BVwG L504 2110109-1

BVwGL504 2110109-14.2.2016

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:L504.2110109.1.00

 

Spruch:

L504 2110109-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 22.06.2015, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.01.2016 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 BGBl. I 100/2005 idgF

als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang und Sachverhalt

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) ist ein Staatsangehöriger des Irak und brachte nach rechtswidriger Einreise in das Gebiet der Schengen-Mitgliedstaaten und in weiterer Folge nach Österreich, am 29.01.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA bzw. Bundesamt) einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Im Zuge zweier niederschriftlicher Einvernahmen brachte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen vor, dass sie aus dem Dorf XXXX stamme. Sie habe dort mit ihrer Mutter, den vier Brüdern und 5 Schwestern gelebt. Nun würden diese in XXXX verteilt leben. Das erste Mal habe sie im Dezember 2014 an die Ausreise gedacht. Sie sei letztlich im Jänner 2015 ausgereist, weil es dort Auseinandersetzungen zwischen den Milizen und den terroristischen Gruppierungen gebe. Sie selbst habe mit diesen nie zu tun gehabt. Die Gegend sei sehr gefährlich, dort herrsche zwischen den Gruppen Bürgerkrieg. Sie persönlich habe nie Probleme gehabt wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion. Es habe keine Übergriffe gegen ihre Person gegeben, man höre aber die Schüsse. Sie habe Angst um ihr Leben.

Die Einvernahme und die Befragung zu den Fluchtgründen gestaltete sich im verwaltungsbehördlichen Verfahren wie folgt (Auszug):

Erstbefragung vom 29.01.2015

[...]

Warum haben Sie Ihr Land verlassen (Fluchtgrund)?

Vor ca. 1 Monat begannen die IS Angriffe auf unser Gebiet. Aus Angst um mein Leben beschloss ich zu fliehen.

[...]

Einvernahme beim Bundesamt am 08.06.2015:

[...]

LA: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?

VP: Ja.

LA: Wie stellt sich Ihr aktueller Gesundheitszustand dar? Nehmen Sie Drogen oder Drogenersatzstoffe?

VP: Ich bin gesund. Nein. LA: Stimmen die Angaben, die Sie bisher im Verfahren getätigt haben?

VP: Ja, stimmt alles.

[...]

LA: Wo und mit wem haben Sie zusammen gewohnt im Irak?

VP: Ich habe in Al Khales, Diala, XXXX, mit meiner Mutter, meinen 4 Brüdern und 5 Schwestern gelebt.

LA: Wo leben Ihre Angehörigen jetzt?

VP: Sie sind jetzt von XXXX nach Diala übersiedelt.

[...]

LA: Wie lebten Sie dort bzw wie leben Ihre Angehörigen dort? Gibt es ein eigenes Haus, Grundstücke, eine Landwirtschaft?

VP: Meine Schwester XXXX lebt meiner Mutter in XXXXim Elternhaus, meine Geschwister sind verteilt in Diala.

[...]

LA: Wieso ist Ihre restliche Familie im Irak geblieben?

VP: Meine Geschwister sind alle verheiratet, haben eine eigene Familie und Kinder und es ist nicht einfach, dass sie ins Ausland gehen. Ich bin ledig und alleinstehend, für mich war es einfach auszureisen.

[...]

LA: Halten Sie Ihre Fluchtgründe seit der Erstbefragung aufrecht? Hat sich seit der Erstbefragung zu Ihrem Fluchtgrund etwas geändert?

VP: Ja. Unverändert.

LA: Bitte sagen Sie, weshalb Sie den Irak verlassen haben?

VP: Angst um mein Leben.

LA: Bitte ein bisschen konkreter.

VP: Es gibt verschiedene terroristische Gruppierungen und verschiedene Milizen.

LA: Was haben Sie persönlich erlebt mit den Gruppierungen bzw. den Milizen?

VP: Wo ich gelebt habe, in Asuad, das ist ein Ort direkt auf der Hauptstraße und von der anderen Seite sind Felder. Die Milizen kommen von der Hauptstraße und die terroristischen Gruppierungen von der Feldseite. Und unsere Umgebung war immer sehr "heiß".

LA: Fanden jemals Übergriffe gegen Ihre Person statt?

VP: Nein. Aber man hört die Schüsse und man hört auch von den vielen Toten.

LA: Wie sieht die Lage in Diala, in dem Ort wo alle Ihre Geschwister mit Familie leben, aus?

VP: Diala ist sehr bekannt, es ist gefährlich. Dort herrscht ein Bürgerkrieg zwischen den Milizen und den terroristischen Gruppierungen.

LA: Wie nennen sich diese terroristischen Gruppierungen?

VP: Sie bringen die Leute um und nennen nicht ihren Namen. Oft wurde unser Haus getroffen von den Schüssen.

LA: Wenn Ihre Geschwister mit Ihren Familien in Diala leben können, warum können Sie das nicht auch?

VP: Ich konnte ausreisen für meine Geschwister und meine Mutter. Es ist sehr schwer.

LA: Hatten Sie mit den terroristischen Gruppierungen oder mit den IS Leuten jemals zu tun?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie mit der Regierung jemals zu tun?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie konkret von der IS bedroht? Wie sahen diese Bedrohungen aus?

VP: Nein. Aber man ist immer in Gefahr.

LA: Warum lebt Ihre Mutter und eine Ihre Schwester noch im Haus in XXXX?

VP: Meine Mutter ist schwerkrank und kann nicht mehr gehen.

[...]

LA: Sind Sie vorbestraft im Herkunftsland oder in einem anderen Land?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie persönliche Probleme mit staatlichen Behörden, Gerichten oder der Polizei in Ihrem Heimatland?

VP: Nein.

LA: Waren Sie jemals politisch tätig?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie Probleme aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie Probleme aufgrund Ihrer Religion?

VP: Nein.

LA: Sie sind nach wie vor gläubiger Moslem?

VP: Ich bin Moslem, aber nicht gläubig. Nachgefragt, ich bete nicht.

[...]

LA: Was befürchten Sie im Falle einer Rückkehr in den Irak?

VP: Ich habe Angst getötet zu werden.

[...]

LA: Sind Sie das erste Mal im Ausland?

VP: Ich bin 2007 für ein Monat nach Syrien gereist.

[...]

LA: Welchen Beruf haben Sie erlernt und wovon bestritten Sie Ihren Lebensunterhalt im Heimatland?

VP: Ich bin Bauer.

LA: Haben Sie Grundstücke?

VP: Ja wir haben eine kleine Farm. Nachgefragt, in XXXX.

LA: Wovon bestreiten Ihre Angehörigen im Irak den Lebensunterhalt?

VP: Mein Vater war Pensionist und ich habe auch einen Bruder, der schon Pensionist ist. Mein jüngerer Bruder verrichtet Gelegenheitsarbeiten.

LA: Den Alltag im Irak konnten Sie und die Familie soweit ohne weitere Probleme bestreiten?

VP: Ja, es ist gegangen.

LA: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie?

VP: Vor ca 25 Tagen hatte ich Kontakt zu meiner Mutter, per Telefon.

LA: War Österreich Ihr Zielland?

VP: Ja.

LA: Warum?

VP: Ich habe gehört, sie geben den Fremden ein Aufenthaltsrecht.

LA: Sind Sie arbeitsfähig? Welche Arbeiten können Sie verrichten?

VP: Ja. Ich bin Bauer und kann immer auf den Feldern arbeiten. Auch im Garten. Ich habe auch eine gute Beziehung zu Tieren.

[...]

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

VP: Ja.

LA: Wollen Sie noch etwas hinzufügen?

AW: Ich möchte das nochmals sagen, wo ich gelebt habe, ist es ein sehr heißer Platz und sehr gefährlich.

Vorhalt:

Die Entscheidung wird unter anderem unter Heranziehung der landeskundlichen Feststellungen zum Irak begründet. Das Bundesamt kann sich aufgrund Ihrer bisherigen Angaben in Verbindung mit den notorisch bekannten Allgemeinverhältnissen im Irak bereits zum jetzigen Zeitpunkt ein für eine Entscheidungsfindung ausreichendes Bild Ihrer Situation verschaffen und es kann daher Ihre Einvernahme beendet werden. Es steht Ihnen jedoch frei von sich aus noch weitere Angaben zu machen, die für sie wichtig sind und die sie uns jetzt erzählen wollen!

VP: Ich bin nicht so fähig euch eine Meinung über solche Sachen zu geben. Ich habe keine Information.

Befragt gebe ich an, dass ich die landeskundlichen Feststellungen nicht ausgehändigt bekommen möchte, da ich weiß, wie es in meinem Heimatland zugeht.

LA: Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.

VP: Ok.

Anm: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Fragen bzw. Einwendungen vorzubringen?

VP: Nein.

Anm: Die Ergänzung wird rückübersetzt. Der VP wird eine Kopie der Niederschrift ausgefolgt.

LA: Bestätigen Sie nunmehr durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der

Niederschrift und die Rückübersetzung!

