BVwG L515 1437677-1

BVwGL515 1437677-127.8.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:L515.1437677.1.00

 

Spruch:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.07.2013, Zl. 12 10.158-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.06.2014 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 BGBl I

2005/100 idF BGBl I 144/2013 als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wird das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als "bP" bezeichnet), ist ein männlicher Staatsangehöriger der Türkei und brachte am 06.08.2012 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP Folgendes vor:

"Mein Vater wurde 1994 von staatsnahen Sympathisanten in Istanbul ermordet seitdem wird meine Familie ständig unter Druck gesetzt. Mein Cousin kämpft in den Bergen gegen den türkischen Staat. In XXXX kommt es ständig zu Kämpfen zwischen der PKK und den Militär. Ich arbeitete zuletzt als Folklorelehrer und wurde ständig von der Polizei belästigt und zusammen geschlagen. Aus Angst beschloss ich die Türkei zu verlassen."

Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte die bP Folgendes vor:

".........

F: Sind Sie gesund oder befinden Sie sich in ärztlicher Behandlung?

A: Ich bin gesund.

F: Können Sie irgendwelche Beweismittel vorlegen?

A: Ich habe einen Zeitungsartikel vom 3. Juni 2013, dass mein Vater XXXX, der im Jahre 1994 verstorben ist. Im Juni jedes Jahres wird deren gedacht.

Er war einer von drei kurdischen Geschäftsleuten, die damals von der türkischen Regierung umgebracht wurden.

Anm: Der Dolmetscher übersetzt:

Todesanzeige:

Wir werden unsere Getöteten am 3. Juni 2013 Montag um 13.00 Uhr am Friedhof XXXX bei einer Feier gedenken.

F: Haben Sie für sich eigene Beweismittel?

A: Nein.

F: Gibt es etwas, das sich auf Ihre Person bezieht?

A: Nein. Nein. Ich habe nichts mehr.

F: Entsprechen Ihre bisherigen Angaben im Zuge der früheren Einvernahme am 06.08.2012 der Wahrheit?

A: Ja.

F: Besitzen oder besaßen Sie einen Reisepass?

A: Ich habe einen Pass, der ist aber nicht mehr gültig.

Er war sechs Monate gültig.

F: Wann wurde der Reisepass ausgestellt?

A: Im Jahre 2011 beim Passamt in XXXX. Ich habe mir den persönlich ausstellen lassen. Damals reiste ich legal zweimal in Österreich ein und hatte einen Auftritt in einer Folklore Gruppe. Ich war der Teamführer.

F: Wann waren Sie in Österreich?

A: Das erste Mal für drei Tage im März 2011 und dann im Februar oder Mai 2012 noch einmal für vier Tage.

Ich flog damals mittels Visum nach Österreich.

Wir hatten einen Auftritt und ich reiste wieder zurück.

F: Wie kamen Sie zuletzt vor der Asylantragstellung nach Österreich?

A: Meine jetzige Gattin kam im Juli 2011 in die Türkei und machte Urlaub. Dort habe ich sie geheiratet. Sie ist Türkin und hat in Österreich einen Aufenthaltstitel bis 12.06.2016.

Sie heißt nun XXXX Selma. Früher hieß Sie XXXX. Sie ist am XXXX geboren.

Lt. Heiratsurkunde wurde am 04.08.2011 in XXXX geheiratet.

F: Wie kamen Sie zuletzt nach Österreich?

A: Ich kam zuletzt legal mit dem Flugzeug von Istanbul nach Österreich. Den Reisepass hatte ich noch. Ich bin nicht illegal eingereist. Das sagte ich bei meiner ersten Einvernahme. Das stimmt aber nicht. Mein Visum war noch gültig und ich flog am 2.8.2012 legal nach Österreich.

Dort suchte ich um Asyl an.

F: Wo ist der Reisepass?

A: Den habe ich vernichtet und weggeworfen.

F: Hatten Sie bei der Passausstellung oder der Kontrolle am Flughafen irgendwelche Probleme mit der Polizei oder den Behörden?

A: Nein.

F: Wo wohnten Sie?

A: In der Provinz XXXX. In XXXX.

In XXXX.

Dort lebte ich bis zum Tage meiner Ausreise. Dort lebt auch noch immer meine Familie. Meine Mutter und meine zwei Geschwister.

F: Welche Verwandte haben Sie in der Türkei?

A: Zahlreiche Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen, Verwandte meiner Ehefrau.

Von meiner Seite leben alle Angehörigen in der Türkei.

F: Was haben Sie in der Türkei gearbeitet?

A: In der Folkloregruppe. Zuletzt bei der Gruppe Istanbul XXXX.

F: Sind Sie mit einer Anfrage und Überprüfung Ihrer im Verfahren gemachter Angaben in Ihrem Heimatland über einen Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft einverstanden?

A: Ja.

F: Haben Sie in Istanbul, Ankara oder anderen größeren Städten Verwandte?

A: Ja. In Istanbul habe ich einen älteren Bruder. Zu diesem habe ich guten Kontakt.

Auch weitere Geschwister habe ich dort.

Wir sind ja insgesamt 10 Geschwister. Die leben dort und ich habe eine gute Beziehung.

F: Wie war die wirtschaftliche Lage Ihrer Familie?

A. Gut. Ich habe ja gearbeitet. Bei der Folkloregruppe. Ich war der Volkstanzlehrer.

Zu Hause haben wir ein eigenes Haus und eine eigene Landwirtschaft.

Uns geht es wirtschaftlich gut.

F: Wie war die eigene wirtschaftliche Lage?

A: Die war gut.

F: Wollen Sie hier arbeiten?

A: Ich will hier arbeiten. Ich würde gerne in Wien eine Folkloregruppe zusammenstellen. In Klagenfurt geht es nicht. Da sind zu wenig Leute türkischer Herkunft.

F: Wo wohnen Sie? A: Derzeit wohne ich mit meiner Gattin zusammen. Seit fünf oder sechs Monaten.

F: Haben Sie in der Türkei einen gemeinsamen Haushalt geführt?

A: Nein. Meine Frau lebte nur bei uns fünf oder sechs Monate.

F: Wie viel verdienten Sie im Monat?

A: 1000 Türkische Lira. Durch Miteinnahmen und Landwirtschaft nochmal 2000.

F: Leben Sie in einem Abhängigkeitsverhältnis

A: Ich wohnte jetzt mit meiner Frau zusammen.

F: Gibt es für Sie von irgendjemandem eine Verpflichtungserklärung, die für Sie abgegeben wurde, oder die eine verpflichtende Versorgung für Sie ermöglicht?

A. Nein.

F: Haben Sie selbst genug Geld, können Sie sich selbst erhalten?

A: Ja. Ich komme aus. Ich bekomme keine staatliche Unterstützung.

F: Seit wann hatten Sie die Absicht Ihr Heimatland zu verlassen?

A: Ich wollte seitdem ich meine Gattin geheiratet habe hierher kommen.

Das ist der Grund.

F. Haben Sie Ihr Heimatland früher schon einmal verlassen?

A: Außer in der Zeit, die ich angeführt habe.

F: Haben Sie in Österreich oder in anderen Staaten früher schon einmal um Asyl angesucht?

A: Nein.

F: Wann haben Sie Ihre angegebene letzte Wohnadresse im Heimatland endgültig verlassen?

A: Im August 2012. Von der Adresse weg nach Istanbul gefahren und dann von dort weggeflogen.

F: Sind Sie selbst Mitglied einer Partei, parteiähnlichen oder terroristischen Organisation?

A: Nein.

F: Haben Sie eine Straftat begangen. Werden Sie von der Polizei gesucht?

A: Nein.

F: Ist gegen Sie in Ihrer Heimat ein Gerichtsverfahren anhängig?

A: Nein.

F: Waren Sie in Haft oder wurden Sie in der Türkei festgenommen?

A: Nein.

F: Hatten Sie eine staatliche Verfolgung oder quasi staatliche Verfolgung zu erwarten?

A: Nein.

F: Wurden Sie aus Gründen der Rasse Religion Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt?

A: Nein.

F: Warum suchen Sie um Asyl an?

Schildern Sie ausführlich die Gründe, weshalb Sie um Asyl angesucht haben!

A: Ich will zu meiner Frau. Es gab keine Möglichkeit ein Visum für einen langfristigen Aufenthalt für Österreich zu bekommen. Daher bin ich nach meiner Rückkehr von meinem Folkloreauftritt neuerlich ausgereist, da mein Visum noch gültig war.

Ich will bei meiner Frau bleiben.

F: Ist Ihnen konkret etwas passiert?

A: Nein. Nein. Gar nicht.

F: Haben Sie sonst noch Gründe?

A: Nein. Das ist der einzige Grund.

Ich habe nichts.

F: Würde Ihnen im Falle der Rückkehr und Abschiebung in Ihre Heimat Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?

A: Ich weiß nicht. Ein Kollege wurde verhaftet und ein weiterer ist geflüchtet.

F: Warum sollte der Kollege verhaftet werden?

A: Weil 2 bis 3 Tanzschüler in die Berge gingen.

F: Die PKK wurde aufgelöst und die Situation stellt sich derzeit in der Türkei anders dar

A: Ja. Nur 10 Prozent haben sich zurückgezogen.

F: Was hat das mit Ihnen zu tun?

A: Nichts.

F: Sie sind legal ausgereist. Sie haben einen Pass bekommen!

A: Ich arbeite ja nicht mehr und ich bin weggeflogen.

Es gab ja einen besonderen Reisepass.

F: Wer sollte Ihnen etwas antun wollen? Sie haben die gesamte Familie in der Türkei!

A: Man könnte beschuldigt werden die PKK unterstützt zu haben. Die Polizei könnte das sagen.

F: Ist Ihnen konkret etwas passiert?

A: Nein. Nein. Ich bin vorher ausgereist. Ich wurde dort bei der Gruppe entlassen.

F: Wann wurden Sie entlassen?

A: Weiß ich nicht. Kann ich nicht sagen.

F: Können Sie eine Arbeitsbestätigung vorlegen?

A: Nein.

F: Weshalb haben Sie bei der letzten Einvernahme andere Angaben gemacht. Ihnen wäre ständig etwas passiert. Jetzt sagen Sie, dass Ihnen nichts passiert wäre!

A: Das was ich heute sage stimmt.

Ich wurde nie festgenommen.

V: Sie könnten in Großstädte wie Istanbul, Ankara oder woanders hin gehen. Dort hätten Sie diese Probleme nicht! Sie haben dort sogar Verwandte!

A: Mein Bruder ist ja verheiratet.

V: Sie haben ja andere Verwandte!

A: Das sind meine Halbgeschwister.

F: Wollen Sie noch irgendetwas ergänzen?

A: Nein.

F: Wollen Sie Gründe geltend machen, die gegen eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet sprechen? Haben Sie besondere Bindungen zu Österreich?

A: Ich bin mit einer Türkin verheiratet.

Sie hat einen befristeten Aufenthaltstitel.

F: Leben Sie mit einer sonstigen Person in Österreich in einer Lebensgemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Falls dies der Fall ist, beschreiben Sie diese Gemeinschaft.

A: Nein.

F: Liegt eine anderweitige Integrationsverfestigung Ihrer Person vor bzw. inwieweit würde ihr Privat- und Familienleben durch eine Aufenthalts beendende Maßnahme beeinträchtigt werden. Zum Beispiel besuchen Sie einen Sprachkurs, arbeiten Sie?

A: Nein. Ich kann ja nicht vorher Deutschkurse besuchen.

Mit Ihnen werden die aktuellen Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat vom Dolmetscher erörtert und nachweislich zur Kenntnis gebracht. Der AW verzichtet auf eine vollständige Übersetzung.

A: Es ist noch nicht so weit. Es wird darüber gesprochen, dass die Kämpfe aufhören werden. Es ist noch nichts geschehen. Im Osten der Türkei ist die wirtschaftliche Lage nicht so gut wie in den westlichen Teilen.

F: Wollen Sie sonst noch Angaben machen?

A Nein.

F: Wollen Sie noch etwas ausführen? Haben Sie alles vorgebracht?

A: Ich habe alles gesagt.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

A: Nein.

F: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

A: Ja.

F: Mir wird nun die Niederschrift rückübersetzt und ich habe danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.

F: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?

A: Nein.

........."

I.2. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei verfügt (Spruchpunkt III.).

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der bP als nicht glaubhaft.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei traf die belangte Behörde ausführliche Feststellungen.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorgekommen sei. Ebenso stelle eine Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben der bP dar.

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz vom 02.09.2013 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass der Bescheid wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, infolge dessen eine mangelhafte Beweiswürdigung und eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen worden sei, sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten werde.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde erfülle er die Voraussetzungen, Asyl gewährt zu bekommen. Zudem werde durch die Ausweisung in sein Recht auf Privat- und Familienleben eingegriffen.

Eine begründete Stellungnahme werde zeitnah nachgereicht.

Eine solche zeitnahe Nachreichung erfolgte nicht.

I.4.1. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.03.2014 wurde der BF zur Vorlage von Bescheinigungsmitteln aufgefordert.

I.4.2. Mit E-Mail vom 04.04.2014 erstattete der BF eine Beschwerdeergänzung und verwies dabei auf einen Bericht vom 20.03.2014, der auszugsweise in der englischen Originalfassung wiedergegeben wurden. Aus diesem Bericht gehe hervor, dass kurdische Aktivisten immer noch Opfer von Schauprozessen und Unterdrückung durch die türkischen Behörden seien.

Auch der BF könne wegen der Zugehörigkeit seines Bruders zur PKK und seiner Unterstützung von PKK Kämpfern Opfer von Behördenwillkür werden. Das bedeute, eine politische Verfolgung des BF sei zumindest objektiv wahrscheinlich.

Zu Spruchpunkt III wurde vorgebracht, dass die Rückkehrentscheidung unzulässig sei, wenn sie eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würde.

