diesbezüglich nicht gelungen ist, sein Vorbringen glaubhaft zu machen. So brachte er vor dem BFA vor, dass um 6 Uhr, als seine Eltern und er noch geschlafen hätten, plötzlich Glasscherben der Fenster zu hören gewesen seien. Ein Kanister sei durch das Fenster geflogen und Benzin sei dabei gewesen. Das Wohnzimmer und die Küche seien angezündet worden, weil diese beiden Zimmer an der Straßenseite gewesen wären. Sie hätten dann die Feuerwehr gerufen, die um 7 Uhr gekommen sei (AS 75). Der Beschwerdeführer legte bezüglich des Brandes Dokumente vor, jedoch können auch diese nicht in Einklang mit seinem Vorbringen gebracht werden. Im Brandbericht (AS 129) ist nämlich zu lesen, dass die Feuerwehr erst um 7.55 Uhr am Einsatzort eingetroffen ist und nicht bereits um 7 Uhr, wie vom Beschwerdeführer behauptet. Weiters findet sich der Eintrag, dass vier Schlafzimmer in Flammen aufgegangen seien. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht änderte der Beschwerdeführer sein Vorbringen und äußerte sich derart, dass dieses nun mehr mit dem Brandbericht übereinstimmt. Er behauptete nämlich nun, dass er nicht mehr genau wisse, ob es 6 Uhr oder 7 Uhr gewesen sei, als es gebrannt habe (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Während im Brandbericht steht, dass vier Zimmer in Flammen aufgegangen seien, behauptete der Beschwerdeführer selbst nur, dass zwei Zimmer (Küche und Wohnzimmer) komplett verbrannt seien und der Rauch den restlichen Zimmern nur geschadet hätte (Seiten 10 und 14 des Verhandlungsprotokolls). Auch der vorgelegte Brandbericht ist nicht geeignet, das Vorbringen des Beschwerdeführers zum Brand glaubhaft zu machen. Auch den Brandbericht legte der Beschwerdeführer nur in Kopie vor, weshalb eine Überprüfung der Echtheit nicht möglich ist.
Schließlich ergaben sich auch Unstimmigkeiten dahingehend, wer die Feuerwehr angerufen hat. Vor dem BFA behauptete der Beschwerdeführer nämlich, "wir riefen die Feuerwehr" (AS 75). Konträr dazu behauptete er in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass die Nachbarn die Feuerwehr verständigt hätten (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls).
Auch zu den Verursachern des Brandes konnte der Beschwerdeführer keine glaubhaften Angaben machen. Vor dem BFA meinte der Beschwerdeführer, dass eine schiitische Miliz hinter dem Brandanschlag stecke. Dies stellte sich aber auf Nachfrage als bloße Vermutung des Beschwerdeführers heraus, die durch nichts belegt ist (AS 75).
Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Fotos belegen allenfalls (sofern es sich bei der darauf abgebildeten Wohnung bzw. den Einrichtungsgegenständen tatsächlich um jene der Familie des Beschwerdeführers handelt), dass es in einer Wohnung gebrannt hat, sie geben aber keinen Hinweis darauf, dass es sich um die Wohnung der Familie des Beschwerdeführers handelt und dass die Brandursache mit dem vom Beschwerdeführer geschilderten Fluchtgrund zusammenhängt bzw. der Brand tatsächlich von den vom Beschwerdeführer angegeben Personen gelegt wurde.
Soweit sich das BFA und der Beschwerdeführer in ihren jeweiligen Stellungnahmen zum konkreten Wohnbezirk des Beschwerdeführers in Bagdad äußern und sich dabei auch auf den Brandbericht beziehen, kommt diesen Ausführungen keine entscheidende Bedeutung zu. Die Angaben zum Brand des Beschwerdeführers waren derart widersprüchlich und von Ungereimtheiten geprägt, dass alleine der konkrete Bezirk, in dem sich der Brand ereignet habe, einerseits – folgt man den Angaben des Beschwerdeführers – nicht die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers herzustellen vermag, andererseits – folgt man den Angaben des Beschwerdeführers – die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers nur verstärkt.