[...]

Mit "Stellungnahme zu den Länderfeststellungen [vom 20.06.2014]" vom 16.06.2015 brachte die bP mit Unterstützung des Verein Menschenrechte, auch eine Ergänzung ein. Dabei wurde vorgebracht, dass die Feststellungen zur Lage im Irak im Großen und Ganzen auch ihren persönlichen Erfahrungen entsprechen würden.

Weiters wolle sie ihre Angaben, die sie bei der Einvernahme vor dem Bundesamt gemacht habe, ergänzen. Sie sei aufgrund der langen Einvernahme sehr müde und verwirrt gewesen und habe deshalb im Moment an manche Details nicht mehr gedacht. Im Jahr 2007 sei sie von Unbekannten in die XXXX angegriffen worden. Sie hätten versucht ihn zu töten und hätten ihm in den Bauch geschossen. Zwei ihrer Cousins seien in Diyalla getötet worden. Einer sei am XXXX05.2014 erschossen und der andere am XXXX03.2015 bei einer Explosion ums Leben gekommen. Als Nachweis lege sie die Sterbeurkunden bei. Außerdem wolle sie Vorbringen, dass sie bemüht sei sich zu integrieren, sie habe an einer Müllsammlung teilgenommen und habe am 04.06.2015 bei der Integrationsfußball-WM für das Team aus dem Irak mitgespielt.

2. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid des BFA gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.).

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt (Spruchpunkt II.) und die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG bis zum 22.06.2016 erteilt (Spruchpunkt III.).

3. Das Bundesamt stellte dabei unter Zugrundelegung des Vorbringens der bP zu ihrer Situation im Falle einer Rückkehr fest:

"Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in ihrem Heimatstaat Irak eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre, oder eine derartige humanitäre Katastrophe darstellt, dass das Überleben vom Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlichen Frage gestellt wäre.

Zur Lage im Herkunftsstaat führte das Bundesamt feststellend aus, dass "die allgemein schwierige Gesamtlage in ihrem Herkunftsstaat Irak keine ausschließlich sie treffende Auswirkungen auf ihre Person hat."

Die bP sei keine vulnerable Person und auf Grund ihrer individuellen Situation sei eine Rückkehr in den Irak zumutbar.

Wie die landeskundlichen Feststellungen jedoch zeigen würden, seien weite Teile des Landes aber von "allgemein instabilen Sicherheitsverhältnissen" betroffen, "der Umzug in weitestgehend sichere Landesteile sei von zahlreichen Unabwägbarkeiten wirtschaftlicher, soziologischer und gesellschaftlicher Natur gekennzeichnet".

Die bP habe - aus im Bescheid näher dargelegten Gründen - nicht glaubhaft machen können, dass sie in den Blickpunkt der von ihr genannten Gruppierungen geraten sei. Dass ihre Familienangehörigen in der Region verblieben sei, stütze diese Erkenntnis.

Die amtswegig beigeschafften landeskundlichen Feststellungen würden jedoch sehr deutlich zeigen, dass der Irak von allgemein unsicheren Lebensverhältnissen gekennzeichnet sei, die alle dort lebenden Menschen in gleicher Weise treffe. Es könne daher gegenwärtig nicht hinreichend sicher garantiert werden, dass die bP in ihren Grundrechten ausreichend geschützt sei.

Letztlich resümierte das Bundesamt in der rechtlichen Beurteilung des Bescheides vom 22.06.2015, dass eine glaubhafte asylrelevante Verfolgung nicht vorliege (Spruchpunkt I).

Auf Grund der Länderfeststellung vom 20.06.2014, sei die bP - entgegen vorheriger gegenteiliger Feststellung des Bundesamtes [!] - im Falle der Rückkehr einer realen Gefahr der Verletzung von Art 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt, weshalb ihr der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen sei (Spruchpunkt III.)

4. Durch das BFA wurde der bP per Verfahrensanordnung für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt und dahin gehend auch manuduziert.

5. Innerhalb offener Frist wurde mit Unterstützung des Verein Menschenrechte gegen Spruchpunkt I. Beschwerde erhoben. Es solle dem Antrag auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten stattgegeben werden. Dieser Spruchpunkt werde wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes angefochten. Des weiteren werde eine mündliche Verhandlung beantragt, um die Fluchtgründe noch einmal persönlich und unmittelbar schildern zu können. In der ersten Einvernahme habe der Dolmetscher seinen irakischen Dialekt nicht verstanden und die bP habe das Interview nicht mehr nachgelesen. Nachher sei sie draufgekommen, dass darin nicht alles stünde was sie gesagt habe. Der Bescheid habe bei der bP Frustration und psychischen Stress verursacht. Das Bundesverwaltungsgericht solle die Asylsache noch einmal anschauen. Die IS und die Milizen würden die Leute mit Zwang vertreiben und Menschen aufgrund der Religionsausrichtung töten. Die bP habe in der Einvernahme auch gesagt, dass sie ihn in jedem Fall auch töten würden, ihr Name sei auf der Mauer des Hauses gestanden und dort sei angekündigt, dass sie die nächste sei die getötet werde.

5. Am 27.01.2016 führte das BVwG eine Verhandlung durch, zu der die bP in Begleitung der Rechtsberaterin erschien. Das BFA blieb der Verhandlung entschuldigt fern. Mit der Ladung wurde die beschwerdeführende Partei auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert insbesondere ihre persönlichen Fluchtgründe und sonstigen Rückkehrbefürchtungen durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine demonstrative Aufzählung von grds. als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.

Zugleich mit der Ladung wurden der beschwerdeführenden Partei ergänzend Berichte zur aktuellen Lage im Irak übermittelt, welche das Verwaltungsgericht in die Entscheidung miteinbezieht. Eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen wurde dazu eingeräumt.

Eine solche schriftliche Stellungnahme wurde abgegeben:

Im Großen und Ganzen würde die Sicherheitslage und Situation im Irak, wie sie in den übermittelten Feststellungen dargelegt werde, ihren persönlichen Erfahrungen entsprechen. Sie wolle im Folgenden auf ihre Erlebnisse und sämtliche Angriffe auf ihre Familie eingehen, die sich für den Frieden entschieden habe und daher "sowohl von der IS als auch von den Milizen angegriffen, bedroht, ermordet bzw. eingeengt und benachteiligt würden".

Ende 2005/Anfang 2006 sei die bP auf dem Weg in die Stadt bei einem schiitischen Stützpunkt angehalten und kontrolliert worden. Durch ihren Personalausweis sei aufgrund ihrer Herkunft festgestellt worden, dass sie dem sunnitischen Glauben angehöre und sei daher aufgefordert worden das Auto zu verlassen. Sie habe um ihr Leben gefürchtet und sei nicht freiwillig ausgestiegen. Sie sei daraufhin angeschossen, aus dem Auto gezerrt und geschlagen worden. Sie sei ohnmächtig geworden und sei im Spital aufgewacht.

Im Jahr 2007 sei ihr Vater schwer krank gewesen und hätte ins Spital müssen. Ihnen sei die Aufnahme ins Spital nicht ermöglicht worden, da sie dem sunnitischen Glauben angehörten und das Spital den Schiiten gehört habe. Da ihr Vater keinen ärztlichen Beistand erhalten konnte, sei er am XXXX2007 verstorben. Zu diesem tragischen Ereignis sei sie dann auch von der IS aufgefordert worden keine dreitägige Trauerfeier abzuhalten. Da Rauchen in einer Trauerfeier üblich sei und dies mit den IS Anschauungen nicht übereingestimmt habe, seien vier Männer zu ihrer Familie gekommen und hätten ihnen mitgeteilt, dass sie keine Trauerfeier machen dürften. Die Familie habe sich entschieden trotz der Bedrohung, dem Respekt des Verstorbenen gegenüber, die Trauerfeier doch abzuhalten und signalisierte damit der IS, dass sie ihrer Werte nicht folgen und dass sie damit gegen die IS seien. Seit dem sei die Familie, die eine Großfamilie in der Ortschaft darstelle, oft angegriffen und fast jedes Jahr sei jemand durch die IS ermordet worden. Konkret seien am XXXX09.2007 2 Familienangehörige, am XXXX06.2008 ihr Cousin, am XXXX06.2009 ein Cousin, der mit ihrer Schwester verheiratet sei, am XXXX05.2014 ein Cousin, am XXXX06.2015 ein Cousin von der IS ermordet worden. Hierzu habe sie auch später Fotos erhalten, worauf die IS auf der Wand mit dem Blut geschrieben habe, dass die bP nun die nächste sei.

Weiters sei die Familie auch von den Schiiten nicht in Ruhe gelassen worden. Am XXXX11.2015 hätten Schiiten versucht ihren Cousin umzubringen. Es sei ihnen nicht gelungen und durch den Schock und der Tatsache, dass er alt und gebrechlich sei, habe er ins Krankenhaus müssen und sei auf dem Weg ins Spital verstorben. Ihr Onkel, der an der Trauerfeier vom XXXX11.2015 teilgenommen habe, sei am XXXX11.2015 von den Schiiten entführt worden. Dadurch wolle diese ihre Stärke und Macht zeigen und sie greifen jeden an, den sie auf von ihnen besetzt und kontrollierten Gebieten antreffen.