Der BF sei mit einer türkischen Staatsbürgerin verheiratet, welche schon über 16 Jahre in Österreich lebe und über einen Daueraufenthalt EG verfüge. Es sei davon auszugehen, dass ihr Aufenthalt in Österreich dauerhaft sein werde und es gebe keinen Anlass, dass sie das Land verlassen werde. Mittlerweile sei ein gemeinsamer Sohn geboren worden, die Geburtsurkunde liege bei.

Der BF lebe seit seiner Ausreise in Österreich mit seiner Frau zusammen. Es bestehe also seither ein tatsächliches Familienleben. Der BF beziehe keine Unterstützung aus der Grundversorgung. Er werde ausschließlich von seiner in Österreich lebenden Familie unterstützt. Es bestehe daher auch ein Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Frau, bei der er auch mitversichert sei.

Der bisherige Aufenthalt des BF sei aufgrund des Asylverfahrens legal. Es gebe keinerlei strafrechtliche oder verwaltungsstrafrechtliche Verstöße. Zurzeit besuche der BF einen A2-Sprachkurs und werde demnächst zur Prüfung antreten.

Der BF habe ein Recht auf Aufrechterhaltung seines Familienlebens. Eine Trennung von seiner Frau und seinem 7,5 Monate alten Kind sei nicht zumutbar. Da seine Frau arbeiten müsse, um die Familie zu versorgen, kümmere sich der BF um die Kindeserziehung und habe daher eine besonders starke Beziehung zu seinem Sohn.

In der Beilage findet sich die Kopie einer Geburtsurkunde des Sohnes des BF, der am 20.08.2013 geboren ist (OZ 5).

I.4.3. Für den 24.06.2014 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer Beschwerdeverhandlung.

Gemeinsam mit der Ladung wurden der bP Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde sie - in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich ihrer Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.

Für den Fall, dass der bP gegenwärtig Bescheinigungsmittel nicht zugänglich sind, weil sie sich beispielsweise noch im Herkunftsstaat befinden, wurde die bP eingeladen, ehestmöglich die erforderlichen Schritte zu setzen, damit ihr diese zugänglich werden und sie im Anschluss daran vorzulegen. In diesem Fall wurde sie auch ersucht, dem erkennenden Gericht bekannt zu geben, welche Bescheinigungsmittel sie beabsichtigt vorzulegen, wo sich diese gegenwärtig befinden und wann mit deren Vorlage gerechnet werden kann.

Sollte der bP die Existenz von Bescheinigungsmitteln bekannt sein, sie darauf aber keinen Zugriff haben, wurde sie aufgefordert innerhalb der oa. Frist bekannt zu geben, um welche Bescheinigungsmittel es sich handelt, wo sich diese befinden und warum sie hierauf keinen Zugriff hat.

I.4.4. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung brachte die bP vor, bisher im Asylverfahren wahrheitsgemäße Angaben gemacht zu haben.

Der Verlauf der Verhandlung wird wie folgt dargestellt:

"...

VL: Haben Sie bei Ihren bisherigen Aussagen vor dem Bundesasylamt immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen?

P: Wegen des Reisewegs habe ich eine falsche Aussage gemacht und diese Aussage auch bei meiner zweiten Einvernahme berichtigt.

VL: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids etwas geändert?

P: Es gibt keine Änderungen. Die Fluchtgründe sind gleich geblieben.

VL: Ist Ihnen der Inhalt der Beschwerdeschrift bekannt?

P: Ja.

VL: Halten Sie den Inhalt der Beschwerdeschrift und die dort gestellten Anträge aufrecht?

P: Ja.

VL: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht [die Begriffe werden mit der P abgeklärt, sodass ihr diese geläufig sind]): Sind sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie Medikamente ein?

P: Ich bin gesund und nehme keine Medikamente ein.

VL: Besitzen Sie außer den asylrechtlichen Aufenthaltstitel in Österreich noch ein weiteres Aufenthaltsrecht?

P: Nein.

VL: Waren Sie vor der Antragstellung schon einmal in Österreich aufhältig?

P: Zwei Mal war ich hier. Danach gefragt gebe ich an, dass das im Jahr 2011 und 2012 war. Im Jahr 2011 war ich 5 Tage und im Jahr 2012 4 Tage in Österreich.

VL: Sind Sie immer in die Türkei zurückgekehrt?

P: Ja. Danach gefragt gebe ich an, dass ich legal mit dem Reisepass gereist bin.

VL: Leben Sie in Österreich alleine oder mit jemanden zusammen?

P: Mit meiner Frau und unserem gemeinsamen Kind.

VL: Laut Akteninhalt haben Sie Ihre Gattin vor Ihrer Ausreise bereits in der Türkei geheiratet.

P: Ja. Sie reiste in die Türkei und wir heirateten dort.

VL: Haben Sie in Österreich noch weitere Verwandte?

P: Einen Cousin habe ich noch hier.

VL: Haben Sie seit Ihrer Asylantragstellung in Österreich das Bundesgebiet einmal verlassen?

P: Nein.

VL: (ohne Dolmetscher) Sprechen Sie Deutsch?

P: Bisschen.

VL: (ohne Dolmetscher) Was haben Sie gestern gemacht?

P (denkt nach): keine Antwort.

VL: Sind Sie selbsterhaltungsfähig (Frage wird erklärt)?

P: Ich habe keine Beschäftigungsbewilligung. Meine Gattin war berufstätig. Sie ist derzeit in Karenz und arbeitet einen Tag in der Woche. Ich werde von meiner Frau unterstützt. Seit 6 oder 9 Monaten beziehe ich von der Grundversorgung 180 Euro monatlich.

VL: Haben Sie versucht (sei es erfolgreich oder erfolglos) um Ihre Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen?

P: Einmal habe ich versucht und zwar in Klagenfurt bei einem Kebapstand zu arbeiten. Mir wurde gesagt, dass ich ohne Beschäftigungsbewilligung nicht arbeiten darf.

VL: Wie würden Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich bestreiten, wenn Sie ein Aufenthaltsrecht bekämen?

P: Dann werde ich arbeiten.

VL: Welche Ausbildungen haben Sie in Österreich absolviert?

P: Ich besuche noch Kurse. Diese Woche habe ich eine Prüfung. (P legt Teilnahmebestätigung über Deutschkurs vor.)

VL: Wie nehmen Sie am sozialen Leben in Österreich teil (Mitgliedschaft bei Vereinen, Organisationen, ehrenamtliches Engagement, etc.)?

P: Nein.

VL: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft in Österreich vor?

P: Arbeiten möchte ich.

VL: Haben Sie noch zu jemanden in ihrem Herkunftsstaat Kontakt?

P: Mit meiner Familie.

VL: Sind Sie strafrechtlich verurteilt?

P: Nein.

VL: Sind Sie auf andere Art und Weise mit der österreichischen Rechtsordnung in Konflikt geraten?

P: Nein.

VL: Das ho. Gericht kann sich nunmehr ein Bild über ihre privaten und familiären Bindungen in Österreich machen und erscheinen hierzu seitens des ho. Gerichts keine weiteren Fragen offen. Wollen Sie sich noch weitergehend zu Ihren privaten und familiären Bindungen in Österreich bzw. der Integration äußern?

P: Nein.

VL: Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde seitens der belangten Behörde abgewiesen und wurde im angefochtenen Bescheid die Entscheidung begründet. Wie treten Sie den Argumenten der belangten Behörde entgegen.

P: Ich habe die Begründung nicht im Kopf, weil ein Jahr vergangen ist.

VL: Was würde Sie im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat konkret erwarten?

P: Ich bin ein Lehrer in Istanbul gewesen. Genauso wie ich ist ein

anderer ... Ich war Kursleiter in einer Volkshochschule. Ich war mit

meinen Kursteilnehmern unterwegs. Auch ein anderer war mit Kursteilnehmern unterwegs, er wurde festgenommen, weil er mit anderen auf einem Berg war. Mein Freund war etwa 9 Monate lang in Haft. Nach 9 Monaten wurde er freigelassen.

VL wiederholt die Frage.

P: Ich weiß es nicht. Vielleicht werde ich festgenommen oder auch nicht.

VL: Gemeinsam mit der Ladung wurden Ihnen Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in ihrem Herkunftssaat übermittelt. Bisher ging hierzu keine Stellungnahme ein. Wollen Sie sich nunmehr hierzu äußern?

P: (Anwesende Gattin gibt an, dass sie die Feststellungen dem P auf Türkisch vorgelesen hat) Nein.

VL fragt die P, ob sie noch etwas Ergänzendes vorbringen will; dies wird verneint.

VL fragt, ob eine weitere Erörterung des Akteninhaltes gewünscht wird, dies wird verneint.

P: Ohne diese erwähnten Vorfälle hätte ich mit einer Verpflichtungserklärung meiner Frau legal nach Österreich kommen können. Das wollte ich auch. Wegen des letzten Vorfalles bin ich hierher gekommen und habe einen Asylantrag gestellt.

VL fragt die P, ob sie den Dolmetscher gut verstanden habe; dies wird bejaht.

..."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführende Partei

Die beschwerdeführende Partei ist Kurde und gehört damit der zweitgrößten Ethnie in der Türkei an. Sie stammt aus XXXX. Sie bekennt sich zum Islam und damit zur zahlenmäßig größten Religionsgruppe. Die beschwerdeführende Partei ist ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Familienangehörige bzw. Verwandte leben nach wie vor im Herkunftsstaat der bP.

Die bP hat im Bundesgebiet die beschriebenen familiären und privaten Anknüpfungspunkte.

Die bP ist seit 04.08.2011 mit einer türkischen Staatsbürgerin verheiratet. Die Ehe wurde geschlossen, als sich diese anlässlich eines Urlaubes in der Türkei aufhielt. Die Ehegattin des BF verfügt über einen bis 12.06.2016 gültigen Aufenthaltstitel Daueraufenthalt

- EG.

Die Einreiseumstände des BF sind unklar; er lebt seinen Angaben zufolge seit Anfang August 2012 bei seiner Ehefrau. Seit 13.08.2012 besteht gemäß dem ZMR ein Hauptwohnsitz in Klagenfurt.

Am 20.08.2013 wurde der gemeinsame Sohn geboren.

Der BF wird von seiner Ehefrau unterstützt und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Ein Beschäftigungsverhältnis besteht nicht, der BF ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF besuchte in der Zeit zwischen 26.03.2014 und 28.05.2014 einen Deutschkurs - A1. In der Verhandlung kam hervor, dass sich die Deutschkenntnisse als sehr dürftig darstellen.

Die Identität der bP steht fest aufgrund des vorgelegten Identitätsdokumentes (Nüfus) fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Türkei

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei werden folgende Feststellungen getroffen:

Allgemein

Die Türkei verfügt über ein parlamentarisches Mehrparteiensystem und einen Präsidenten mit limitierten Machtbefugnissen. Die Parlamentswahlen im Juni 2011 waren im Allgemeinen fair und frei. Zivile Behörden wahrten generell effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte, jedoch begingen einige Mitglieder der Sicherheitskräfte Menschenrechtsverstöße (US DOS 27.2.2014).

Die Türkei ist gemäß ihrer Verfassung von 1982 eine demokratische, laizistische, soziale und rechtsstaatliche Republik. Oberhaupt des Staates ist der Staatspräsident. Der Ministerpräsident und von ihm bestimmte Minister bzw. Staatsminister bilden gemeinsam den Ministerrat, der die Regierungsgeschäfte führt. Die türkische Verwaltung ist zentralistisch organisiert.

Das türkische Parlament, die Große Türkische Nationalversammlung, wird für vier Jahre gewählt (Mehrheitswahlrecht). Die letzten Wahlen fanden am 12. Juni 2011 statt. Es gilt eine landesweite Zehn-Prozent-Hürde für den Einzug einer Partei ins Parlament.

Bei den Parlamentswahlen im Juni 2011 erhielt die konservative AKP (Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei) 49,8% der Stimmen (+ 2,2%). Sie verfügt mit aktuell 327 der 548 Sitze über die absolute Mehrheit im Parlament. Hauptoppositionspartei ist die sozialdemokratisch-kemalistische CHP (Republikanische Volkspartei), die unter dem Parteivorsitzenden Kemal Kiliçdaroglu und mit einer inhaltlichen Neuausrichtung leicht auf 25,9% (+ 5%) zulegen konnte und 134 Abgeordnete stellt. Zweitstärkste Oppositionskraft ist die rechts-nationalistische MHP, der mit 12,9% der Stimmen (+ 1,4%) der Wiedereinzug ins Parlament gelungen ist. Sie verfügt über 52 Abgeordnete. Die pro-kurdische BDP (Partei für Frieden und Demokratie) zog mit 29 Abgeordneten ins Parlament ein (daneben gibt es sechs fraktionslose Abgeordnete).

Landesweite Bürgerproteste im Frühsommer 2013, ausgelöst durch die Auseinandersetzung um Bebauungspläne der Regierung für den Istanbuler Gezi Parkund Polizeieinsätze gegen Demonstranten, zeugen von, einer zunehmend selbstbewussten Zivilgesellschaft. Die Türkei ist ein laizistischer Staat (Trennung von Staat und Religion) mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung. Gleichzeitig übt der Staat durch das Amt für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet) die Kontrolle über den (sunnitischen) Islam aus, der weite Teile des öffentlichen Lebens in der Türkei prägt. Das Laizismus-prinzip ist immer wieder Gegenstand innenpolitischer Auseinandersetzungen, die zum Teil mit erheblicher Schärfe geführt werden. Weitere kontroverse Themen sind die Rechte der kurdisch-stämmigen Bevölkerung, die Anerkennung der Aleviten als eigene Religionsgemeinschaft und in inzwischen deutlich abgeschwächter Form die Stellung des Militärs (AA 11.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (11.2013): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8D1DF29A298B4464F5B55910F8278683/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tuerkei/Innenpolitik_node.html , Zugriff 6.3.2014

US DOS - United States Department of State (27.2.2014): Turkey - Country Reports on Human Rights Practices 2013, http://www.ecoi.net/local_link/270746/399288_de.html , Zugriff 6.3.2014

Sicherheitslage

Die Sicherheitsvorkehrungen befinden sich landesweit auf hohem Niveau. Angesichts von Anschlägen militanter Gruppierungen in der Vergangenheit, auch gegen nicht-militärische Ziele, muss in allen Teilen der Türkei weiterhin grundsätzlich von einer terroristischen Gefährdung ausgegangen werden (AA 22.1.2014). In der Vergangenheit fanden Anschläge im Osten und Südosten der Türkei, aber auch in Ankara, Istanbul und anderen großen Städten sowie in Tourismuszentren des Landes statt (BMeiA 20.1.2014).