Vor dem BFA behauptete der Beschwerdeführer, dass er sich mit seinen Eltern ab 20.03.2015 – dem Tag des Brandes – bis zu seiner Ausreise am 05.04.2015 bei seiner Tante aufgehalten hätte (AS 75). Dagegen behauptete vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass er und seine Eltern zum Onkel gezogen sei und danach zur Tante (Seiten 10 und 11 des Verhandlungsprotokolls). Auf den Vorhalt seiner widersprüchlichen Angaben versuchte sich der Beschwerdeführer zunächst darauf hinauszureden, dass er in der Einvernahme keine Zeit gehabt hätte, dies anzugeben. Auf den nochmaligen Vorhalt wiederholte er aber nur seine bereits getätigten Angaben, wonach er zehn Tage beim Onkel und dann bei der Tante gewesen sei (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Seine widersprüchlichen Angaben konnte er damit nicht aufklären.
Der Beschwerdeführer gab vor dem BFA auch an, dass es während des Aufenthalts bei seiner Tante zu keinen weiteren Vorfällen gekommen sei (AS 75). In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete er nun, dass sein Vater fünf Tage nach dem Brand einen Anruf einer Miliz bekommen habe, die ihn aufgefordert hätte, auf das Haus zu verzichten. Sein Vater habe das abgelehnt und der Beschwerdeführer schilderte dann den Wortlaut des Gesprächs seines Vaters mit der anderen Person. Demnach hätte die Person gesagt, dass sie den Vater zunächst bedroht, dann den Sohn entführt und dann das Haus in Brand gesetzt hätten (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Dass es ein solches Telefonat gegeben habe, brachte der Beschwerdeführer vor dem BFA nicht vor. Vor dem BFA gab er nur an, dass im folgenden Jahr nach der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Irak der Vater des Beschwerdeführers einen Anruf erhalten hätte, wonach er die Wohnung vergessen solle. Dass anlässlich dieses Telefonats die Drohung, die Entführung und der Brand in einen Zusammenhang gebracht worden seien, hat er vor dem BFA nicht vorgebracht (AS 77). Wenn der Beschwerdeführer – abgesehen von den Unstimmigkeiten zum Inhalt des Telefonats – dennoch dasselbe Gespräch gemeint hat, ergeben sich aber trotzdem in zeitlicher Hinsicht Diskrepanzen. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte er nämlich, dass dies nur fünf Tage nach dem Brand, als der Beschwerdeführer noch im Irak gewesen sei, stattgefunden habe, während er vor dem BFA davon sprach, dass das Telefonat nach der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Irak erfolgt wäre. Dem Beschwerdeführer ist es daher nicht gelungen, dieses Vorbringen glaubhaft zu machen.
Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch an, dass die Miliz von der Familie Geld hätte haben wollen. Diesbezüglich behauptete er zunächst, dass sie "jeden Monat" zu ihnen gekommen seien. Dies relativierte er aber sofort und meinte dann, dass sie "von Zeit zu Zeit" gekommen wären. Dies hätte sich ab Juni 2014 ereignet (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auf Grund des Umstands, dass der Beschwerdeführer dies vor dem BFA noch nicht behauptet hat, muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer damit versucht Beschwerdeführer sein bisheriges Vorbringen aufbauscht, um seine Chancen auf Asylgewährung zu steigern.
Mit seiner Beschwerde legte der Beschwerdeführer weitere Dokumente in Kopie vor. Diese betreffen jedoch ausschließlich den Vater des Beschwerdeführers. Es handelt sich bei den Dokumenten wiederum nur um eine Anzeigebestätigung bzw. eine Aussage des Vaters, wonach das Auto des Vaters beschossen worden sei. Damit ist es jedoch nicht möglich, das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner behaupteten Verfolgung glaubhaft zu machen. Sofern auf den vorgelegten Pass des Vaters des Beschwerdeführers hingewiesen wird, dass der Vater kurz nach diesem Ereignis den Irak Richtung Türkei verlassen habe, ist auch daraus nichts für den Beschwerdeführer zu gewinnen. Die Tatsache der Ausreise besagt nämlich nichts über den Grund hierfür. Zu den Anzeigen selbst wird erneut darauf hingewiesen, dass diese auf eine bloße Behauptung des Vaters hin ausgestellt wurden. Ob die angezeigten Ereignisse auch tatsächlich stattgefunden haben, wird anlässlich der Ausstellung der Anzeige jedoch nicht geprüft. Diese Anzeigen sind daher nicht geeignet, das Vorbringen des Beschwerdeführers auf Grund dieser Anzeigen als wahr anzunehmen. Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass in dem Dokument "Aussage des Klägers" der Vater des Beschwerdeführers angibt, bereits einmal einen Drohzettel und eine Kugel bekommen zu haben und dass danach sein Haus verbrannt worden sei (OZ 6). Dazu ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer weder vor dem BFA noch vor dem Bundesverwaltungsgericht anlässlich der Schilderungen zum erhaltenen Drohbrief nicht erwähnt hat, dass beim Drohbrief auch eine Kugel dabei gewesen wäre.