Die bP wolle dazu Vorbringen, dass sie um ihr Leben fürchte, dass sie im Falle ihrer Rückkehr tatsächlich in Gefahr sei. Daher lege sie dem Gericht ein Foto vor, worauf in arabischer Schrift stehe, dass sie die nächste sei. Am XXXX06.2015 sei ihr Cousin ermordet und mit ihrem Blut geschrieben worden, dass die bP die nächste sei. Der ermordete Muaz habe immer zur Familie gehalten und habe die bP auch bei der Ausreise finanziell unterstützt. Als die bP in Österreich war, habe sie dieser regelmäßig angerufen und ihr ermöglicht mit ihrer Mutter in Kontakt zu bleiben. Die Unterstützung der bP habe der IS nicht gefallen und sei XXXX mit dem Tod bestraft worden. Dies als Zeichen dafür, dass IS gegen ihre Familie sei, da sie sich nie der IS angeschlossen hätten. Es sei eine friedliche Familie, die sich oft gegen das Töten ausgesprochen habe. Sie seien dann sowohl von der IS als auch von den Schiiten oft gezielt angegriffen und ermordet worden.

In der Beschwerdeverhandlung brachte die bP im Wesentlichen Folgendes vor (Auszug):

[...]

RI: Konnten Sie bisher im Asylverfahren alles vorbringen was Ihnen wichtig erscheint?

P: Ich möchte erwähnen, dass ich bei der ersten EV sehr müde und verwirrt war und ich nicht immer klare Angaben machen konnte. Österreich war mein Zielland. Ich habe viel von Österreich gehört. Ich konnte bisher alles vorbringen.

Ich habe noch Details die ich ergänzen will, diese betreffen meine Großfamilie - XXXX. Im Jahr 2005, zwischen Ende 2005 und 2006 bekam ich Probleme. Ich wohnte in der Ortschaft in Khales,XXXX, Diala. In XXXX wohnen Sunniten und Khales wohnen Shiiten. Es gab Kämpfe zwischen den beiden. Ich wurde von einer shiitischen Straßenkontrolle angehalten und auf Grund meines Ausweises wussten sie, dass ich von XXXX stamme und Sunnit bin. Da ich mich weigerte aus dem Auto auszusteigen, haben sie auf mich geschossen und mich auf meiner linken Bauchseite erwischt. (P zeigt Narben). Ich habe auch medizinische Berichte von einem österreichischen Arzt. [P legt diesen vor]. Ich habe das Bewusstsein verloren. Später erfuhr ich, dass mich die Amerikaner in das Spital von Bakuba namens XXXX eingeliefert haben. Ich kehrte aus dem Spital nach Hause zurück nachdem ich operiert wurde. Ich versteckte mich in meinem Dorf. Die Kämpfe zwischen den beiden dauerten an. Im Jahr 2007, am 17. XXXX wurde mein alter Vater krank , konnte ich meinen Vater nicht ins Spital bringen, weil wir Angst hatten von den Shiiten getötet zu werden, deshalb ist er gestorben. In den drei Tagen Trauerzeremonie kamen vier Personen zu uns - Terroristen - wir kannten sie nicht. Zwei blieben im Auto und zwei haben unser Haus betreten. Sie sagten, diese Trauerzeremonie muss abgebrochen werden, die Gäste dürfen kein Essen und Trinken bekommen. Alle meine Cousins aus unserem "XXXX"-Stamm waren anwesend. Diese haben sich gegen sie gestellt und sagten, dass diese Trauer aus Respekt gegenüber dem Toten nicht abgebrochen wird. Es ist zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen und die 2 Männer sind weggegangen. Nach ca. 4 Monaten fingen sie an, meine Cousins, die bei der Trauer anwesend waren, einen nach dem anderen umzubringen. Am XXXX09.2007 haben sie meine zwei Cousins XXXX und XXXX XXXX, getötet. Sie sind bei lebendigem Leib durch eine Autobombe in ihrem PKW verbrannt worden. Wir konnten sie die ganze Nacht nicht befreien, weil sie im Auto eingeklemmt waren. Am XXXX06.2008 wurde mein CousinXXXX entführt. Nach einer Woche, fanden wir seinen Leichnam auf der Straße mit zwei Schüssen im Kopf. Am 1XXXX06.2009 wurde mein Cousin der gleichzeitig mein Schwager war, XXXX durch mehrere Schüsse getötet. Am XXXX05.2014 wurde mein Cousin XXXX im unserem Dorf XXXX sowie alle andere durch mehrere Schüsse getötet. Am XXXX06.2015 wurde mein Cousin XXXX, mit 20 Schüssen hingerichtet. Seine Sterbeurkunde liegt dem Akt bei. Das ist der Mann den ich erwähnt habe, als ich sagte mein Cousin der mir Geld für die Flucht gab. Er hat meine Mutter in meiner Abwesenheit unterstützt und meine kleine Farm bewirtschaftet. Nachdem sie ihn erschossen haben, schrieben sie auf die Wand "Den XXXX haben wir getötet und du bist der Nächste". Ich glaube, dass er für seine Unterstützung mir gegenüber mit seinem Leben bezahlte. Am XXXX11.2015 ist XXXX, der Bruder von dem getöteten XXXX, dieser ist ca. 60 Jahre alt und wohnt an der Straße zu dem shiitischen Teil, er wurde von den Shiiten zu Hause überfallen. Sie versuchten ihn zu erschießen. Die Waffe hat nicht mitgespielt, danach haben sie ihn geschlagen und er ist an einem Herzinfarkt ums Leben gekommen. Sie sagten ihm, du bist ein Sunnit, verdienst den Tod weil du unsere Brüder getötet hast. Die Nachbarn brachten ihn mit dem PKW ins Spital, unterwegs ist er verstorben. Bei der Trauerzeremonie von XXXX, war übriggebliebener Onkel XXXX anwesend. Als er nach Hause ging ist er verschwunden und am XXXX11.2015 erhielt seine Tochter einen Anruf von der Miliz "Asaib Al Hak" und sagten "Dein Vater ist bei uns". Seit dem Zeitpunkt wissen wir nichts mehr über ihn. Sein Foto habe ich dem Akt beigelegt.

Diese Ereignisse haben mich psychisch belastet. Ich habe dadurch Gedächtnisprobleme bekommen und befinde mich in psychologischer Betreuung und ich kann nicht mehr schlafen.

Die shiitischen Milizen haben am 12.01.2016 und bis heute wieder viele Sunniten in Diala getötet. Dies liegt schriftlich vor und das irakische Parlament hat das auch bestätigt, deswegen wurde die UNO gebeten am Ort Ermittlungen einzuleiten [P legt Schreiben vor]. Sie haben 10 Sunnitische Moscheen in die Luft gesprengt und fast 100 Männer geschlachtet. Die Sunniten haben die Hilfe der UNO-Kräfte beantragt, weil die Shiiten jeden Sunniten schlachten, nachdem sie bei einer Straßenkontrolle seinen Ausweis gesehen haben.

Es ist schlimm und wird nicht besser - ich finde keine Ruhe. Seit 10 Tagen ist es sehr schlimm und ich weiß nicht, was meiner Familie bevorsteht.

Ich möchte etwas zu Diala sagen, weil sie mir Unterlagen zum Nordirak geschickt haben. Diala grenzt an Bagdad, Salahedin und an das kurdische Gebiet Khanikin. 70 % der Bewohner von Diala sind Sunniten, 30 % aufgeteilt unter Kurden und Shiiten. Seit dem Sturz der irakischen Regierung im Jahr 2003 ist die Stadt Diala nicht zur Ruhe gekommen. Die Sunniten haben alle Rechte und die Kontrolle über ihre Stadt verloren und die Shiiten regieren alles. Somit haben die shiitischen Milizen freie Hand zu töten und keiner kann sie aufhalten. Unser Stamm hatte nie Probleme, der Auslöser war der Streit während der Todeszeremonie. Jetzt wollen sie alle Männer umbringen, die dort aus unserem Stamm anwesend waren. Damals betrachtete ich diese Vorfälle als Teil der Vergangenheit deshalb habe ich sie nicht erwähnte, als aber das ganze heuer wieder angefangen hat wusste ich, dass die Vergangenheit wieder da ist. Deshalb bitte ich das Gericht diese Vorfälle die mich und meine Familie betreffen in der Entscheidung zu berücksichtigen. [Ende freier Rede]

RI: In welchem Bezirk haben Sie gelebt?

P: Diala, Khales ist die Stadt, XXXX ist das Dorf.

RI: Sie reisten über Bagdad aus. Wie kamen Sie von ihrem Dorf nach Bagdad?