Im Südosten des Landes ist mit starken Behinderungen aufgrund von Straßenkontrollen und Militärbewegungen zu rechnen. Seit Ende 2012 finden Gespräche zwischen der Regierung und der PKK zur Beendigung des Kurdenkonflikts statt, in deren Rahmen derzeit von beiden Seiten eine Waffenruhe eingehalten wird.

In Bereichen nahe der syrischen Grenze ist mit verstärktem Militär- und JandarmaAufkommen zu rechnen. Die früheren militärischen Sperrgebiete in den Provinzen Siirt, Sirnak, Mardin und Hakkâri, deren Betreten grundsätzlich verboten war und die einer strengen Kontrolle unterlagen, sind aufgehoben worden. Dennoch kann es weiterhin zur Einrichtung von zeitweiligen Sicherheitszonen insbesondere im Gebiet südöstlich von Hakkâri entlang der Grenze zum Irak sowie nordwestlich von Diyarbakir und südöstlich der Ortschaft Cizre (Dreiländereck Türkei - Syrien - Irak) kommen (AA 22.1.2014).

Bei Demonstrationen vor allem in Istanbul und Ankara kann es zu Polizeieinsätzen unter Anwendung von Tränengas und Wasserwerfern sowie zu Festnahmen und Verkehrsbehinderungen kommen. In Istanbul waren bislang insbesondere der Taksim Platz und die unmittelbare Umgebung im Bezirk Beyoglu betroffen, wo nach wie vor besondere Aufmerksamkeit angebracht ist (BMeiA 20.1.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (22.1.2014): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8D1DF29A298B4464F5B55910F8278683/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/TuerkeiSicherheit_node.html , Zugriff 22.1.2014

BMeiA - Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (22.1.2014): Länder- und Reiseinformation, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/tuerkei-de.html , Zugriff 22.1.2014

Terroristische Gruppierungen PKK - Partiya Karkerên Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans)

Die PKK wurde am 27.11.1978 von Abdulla Öcalan gegründet. Ihre offizielle Bezeichnung änderte sich mehrfach, wobei in den Medien und im Volksmund noch immer der Begriff PKK vorherrscht. In den Anfangsjahren der PKK stand die Forderung nach einem unabhängigen und sozialistischen Kurdistan. Zunächst sollte das kurdische Siedlungsgebiet in der Türkei, später die kurdischen Gebiete in Syrien, Irak und Iran zu einem Nationalstaat zusammengefasst werden. Seit 1993 jedoch hat sich das Ziel dahingehend geändert, dass nunmehr kulturelle Autonomie und lokale Selbstverwaltung innerhalb des türkischen Staatsverbandes angestrebt werden.

Nach einem Militärputsch im Jahr 1980 war die PKK geschwächt, erholte sich bis 1984 aber soweit, dass sie am 18. August desselben Jahres mit Angriffen auf türkische Militärposten den bewaffneten Kampf aufnahm. In der kurdischen Bevölkerung gewann die PKK an Unterstützung - zumindest die inhaltlichen Ziele betreffend. Die türkischen Behörden blieben aber nicht untätig und setzten sich mit der Einführung sogenannter "Dorfschützer" (koruculuk sistemi) zur Wehr. Diese Dorfschützer sind aus der Dorfbevölkerung rekrutierte Kurden mit der Aufgabe, die ansässige Bevölkerung vor Übergriffen der PKK zu schützen. Problematisch hierbei ist aber, dass den Dorfschützern selbst häufig Amtsmissbrauch, Beteiligung an Verbrechen und organisierte Kriminalität vorgeworfen wird. Mit der Verhaftung Abdullah Öcalan im Jahr 1999 entspannte sich die Lage. Die PKK rief einseitige Waffenstillstände aus, jedoch wurden diese selten eingehalten. Bis ins Jahr 2004 flaute der Terror langsam ab, um danach wieder in gewaltsame Zusammenstöße mit dem türkischen Militär zu münden. In den letzten Jahren gab es einige medienwirksame Anschläge (BAA 7.2011, vgl. Planet Wissen 11.2.2011).

Abdullah Öcalan verkündete am 21. März 2013 einen Waffenstillstand zwischen seiner Partei und dem türkischen Militär, nachdem im Sommer 2011 die Armee mehrere Offensiven gegen PKK-Stellungen mit über 100 Toten durchgeführt hatte. Diesen Angriffen gingen wiederholte Anschläge der PKK mit mehreren Dutzend Toten gegen türkische Militärziele voraus (BPB 10.1.2014).

Etwa 40.000 Menschen starben während des drei Jahrzehnte dauernden Krieges zwischen dem türkischen Staat und der kurdischen Untergrundorganisation PKK. Die türkische Regierung verhandelt mit Abdullah Öcalan über einen dauerhaften Frieden. Doch die Gespräche stocken: Die PKK und die legale türkische Kurdenpartei BDP kritisieren, dass der türkische Staat bisher nicht die versprochenen Zugeständnisse gemacht habe. Im Gegensatz zu früheren Regierungschefs erkennt Premier Recep Tayyip Erdogan jedoch an, dass es Kurden und eine kurdische Sprache gibt (Presse 16.2.2014).

Quellen:

BAA - Länderinformation Nr. 12 der Staatendokumentation (7.2011):

Minderheiten in der Türkei: Die Kurden,

http://www.integrationsfonds.at/publikationen/laenderinformation/kurden/ , Zugriff 25.2.2014

BPB - Bundeszentrale für Politische Bildung (10.1.2014):

Kurdenkonflikt,

http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54641/kurdenkonflikt , Zugriff 25.2.2014

Planet Wissen (11.2.2011): PKK: Terroristen oder Freiheitskämpfer? http://www.planet-wissen.de/politik_geschichte/voelker/kurden/kurden_pkk.jsp , Zugriff 25.2.2014

Die Presse (16.2.2014): Ismail Besikçi: "Kurden sollten das Unmögliche verlangen",

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/1563458/Ismail-Besikci_Kurden-sollten-das-Unmogliche-verlangen?from=suche.intern.portal , Zugriff 25.2.2014

Rechtsschutz/Justizwesen

Die türkische Judikatur ist auf vier Säulen, den Straf- und den Zivilgerichten, sowie der Verwaltungs- und der Militärgerichtsbarkeit (deren Kompetenzen mittlerweile durch die AKP-Regierung stark geschwächt wurden) aufgebaut.

Die ordentlichen Gerichte sind für Straf- sowie Zivilgerichtsbarkeit zuständig. Das türkische Zivil- und Strafgerichtswesen ist de facto zweistufig, da es gegenwärtig nur eine Berufungsinstanz - den Kassationshof - gibt.

Die Verfassung nennt an Obersten Gerichten das Verfassungsgericht, den Staatsrat, den Militärkassationshof, den Hohen Militärverwaltungsgerichtshof und den Konfliktgerichtshof.

Die Staatssicherheitsgerichte wurden zwar abgeschafft, stattdessen gibt es aber acht "Große Strafgerichte mit Sondervollmacht". Es sind v. a. diese Gerichte, denen Menschenrechtsaktivisten vorwerfen, die staatlichen Sicherheitsinteressen überproportional vor das individuelle Freiheitsrecht zu stellen. Prozesse der Staatssicherheitsgerichte können aber bereits wieder aufgenommen werden. In vielen Fällen kommt es dann auch zum Freispruch, da die damaligen Regelungen für die Beweismittelsicherung heute nicht mehr zeitgemäß und zutreffend sind.

Die Regierung kündigte 2012 an, eben diese "Großen Strafgerichte" aufzuheben und durch 29 "Regionalgerichte für schwere Straftaten" zu ersetzen. Diese Maßnahmen wurden begonnen. Problematisch ist v.a. die Neubesetzung dieser Gerichte (es würden etwa 700 neue Richter benötigt) und zwischenzeitlich ein paralleles System an Sondergerichten bestehen bleiben wird, da bereits bestehende Verfahren von den bisherigen "Großen Strafgerichten" abzuschließen wären (ÖB Ankara 10.2013).

Am 20.2.2014 verabschiedete das türkische Parlament einen weiteren Schritt in der Justizreform und schaffte die bisherigen Sondergerichte für schwere politische Straftaten ab. Die anhängigen Verfahren werden an Schwurgerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit übergeben. Das Gesetzespaket reduziert zudem die maximale Untersuchungshaftzeit von siebeneinhalb auf fünf Jahre und erschwert gerichtlich genehmigte Telefonüberwachung bei Ermittlungen. Die abgeschafften Sondergerichte waren in den vergangenen Jahren insbesondere wegen der Mammutprozesse gegen ranghohe Militärs in die Kritik geraten (SZ 21.2.2014).

Sieben Monate nach seiner Verurteilung zu lebenslanger Haft ist der frühere türkische Generalstabschef Ilker Basbug wieder frei. Ein Gericht hatte am Freitag (7.3.2014) seine sofortige Freilassung aus einem Gefängnis bei Istanbul angeordnet. Es reagierte damit auf ein Urteil des Verfassungsgerichts vom Vortag, wonach beim Ergenekon-Prozess Basbugs Rechte verletzt wurden. Der 71-Jährige sowie zahlreiche weitere Angeklagte waren im vergangenen Jahr für schuldig befunden worden, einen Putsch gegen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vorbereitet zu haben. Kritiker warfen Richtern und Staatsanwälten vor, ohne ausreichende Beweismittel gegen die Verdächtigen vorgegangen zu sein. Nach seiner Freilassung bestritt Basbug erneut alle Vorwürfe (DW 8.3.2014c). Erst im Januar hatte Premierminister Recep Tayyip Erdogan erklärt, er könne sich vorstellen, die Ergenekon-Strafverfahren gegen hunderte Armeeoffiziere wiederaufnehmen zu lassen (DTJ 7.3.2014).

Um die - in der Regel sehr lange - Verfahrensdauer zu kürzen, wurden ein Schlichtungsverfahren im Zivilrecht eingeführt und die Anforderungen der Revisionsklagen erhöht. Es sollen Bezirksgerichte als Berufungsinstanz auf regionaler Ebene - als Zwischeninstanz zwischen der ersten Instanz und dem Kassationshof - gegründet werden, wodurch das Gerichtswesen dreistufig werden würde.

Insbesondere bei Terrorismus-Verfahren kann eine U-Haft mehrere Jahre dauern. Amtlichen Statistiken zufolge waren 2013 137.133 Personen in Haft, 1/3 davon ca. in U-Haft (ÖB Ankara 10.2013).

Gemäß Art. 138 der Verfassung sind Richter in der Ausübung ihrer Ämter unabhängig. Die Europäische Kommission (EK) kritisiert jedoch, dass diese Verfassungsbestimmung durch einfachrechtliche Regelungen unterlaufen wird. U. a. sind die dem Justizministerium weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften für die Organisation der Gerichte zuständig. Auch auf den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte, welcher für Personal- und disziplinarrechtliche Fragen verantwortlich ist, übt das Justizministerium einen indirekten Einfluss aus. In Bezug auf die Unabhängigkeit der Gerichte hat die EK in ihren Fortschrittsberichten wiederholt die mangelnde Effizienz aber auch Einflussnahmen von Politik und Militär auf die türkische Justiz kritisiert. Auch laut einer Delegation der "Europäischen Richter für Demokratie und Freiheitsrechte" gibt es immer noch viele Probleme im Bereich der Unabhängigkeit der Justiz (z.B. Abberufung von Staatsanwälten und Polizisten im KCK und Deniz-Feneri Verfahren) Zudem verweist das türkische Justizministerium häufig auf Überlastung von RichterInnen, nicht zuletzt auf Grund mehrerer Tausend bereits seit mehreren Jahren unbesetzter Stellen. Im Februar 2011 waren rund 1,9 Mio. Verfahren beim OGH anhängig - die Zahl steigt stetig (ÖB Ankara 10.2013).

Das von Erdogans islamisch-konservativer AKP kontrollierte Parlament hatte neben dem umstrittenen Internetgesetz kürzlich ein weiteres Gesetz verabschiedet. Es gibt der Regierung größeren Einfluss auf die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten. Beide Gesetze wurden von der Opposition und Bürgerrechtlern als Gefahr für die Meinungsfreiheit beziehungsweise die Unabhängigkeit der Justiz kritisiert (DW 19.2.2014a, vgl. Presse 19.2.2014). Durch die jetzige umstrittene Reform wird dem Justizminister mehr Macht innerhalb des Hohen Rats der Richter und Staatsanwälte verliehen. Wenn eine Straftat vorliegt, hat der Justizminister von nun an die Kontrolle über die Strafverfolgung. Er benennt drei Mitglieder des Rates, die die Ermittlung übernehmen und einen Bericht darüber verfassen. Eine weitere Einflussmöglichkeit des Justizministeriums ist die Justizakademie, die für die Richterausbildung verantwortlich ist. Das dafür eingerichtete Generalsekretariat wird abgeschafft. Dafür wird ein Präsidium errichtet. Für die Wahl und Festlegung des Präsidenten ist nun der Justizminister verantwortlich, indem er drei Mitglieder nominiert.