Aufgrund der Vielzahl und Schwere der aufgetretenen Widersprüche, der teils vagen Angaben sowie der erheblichen Unstimmigkeiten und Unplausibiliäten innerhalb des Vorbringens des Beschwerdeführers, ergibt eine Gesamtschau der zur Glaubhaftmachung asylrelevanter Verfolgung getätigten Ausführungen zweifelsfrei, dass durch die Schilderungen des Beschwerdeführers eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Auch die Erklärungsversuche des Beschwerdeführers nach dem Vorhalt von Widersprüchen, vermochten angesichts der nicht stichhaltigen Erklärungen nicht zu überzeugen.
Die Feststellungen zur Situation im Irak beruhen auf den dort jeweils angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. In seiner Stellungnahme verweist der Beschwerdeführer auf einen Bericht von Amnesty International. Zudem werden vereinzelte Passagen aus den übermittelten Berichten zitiert. Damit wird jedoch den getroffenen Länderfeststellungen in ihrer Gesamtheit nicht substantiiert entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht – unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) –, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).
Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe.
Nach der Rechtsprechung ist in Bürgerkriegssituationen für die Gewährung von internationalem Schutz eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende Gruppenverfolgung erforderlich (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN). In dem Umstand, dass im Heimatland Bürgerkrieg herrscht, liegt für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Konvention. Der Asylwerber müsste in diesem Zusammenhang jedoch behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen (VwGH 26.01.2006, 2005/01/0537 mwN). Derartiges hat der Beschwerdeführer jedoch nicht vorgebracht. Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer eine über die allgemeinen Gefahren der im Irak gebietsweise herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation hinausgehende Gruppenverfolgung droht. Dass im Irak eine generelle und systematische Verfolgung von Muslimen sunnitischer Glaubensrichtung stattfindet, kann aus den länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak nicht abgeleitet werden. Wenn auch eine sunnitenfeindliche Politik im Irak vorherrscht und es in unterschiedlicher Intensität zu Vertreibungen mit dem Ziel einer religiösen Homogenisierung oder von Entführungen kommt, kann noch nicht von einer zielgerichteten und systematischen Verfolgung von Muslimen sunnitischer Glaubensrichtung in einer asylrelevanten Intensität ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat demnach nicht bereits aufgrund seiner sunnitischen Glaubensrichtung eine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten.
Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).
Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. etwa VwGH 14.03.1995, 94/20/0798, 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529, 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zu verneinen wäre.
Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
2. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind zunächst konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein "real risk" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236; VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwH).
Nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofs obliegt es dabei grundsätzlich dem Beschwerdeführer, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (EGMR U 05.09.2013, I. gegen Schweden, Nr. 61204/09; VwGH 18.03.2015, Ra 2015/01/0255; VwGH 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 18.12.2002, Zl. 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86). So führt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller, Beweise zu beschaffen, dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (EGMR U 05.07.2005, Said gegen Niederlande, 5.7.2005).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141).
Unter "real risk" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (grundlegend VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; RV 952 BlgNR XXII. GP 37). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die Feststellung einer Gefahrenlage im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 14.10.1998, 98/01/0122).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 08.06.2000, 99/20/0203; 17.09.2008, 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, 99/20/0203).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137).
Im gegenständlichen Fall ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen die vorgebrachte individuelle Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.
Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.
Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), hat doch der Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.
Im Hinblick auf die Sicherheitslage in Bagdad verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass sich Anschläge ereignen und immer wieder zivile Opfer zu beklagen sind. Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer Opfer von Anschlagskriminalität wird, kann nicht erkannt werden, auch hat er eine solche Angst nicht dargetan. Zusätzlich ist auf die Rückkehrbewegung von Flüchtlingen aus Europa u.a. in den Irak, insbesondere nach Bagdad, hinzuweisen (vgl. auch VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137). Es erscheint daher eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Bagdad im Hinblick auf die dortige Sicherheitslage und die Erreichbarkeit am Luftweg nicht ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation des Beschwerdeführers insgesamt auch zumutbar.
Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei welchem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer verfügt darüber hinaus über fundierte Schulbildung; er hat insgesamt ca. zehn Jahre die Schule besucht und als Buchhalter in der Firma seines Vaters gearbeitet. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein wird, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Auf Grund des Umstands, dass der Beschwerdeführer von seiner Geburt bis zu seiner Ausreise aus dem Irak in Bagdad lebte, ist davon auszugehen, dass er dort über soziale Kontakte verfügt, sodass ihm bei einer Rückkehr eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteilwird. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass zumindest ein Onkel väterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits mit ihren Familien nach wie vor in Bagdad leben. Daher kann davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr auch im Rahmen seines Familienverbandes eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteilwird.
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.
Letztlich ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer den getroffenen Feststellungen und Erwägungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in den Irak nicht substantiiert entgegengetreten ist und in weiterer Folge auch nicht dargelegt hat, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit der Beschwerdeführer durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.
Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 und Nr. 13 verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3. Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der § 8 Abs. 3a oder § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.
Gegenständlich wurde der Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Die Abweisung erfolgte auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 [Ausschluss von subsidiärem Schutz] und ist auch keine Aberkennung [von subsidiärem Schutz] gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen.
Ob eine Rückkehrentscheidung letztlich zulässig ist, bedarf gemäß § 58 Abs. 1 AsylG einer amtswegigen Prüfung ob nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG vorliegen:
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Es liegen keine Umstände vor, dass dem Beschwerdeführer allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Da sich der Beschwerdeführer nach Abschluss des Verfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG [Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung] fällt und ihm auch amtswegig kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG zu erteilen war, ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG [Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Fremde] zu verbinden.
Demzufolge hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs. 1 FPG [Rückkehrentscheidung] gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).
Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak und somit kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Ein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegt hier nicht vor. Daher war gegenständlich gemäß § 52 Abs. 2 FPG grundsätzlich eine Rückkehrentscheidung vorgesehen.
Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung jedoch nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens käme:
§ 9 BFA-VG lautet:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen ist Österreich und er führt auch keine Lebensgemeinschaft. Ein schützenswertes Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet im oben dargestellten Sinn liegt daher nicht vor.
Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [ ] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).
Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).
Eine besonders fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers während seines nur auf das Asylgesetz gestützten Aufenthaltes im Bundesgebiet kann nicht erkannt werden: Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit Mai 2015, somit erst knapp zweieinhalb Jahre, beruht auf einem Antrag auf internationalen Schutz, der sich als nicht berechtigt erwiesen hat und ist auch noch zu kurz, um seinem Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet ein relevantes Gewicht zu verleihen. Es sind zudem keine besonderen zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden integrativen Schritte erkennbar. Der Beschwerdeführer besuchte einen eintägigen Werte- und Orientierungskurs, er ist für einen Deutschkurs (Niveau A1) angemeldet, besitzt einen österreichischen Führerschein und hat österreichische Freunde. Der Beschwerdeführer ist nicht erwerbstätig. Der in Wien lebende Beschwerdeführer verfügt über eine Einstellungszusage eines im Mittelburgenland angesiedelten Raumausstatters, aus der jedoch nicht hervorgeht, für welche Tätigkeit der Beschwerdeführer angestellt werden soll. Anderweitige, über normale soziale Kontakte hinausgehende Integrationsaspekte waren nicht festzustellen.
Insbesondere vor dem Hintergrund der erst relativ kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet im Rahmen der vorübergehenden Grundversorgung des Bundes unterstützt wird, kann von einer verfestigten und gelungenen Eingliederung des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft nicht ausgegangen werden. Hingegen hat der Beschwerdeführer den Großteil seines bisherigen Lebens im Irak verbracht, ist dort aufgewachsen und hat dort seine Sozialisation erfahren. Er spricht die Mehrheitssprache seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Es ist daher nicht erkennbar, inwiefern sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte. Daher ist im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung des Beschwerdeführers zum Irak auszugehen.
Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers stellt der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420).
Der Beschwerdeführer vermochte zum Entscheidungszeitpunkt daher keine entscheidungserheblichen integrativen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet darzutun, welche zu einem Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat führen könnten.
Aufgrund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens wiegt in diesem Fall schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.
Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 zu erlassen.
Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wider den Beschwerdeführer keine gesetzlich normierten Hindernisse entgegenstehen.
Schließlich sind im Hinblick auf §§ 52 Abs. 9 iVm 50 FPG und die dazu oben getroffenen länderkundlichen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak unzulässig wäre.
Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich zwingend aus § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Die eingeräumte Frist ist angemessen und es wurde diesbezüglich auch in der Beschwerdeschrift kein Vorbringen erstattet.
Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Bestimmungen des AsylG sowie des FPG.
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