P: Ich musste 12 Kilometer zu Fuß flüchten, bis zu der Hauptstraße die nach Bagdad führt. Ich bin per Autoanhalter nach Bagdad gefahren.

RI: Haben Sie seit Ihrer Ausreise Kontakt mit Familienangehörigen? Wann zuletzt? Auf welche Art und Weise kommunizieren Sie?

P: Ich konnte einmal mit meiner Mutter sprechen, weil mir der CousinXXXX das ermöglichte. Ich konnte zwei bis drei Mal mit meiner Schwester die in Bagdad lebt telefonieren. Nach der Entführung von meinem Onkel XXXX hatte ich zum letzten Mal Kontakt, das war ca. am 10.11. 2015.

RI: Wie sind die Beweismittel in Ihren Besitz gelangt?

P: Ich hatte etwas auf meinem Handy gespeichert - jetzt auch noch - und einen Teil schickte mir meine Schwester aus Bagdad. Meine Schwester ist mit einem Sunniten verheiratet. Ihr Mann ist dort geschützt, weil sein Onkel mütterls. Shiiten sind und ihm Schutz geben. Er ist bei denen groß geworden.

RI: Wo lebt ihre Mutter und der Cousin mit den Sie Kontakt hatten.

P. Mein Cousin XXXX ist tot. Meine Mutter ist 75 Jahre alt und krank und wohnt in dem Haus in unserem Dorf in XXXX mit meiner Schwester. Alle meine Schwestern sind verheiratet und haben Familie mit Kindern und sind ihren Männern - welche Sunniten sind- in die verschiedenen Orte von Diala gefolgt, wohnen nicht mehr im Dorf. Meine Schwager sind gleichzeitig meine Cousins, sie leben bei meinen Schwestern.

Übersetzung des Schriftzuges auf der Wand:

"Wir haben den XXXX getötet und du bist nach ihm XXXX".

RI: Wer hat diesen Schriftzug auf der Wand fotografiert?

P: Meine Schwester in Bagdad hat es mir geschickt, sie ist im Kontakt mit meiner zweiten Schwester im Dorf. Frauen können sich unbeschwert bewegen und werden nicht kontrolliert und müssen sich ausweisen.

[...]

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei

Die Identität, Staatsangehörigkeit und Herkunft steht fest; sie lebte im Dorf XXXX, Bezirk Al Chalis, Provinz Diyala. In Diyala leben auch noch andere Familienangehörige bzw. Verwandte. Eine Schwester lebt in Bagdad mit ihrem sunnitischen Ehegatten.

Die bP ist sunnitischer Moslem; sie bezeichnet sich als nicht gläubig und betet auch nicht.

Sie arbeitete im Irak als Landwirt.

Die bP verließ im Jänner 2015 den Irak von Bagdad aus.

1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates

Es ist glaubhaft, dass die bP den Irak wegen der schlechten allgemeinen Lage verließ. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie die Herkunftsregion auf Grund der Todesfälle vereinzelter "Cousins" verließ oder in diesem Zusammenhang im Falle einer Rückkehr einer entscheidungsrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre. Es ist nicht glaubhaft, dass die bP derart exponiert ist, dass sie im Besonderen, quasi landesweit, in der Blickpunkt der IS oder schiitischer Milizen geriet.

2.1. Die Lage im Herkunftsstaat Irak

Situation im Herkunftsbezirk Diyala

Berichten zufolge haben schiitische Milizen die sunnitischen Bewohner von Meqhdadiya, Privinz Diyala, aufgefordert, die Stadt sofort zu verlassen, andernfalls würden sie getötet werden. Seitens schiitischer Milizen wurden in den Bezirken Orubeh und al Asri, der Stadt Meqhdadiya mehr als 90 junge Menschen hingerichtet. Sunnitische Moscheen wurden in Brand gesetzt.

(Irak: Massaker an Sunniten und ihre Vertreibung durch iranische Milizen in Diyala, besonders in Meqhdadiya, veröffentlicht am 15.01.2016,

http://www.ncr-iran.org/de/news/human-rights/7957-irak-massaker-an-sunniten-und-ihre-vertreibung-durch-iranische-milizen-in-diyala-besonders-in-meqhdadiya.html )

Situation in Bagdad

Seit dem Vormarsch von ISIS und der damit einhergehenden verschlechterten Sicherheitslage in Irak im Jahre 2014 haben sich die konfessionellen und ethnischen Spannungen in ganz Irak erhöht und hat die Homogenisierung zugenommen, auch in Bagdad. Vor allem für Sunniten und Schiiten ist es sehr wichtig, dass sie sich in einem Gebiet/Viertel ihrer eigenen religiösen Strömung niederlassen. In der Regel fliehen Vertriebene nicht in ein willkürliches Gebiet, sondern sie wählen einen Ort aus, wo sie eine tribale, religiöse, ethnische oder politische Verbindung haben. Im Irak, inklusive der KAR, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Vertriebene von staatlicher Hilfe oder humanitärer Hilfe abhängig werden, wenn sie keine Verbindungen in dem Gebiet haben.

(Offizieller Bericht zur Sicherheitslage im Irak des niederländischen Ministeriums f. Ausländerangelegenheiten, April 2015, u. die dort zitierten Quellen)

Der Zutritt kann davon abhängen, ob man einen Bürgen hat, was unter anderem für die KAR, aber auch für Provinzen in Zentral- und Süd-Irak, wie Bagdad und Quadissya, gilt.

(Offizieller Bericht zur Sicherheitslage im Irak des niederländischen Ministeriums f. Ausländerangelegenheiten, April 2015, u. die dort zitierten Quellen)

Berichten zu Folge gehen aktuelle Anschläge in Bagdad in erster Linie von der terroristischen Gruppierung IS aus und richten sich im Wesentlichen gegen Schiiten oder Sicherheitskräfte. So wird im Jänner 2016 über die Explosion einer Autobombe und anschließende Gefechte nahe einem Einkaufzentrum mit zahlreichen Toten und Verletzten im schiitischen Osten berichtet.

(http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/geiselnahme-und-tote-in-einkaufszentrum-in-bagdad-14008764.html )

Am 13.11.15 wurden bei einem Selbstmordanschlag in Bagdad mindestens 18 Menschen getötet und weitere 41 verletzt. Bei der Beerdigung eines schiitischen Kämpfers im Südwesten der Hauptstadt hat der Täter einen Sprengstoffgürtel gezündet.

(http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1453881679_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-16-11-2015-deutsch.pdf )

Selbstmordanschlag bei schiitischer Prozession im Norden von Bagdad.

( http://news.trust.org/item/20151026123425-usojj/ , 25.10.2015)

IS Selbstmordattentäter tötete 8 Personen in der Nähe einer schiitischen Moschee, 12.09.2015.

(http://reliefweb.int/report/iraq/suicide-bomber-kills-eight-near-baghdad-shiite-mosque )

IOM Iraq Displacement Tracking Matrix (DTM) geht im Bericht vom 18.12.2015 davon aus, dass im Irak im Zeitraum vom 01.01.2014 bis 03.12.2015 rd. 3,2 Millionen IDP registriert wurden. Bagdad beherbergt die größte dokumentierte Anzahl von IDP mit 18 %.

(Displacement and Returns Continue in Iraq: IOM, www.iom.int/news/displacement-and return-continue-iraq-iom)

Von den insgesamt 3,29 Millionen IDP im Irak halten sich 71% in privaten Unterkünften (davon 46% in angemieteten Unterkünften, 1% in Hotels und 25% bei Gastfamilien), 10% in Flüchtlingslagern und 17% in informellen Unterkünften (davon 8% in unfertigen Gebäuden, 4% in religiösen Einrichtungen, 1% in Schulen und 4% in sonstigen informellen Unterkünften) auf, die Unterkunftsform von 2% ist unbekannt.

Den 3,29 Millionen IDP standen bis dato 485.000 aus den Fluchtgebieten in ihre Herkunftsgebiete zurückgekehrte Personen bzw.

80.900 Familien gegenüber, darunter 21% in die Provinz Ninava, vor allem in die Bezirke Telafar und Telkaif.

(Quelle: www.iomiraq.net , IOM - Iraq IDP Population & Settlement Situation, Displacement Tracking Matrix; Jänner 2016)

In Bagdad fanden sich Ende Jänner 2016 insgesamt 14 Lager für IDP, in Diyala 4, in Missan 1, in Salah al Din 1 und in Kerbala 1. In Bagdad, Babylon, Najaf und Wassit befindet sich jeweils 1 im Aufbau. Innerhalb der kurdischen Autonomieregion bzw. der unter faktischer Kontrolle der kurdischen Sicherheitskräfte stehenden Regionen fanden sich in der Provinz Dohuk insgesamt 10 Lager, in Erbil 4, in Kirkuk 3, in Ninava 6, in Suleimaniya 3. In Dohuk und Suleimanyia befindet sich jeweils 1 im Aufbau.