In der Türkei wurde in den letzten Wochen und Monaten vor allem gegen Staatsanwälte vorgegangen. (DW 16.2.2014b).

Quellen:

ÖB Ankara (10.2013): Asylländerbericht Türkei

DW - Deutsche Welle (19.2.2014a): Türkischer Präsident unterzeichnet umstrittenes Internetgesetz,

http://www.dw.de/türkischer-präsident-unterzeichnet-umstrittenes-internetgesetz/a-17441326 ; Zugriff 19.2.2014

DW - Deutsche Welle (16.2.2014b): Türkei: Mehr Kontrolle über die Justiz?

http://www.dw.de/t ürkei-mehr-kontrolle-über-die-justiz/a-17436264?maca=de-newsletter_de_suedostfokus-4930-txt-newsletter, Zugriff 21.2.2014

DW - Deutsche Welle (8.3.2014c): Newsletter; Türkischer Ex-Generalstabschef aus Haft entlassen

Die Presse (19.2.2014): Türkischer Präsident segnet Gesetz zur Internetkontrolle ab,

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/1564546/Turkischer-Praesident-segnet-Gesetz-zur-Internetkontrolle-ab?_vl_backlink=/home/politik/aussenpolitik/index.do , Zugriff 19.2.2014

DTJ - Deutsch-Türkisches Journal (7.3.2014): Türkischer Ex-General Basbug aus Haft entlassen - "Ich hege keinen Groll", http://dtj-online.de/tuerkei-ergenekon-putschprozess-ilker-basbug-frei-21860 , Zugriff 10.3.2014

SZ - Süddeutsche (21.2.2014): Türkei schafft umstrittene Sondergerichte ab,

http://www.sueddeutsche.de/politik/justizreform-tuerkei-schafft-umstrittene-sondergerichte-ab-1.1895350 , Zugriff 25.2.2014

Reformmaßnahmen

Mehrere Reformen brachten eine deutliche Verbesserung der rechtlichen Standards (Rechtshilfe, Verfahrensregelungen, div. Legaldefinitionen). Die Umsetzung dieser Bestimmungen, so das türkische Justizministerium, sei in manchen Regionen der Türkei noch nicht zufriedenstellend (ÖB Ankara 10.2013).

Im Juli 2012 verabschiedete das Parlament im Rahmen des "dritten Gesetzespakets" eine Reihe von Reformen zur Abschaffung bzw. Änderung einiger Gesetze, die bislang zur Beschneidung des Rechts auf freie Meinungsäußerung genutzt worden waren (AI 23.5.2013).

Viele Maßnahmen des dritten Justizreformpaketes (abgeschlossen im Herbst 2012) zielten darauf ab die Kompetenzen der Militärgerichte zu schwächen und die Zivilgerichte zu stärken. Obwohl die EU-Delegation in Ankara die Reform als positive Schritte in die richtige Richtung bezeichnet hat, seien die Vorschläge, so die ho. EU-Delegation, noch mangelhaft.

Neben der Stärkung der Zivilgerichtsbarkeit sieht das Dritte Reformpaket folgende Verbesserungen vor:

Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte soll Rechnung getragen werden

Untersuchungshaft

Begrenzung der Dauer auf 48 Stunden (Anti-Terror Fälle ausgeschlossen)

Einführung von Alternativen zu U-Haft: Ausreiseverbot, regelmäßige Meldung bei Polizei etc.

erschwerte Bedingungen für die Verhängung der U-Haft: Angleichung gerichtlicher Praktiken an die Standards des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Vor der Inhaftierung müssen dem Gericht konkrete, spezifizierte Beweise vorgelegt werden.

Haftstrafen für die Verbreitung von unrechtmäßigen Abhördaten (insbesondere für Journalisten relevant)

Staatsanwälte benötigen künftig eine explizite Erlaubnis, um Untersuchungen über Beamte in hohen staatlichen Institutionen (Nationaler Sicherheitsrat, Generalstab, Geheimdienst) durchzuführen

Reiseverbot für Staatsanwälte im Rahmen von Untersuchungen

Streichung eines Artikels des Anti-Terror Gesetzes, der zum Verbot der Publikation von Zeitungen berechtigte

Kein Ausschluss des Verteidigers der Angeklagten von den Akten

Einführung des "Freiheitsrichters": Entscheidung über die Verhaftung bzw. Freilassung eines Angeklagten wird nicht vom selben Richter, der das Verfahren führen soll, gefällt, sondern von einem sog. "Freiheitsrichter" (eigentlich Haftrichter) (ÖB Ankara 10.2013).

Im April 2013 wurde vom Parlament das 4. Reformpaket verabschiedet.

Folgende Punkte beinhaltet das 4. Reformpaket im Detail:

Neudefinition der unter "Terrorismus" zu verstehenden (und damit strafbaren) Handlungen (u.a. Trennung von Pressefreiheit und Terrorpropaganda)

Keine Verjährung bei Foltervorwürfen

Beförderungen von Richtern und Staatsanwälten nach den Kriterien des EGMR

Stärkung des Versammlungsrechtes

Verbesserung der langen Verfahrensdauer

Wiederaufnahme von Verfahren vor Militärgerichten möglich (ÖB Ankara 10.2013).

Quellen:

AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Turkey, http://www.ecoi.net/local_link/248068/374285_de.html , Zugriff 22.1.2014

ÖB Ankara (10.2013): Asylländerbericht Türkei

Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis, Strafvollzug

Die Strafverfolgung konnte in den letzten Jahren vor allem durch die neue Strafprozessordnung (Schwächung des Einfluss der Militärgerichtsbarkeit, frauenrechtlich relevante Reformen) verbessert werden. Weiterhin ist die Verfahrensdauer zu lang.

Bislang wird Auslieferungsanträgen türkischer Gerichte von europäischen Gerichten nur selten statt gegeben. Wichtigster Grund dafür ist, dass die angebotenen Beweise äußerst unzureichend sind. Wird einem Auslieferungsantrag stattgegeben, so wird dieser zumeist an zusätzliche Bedingungen geknüpft (Einhaltung der Menschenrechte; Prozessbeobachtung, Haftbesuche).

Quellen:

ÖB Ankara (10.2013): Asylländerbericht Türkei

Sicherheitsbehörden

Die Polizei [türkische Nationalpolizei - TNP] untersteht dem Innenministerium und übt ihre Tätigkeit in den Städten aus. Die Jandarma ist für die ländlichen Gebiete und Stadtrandgebiete zuständig, rekrutiert sich aus Wehrpflichtigen und ist de facto die vierte Teilstreitkraft [neben Luftwaffe, Armee, Marine]; sie untersteht in Friedenszeiten dem Innenminister und während des Ausnahmezustandes dem Oberbefehlshaber des Heeres. Polizei und Jandarma sind zuständig für innere Sicherheit, Strafverfolgung und Grenzschutz.

Die Bedeutung des Militärs und der Sicherheitskräfte ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Sie verstehen sich jedoch weiterhin als Hüter kemalistischer Traditionen und Grundsätze, besonders der Einheit der Nation (v. a. gegen kurdischen Separatismus) und des Laizismus (gegen islamistische Tendenzen). Die zivile Kontrolle der Streitkräfte wurde in den letzten Jahren wesentlich gestärkt (AA Bericht 26.8.2012, vgl. Global Security 28.7.2011, ÖB Ankara 10.2013).

Laut Fortschrittsbericht der EU sind hinsichtlich der Stärkung der zivilen Kontrolle über die Gendarmerie bei zivilen Einsätzen in letzter Zeit keine Fortschritte zu verzeichnen.

Menschenrechtsorganisationen (z.B. HRW) betonen, dass Gewaltexzesse der Sicherheitsorgane, v. a. der Gendarmerie und Polizei, immer noch ein sehr ernstes Problem in der Türkei darstellten. Als Reaktion auf den internationalen Druck bezüglich der Gewaltexzesse wurde in der Türkei die Ausbildung der Gendarmerie und Polizei geändert (längeres Trainingsprogramm mit Fokus auf Menschenrechte) (ÖB Ankara 10.2013, vgl. EC 16.10.2013, HRW 21.1.2014).

Von Jänner bis September 2013 erhielten 84.438 Jandarma-Mitglieder und 459 Polizei-Mitglieder spezielle Trainingseinheiten im Bereich der Menschenrechte und Terrorismusbekämpfung. Auch das Militär hob menschenrechtliche Ausbildung sowohl bei Offizieren, als auch bei Unteroffizieren hervor (US DOS 27.2.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (26.8.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei

EC - European Commission (16.10.2013): Turkey 2013 Progress Report, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1384162890_tr-rapport-2013-en.pdf , Zugriff 11.2.2014

Global Security (28.7.2011): Jandarma, http://www.globalsecurity.org/intell/world/turkey/jandarma.htm , Zugriff 23.1.2014

HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Turkey, http://www.ecoi.net/local_link/267826/395180_de.html , Zugriff am 11.2.2014

ÖB Ankara (10.2013): Asylländerbericht Türkei

US DOS - United States Department of State (27.2.2014): Turkey - Country Reports on Human Rights Practices 2013, http://www.ecoi.net/local_link/270746/399288_de.html , Zugriff 6.3.2014

Folter und unmenschliche Behandlung

Im Berichtsjahr wurden wiederholt Vorwürfe laut, wonach die Polizei bei Demonstrationen exzessive Gewalt angewandt hatte, darunter auch Schläge (AI 23.5.2013). Zwischen Mai und September 2013 starben sechs Demonstranten und ein Polizist im Zuge der Demonstrationen [Stichwort Gezi Park] (HRW 21.1.2014).

Es gab Berichte, dass die Regierung bzw. ihre Vertreter angeblich willkürliche oder nicht rechtmäßige Tötungen begingen. Es gab keine Berichte über politisch motiviertes Verschwindenlassen. Obwohl Folter verboten ist, gab es Fälle von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte. Aufgrund der verschärften Strafen wird nunmehr eher außerhalb der Polizeistationen gefoltert. Es gibt keine unabhängige Stelle, die Tötungen, Foltervorwürfe oder Misshandlungen, exzessive Gewaltanwendung oder andere angebliche Missbrauche durch die Sicherheitskräfte untersucht und beobachtet. Militär- und Zivilgerichte sind die wichtigsten Gerichte, die Straflosigkeit verhindern können, auch wenn man Beschwerden an den Ombudsmann richten kann (US DOS 27.2.2014).

Die Regierung beschloss Gesetze und führte Schulungen ein, um Folter zu vermeiden, jedoch sind Berichte bez. Misshandlungen weit verbreitet. Während der Gezi Park-Proteste dokumentierten Medien und Menschenrechtsgruppen brutales Schlagen, Androhung von und tatsächliche sexuelle Gewalt durch die Polizei und weitverbreitete inoffizielle Inhaftierungen. Im September 2013 wurde deswegen gegen 30 Polizeichefs und Bereitschaftspolizisten ermittelt (FH 23.1.2014).

Quellen:

AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Turkey, http://www.ecoi.net/local_link/248068/374285_de.html , Zugriff 22.1.2014

FH - Freedom House (23.1.2014): Freedom in the World 2014 - Turkey, http://www.ecoi.net/local_link/268023/395608_de.html , Zugriff 29.1.2014

HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Turkey, http://www.ecoi.net/local_link/267826/395180_de.html , Zugriff 23.1.2014

US DOS - United States Department of State (27.2.2014): Turkey - Country Reports on Human Rights Practices 2013, http://www.ecoi.net/local_link/270746/399288_de.html , Zugriff 6.3.2014

Korruption

Korruption ist weiterhin problematisch. Es wird über Druck auf die Justiz berichtet. Ebenso besteht Grund zur Sorge in Bezug auf die Vergabe von Regierungsaufträgen, da von großen Projekten vorgeblich AKP-Parteifunktionäre und die Streitkräfte profitierten. Der Korruptionsskandal, der im Dezember 2013 ans Licht kam, führte nicht nur zum Rücktritt von drei Ministern, sondern veranlasste auch einige AKP-Abgeordnete, die Partei zu verlassen. Viele Berichte beschreiben den Fall als eine Manifestation der Kluft zwischen der AKP und der Hizmet-Bewegung, die durch den islamischen Gelehrten Fethullah Gülen geprägt ist. Gülen hat die AKP-Regierung anfangs stark unterstützt und seine Unterstützer sind vor allem in Polizei und Justiz stark vertreten (FH 23.1.2014). Die Regierung wirft Gülens Anhängern vor, einen Staat im Staate gebildet zu haben, um Erdogan zu stürzen. Die Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung seien Teil dieser Verschwörung (Standard 13.2.2014d).

Istanbuler Staatsanwälte hatten Mitte Dezember 2013 Korruptionsvorwürfe publik gemacht. Dutzende Verdächtige wurden festgenommen, darunter führende Manager und die Söhne von drei Ministern, welche daraufhin zurücktraten [die Söhne sind mittlerweile wieder frei]. Erdogan sieht in den Ermittlungen jedoch eine Verschwörung regierungsfeindlicher Kräfte und geht seither gegen missliebige Beamte in Polizei und Justiz vor (Standard 23.1.2014a). Nach einer Zählung der türkischen Medien wurden bereits mehr als 6.000 Polizisten sowie Hunderte Richter und Staatsanwälte ihrer Posten enthoben (Standard 11.2.2014c), unter ihnen auch zahlreiche ranghohe Beamte (Standard 23.1.2014a), wie z.B. der Polizeichef von Istanbul. Zudem versetzte Erdogan leitende Staatsanwälte (WSJ 21.1.2014) und Richter (Standard 23.1.2014a). Auch hochrangige Beschäftigte der Banken- und Telekomaufsicht sowie des Staatsfernsehens wurden ihres Amtes enthoben (ORF 18.1.2014).