(IOM - Iraq IDP Population & Settlement Situation, CCCM Cluster, 31.01.2016)

Das UK Home Office führt im Bericht "Country Information and Guidance Iraq: Internal relocation (including documentation and feasibility of return)" vom November 2015 aus, dass Bagdad auf Grund seiner Nähe zu Konfliktgebieten und niedrigeren Lebenshaltungskosten als etwa in KRI, zu einer bevorzugten Region für IDP wurde. Ebenso weil es in der Stadt Gebiete für Sunniten und Schiiten gibt. Die größte Anzahl von IDP in Bagdad bilden Sunniten.

Zunehmende Tendenz zur freiwilligen Rückkehr von Irakern aus Europa

Aktuelle Tendenzen zeigen, dass vor allem aus Deutschland, Belgien, Finnland und Österreich zunehmend mehr Iraker freiwillig in den Irak zurückkehren, darunter auch mit Ziel Bagdad:

IOM unterstützt irakische Rückkehrer aus Belgien; am 01.02.2016 reisten 106 Iraker, davon 93 Männer, 13 Frauen und 17 Kinder nach Bagdad zurück. Sie finden Unterstützung durch IOM. Sie kam am Flughafen in Bagdad sicher an, wo sie von IOM Beschäftigten empfangen wurden. IOM koordiniert mit dem zuständigen irakischen Ministerium. Das Reintegrationsprogramm umfasst ua. die Unterkunft, Einrichtung, Jobsuche, Unterstützung bei der Gründung von Kleinstunternehmungen. 2015 erhielten mehr als 3000 zurückkehrende Iraker europaweit Unterstützung durch IOM. 2015 kehrten aus Belgien 1014 Iraker freiwillig zurück, vorwiegend nach Bagdad, einige auch nach Basra und Najaf. 2014 waren es nur 57 Personen.

(IOM Helps Iraqi Migrants Voluntarily Return Home from Belgium, 01.02.2016,

http://www.iom.int/news/iom-helps-iraqi-migrants-voluntarily-return-home-belgium )

Rückkehr in den Irak; trotz aller Anschläge in Bagdad finden sie das Leben dort besser als in Europa, 29.01.2016.

(http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/mittagsmagazin/sendung/irak-fluechtling-rueckkehr-100.html )

100 Flüchtlinge freiwillig zurück in den Irak; Bericht über Abreise vom Flughafen Zaventem; Zitat: "Auch wenn die Menschen nach Bagdad zurückkehren, werden sie durch bestimmte Programme vor Ort unterstützt. Ihnen wird geholfen einen Betrieb aufzubauen, ihr Studium oder ihre Ausbildung zu beenden oder medizinische Kosten abzudecken", 01.02.2016.

(http://grenzecho.net/mobil/News.aspx?aid=1fa26124-14a6-443e-9c94-b093d3f8fdcb&mode=shortnews )

Geplatzter Traum von Deutschland; in Scharen kehren junge Iraker zurück in die Heimat, 02.02.2016.

(www.tagesschau.de/ausland/r ückkehr-irak-101.html)

Frustrierende" EU-Realität in Finnland: Flüchtlinge kehren zurück nach Irak.

(http://de.sputniknews.com/panorama/20151009/304825241/eu-fluechtlinge-unzufriedenheit-heimkehr.html )

Zurück in den Irak; 26.01.2016

(http://www.fr-online.de/flucht-und-zuwanderung/finnland-zurueck-in-den-irak ,24931854,33617656.html)

Eine freiwillige Rückkehr in den Irak aus dem österr. Bundesgebiet ist auch über Vermittlung entsprechender Rückkehrberatungseinrichtungen und nach erteilter Zustimmung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Unterstützung von IOM-Österreich möglich. IOM stellt im Gefolge der administrativen Abwicklung Flugtickets zur Verfügung und gewährt in Einzelfällen besonderer Hilfsbedürftigkeit auch finanzielle Überbrückungshilfe. Aktuell erfolgt eine solche Rückkehr in den Irak über die Flughäfen in Bagdad, Erbil, Basra und Najaf. Bis dato haben im Jahr 2015 ca. 150 Rückkehrer in den Irak diese Unterstützung in Anspruch genommen.

(www.iomvienna.at ; telefonische Auskünfte von IOM-Österreich an das BVwG Außenstelle Linz am 22.10.2015)

IOM-Iraq unterstützt mit ihren Partnerorganisationen (z.B. United Iraqi Medical Society, Medecins du Monde, Medecins sans Frontieres, Aide Medicale Internationale, International Medical Corps, World Vision International, Kurdistan Save the Children, SOS, etc.) die Intern Vertriebenen vor Ort vor allem mit Hilfestellung in den Bereichen Unterkunft, Gesundheitsversorgung und Erziehung sowie mit Waren- und Geldleistungen. IOM und UNICEF sind u.a. in allen Bezirken der Provinzen Erbil, Dohuk und Suleimaniya aktiv.

(IOM-Iraq: IDP Populations & Settlements Situation und Health Cluster Operational Presence, 15.08.2015; BAMF/IOM, Länderinformationsblatt Irak, Dezember 2015).

Die irakische Verfassung garantiert in ihrem Art. 44 die innerstaatliche Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit jedes Staatsbürgers. Es stehen vor diesem Hintergrund Einzelbestimmungen für die Regulierung dieser Grundfreiheiten in Anwendung, so hinsichtlich der Vorlage bestimmter Identitätsdokumente sowie der persönlichen Aussage vor den jeweiligen örtlichen Behörden. Als die beiden wichtigsten Dokumente für den Verkehr mit den Behörden, neben der Registrierung etwa für die Zuteilung von Lebensmittelrationen oder die Ausstellung anderer Dokumente, dienen der Staatsbürgerschaftsnachweis sowie der Personalausweis (Identity Card), weitere maßgebliche Dokumente sind Wohnsitzbestätigungen (Meldenachweis), Lebensmittelrationskarten, Geburts- und Sterbeurkunden. Laut UNHCR werden die vier erstgenannten Dokumente in der Regel von örtlichen Niederlassungsbehörden im Parteienverkehr verlangt. In den drei autonomen kurdischen Provinzen des Nordiraks werden in Ermangelung dieser Dokumente auch Ersatzpapiere (sogen. Information Card) für den einmaligen Gebrauch verwendet. In Ermangelung der Vorlage entsprechender Identitätsdokumente kommt es zu Schwierigkeiten beim Passieren von Checkpoints und/oder der Registrierung durch die zuständigen Behörden sowie der Erlaubnis zur Niederlassung, was in der Folge zur Einschränkung des Bezugs staatlicher Leistungen führen kann. Die örtlichen Büros von IOM und deren Partnern setzen demgegenüber ausdrücklich nicht die Vorlage solcher Dokumente für die Gewährung ihrer Unterstützungsleistungen an IDP voraus. Erhebungen von IOM aus 2014 zufolge gaben nur ca. 10% aller IDP den Verlust solcher Dokumente verursacht durch die Umstände der internen Vertreibung an. Demgegenüber sind über 90% aller IDP von den jeweiligen örtlichen Behörden registriert worden.

Alle wesentlichen persönlichen Daten werden von den örtlichen Standesämtern in Personenstandsregistern festgehalten bzw. ergänzt. Diese sind grundsätzlich auch für die Neuausstellung verloren gegangener Personalausweise zuständig. Sofern der Zugang zu einem Personenstandsamt nicht möglich oder zu gefährlich ist, kann die Übertragung der entsprechenden Daten auf Antrag bei der örtlichen Niederlassung des Ministeriums für Vertriebene und Migranten, in der KRG beim örtlichen Büro der Behörde für Vertriebene und Migranten, zur jeweiligen Behörde des Aufenthaltsorts veranlasst werden, dies ist auch bei irakischen Botschaften möglich. Darüber hinaus bietet UNHCR Unterstützung bei der Erlangung neuer Identitäts- und andere Dokumente durch seine sogen. Protection and Reintegration Centers vor Ort an, so auch in Dohuk, Erbil und Suleymaniah. In Ermangelung der Möglichkeit persönlichen Erscheinens beim Personenstandsamt seiner Herkunftsregion ist es einer IDP auch möglich, die Neuausstellung von Identitätsdokumenten durch dort anwesende Verwandte oder andere Dritte unter Vorlage einer beglaubigten Vollmacht zu veranlassen. Als Mindestvoraussetzungen für die Neuausstellung solcher Dokumente genügen allfällige Kopien von elterlichen Dokumenten, Meldenachweise oder die Angabe der Nummer des "Familienbuches" am örtlichen Standesamt. Zuletzt existiert in Bagdad auch ein zentraler Mikrofilm-Speicher aller bisherigen Personenstandsdaten, sollte ein bestimmtes Personenstandsregister zerstört worden sein. Das Gesagte gilt sinngemäß auch für die Erlangung eines Staatsbürgerschaftsnachweises, der von der nationalen Staatsbürgerschaftsbehörde in Bagdad ausgestellt wird bzw. bei den örtlichen Zweigstellen in den jeweiligen Provinzen beantragt werden kann.