Nach der Verhaftung von rund 50 Verdächtigen hatten die Staatsanwälte und der Polizeichef von Istanbul eine zweite Verhaftungswelle vorbereitet. Der zweite Schlag hätte auch Erdogans ältesten Sohn wegen verdächtiger Immobiliengeschäfte erwischen können (Standard 20.1.2014b). Hintergrund der Ermittlungen sei laut Erdogan ein "Parallelstaat", der durch den in den USA ansässigen islamischen Prediger Fethullah Gülen gesteuert werde - ein ehemaliger Verbündeter Erdogans. Die sogenannte Gülen-Bewegung ist bekannt dafür, in der Türkei großen Einfluss in Justiz und Polizei zu haben und zunehmend Erdogans Machtposition zu gefährden. Erdogans Justizreform wird daher von Kritikern als Versuch interpretiert, die Macht der Gülen-Bewegung innerhalb des Justizapparats zu schwächen. Die Säuberungsaktion Erdogans wurde von der Opposition kritisiert (DW 16.2.2014).

Die Türkei führt Statistiken in Bezug auf Gerichtsentscheide bei Fällen von Korruption mit einer Aufgliederung in Bestechung, Unterschlagung, Erpressung und Machtmissbrauch. Alle diese vier Vergehen zusammengerechnet, gab es 2012 3.902 Verurteilungen, 15.265 Freisprüche und 69 Haftstrafen (EC 16.10.2013).

Transparency International reihte die Türkei im Korruptionswahrnehmungsindex 2013 auf Platz 53 von 177 untersuchten Ländern und Territorien (TI o.D.).

Quellen:

Der Standard (23.1.2014a): Regierung geht weiterhin gegen türkische Polizei vor,

http://derstandard.at/1389858041837/Regierung-geht-weiterhin-gegen-tuerkische-Polizei-vor , Zugriff 24.1.2014

Der Standard (20.1.2014b): Die Staatskrise in der Türkei, http://derstandard.at/1389857644355/Die-Staatskrise-in-der-Tuerkei , Zugriff 24.1.2014

Der Standard (11.2.2014c): Weitere türkische Staatsanwälte entlassen,

http://derstandard.at/1389860084109/Weitere-tuerkische-Staatsanwaelte-entlassen , Zugriff 12.2.2014

Der Standard (13.2.2014d): Türkischer Regierungschef Erdogan gab Druck auf Medien zu,

http://derstandard.at/1389860293470/Tuerkischer-Regierungschef-Erdogan-gab-Druck-auf-Medien-zu , Zugriff 14.2.2014

DW - Deutsche Welle (16.2.2014): Türkei: Mehr Kontrolle über die Justiz?

http://www.dw.de/t ürkei-mehr-kontrolle-über-die-justiz/a-17436264?maca=de-newsletter_de_suedostfokus-4930-txt-newsletter, Zugriff 21.2.2014

EC - European Commission (16.10.2013): Turkey 2013 Progress Report, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1384162890_tr-rapport-2013-en.pdf , Zugriff 24.1.2014

FH - Freedom House (23.1.2014): Freedom in the World 2014 - Turkey, http://www.ecoi.net/local_link/268023/395608_de.html , Zugriff 29.1.2014

ORF.at (18.1.2014): Öffentliche Schlüsselstellen, http://orf.at/stories/2214640/2214641/ , Zugriff 24.1.2014

TI - Transparency International (o.D.): Corruption Perceptions Index 2013, http://cpi.transparency.org/cpi2013/results/ , Zugriff 24.1.2014

WSJ - Wall Street Journal (21.1.2014): Erdogans ehemaliger Weggefährte Gülen wirft ihm Verrat vor, http://www.wsj.de/article/SB10001424052702304302704579334163811960846.html?mod=WeltFeed , Zugriff 24.1.2014

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Menschenrechtsorganisationen können wie andere Vereinigungen gegründet und betrieben werden, unterliegen jedoch (wie alle Vereine) der rechtlichen Aufsicht durch das Innenministerium nach Maßgabe des Vereinsgesetzes. Ihre Aktivitäten werden von Sicherheitsbehörden und Staatsanwaltschaften beobachtet (AA Bericht 26.8.2012).

Die Türkei hat eine Fülle an zivilen Vereinigungen und NGOs - 80.000 registrierte Vereine und einige hundert Gewerkschaften und Kammern. Die meisten von ihnen können ungehindert agieren. Die Bürokratie bei der Bewilligung zu Arbeiten und Gelder einzuheben kann aber mühsam sein (FH 4.11.2011).

Zu den wichtigsten, die meisten Menschenrechtsaspekte in der Türkei abdeckenden Organisationen zählen Insan Haklari Vakfi, Insan Haklari Dernegi, Mazlum-Der sowie Amnesty International (ÖB Ankara 10.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (26.8.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei

FH - Freedom House (4.11.2011): Countries at the Crossroads 2011, http://www.freedomhouse.org/sites/default/files/inline_images/TURKEYFINAL.pdf , Zugriff 13.2.2014

ÖB Ankara (10.2013): Asylländerbericht Türkei

Ombudsmann

Das Parlament wählte den ersten (leitenden) Ombudsmann im November 2012 und ernannte daraufhin fünf weitere Ombudsmänner. Die Institution des Ombudsmannes ist einsatzbereit und erhielt ab April 2013 Beschwerden. Die Arbeitsweise der Institution folgt den Empfehlungen des Europäischen Ombudsmannes. Die letzte Entscheidungskraft liegt beim leitenden Ombudsmann. Es gibt ein einfaches Antragsprozedere und Anträge in anderen Sprachen als Türkisch sind zugelassen. Es gibt noch Diskussionen in Bezug auf das Recht des Ombudsmannes selbstständig tätig zu werden, Vor-Ort-Kontrollen und Nachuntersuchung der Empfehlungen des Ombudsmannes durch das Parlament.

Seit Juli 2013 erhielt die Institution mehr als 3.400 Anträge bezüglich mutmaßlicher Verletzungen von Menschenrechten, der Rechte von Behinderten, Themen in Zusammenhang mit dem Öffentlichen Dienst, soziale Sicherheit, Eigentumsrechte, finanzielle, wirtschaftliche und steuerliche Themen und Verhaltensweise von lokalen Verwaltungen. In Bezug auf die türkischen Streitkräfte ließ er Beschwerden über Entlassung und Misshandlung während der Wehrpflicht zu. Der Ombudsmann erhielt 23 Beschwerden in Bezug auf die Gezi Park-Proteste.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Einrichtung der Institution des Ombudsmannes so schnell funktionierte ist ein wichtiger Schritt, um Bürgerrechte zu sichern. Die Institution unternahm einige Schritte in die richtige Richtung, trotzdem sind noch Anstrengungen zu unternehmen, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Institution des Ombudsmannes zu festigen (EC 16.10.2013).

Quellen:

EC - European Commission (16.10.2013): Turkey 2013 Progress Report, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1384162890_tr-rapport-2013-en.pdf , Zugriff 24.1.2014

Allgemeine Menschenrechtslage

Mit inzwischen zahlreichen Reformpaketen hat die Türkei seit August 2002 viele der in der EU-Beitrittspartnerschaft aufgelisteten Prioritäten im Menschenrechtsbereich in Angriff genommen:

Abschaffung der Todesstrafe, Maßnahmen zur Verhütung sowie zur erleichterten Strafverfolgung und Bestrafung von Folter ("Null-Toleranz-Politik"), Ausweitung der Vereinsfreiheit, Ermöglichung der Wiederaufnahme von Verfahren nach einer Verurteilung der Türkei durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Stärkung der zivilen Kontrolle über das Militär, Beendigung gesetzlicher Diskriminierungen von Frauen sowie eine grundlegende Reform des Straf- und Strafprozessrechts haben viele Verbesserungen gebracht. Weitere Reformen, vor allem im Bereich Religionsfreiheit, stehen noch aus. Auch bei der Durch- und Umsetzung von Gewerkschaftsrechten besteht trotz einiger Gesetzesänderungen in jüngster Zeit noch Handlungsbedarf (AA 11.2013).

Der Fortschrittsbericht der EU vom Oktober 2013 zeichnet in Sachen Menschenrechte ein gemischtes Bild: Dies berücksichtigt sowohl die umfangreiche Gesetzgebung im Bereich der Grundrechte durch mehrere Justizreformpakete und ein sogenanntes "Demokratisierungspaket". Es trägt aber auch der Tatsache Rechnung, dass es auf die Anwendung der Reformgesetze in der Praxis ankommt. Dies gilt v.a. auch im Bereich Presse- und Meinungsfreiheit, einschließlich der Nutzung der sozialen Netzwerke. Hier hat es nicht erst seit den harschen Reaktionen der Sicherheitskräfte auf die landesweiten Gezi-Proteste Verschlechterungen gegeben. Auch im Bereich der Versammlungsfreiheit bestehen weiterhin Probleme.

Den Schwerpunkt "Implementierung beschlossener Reformen" betont auch die EU immer wieder. Daneben hängt der effektive Grundrechtsschutz wesentlich auch von den Entscheidungen türkischer Gerichte ab, die das geltende Recht auslegen (AA 11.2013, vgl. EC 16.10.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (11.2013): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8D1DF29A298B4464F5B55910F8278683/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tuerkei/Innenpolitik_node.html , Zugriff 12.2.2014

EC - European Commission (16.10.2013): Turkey 2013 Progress Report, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1384162890_tr-rapport-2013-en.pdf , Zugriff 12.2.2014

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

Obwohl das Gesetz Versammlungsfreiheit vorsieht, sah die Regierung die meisten Demonstrationen als Sicherheitsbedrohung an und bot eine große Anzahl an Bereitschaftspolizisten auf, um die Massen zu kontrollieren - häufig unter Anwendung exzessiver Gewalt. Zusammenkünfte an bestimmten Orten oder Tagen wurden eingeschränkt, Demonstrationen verboten, vor allem wenn es sich um sensible Themen handelte, oder wenn sie regierungskritisch waren. Die Einschränkungen zur Versammlungsfreiheit bestanden das ganze Jahr 2013, die Behörden verhafteten zehntausende Personen während legaler Demonstrationen. Die Jandarma berichtete, dass mit Oktober 2013

15.371 Studenten wegen Vorfällen in Bezug auf Störung der Öffentlichen Sicherheit in Haft sind. Auch Verstöße in Bezug auf Terrorismus wurden vom Justizministerium gemeldet. Zahlreiche nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit und die Tendenz der Sicherheitskräfte exzessive Gewalt als Strafe gegen Demonstranten einzusetzen (US DOS 27.2.2014, vgl. HRW 21.1.2014).

Was die Vereinigungsfreiheit anbelangt, so haben sich die seit 2004 vorgenommenen Änderungen des Rechtsrahmens positiv ausgewirkt. Unter anderem erhöhten sich die Zahl der Vereinigungen und deren Mitgliederzahl. Einigen zivilgesellschaftlichen Vereinigungen werden immer noch Hindernisse in den Weg gelegt und zwei ausländische Organisationen durften sich in der Türkei nicht etablieren (ÖB Ankara 10.2013).

Bzgl. politischen Parteien und Gewerkschaften wurde der rechtliche Rahmen noch nicht geändert. Gewerkschaften klagen über unzureichende Schutzrechte. Immer wieder werden in der Türkei politische Parteien verboten und Politiker mit Politikverbot belegt. Zuletzt war dies die pro-kurdische DTP (ÖB Ankara 10.2013, vgl. EC 16.10.2013).

Politisch Oppositionelle werden nicht systematisch verfolgt. Die Arbeit der oppositionellen pro-kurdischen und in Teilen PKK-nahen BDP (Baris ve Demokrasi Partisi), die die 2009 verbotene DTP (Demokratik Toplum Partisi) ersetzt, wurde jedoch seit ihrem Bestehen ebenso wie ihre Vorgängerorganisationen von Seiten der Justiz durch Verfahren behindert, die die Meinungsfreiheit oder die politische Betätigungsfreiheit der BDP-Abgeordneten oder -Mitglieder einschränken (AA Bericht 26.8.2012).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (26.8.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei

EC - European Commission (16.10.2013): Turkey 2013 Progress Report, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1384162890_tr-rapport-2013-en.pdf , Zugriff 24.1.2014

HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Turkey, http://www.ecoi.net/local_link/267826/395180_de.html , Zugriff 13.2.2014

ÖB Ankara (10.2013): Asylländerbericht Türkei

US DOS - United States Department of State (27.2.2014): Turkey - Country Reports on Human Rights Practices 2012, http://www.ecoi.net/local_link/270746/399288_de.html , Zugriff 10.3.2014

Haftbedingungen

Die materielle Ausstattung der Haftanstalten wurde in den letzten Jahren deutlich verbessert und die Schulung des Personals wurde fortgesetzt. Dennoch gibt es - trotz Bemühungen türkischer Behörden - Kritik an den Haftbedingungen. Vor allem Hochsicherheitsgefängnisse (Typ F) weisen Mängel auf. Die Gefängnisse werden regelmäßig von den Überwachungskommissionen für die Justizvollzugsanstalten inspiziert und auch von UN-Einrichtungen und dem Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter besucht. Zu den noch ungelösten Problemen in den Haftanstalten gehören die Überbelegung, die unzulängliche Umsetzung der Bestimmungen über Gemeinschaftsaktivitäten, die Beschränkungen des Briefverkehrs und die unzureichende Gesundheitsversorgung, einschließlich im psychiatrischen Bereich. Mehrere europäische Staaten überstellen Häftlinge zum Haftvollzug in der Türkei; teilweise wird dies an gewisse Auflagen geknüpft.

Die Bestimmungen über die Einzelhaft für Personen, die zu einer lebenslänglichen Haft unter erschwerten Bedingungen verurteilt wurden, sind nach wie vor in Kraft. Derartige Haftbedingungen dürfen nur über einen möglichst kurzen Zeitraum hinweg angeordnet werden, wobei eine individuelle Risikobewertung in Bezug auf den jeweiligen Häftling vorzunehmen ist.

Im Herbst 2013 gab es Medienberichte über die Misshandlung von Jugendlichen in Gefängnisanstalten (ÖB Ankara 10.2013).