(British Home Office, COI on Internal relocation in Iraq, 24.12.2014)

2. Beweiswürdigung

2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt sowie im Rahmen einer durchgeführten Verhandlung Beweis erhoben.

2.2. Der Asylwerber hat im Verfahren "glaubhaft" zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung droht (§ 3 AsylG 2005). Der dem Asylverfahren zu Grunde liegende Maßstab der "Glaubhaftmachung" findet auch in Bezug auf Gründe für die Geltendmachung von subsidiärem Schutz Anwendung (VwGH 26.6.1997, 95/18/1293; 17.7.1997, 97/18/0336 uvm).

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, Zahl 2005/17/0252). Nach der Judikatur ist die Wahrscheinlichkeit dann gegeben, wenn die für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Erscheinungen, wenn auch noch so geringfügig, gegenüber den im entgegen gesetzten Sinn verwertbaren Erscheinungen überwiegen (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 355 mit Hinweisen auf die Judikatur).

Im Asylverfahren muss das Vorbringen des Antragstellers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden. Ungeachtet der gesetzlichen Verpflichtung der Asylbehörde bzw. des BVwG, im Einklang mit den im Verwaltungsverfahren geltenden Prinzipien der materiellen Wahrheit und des Grundsatzes der Offizialmaxime, den maßgeblichen Sachverhalt amtswegig ( vgl. § 39 Abs 2 AVG, § 18 AsylG 2005) festzustellen, obliegt es in erster Linie dem Asylwerber auf Nachfrage alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung darzulegen (vgl VwGH 16. 12 1987, 87/01/0299; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 19. 9. 1990, 90/01/0133; 7. 11. 1990, 90/01/0171; 24. 1. 1990, 89/01/0446; 30. 1. 1991, 90/01/0196;

30. 1. 1991, 90/01/0197; vgl zB auch VwGH 16. 12. 1987, 87/01/0299;

2. 3. 1988, 86/01/0187; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 17. 2. 1994, 94/19/0774) und glaubhaft zu machen (VwGH 23.2.1994, 92/01/0888;

19.3.1997, 95/01/0525). So auch UNHCR im "Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft": Es ist in erster Linie Aufgabe des Antragstellers selbst, die für seinen Fall relevanten Faktoren vorzubringen. [...] Einem allgemeinen Rechtsgrundsatz zufolge liegt die Beweislast grundsätzlich bei der Person, die den Anspruch stellt. [...].

Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007). Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung ergibt sich auch, dass die Ermittlungspflicht der Behörde durch die vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067). Es ist Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen. (VwGH 30. 11. 2000, 2000/01/0356).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängen, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

2.3. Das BVwG legt hier bei der Beurteilung den zentralen Blickpunkt auf die Angaben der bP im Rahmen der bisherigen niederschriftlichen Einvernahmen, einschließlich der Ergebnisse der Beschwerdeverhandlung, zumal es hier im Wesentlichen um ihre persönlichen Erlebnisse im Herkunftsstaat geht.

Die bP wurde im verwaltungsbehördlichen Verfahren im Zuge zweier Einvernahmen zu ihren Ausreisegründen und erwarteten Problemen befragt. Sie habe auf Grund der Auseinandersetzung der IS und verschiedener Milizen Angst um ihr Leben gehabt und deshalb das Land verlassen. Übergriffe gegen ihre Person habe es nicht gegeben, sie habe auch niemals mit den terroristischen Gruppierungen oder der IS zu tun gehabt. Resümierend betont die bP dabei im Wesentlichen die allgemein gefährliche Lage in ihrer Herkunftsregion Diyala ohne aber selbst bis dato konkreten Repressalien bzw. konkreter Gefährdung ausgesetzt gewesen zu sein.

Die Niederschriften - sie fanden etwa in einem zeitlichen Abstand von rd. 5 Monaten statt -wurden ihr jeweils rückübersetzt und dabei die Möglichkeit eingeräumt etwas richtig zu stellen oder zu ergänzen. Der Niederschrift der Ersteinvernahme kann auch entnommen werden, dass im Zuge der Rückübersetzung Ergänzungen begehrt und diese auch protokolliert wurden. Die Niederschriften erwecken den Eindruck, dass sich darin der Ablauf der Einvernahme widerspiegelt.

Gemäß § 15 AVG liefert eine gem. § 14 aufgenommene Niederschrift vollen Beweis über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung.

Soweit die bP nach der Einvernahme beim Bundesamt in der darauffolgenden Stellungnahme vom 16.06.2015, unterstützt durch den Verein Menschenrechte, weitere Ergänzungen ihres Vorbringens damit rechtfertigt, dass sie bei der Einvernahme vor dem Bundesamt am 08.06.2015 "sehr müde und verwirrt" gewesen sei, so ist anzuführen, dass die Niederschrift in der Zeit von 09.00 Uhr bis 10.45 Uhr durchgeführt wurde, also keineswegs zur Unzeit. Aus dem Verlauf der Niederschrift - diese erweckt den Eindruck, dass Fragen und Antworten wortwörtlich protokolliert und sogar Ergänzungen aufgenommen wurden - wird nicht der Eindruck erweckt, dass die bP auf Grund ihres Zustandes nicht in der Lage gewesen wäre der Einvernahme zu folgen oder ihre wesentlichen Erlebnisse zu berichten. Ihre Rechtfertigung für den Nachtrag scheint daher eine Schutzbehauptung zu sein um ihrem Vorbringen nachträglich mehr Gewicht zu verleihen.

Auch ihr Einwand in der Stellungnahme vom 16.06.2015, dass bei der Erstbefragung der Dolmetscher ihren Dialekt nicht verstanden habe und sie das Interview nicht mehr durchgelesen habe, lässt keine begründeten Zweifel am ordnungsgemäßem Zustandekommen der Niederschrift aufkommen. Der Niederschrift nach hat die bP ausdrücklich Verständigungsprobleme verneint und wurde ihr die Niederschrift auch rückübersetzt. Dass die bP dabei Beanstandungen vorgenommen hat, ist der Niederschrift nicht zu entnehmen und hat sie auch nicht behauptet, dass sie solche etwa im Zuge der Rückübersetzung getätigt hätte. Die bP wurde auch zu Beginn der Ersteinvernahme gefragt ob ihre bisherigen Angaben den Tatsachen entsprachen, was sie bejahte.

Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Vorgänge ist somit nicht gelungen und liefern die aufgenommenen Niederschriften in diesem Verfahren allesamt vollen Beweis iSd § 15 AVG.

Ebenso wurde die Verhandlungsschrift rückübersetzt und wurden keine Einwände erhoben, weshalb auch diese Niederschrift vollen Beweis iSd § 15 AVG bildet.

Ad II. 1.1.1.:

Die Identität ergibt sich aus dem, beim BFA im Original vorgelegten irakischen Reisepass. Zweifel an der Echtheit wurden seitens des Bundesamtes nicht dargelegt.

Die Staatsangehörigkeit ergibt sich aus dem Reisepass und die Herkunftsregion aus den im Verfahren gleichbleibenden Angaben, einhergehend mit dargelegten Ortskenntnissen.

Im Zuge mehrerer Einvernahmen machte die bP auch einhellige Angaben über ihre noch immer im Irak lebenden Geschwister, weshalb dies glaubhaft erscheint, zumal sie die bP vom Irak aus auch mit Übermittlung von Bescheinigungsmitteln für das Asylverfahren unterstützten.

Ad II.1.1.2.:

Die bP begründete im verwaltungsbehördlichen Verfahren bei ihren persönlichen Einvernahmen ihre Ausreise im Wesentlichen mit der allgemeinen schlechten Sicherheitslage in der Provinz Diyala, verneinte dabei aber ausdrücklich, dass sie selbst bislang persönlichen Repressalien oder Angriffen ausgesetzt gewesen wäre, geschweige denn, dass derartige ausreisekausal gewesen wären. Auch Repressalien gegenüber Familienangehörige bzw. Verwandte brachte sie dabei nicht vor oder erwähnte solche als ursächlich für die Ausreise oder gefährdungsauslösend im Falle einer gedachten Rückkehr in den Irak.

Beginnend mit der Stellungnahme zur Länderfeststellung - nach den beiden Einvernahmen - fortgesetzt mit der Beschwerde, folgend die schriftliche Stellungnahme im Zuge des gewahrten Parteiengehörs vor dem BVwG und in der Verhandlung, schob die bP sukzessive Sachverhalte nach, die, sofern man sie so wie dargelegt als wahr erachtet, überwiegend bereits vor ihrer Ausreise stattgefunden und ihr bekannt gewesen sein mussten. Dass sie zu diesem Zeitpunkt zur Widergabe dieses Sachverhaltes nicht in der Lage war oder sie behördlicherseits daran gehindert gewesen wäre, ergeben sich keine konkreten Hinweise. Da es an sich durchaus einschneidende Erlebnisse wären, kann der allgemeinen Lebenserfahrung nach davon ausgegangen werden, dass man sie auch im Zuge einer Einvernahme erwähnt, wenn es tatsächlich fluchtauslösende Umstände gewesen wären.