Die Grundausstattung der türkischen Gefängnisse entspricht nach Angaben des türkischen Justizministeriums den EU-Standards. Auch der Ausschuss des Europarats für die Verhütung der Folter (CPT) bestätigt, dass die materiellen Bedingungen in den Haftanstalten im Großen und Ganzen adäquat seien (AA 26.8.2012).

Die Reform des Gefängnis-Systems geht weiter, inklusive verbesserter Haftbedingungen und Anstrengungen, um die Überbelegung zu bekämpfen. Trotzdem ist die Überbelegung problematisch, da sie Auswirkungen auf Hygiene und räumliche Verhältnisse hat. Gefängnisse haben teils nicht ausreichende Ressourcen zur Verfügung. Missbrauchsvorwürfe gibt es weiterhin und eine Überarbeitung des Beschwerdesystems ist überfällig (EC 16.10.2013).

Die lokale NGO Human Rights Association (HRA) berichtete, dass die Freilassung kranker Häftlinge stieg (US DOS 27.2.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (26.8.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei

EC - European Commission (16.10.2013): Turkey 2013 Progress Report, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1384162890_tr-rapport-2013-en.pdf , Zugriff 12.3.2014

ÖB Ankara (10.2013): Asylländerbericht Türkei

US DOS - United States Department of State (27.2.2014): Turkey - Country Reports on Human Rights Practices 2013, http://www.ecoi.net/local_link/270746/399288_de.html , Zugriff 6.3.2014

Todesstrafe

In der Türkei wurde die Todesstrafe vollständig abgeschafft (ÖB Ankara 10.2013).

Quellen:

ÖB Ankara (10.2013): Asylländerbericht Türkei

Ethnische Minderheiten

Die Türkei hat etwa 80 Millionen Einwohner (CIA 14.1.2014). Ca. 70% sind ethnische Türken und nahezu 20% Kurden - im Gesamten etwa 10 bis 15 Millionen. Der Rest verteilt sich auf kleinere ethnische Gruppierungen (BAA/OIN 1.2013), wie Kaukasier, Roma, Lasen und andere Gruppen in kleiner und unbestimmter Anzahl (Araber, Bulgaren, Bosnier, Pomaken und Albaner). Türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeiten sind aufgrund ihrer Abstammung keinen staatlichen Repressionen unterworfen. Aus den Ausweispapieren, auch aus Vor- oder Nachnamen, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist (Ausnahme: Kleinkindern dürfen seit 2003 kurdische Vornamen gegeben werden) (AA Bericht 26.8.2012).

Die Türkei verfolgt einen sehr restriktiven Ansatz beim Minderheitenschutz. Nach türkischer Auffassung werden, gemäß türkischer Interpretation des Abkommens von Lausanne 1923 nur Juden, Armenier und Griechen von den Behörden als Minderheiten anerkannt - nicht aber die wesentlich größeren kurdischen, arabischen etc. Gemeinschaften.

Kinder mit einer anderen Muttersprache als Türkisch können diese (außer den vom Lausannevertrag anerkannten armenischen, griechischen und jüdischen Minderheiten) nicht im staatlichen Schulsystem als Hauptsprache erlernen.

Die Verwendung anderer Sprachen als Türkisch ist im politischen Leben gesetzlich nicht zulässig. Mehrere Ermittlungs- und Gerichtsverfahren wurden gegen Parteifunktionäre und führende Mitglieder der Partei der BDP wegen Verstoßes gegen Artikel 81c des Parteiengesetzes eröffnet, der die Verwendung anderer Sprachen als Türkisch durch politische Parteien verbietet. Immer wieder wurden kurdisch-stämmige PolitikerInnen auf Grund dieses Artikels zu Haftstrafen verurteilt. Dennoch ist hier eine größere Toleranz in der Praxis bemerkbar, d.h. eine Strafverfolgung erfolgt bzw. unterbleibt je nach Einstellung regionaler Behörden (Staatsanwälte, Richter).

Mit dem vierten Justizreformpaket wurde durch eine Gesetzesnovelle, die Verwendung von anderen Sprachen als Türkisch (also v.a. Kurdisch) vor Gericht und in öffentlichen Ämtern (Krankenhäusern, Postämtern, Banken, Steuerämtern etc.) ermöglicht. (ÖB Ankara 10.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (26.8.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei

BAA/OIN - Bundesasylamt/Office of Immigration and Nationality Hungary (1.2013): Situation of Kurds in Turkey. A joint report by COI-experts from Austria and Hungary

CIA - Central Intelligence Agency (14.1.2014): The World Factbook, People and Society,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/tu.html , Zugriff 22.1.2014

ÖB Ankara (10.2013): Asylländerbericht Türkei

Kurden

Das historische kurdische Siedlungsgebiet ist heutzutage aufgeteilt auf die Länder Türkei, Iran, Irak und Syrien. In der Türkei ist dies der Südosten des Landes. Ein großer Teil der Kurden - ca. 6 Millionen - leben dort und formen in einigen Regionen die Mehrheit. Dieser Teil der Türkei ist teilweise ökonomisch marginalisiert und es kommen feudalistische bzw. tribale Strukturen vor (BAA/OIN 1.2013).

Vor dem Hintergrund der Sorge, dass die Anerkennung ethnischer Unterschiede dem Auseinanderbrechen des zentralistischen Einheitsstaates Vorschub leisten könnte, werden alle Staatsbürger der Türkei laut Verfassung als vor dem Gesetz gleichberechtigte Individuen und nicht als Angehörige einer Mehrheit oder Minderheit angesehen. Ihre ethnische Zugehörigkeit wird amtlich nicht erfasst.

Viele Kurden leben verstreut im Land und sind dort in die türkische Gesellschaft integriert. Ihre Lage hat sich in den letzten Jahren dank Infrastrukturmaßnahmen, einer - wenn auch begrenzten - Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie bei der Gewährung kultureller Rechte deutlich verbessert (AA 11.2013). Das staatliche Fernsehen hat seit 1.Jänner 2009 24 Stunden täglich kurdische Sendungen. Im März 2010 wurde einem neuen Radiosender in Diyarbakir, Cagri FM, die Genehmigung zur Ausstrahlung von Sendungen in Kurmanci und Zaza (Kurdische Dialekte) erteilt. Damit gibt es nun vier lokale Radio- und Fernsehanstalten, die auf Kurdisch senden. Sendungen, mit Ausnahme von Liedern, müssen ins Türkische übersetzt oder mit türkischen Untertiteln gezeigt werden, was bei Livesendungen große technische Probleme aufwirft. Die Ausstrahlung kurdischer Sprachkurse ist nicht erlaubt. Gegen einige Moderatoren laufen Gerichtsverfahren aus banalen Gründen.

Seit Mitte 2012 gibt es die Möglichkeit, Kurdisch als Wahlfach theoretisch an allen Schulen landesweit zu belegen. Seit Ende 2013 gibt es auch theoretisch die Möglichkeit kurdische Privatschulen zu eröffnen. Diesbezüglich problematisch ist jedoch die derzeitig noch zu geringe Anzahl an Kurdischlehrern, deren Ausbildung erst erfolgt. Weiters scheint es administrative Probleme an den Schulen zu geben (ÖB Ankara 10.2013).

Zur Lösung des seit Mitte der 1980er Jahre gewaltsam ausgetragenen Kurdenkonflikts finden seit Ende 2012 Gespräche zwischen dem türkischen Staat und dem inhaftierten Anführer der sowohl in der Türkei als auch von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK Abdullah Öcalan statt. Nach heftigen bewaffneten Auseinandersetzungen in den vergangenen zwei Jahren herrscht seit März 2013 erstmals wieder eine von beiden Seiten eingehaltene Waffenruhe, die Hoffnungen auf eine endgültige Beilegung des Konflikts in Verbund mit einer generellen Demokratisierung der Türkei nährt. Dieser Friedensprozess genießt daher auch bislang breite gesellschaftliche Unterstützung (AA 11.2013), obwohl die PKK am 9.9.2013 den Abzug ihrer Kämpfer gestoppt hat. Dies war das Resultat der Verhandlungen zwischen türkischer Regierung und Abdullah Öcalan im Zuge der Aussöhnung. Die Rebellenbewegung warf der türkischen Regierung vor, in der "kurdischen Frage" keine Fortschritte zu machen. Die Regierung setze die angekündigten Reformen zur Stärkung der Rechte der Kurden nicht um und sei deshalb allein dafür verantwortlich, dass die PKK ihren Abzug in den Irak gestoppt habe. Zugleich versicherten die Rebellen, am Waffenstillstand weiter festzuhalten, um der Regierung die Möglichkeit einzuräumen, Initiativen zu ergreifen. Die türkische Regierung wiederum wirft der PKK vor, ihre Versprechungen nicht eingehalten zu haben, da bis jetzt nur ein Fünftel der ca. 2500 Kämpfer die Türkei verlassen hat (Standard 9.9.2013a). Im Jänner 2014 forderte XXXX die türkische Regierung auf, den stockenden Friedensprozess mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) wieder in Gang zu bringen (Standard 12.1.2014b).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (11.2013): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8D1DF29A298B4464F5B55910F8278683/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tuerkei/Innenpolitik_node.html , Zugriff 22.1.2014

BAA/OIN - Bundesasylamt/Office of Immigration and Nationality Hungary (1.2013): Situation of Kurds in Turkey. A joint report by COI-experts from Austria and Hungary

Der Standard (9.9.2013a): PKK stoppt vereinbarten Rückzug aus der Türkei,

http://derstandard.at/1378248464399/Medienbericht-PKK-stoppt-vereinbarten-Rueckzug-aus-der-Tuerkei , Zugriff 30.1.2014

Der Standard (12.1.2014b): XXXX fordert Fortsetzung des Friedensprozesses,

http://derstandard.at/1388650748276/Oecalan-fordert-Fortsetzung-des-Friedensprozesses , Zugriff 30.1.2014

ÖB Ankara (10.2013): Asylländerbericht Türkei

Bewegungsfreiheit

Die türkische Justiz sowie die türkischen Sicherheitskräfte haben Zugriff auf das gesamte Staatsgebiet (AA Bericht 26.8.2012). Bewegungsfreiheit im Land, Reisen ins Ausland, Auswanderung und Repatriierung werden gesetzlich garantiert, in der Praxis hat die Regierung diese Rechte allerdings zeitweise eingeschränkt. Die Verfassung besagt, dass die Reisefreiheit innerhalb des Landes nur durch einen Richter in Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Untersuchung oder Verfolgung eingeschränkt werden kann. Aufgrund des Friedensprozesses hat sich die Anzahl an Checkpoints im Südosten des Landes beachtlich verringert - laut der türkischen NGO Human Rights Association (HRA) um ca. 70% (US DOS 27.2.2014).

Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzen, können die Grenzkontrolle grundsätzlich ungehindert passieren. In Fällen von Rückführungen gestatten die türkischen Behörden die Einreise nur mit türkischem Reisepass oder Passersatzpapier. Bei der Einreise in die Türkei wird keine Kontrolle dahingehend durchgeführt, ob eine Verwandtschaft zu Personen besteht, die im Zusammenhang mit Aktivitäten für die PKK verurteilt worden sind.

Wenn bei der Einreisekontrolle festgestellt wird, dass für die Person ein Eintrag im Fahndungsregister besteht, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Wenn festgestellt wird, dass ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird die Person ebenfalls in Polizeigewahrsam genommen. Im sich anschließenden Verhör durch einen Staatsanwalt oder durch einen von ihm bestimmten Polizeibeamten, wird der Festgenommene mit den schriftlich vorliegenden Anschuldigungen konfrontiert, ein Anwalt in der Regel hinzugezogen. Der Festgenommene wird ärztlich untersucht. Der Festgenommene darf zunächst 24 Stunden festgehalten werden. Eine Verlängerung dieser Frist auf 48 Stunden ist möglich. Danach findet erneut eine ärztliche Untersuchung statt. Es erfolgt eine weitere Befragung im Beisein eines Anwaltes. Der Staatsanwalt verfügt entweder die Freilassung oder überstellt den Betroffenen dem zuständigen Richter mit dem Antrag auf Erlass eines Haftbefehls. Bei der Befragung durch den Richter ist der Anwalt ebenfalls anwesend. Wenn auf Grund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Strafverfahren anhängig ist, wird die Person bei der Einreise festgenommen und der Staatsanwaltschaft überstellt. Ein Anwalt wird hinzugezogen und eine ärztliche Untersuchung vorgenommen.

Der Staatsanwalt überprüft von Amts wegen, ob der Betroffene von den Amnestiebestimmungen des 1991 in Kraft getretenen Antiterrorgesetzes Nr. 3713 oder des im Dezember 2000 in Kraft getretenen Gesetzes Nr. 4616 (Gesetz über die bedingte Entlassung, Verfahrenseinstellung und Strafaussetzung zur Bewährung bei Straftaten, die vor dem 23. April 1999 begangen worden sind) profitieren kann oder ob gemäß Art. 102 StGB a. F. (jetzt Art. 66 StGB n. F.) Verjährung eingetreten ist. Sollte das Verfahren aufgrund der vorgenannten Bestimmungen ausgesetzt oder eingestellt sein, wird der Festgenommene freigelassen. Andernfalls fordert der Staatsanwalt von dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, einen Haftbeschluss an. Der Verhaftete wird verhört und mit einem Haftbefehl - der durch den örtlich zuständigen Richter erlassen wird - dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, überstellt. Während der Verhöre - sowohl im Ermittlungs- als auch im Strafverfahren - sind grundsätzlich Kameras eingeschaltet (AA Bericht 26.8.2012).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (26.8.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei

US DOS - United States Department of State (27.2.2014): Turkey - Country Reports on Human Rights Practices 2013, http://www.ecoi.net/local_link/270746/399288_de.html , Zugriff 6.3.2014

Grundversorgung/Wirtschaft

Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist in der Türkei von einem erheblichen Wirtschaftswachstum gekennzeichnet. Nach einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2001 erholte sich die türkische Wirtschaft sehr rasch und konnte die globale Finanzkrise zwar nicht völlig unbeeinträchtigt, aber doch relativ gut und vor allem rasch meistern. Der Aufschwung betrifft am meisten die Städte im Westen und weniger die benachteiligten Regionen im Osten, jedoch sei hier auf Entwicklungsprogramme verwiesen, wie zum Beispiel das Südostanatolien-Projekt (BAA 6.2011).