Die bP legte im Zuge des Verfahrens Ausdrucke von fotografierten irakischen Totenscheinen vor, zum Beweis dass ihre "Cousins" tatsächlich gestorben sind.

Zur Echtheit von Dokumenten führt etwa das Deutsche Auswärtige Amt im Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak, vom 23.12.2014, Folgendes aus:

"Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist

gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte

Visaetiketten auf, die der Deutschen Botschaft Bagdad durch das irakische Außenministerium

per Verbalnote zwecks Überprüfung zugesandt wurden. Auch gefälschte

Überbeglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann

nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden. Es werden keine

Legalisationen durch die Deutsche Botschaft Bagdad oder das Generalkonsulat Erbil

vorgenommen. Inhaltliche Urkundenüberprüfungen durch die Botschaft oder GK Erbil sind

derzeitig nicht möglich; die irakischen Behörden leisten keine Amtshilfe. Die von der

Botschaft Bagdad durchgeführte Prüfung der formellen Echtheit durch Inaugenscheinnahme

irakischer Urkunden im Amtshilfeverfahren für deutsche Behörden wurde zu Februar 2013

eingestellt.

Abgesehen davon, dass dem BVwG nur Ausdrucke von Fotografien vorliegen, die an sich schon für jegliche Manipulation offen sind, fehlen auch faktische Möglichkeiten der Verifizierung der Dokumente sowie der diesbezüglichen Erlebnisse.

Selbst wenn man die Dokumente für unbedenklich halten würde, ergäben sich daraus aber keine Hinweise auf die konkrete Tathandlungen, insbesondere welche Motivation der oder die Täter hatten oder ob etwa die betroffene Person eventuell gar selbst an (terroristischen) Kampfhandlungen aktiv teilgenommen hat und im Zuge dessen verstarben. Letztlich würden diese auch dann keine hinreichende Bescheinigung darstellen zur Glaubhaftmachung der von der bP spät vorgebrachten, persönlichen Gefährdung.

Die bP legte ein Foto vor, auf welchem ein in rot gezeichneter Schriftzug auf einer Mauer sichtbar war und welcher aussagt, dass sie den "Moath" getötet hätten und ein Mann mit dem Vornamen der bP "der Nächste" sei. Der Schriftzug sei mit dem Blut des darin zitierten Cousins geschrieben, so die bP.

Vom Ausdruck dieses Fotos her lässt sich nicht erkennen wann und wo dieses Foto gemacht wurde. Ebenso wenig lässt sich verifizieren ob - wie behauptet - der Schriftzug mit dem Blut des Ermordeten geschrieben wurde und wer ihn aus welcher Motivation aufgemalt hatte. Beachtlich ist, dass dieser Schriftzug zu einem Zeitpunkt entstanden sein soll, als die bP schon ca. ein halbes Jahr in Österreich war. Man könnte doch der allgemeinen Lebenserfahrung nach davon ausgehen, dass es sich in einem Dorf herumspricht, dass die bP schon lange nicht mehr im Irak ist und eine solche Drohung unweigerlich ins Leere ginge.

Selbst wenn man die von ihm spät vorgebrachten Tötungen als wahr betrachten würde, so ließe sich daraus aber schließen, dass gerade die Kernfamilie des bP nicht in den Blickpunkt der "Angreifer" geraten ist, blieben doch sowohl die bP als auch ihre Brüder - welche nach wie vor im Irak leben - immer unbehelligt und wurden im Wesentlichen nur "Cousins" Opfer. Anzumerken ist, dass die bP auch ihre Schwager als Cousin bezeichnet.

Die bP erzählte erst in der Stellungnahme nach der Einvernahme beim Bundesamt erstmals von ihrer Schussverletzung aus dem Jahr 2007. Die bP präsentierte in der Verhandlung derartige Narben, die der allgemeinen Lebenserfahrung laienhaft mit einer derartigen Ursache in Verbindung gebracht werden könnten. Allerdings bleibt der Umstand, dass die bP es im Zuge zweier Einvernahmen nicht Wert gefunden hatte diese zu erwähnen, weshalb auch nicht davon ausgegangen wird, dass dies ausreisekausal war. Abgesehen von den Narben kann daraus nicht geschlossen werden bei welchem Ereignis diese tatsächlich entstanden sind und welche Motivationslage die bzw. der Verursacher hatte.

Soweit die bP im Zuge der Schilderung dieser Ermordungen ihren "Verfolgern" ein religiöses oder politisches Motiv unterstellt, so ist anzumerken, dass die bP bei der Einvernahme beim Bundesamt diesbezügliche Probleme in der Vergangenheit dezidiert verneinte.

Die bP brachte spät im Verfahren vor, dass im Wesentlichen die Probleme bei der Trauerfeier im Jahr 2007 problemauslösend gewesen wären. Diese Probleme schilderte er jedoch im Zuge des Verfahrens unterschiedlich weshalb dies so nicht als glaubhaft erachtet werden kann. Brachte die bP schriftlich zuerst vor, dass es deshalb zum Konflikt mit der IS bei der Trauerfeier gekommen wäre, weil Teilnehmer geraucht hätten, so war es in der Verhandlung das Essen und Trinken was verboten und letztlich zum Konflikt geführt haben soll.

Auch in Bezug auf den Tod seines Vaters 2007 war das Vorbringen widersprüchlich, konkret warum er letztlich verstorben sei. In der Stellungnahme führt die bP an, dass die Aufnahme in der Krankenhaus nicht ermöglicht worden wäre, weil es ein schiitisches Krankenhaus gewesen wäre. Der Vater wäre dann deshalb unbehandelt verstorben. In der Verhandlung gab er dazu an, dass sie ihn nicht in das Krankenhaus bringen konnten, weil sie Angst gehabt hätten von den Schiiten getötet zu werden.

Resümierend gelangt das BVwG unter Berücksichtigung aller Umstände zur Ansicht, dass die

von ihm spät vorgebrachten Ausreisemotive bzw. Geschehnisse, so wie von ihm dargelegt, als gesteigertes Vorbringen letztlich nicht glaubhaft sind. Somit ergibt sich daraus auch keine Sachlage, die zur Annahme einer relevanten Gefährdungslage im Falle einer gedachten Rückkehr führen würde.

Ad II.2.:

Das BVwG hat durch die zitierten Quellen Beweis erhoben und Feststellungen getroffen. Soweit darin auch ältere Berichte zitiert werden, so dienen diese in erster Linie dazu einen chronologischen Ablauf von Ereignissen darzustellen bzw. weil sich die maßgebliche Lage seither nicht relevant änderte. Die bP brachte zur Berichtslage mit der Stellungnahme vom 08.01.2016 vor, dass sich diese im Wesentlichen mit ihren persönlichen Erfahrungen decken würde. Im Interesse der bP hat das BVwG nach der Verhandlung bis zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt die aktuelle Lageentwicklung im Irak, konkret auch Bagdad, weiterhin beobachtet (zB www.staatendokumentation.at , Abfragen via www.google.at [News]. Daraus ergibt sich im Wesentlichen kein anderes Bild, als aus den zu Gehör gebrachten Quellen.

2. Rechtliche Beurteilung

Zuständigkeit

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I 2012/87 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Gemäß § 6 BVwGG, BGBl I 2013/10, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Verfahren

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG, die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Prüfungsumfang, Übergangsbestimmungen

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Zu Spruchpunkt I

1. § 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) [...]

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon - wie in ähnlicher beschriebenen Weise - betroffen ist.

Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Art 6 Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Wie sich aus den beweiswürdigenden Überlegungen ergibt war aus Schilderungen der bP keine glaubhafte, asylrelevante Verfolgungsgefahr zu entnehmen. Dass sich die bP wegen ihrem Verhalten bzw. der Stammeszugehörigkeit derart exponiert hatte, dass sie deshalb in den Blickpunkt der IS oder schiitischer Milizen geraten wäre, kam nicht glaubhaft hervor.

Jedoch ergibt sich aus der aktuellen, amtswegig beigebrachten Berichtslage zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt, zumindest für Teile der Herkunftsregion der bP, dem Bezirk Diyala, dass schiitische Milizen Personen wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit zu den Sunniten verfolgen und staatliche Schutzmechanismen dagegen als nicht hinreichend zu erachten sind, um diese ausreichend hintanzuhalten.

Gemäß § 3 Abs 3 Z 1 AsylG 2005 kommt eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten jedoch nur dann in Betracht, wenn dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) zusteht.

2.1. Der (in Umsetzung des Art. 8 der europäischen Statusrichtlinie) normierte § 11 AsylG lautet:

(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).

Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH 8.9.1999, Zl. 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der internen Schutzalternative ist es Sache der Behörde, die Existenz einer internen Schutzalternative aufzuzeigen, und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Annahme einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen, und nimmt der Verwaltungsgerichtshof mit dieser Rechtsprechung jedenfalls eine Beweislast der Asylbehörden an (VwGH 09.09.2003, 2002/01/0497 und 08.04.2003, 2002/01/0318 sowie zur Ermittlungspflicht VfGH 02.10.2001, B 2136/00).

Aufgrund eines sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, Zl.95/20/0295; VwGH 20.3.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069). Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslose Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, Zl. 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597; VwGH 19.10.2006, Zl. 2006/0297-6; VwGH 30.04.1997, 95/01/0529; VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 24.1.2008, Zl. 2006/19/0985-10). Auch wirtschaftliche Benachteiligungen können asylrelevant sein (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614; VwGH 30.04.1997, 95/01/0529; VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 08.11.2007, 2006/19/0341). Dem gegenüber sind allfällige aus der Situation des Asylwerbers ableitbare wirtschaftliche beziehungsweise soziale Benachteiligungen nicht geeignet zu einer Verneinung der inländischen Fluchtalternative zu führen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0620; VwGH 24.10.1996, 95/20/0321; VwGH 10.12.1996, 06/20/0753).

Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- sowie Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzlich ausschließen. Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen (siehe VwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427).

Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).

Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet, bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, Zl.95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, Zl. 95/21/0908, 6.11.1998, Zl. 95/21/1121; VwGH 21.11.2002, 2000/20/0185; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).

Darüber hinaus muss es dem Asylsuchenden auch möglich sein, seine politischen oder religiösen Überzeugungen sowie seine geschützten Merkmale beizubehalten (VwGH 19.12.2001, 98/20/0299).

Daraus ergibt sich fallbezogen Folgendes:

Das BVwG geht davon aus, dass die bP als Sunnit in Bagdad im sunnitischen Teil der Stadt hinreichend Schutz vor Verfolgung finden könnte. Dass schiitische Milizen auch dort derartig tätig wären wie im Herkunftsbezirk der bP, Diyala, kann den Berichten nicht entnommen werden.

Bereits anlässlich ihrer Ausreise hat sich die bP zu Fuß bzw. per Anhalter von Diyala nach Bagdad begeben, ohne behelligt worden zu sein. Vom dortigen Flughafen ist sie legal, unter Verwendung ihres Reisepasses per Flugzeug in die Türkei gereist. Dass sie zum Ausreisezeitpunkt in Bagdad entscheidungsrelevante Probleme gehabt hätte, hat sie im Verfahren nicht konkret vorgebracht.

So lebt auch etwa ihre sunnitische Schwester mit ihrem sunnitischen Ehegatten in Bagdad. Dass die bP zu dieser eine Nahebeziehung hat, ergibt sich aus dem Verfahrensverlauf deutlich, hat sie die bP doch auch bei der Besorgung von Bescheinigungsmitteln für das Asylverfahren unterstützt. Es liegt somit nahe, dass sie - falls überhaupt erforderlich - für die bP auch bürgen würde. Dass für diese das Leben in Bagdad unzumutbar wäre, hat die bP nicht dargelegt. Der Berichtslage nach, insbesondere "Displacement Tracking Matrix", ist zu entnehmen, dass in Bagdad rund 600.000 registrierte IDPs leben. Dies in den verschiedensten Unterbringungsmöglichkeiten, von Camps bis hin zu Hotels, gemieteten Räumlichkeiten, öffentlichen Gebäuden, bei Verwandten bzw. Familie usw..

Der regen freiwilligen Rückkehr von Irakern aus Europa, vor allem nach Bagdad, hat Indizwirkung dafür, dass dort die Sicherheitslage entsprechend ist.

Bei der bP handelt es sich um einen vierzigjährigen, erwerbsfähigen Mann und es kann nicht festgestellt werden, dass sie als solche nicht etwa auch selbst zur eigenen Versorgung beitragen könnte. Dass die in Bagdad aufhältigen (sunnitischen) IDPs nicht das zum Leben unbedingt Erforderliche erlangen könnten, ergibt sich aus der Berichtslage nicht. Zudem verfügt sie im Irak, ua. in Bagdad über ein familiäres Netz, welches die bP selbst in Österreich im Asylverfahren vom Irak aus noch unterstützte. Dies zeigt von einem ausgeprägten familiären Zusammenhalt der es naheliegend erscheinen lässt, dass die bP, soweit überhaupt erforderlich, von ihrer Familie, welche ihren Angaben nach noch immer im Irak lebt, auch in Bagdad Unterstützung erlangen würde.

Bagdad ist, wie sich aus der Berichtslage zweifelsfrei ergibt, auch aktuell erreichbar und kehren laufend Iraker freiwillig in den Irak zurück. Vom Flughafen aus kann man in den sunnitischen Teil Bagdads, westlich des Tigris, gelangen ohne dabei den schiitischen Teil der Stadt (im Wesentlichen östlich des Tigris) durchqueren zu müssen.

Resümierend ist daher festzustellen, dass unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten in Bagdad, konkret im sunnitischen Teil der Stadt, und der persönlichen Umstände der bP zum Zeitpunkt der Entscheidung ( § 11 Abs 2 AsylG) des BVwG eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Bagdad zur Verfügung steht, die für sie erreichbar ist, das Gebiet eine gewisse Beständigkeit hinsichtlich der Sicherheit hat und wo die bP letztlich keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevante Verfolgung zu befürchten hat, was gem. § 3 Abs 3 Z 1 AsylG die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausschließt.

2.1.1. Hinsichtlich eines aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 zweiter Satz AsylG allenfalls resultierenden Spannungsverhältnisses zwischen der aktuellen Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative und der - im gg. Fall mit Bescheid des BFA vom 22.06.2015 vertretenen und rechtskräftig erfolgten - Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten - ist ergänzend noch wie folgt auszuführen:

Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative grundsätzlich im Widerspruch zu einem gewährten subsidiären Schutz stehe, weil § 11 AsylG die Annahme einer solchen nur erlaube, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates (auch) die "Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten" nicht gegeben seien (vgl. VwGH 13. November 2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

Wie sich aus oa. Argumentation ergibt, liegen auf Grund der Sicherheitslage auch die "Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten" nicht vor.

Es ist davon auszugehen, dass das Bundesamt zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung das Vorliegen einer innerstaatlichen Flucht- bzw. Schutzalternative im Irak gar nicht konkret geprüft hat.

Zum einen ist die Begründung des Bescheides diesbezüglich widersprüchlich. Das Bundesamt stellt einerseits auf Grund der Ermittlungsergebnisse zur individuellen Situation der bP fest, dass sich de facto aus der allgemeinen Lage keine Gefährdung von Art 2, 3 EMRK ergebe (Bescheid S 26; AS 104). Andererseits kommt sie bei der rechtlichen Beurteilung dazu im Widerspruch aber zum Ergebnis, dass im Herkunftsstaat eine reale Gefahr der Verletzung von Art 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für die bP als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Bescheid S 31).

Auf eine innerstaatliche Fluchtalternative, insbesondere in Bagdad, ging die Behörde in der rechtlichen Beurteilung erst gar nicht ein. Lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung findet sich dazu, dass "derzeit kein stabiles Sicherheitsumfeld so wie auch der Umzug in weitestgehend sichere Landesteile von zahlreichen Unabwägbarkeiten wirtschaftlicher, soziologischer und gesellschaftlicher Natur gekennzeichnet sei". Auf Grund welchen Sachverhaltes das Bundesamt zu dieser inhaltsleeren "Begründung" kam, lässt sich nicht nachvollziehen.

Zum anderen ist der Begründung des Bescheides zu entnehmen, dass sich die Behörde zum Zeitpunkt der Genehmigung ihrer Entscheidung, dies war der 22.06.2015, auf im Bescheid enthaltenen "landeskundlichen Feststellungen" stützte, die - so das Bundesamt - "gegenwärtig" die [aktuellen] instabilen Sicherheitsverhältnisse belegen würden. Den Quellenangaben ist zu entnehmen, dass sich das Bundesamt dabei im Juni 2015 auf Berichte stützte, die überwiegend aus dem Jahr 2013 bis Juni 2014 stammten. Wie die belangte Behörde daraus die aktuelle Lage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung im Juni 2015 erkennen konnte, ist nicht nachvollziehbar. Die vom Bundesamt herangezogenen Berichte entsprechen auch nicht den Anforderungen des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der geforderten Aktualität.

Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht in der Beschwerdesache zum Entscheidungszeitpunkt gem. § 11 Abs 2 AsylG die konkrete individuelle Situation der bP zum Entscheidungszeitpunkt berücksichtigt und die Beurteilung auch unter Einbeziehung aktueller Berichte getroffen.

Im Rahmen des gg. Beschwerdeverfahrens war das BVwG nicht dazu berufen, über die Frage der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu erkennen, jedoch ergibt sich aus oa. Begründung, dass jedenfalls auf diesen Teil des Iraks die "Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten" nicht gegeben sind ( §11 Abs 1 2 Satz AsylG).

Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides war sohin wegen Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aufgrund den oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

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