Die Steigerung des BIP ist beeindruckend. Aufgrund der Krise 2009 kam es zwar zu einem negativen Wachstum von 4,8%, das Land erholte sich jedoch sehr schnell und wies eindrucksvolle 9,2% und 8,5% in den Jahren 2010 und 2011 auf. Laut TurkStat liegt die Türkei nun auf Platz 16 der größten Volkswirtschaft innerhalb der OECD-Länder (Bertelsmann Stiftung 2014). In den Jahren 2011 und 2010 hat die Türkei zwar das weltweit zweitgrößte Wirtschaftswachstum nach China erzielt, doch dem Wirtschaftsboom folgte in 2012 mit einem BIP von 2,2% eine Abkühlung, die im ersten Halbjahr 2013 (BIP: 3,7%) nur teilweise durch den starken Anstieg der staatlichen Investitionen (+55%) ausgeglichen werden konnte. Dennoch kann die Wirtschaftsentwicklung in der Türkei als positiv bewertet werden. Insbesondere hat das Land während der letzten Jahre weder durch die Turbulenzen in der Eurozone - mit dem Wegbrechen wichtiger Exportmärkte - noch durch die politischen Unruhen im Nachbarland Syrien nachhaltigen Schaden hinnehmen müssen.

Die türkische Regierung plant diverse Maßnahmen und Reformen zur Verringerung ihres chronisch hohen Leistungsbilanzdefizits. Dazu gehört einerseits die Verringerung ihrer (Energie-) Importabhängigkeit u.a. durch die verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien und die Stärkung ihrer Industrieproduktion sowie Förderung ihrer Exportwirtschaft. Ein prioritäres Thema ist hierbei auch die Stärkung der im internationalen Vergleich sehr niedrigen nationalen Sparquote. Mit der Förderung von Spareinlagen im privaten Rentenversicherungssystem sowie der Einschränkung des stark ausgeprägten kreditfinanzierten Privatkonsums versucht die Regierung das Sparbewusstsein in der Bevölkerung zu erhöhen.

Im Zuge der konjunkturellen Abkühlung hat die türkische Regierung ihre ursprüngliche Wachstumserwartung für das Gesamtjahr 2013 von 4% auf 3,6% gesenkt. Das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu laufenden Marktpreisen betrug im Jahr 2012 1.416,8 Mrd. TL (Türkische Lira; 786,4 Mrd. USD). Das Pro-Kopf-Einkommen stieg im Jahr 2012 geringfügig auf 10.504 USD; für Ende 2013 wird ein Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens auf 10.818 USD erwartet.

Die Inflation (Verbraucherpreise) die im Jahr 2011 noch auf 10,5% angestiegen war, konnte Ende 2012 auf 6,5% gesenkt werden (im September 2013 lag die Inflation bei 7,4%). Die Inflationserwartung der Regierung für das Gesamtjahr 2013 liegt bei 6,8%.

Am 5. November 2012 hob die Ratingagentur Fitch die Bonitätsstufe der Türkei auf "Investment-Grad-Niveau" an; Fremdwährungsanleihen wurden um eine Stufe auf "BBB"- und Anleihen mit inländischer Währung sogar um zwei Stufen auf "BBB" heraufgestuft. Standard & Poor erhöhte Ende März 2013 das Rating der Türkei ebenfalls auf BBB, eine Stufe unter "Investment-Grad-Niveau" (AA 11.2013).

Im Jahr 2011 wurde die Türkei im Human Development Index (HDI) der UN mit einem Wert von 0,699 auf Position 92 geführt [je näher Zahl an 1, desto höher entwickelt]. Das Land verbesserte sich um drei Ränge und konnte dadurch die Gruppe der hoch entwickelten Länder erreichen (Bertelsmann Stiftung 2014). Im aktuellen HDI-Bericht konnte das Land nochmal zwei Ränge gut machen und liegt nun an 90. Stelle mit einem Wert von 0,722 [zum Vergleich Österreich: Rang 18 mit einem Wert von 0,895] (UNDP 14.3.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (11.2013): Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_E9DC3FE4C4E50A1CDD48B99ED27D8701/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tuerkei/Wirtschaft_node.html , Zugriff 25.2.2014

BAA - Staatendokumentation (6.2011): Länderinfo zur Türkei, http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1311595147_laenderinformation-tuerkei.pdf , Zugriff 25.2.2014

Bertelsmann Stiftung (2014): Bertelsmann Stiftung's Transformation Index (BTI),

http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI 2014 Turkey.pdf , Zugriff 25.2.2014

UNDP - United Nations Development Programme (14.3.2013): Human Development Report 2013,

http://hdr.undp.org/en/countries/profiles/TUR , Zugriff 25.2.2014

Sozialbeihilfen/-versicherung

Zum 1.1.2012 hat die Türkei eine allgemeine, obligatorische Krankenversicherung eingeführt. Grundlage für das neue Krankenversicherungssystem ist das Gesetz Nr. 5510 über Sozialversicherungen und die Allgemeine Krankenversicherung vom 01.10.2008. Der grundsätzlichen Krankenversicherungspflicht unterfallen alle Personen mit Wohnsitz in der Türkei, Ausnahmen gelten lediglich für das Parlament, das Verfassungsgericht, Soldaten/Wehrdienstleistende, Häftlinge sowie für die noch bis 2013 über eigene Betriebskrankenkassen versicherten Bankangestellten. Die obligatorische Krankenversicherung erfasst u.a. Leistungen zur Gesundheitsprävention, stationäre und ambulante Behandlungen und Operationen, Laboruntersuchungen, zahnärztliche Heilbehandlungen sowie Medikamente, Heil- und Hilfsmittel. Unter bestimmten Voraussetzungen sind auch Behandlungen im Ausland möglich (AA Bericht 28.6.2012). In den letzten Jahren stieg die Anzahl von versicherten Personen merklich. Mittlerweile sind ca. 90% der türkischen Bevölkerung versichert. Krankenversicherung wird entweder von einer Person selbst oder vom Staat bezahlt, dies ist von einer Bedürftigkeitsüberprüfung abhängig (BS 2014).

Die türkischen Sozialversicherungsinstitutionen SSK, BAG-KUR und EMEKLI SANDIGI wurden zusammengefasst in einer einzigen Einrichtung zur sozialen Sicherung. Alle Personen, die einer der drei Institutionen angehörten, werden künftig im Rahmen des "SGK" betreut. Die Kosten der allgemeinen Krankenversicherung liegen in der Regel bei 12 % des Einkommens (5% bzw. 7% Arbeitnehmer-/Arbeitgeberanteil). Personen, die nicht im Rahmen einer der oben genannten Sozialversicherungsinstitutionen versichert sind, erhalten einen Versicherungsschutz durch die Entrichtung der entsprechenden Beiträge. Personen, die nachgewiesenermaßen nicht in der Lage sind, für die Beiträge aufzukommen, können eine staatliche Beitragsdeckung beantragen. Das Versicherungspflichtsystem ist zum 1.10.2008 in Kraft getreten. Die monatlichen Prämien betragen 40,86 TL, 122,58 TL bzw. 245,16 TL. Personen, die vorher nicht versichert waren, zahlen 176 TL.

Bedürftige Personen können durch die örtlichen Ämter oder "Kaymakamlik" an ihrem Wohnort, Kontakt mit dem Ministerium für Soziale Hilfe bzw. dem Solidaritätsfonds aufnehmen. Unterstützung können erhalten: Personen, die älter als 65 Jahre sind, behinderte Menschen, die älter als 18 Jahre sind und Personen, die Vormund/Erziehungsberechtigter eines minderjährigen Familienangehörigen mit Behinderung sind. Dokumente:

Antragsformular, amtsärztlicher Krankenbericht, 3 Passbilder, schriftliche Bestätigung der Behinderung zur Weiterleitung an das zuständige Finanzbüro der Provinz (IOM 8.2013).

Die Institution für Soziale Dienstleistungen und dem Schutz von Kindern ist zuständig für Personen und Familien, die nicht in der Lage sind, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Bei der Verteilung von Sachleistungen werden u.a. die sozio-ökonomischen Gegebenheiten des jeweiligen Wohngebietes berücksichtigt. Die Sachleistungen werden bedürftigen Personen in der Regel für ein halbes oder ein ganzes Jahr gewährt (IOM 8.2013).

Quellen:

BS - Bertelsmann Stiftung (2014): Bertelsmann Stiftung's Transformation Index (BTI),

http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI 2014 Turkey.pdf , Zugriff 29.1.2014

IOM - International Organisation for Migration (8.2013): Country Fact Sheet Türkei 2013

Arbeitslosenunterstützung

Alle Arbeitnehmer, einschließlich derer, die in der Landwirtschaft, im Forstwesen und im Bereich Dienstleistung tätig sind, sind unterstützungsberechtigt, wenn sie zuvor ein geregeltes Einkommen im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung erhalten haben. Selbständige sind nicht anspruchsberechtigt. Der durchschnittliche Betrag der Unterstützungsleistungen kann das Nettomindesteinkommen nicht überschreiten.

Benötigte Dokumente sind ein entsprechender Antrag an das Direktorat des Türkischen Beschäftigungsbüros (ISKUR) innerhalb eines Monats nach Jobverlust (einschließlich schriftlicher Bestätigung vom Arbeitnehmer und Personalausweis) (IOM 8.2013).

Quellen:

IOM - International Organisation for Migration (8.2013): Country Fact Sheet Türkei 2013

Mikrokredite

Personen (vor allem Frauen), die sich in der Türkei selbständig machen möchten, können hierfür Mikrokredite in Anspruch nehmen.

Einige der Kreditgeber sind:

Mersin: Içel Handcrafts and Education Foundation

Bursa: Mimar Sinan Special Provincial Administration

Eskisehir: Eskisehir Governorate and Odunpazari Municipality

Diyarbakir: Turkish Foundation for Waste Reduction

Samsun: Community Volunteers Foundation

Sanliurfa: Sanliurfa Girisimci Kadinlar Dernegi (IOM 8.2013).

Grameen Microkreditprojekt Türkei

Es gibt ein Training für Personen, die einen Kredit nach dem Grameen Modell aufnehmen wollen. Das Trainingsprogramm beinhaltet Philosophie und Rahmenbedingungen des Mikrokredits, Informationen zur Durchführung, Details über Krediterhalt und Rückzahlung etc.

1-Tages-Kurse für Personen mit wenig Zeit

Während des Trainings können Kontakte geknüpft, Produktionsstätten besucht und die Teilnehmer nach ihrem Urteil gefragt werden

Interessierte Teilnehmer können das TGMP Büro in Diyarbakir kontaktieren, um Informationen über die Kurstermine zu erfragen (IOM 8.2013).

Quellen:

IOM - International Organisation for Migration (8.2013): Country Fact Sheet Türkei 2013

Medizinische Versorgung

Das Gesundheitssystem in der Türkei beinhaltet sowohl staatliche als auch private medizinische Einrichtungen. Personen, die im Rahmen des SSK, Bag-kur oder des Pensionsfonds registriert sind, können die öffentlichen Einrichtungen kostenlos konsultieren. Private Krankenhäuser sind verhältnismäßig teuer; eine entsprechende private Versicherung kann diese Kosten gegebenenfalls übernehmen.

Es gibt Türkeiweit 1.389 Krankenhäuser, von denen 490 privat geführt werden. Istanbul, die Stadt mit den meisten Krankenhäusern, verfügt über 281 Krankenhäuser, von denen 112 dem Gesundheitsministerium unterstehen. Sehr viele dem Ministerium angegliederte Krankenhäuser gibt es außerdem in Ankara (113), Izmir (93), Bursa (45), Konya (15) und Balikesir (13). Die Krankenhäuser des Ministeriums verfügen über insgesamt 120.535 Betten. Die meisten öffentlichen und privaten Krankenhäuser, die in den größeren Städten der Türkei zu finden sind, sind vollständig ausgestattet. Krankenhäuser, die über keine ausreichende Ausstattung verfügen, verlegen die Patienten in besser ausgerüstete Einrichtungen in der Umgebung. Apotheken (Eczane) sind landesweit zu finden, vor allem in der Nähe von Krankenhäusern.

Einige Medikamente werden zur besseren Kontrolle des Arzneimittelverkaufs durch das Ministerium gegen ein grünes oder rotes Rezept herausgegeben. Die Zuzahlungen liegen bei etwa 20% (Rentner 10%). Viele Medikamente können auch ohne Vorlage eines Rezeptes gekauft werden.

Die Institution für Soziale Dienstleistungen und den Schutz von Kindern ist zuständig für die Belange von Gruppen mit besonderen Bedürfnissen (Familien, Kinder, alleinstehende und kranke Senioren, Personen mit Behinderungen etc.) sowie für Gruppen mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen. Die Einrichtung versucht, bei der Problemlösung behilflich zu sein und die Lebenssituation zu verbessern (IOM 8.2013).

Der Zugang zur primären Gesundheitsversorgung hat sich verbessert. Das Gesundheitssystem leidet jedoch an einem Mangel an Arbeitskräften (Bertelsmann Stiftung 2014).

Quellen:

Bertelsmann Stiftung (2014): Bertelsmann Stiftung's Transformation Index (BTI),

http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI 2014 Turkey.pdf , Zugriff 29.1.2014

IOM - International Organisation for Migration (8.2013): Country Fact Sheet Türkei 2013

Behandlungsmöglichkeiten psychische Krankheiten

Die Behandlung psychischer Erkrankungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) ist in allen Krankenhäusern der Türkei möglich, die über eine Abteilung für Psychiatrie verfügen. Dauereinrichtungen für psychisch kranke Erwachsene gibt es nur in Form von geschlossenen Einrichtungen, welche chronisch erkrankte Patienten ohne familiäre Unterstützung und/oder bei Gefahr für die Öffentlichkeit aufnehmen. Geschlossene Einrichtungen gibt es u.a. in Elazig, Samsun, Manisa und Istanbul (Bakirköy Ruh ve Sinir Hastaliklari Hastanesi). Die türkische Ärzteschaft lehnt derartige Einrichtungen oft unter Hinweis auf eine bessere Pflege in den Familien ab. Der im Oktober 2011 veröffentliche "Nationale Aktionsplan für Mentale Gesundheit" sieht eine (weitere) Reduzierung der stationären Unterbringung zugunsten dezentraler ambulanter Angebote vor.

Es bestehen ca. 450 private Rehabilitationszentren für psychisch Kranke (unter der Aufsicht des Staatsministeriums für Familie und Sozialpolitiken) sowie Gästehäuser für Frauen und Männer, Familienberatungszentren und Stiftungen in Ankara, Istanbul, Eskisehir und Izmir, die sich die Betreuung von Menschen mit psychischen Behinderungen zur Aufgabe gemacht haben. Einige davon beschäftigen sich ausschließlich mit psychisch oder geistig behinderten Kindern (AA Bericht 26.8.2012).

Bei der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) wendet die Türkei die international anerkannten Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV an. Die Behandlungskonzepte umfassen u.a. Psychotherapie mit Entspannungstraining, Atemtraining, Förderung des positiven Denkens und Selbstgespräche, kognitive Therapie, Spieltherapie sowie Medikationen wie Antidepressiva und Benzodiazepine. Eine Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) ist grundsätzlich auch über die Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) möglich (AA Bericht 26.8.2012).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (26.8.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei

Behandlung nach Rückkehr

Es ist in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, in dem ein in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten - dies gilt auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen - gefoltert oder misshandelt worden ist. Aufgrund eines Runderlasses des Innenministeriums vom 18.12.2004 dürfen keine Suchvermerke mehr ins Personenstandsregister eingetragen werden. Sie kennzeichneten bis dahin Wehrdienstflüchtlinge oder zur Fahndung ausgeschriebene Personen. Angaben türkischer Behörden zufolge wurden Mitte Februar 2005 alle bestehenden Suchvermerke in den Personenstandsregistern gelöscht (AA Bericht 26.8.2012).

Personen die für die von der EU als Terrororganisation eingestuften PKK oder einer Vorfeldorganisation der PKK tätig waren, müssen in der Türkei mit langen Haftstrafen rechnen. Ähnliches gilt für andere Terrororganisationen (z.B. DHKP-C, türk. Hisbollah, al Kaida) (ÖB Ankara 10.2013).

Rückkehrer können von den Erfahrungen der schon zuvor Zurückgekehrten und Zuwanderern in der Türkei profitieren. Es gibt Vereine, die diese vor allem in den großen Städten wie Istanbul, Ankara, Izmir und Antalya gegründet haben. Hier werden auch spezielle Programme angeboten, die die Rückkehrer in Fragen wie Wohnungssuche, Versorgung etc. unterstützen. Im Folgenden eine kleine Auswahl:

Rückkehrer Stammtisch Istanbul c/o Lamia Congress & Event Management, E-Mail: info@lamiatanitim.com , Internet:

www.lamiatanitim.com

Deutschsprachiger Verein für Sozialarbeit e.V. / Alman Sosyal Etkinlikler Dernegi (ASED), E-Mail: tesemen@ttnet.net.tr

ADA e.V. Rückkehrerzentrum Antalya, ADA Almanya'dan Dönen Ailelerin Kültür, Dayanisma, ve Yardimlasma Dernegi, Mail:

cakirsaadet@hotmail.com

SGK - Institution für Soziale Sicherheit, Sosyal Güvenlik, Kurumu, Genel Müdürlügü, Kontakt: Sosyal Güvenlik Kurumu (SGK) , www.sgk.gov.tr

Die Brücke e.V./Köprü, Frau Christine Senol, c/o Beyaz Saray - The Hotel, Yeniçeriler Cad. 185, Beyazit, Istanbul, www.bruecke-istanbul.org

Deutsch Türkischer Verein für kulturelle Zusammenarbeit, Türk-Alman Kültürel Isbirligi Dernegi

Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (ZIRF), (ZIRF, https://milo.bamf.de , Hotline: 0911/94 30)

Der Verein Türk kadinlar Birligi e. V. ist eine Verbindungskette und Brücke zwischen Zugewanderten und deren Umgebungsgesellschaft (BAA 30.11.2011).

Obwohl es keine staatliche Anlaufstelle für Rückkehrer im speziellen gibt, haben sich Organisationen und Vereine gebildet, die Rückkehrer unterstützen. Meist sind die Gründer selbst Rückkehrer oder Zuwanderer. Die Mitglieder lassen neue Rückkehrer an ihren Erfahrungen teilhaben. Diese individuelle Beratung und Hilfe erleichtert es den Rückkehrern, ihre Probleme beim Aufbau einer neuen Existenz zu lösen. Rückkehrer können in der Türkei eine detaillierte und intensive Beratung durch verschiedenste Hilfs- und Beratungsvereine in Anspruch nehmen. In allen Themenbereichen gibt es heute Vereine und Organisationen, die das Leben in der Türkei für Rückkehrer in allen Fragen zur Seite stehen und den ersten Schritt in dem "neuen" Land erleichtern. Spezielle Programme (meist zu finden in Großstädten wie Ankara, Izmir, Istanbul etc.) für Frauen, Bedürftige, Kranke oder behinderte Menschen geben auch in diesen Bereichen Hilfestellungen und Beratung zur gemeinsamen Überlegung weiterer erforderlicher Schritte (BAA 30.11.2011).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (26.8.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei

BAA-Analysen der Staatendokumentation (30.11.2011): Türkei:

Rückkehrrelevante Themen

ÖB Ankara (10.2013): Asylländerbericht Türkei

Weiters wird festgehalten, dass in Bezug auf die Türkei zum Entscheidungszeitpunkt durch das ho. Gericht seitens des schweizerischen, deutschen oder österreichischen auswärtigen Amtes keine sich aus der allgemeinen Sicherheitslage ergebende generelle, landesweite Reisehinweise besteht, auch nicht in Bezug auf die Herkunftsregion bzw. den letzten Aufenthalt der bP (http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/hidden/hidde2/turkey.html ) ähnlich:

http://www.auswaertigesamt.de/DE/Laenderinformationen/00SiHi/TuerkeiSicherheit.html?nn=338384 #doc336356bodyText1],

ebenso ähnlich:

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender tuerkei-de.html) sämtliche genannte Quellen sind öffentlich zugänglich], wie sie im Falle einer angespannten Sicherheitslage üblich sind.

Aus den übereinstimmenden, öffentlich für jedermann zugänglichen und als notorisch bekannt anzusehenden Ausführungen des schweizerischen, deutschen oder österreichischen auswärtigen Amtes ist herleitbar, dass in der Türkei nicht Zustände herrschen, welche eine Rückkehr in das Land als unzumutbar erscheinen lassen. Viel mehr kann nicht festgestellt werden, dass sich die Sicherheitslage außerhalb der genannten temporär und lokal begrenzten Hotspots als herabgesetzt darstellt. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass sich die Fähigkeit des türkischen Staates außerhalb dieser Hotspots als beeinträchtigt darstellt.

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP in der Türkei Repressalien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit und Intensität ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP schon wegen ihrer Herkunft oder Ethnie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Repressalien rechnen müsste.

Weitere Ausreisegründe bzw. Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.

Beweiswürdigung

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die Feststellungen zur Person der bP ergeben sich aus ihren nicht widerlegten Angaben, dem vorgelegten Dokument (Nüfus) sowie ihren Sprach- und Ortskenntnissen.

Die Modalitäten der Einreise konnten nicht geklärt werden und wurden von der bP offensichtlich verschleiert. In der Erstbefragung hatte die bP angegeben, unter Mitwirkung eines unbekannten Schleppers auf der Ladefläche eines LKW's versteckt zwischen der Ladung von Istanbul bis Österreich gelangt zu sein (AS 23). In der Einvernahme beim Bundesasylamt gab der BF dagegen an, er sei im März 2011 für drei Tage und im Februar oder Mai 2012 für vier Tage in Österreich gewesen. Er sei damals mit Visum nach Österreich geflogen. Sie hätten einen Auftritt [mit ihrer Folkloregruppe] gehabt und er sei wieder zurückgereist (AS 67). Zuletzt sei er legal mit dem Flugzeug von Istanbul nach Österreich geflogen. Die Angaben aus der ersten Einvernahme [Erstbefragung] würden nicht stimmen, er sei nicht illegal eingereist. Sein Visum sei noch gültig gewesen und er sei am 02.08.2012 legal nach Österreich geflogen. Den Reisepass habe er vernichtet und weggeworfen (AS 67). Diese Aussagen stehen in völligem Widerspruch zu den Angaben in der Erstbefragung und belasten die persönliche Glaubwürdigkeit des BF erheblich. Auf Vorhalt konnte er keine plausible Erklärung für die divergierenden Aussagen abgeben (AS 73). In der Einvernahme am 18.07.2012 gab er auch an, dass er bei der Gruppe [Folkloregruppe] entlassen worden sei, wann dies gewesen sei, wisse er nicht, könne er nicht sagen (AS 73).

Es ist daher auch eine dritte Variante (neben einer schlepperunterstützten illegalen Einreise mit einem LKW oder einer Einreise mit dem Flugzeug) möglich, und zwar dass der BF nach seinem Aufenthalt vom "Februar oder Mai 2012" nicht wieder in die Türkei zurückgekehrt ist, sondern bei seiner Ehefrau in Österreich verblieb. Die Einreiseumstände sind insofern - auch weil er seinen Reisepass vernichtet und weggeworfen habe und er nicht wisse (oder sagen wollte) wann er nun entlassen worden sei - unklar.

II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten - immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse - der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen - allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden - aufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348).

Die bP trat auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen.

Soweit in der Beschwerdeergänzung auf einen Bericht verwiesen wurde, aus dem hervorgehe, dass kurdische Aktivisten immer noch Opfer von Schauprozessen und Unterdrückung durch die türkischen Behörden seien, so ist an dieser Stelle anzuführen, dass der BF an keiner Stelle in seinem bisherigen Verfahren angegeben hatte, ein solcher kurdischer Aktivist zu sein. Der zitierte Bericht ist daher im vorliegenden Fall schon aus diesem Grund nicht einschlägig.

II.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig ist.

Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [numehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).

II.2.5. In Ergänzung zu den Ausführungen der belangen Behörde wird seitens des erkennenden Gerichts Folgendes erwogen:

In der Erstbefragung am 06.08.2012 hatte der BF zum Fluchtgrund angegeben, dass sein Vater 1994 von staatsnahen Sympathisanten in Istanbul ermordet worden sei und seitdem seine Familie ständig unter Druck gesetzt werde. Sein Cousin kämpfe in den Bergen gegen den türkischen Staat. In XXXX komme es ständig zu Kämpfen zwischen der PKK und dem Militär. Er habe zuletzt als Folklorelehrer gearbeitet und sei ständig von der Polizei belästigt und zusammen geschlagen worden. Aus Angst habe er beschlossen die Türkei zu verlassen (AS 25). Er sei illegal ohne Reisepass ausgereist (AS 21). In der Einvernahme beim Bundesasylamt am 18.07.2013 dagegen gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, er wolle zu seiner Frau. Es habe keine Möglichkeit gegeben ein Visum für einen langfristigen Aufenthalt für Österreich zu bekommen. Daher sei er nach seiner Rückkehr von seinem Folkloreaufenthalt neuerlich ausgereist, da sein Visum noch gültig gewesen sei. Er wolle bei seiner Frau bleiben. Das sei der einzige Grund. Ihm selbst sei nichts passiert (AS 71). Auf Vorhalt der völlig anderen Angaben in der Erstbefragung gab der BF an, dass das nunmehr Gesagte stimme (AS 73). Damit konnte er aber die widersprüchlichen Angaben nicht plausibel aufklären.

In der Beschwerdeergänzung vom 04.04.2014 schließlich gab der BF an, sein Bruder sei zur PKK zugehörig und er [der BF] habe PKK Kämpfer unterstützt (Seite 5 Beschwerdeergänzung), was wiederum in Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen steht. In der Erstbefragung hatte er diesbezüglich angegeben, ein Cousin kämpfe in den Bergen gegen den türkischen Staat. Dass der BF PKK-Kämpfer unterstützt habe, hatte er bisher nie angegeben.

Zuletzt gab der BF in der öffentlichen mündlichen Verhandlung an, er sei ein Lehrer in Istanbul gewesen. Genauso wie er sei ein anderer... Er sei Kursleiter in einer Volkshochschule gewesen, er sei mit seinen Kursteilnehmern unterwegs gewesen. Auch ein anderer sei mit Kursteilnehmern unterwegs gewesen, er sei festgenommen worden, weil er mit anderen auf einem Berg gewesen sei. Sein Freund sei etwa 9 Monate lang in Haft gewesen, nach 9 Monaten sei er freigelassen worden (VHS Seite 5).

Diese Angaben (Lehrer in Istanbul) widersprechen sich mit den Angaben des BF in der Erstbefragung zu seinem Wohnort (XXXX vgl. AS 21) und beginn der Reisebewegung (XXXX - vgl. AS 21) sowie den Angaben in der Einvernahme beim BAA, dass er bis zum Tag seiner Ausreise in XXXX gewohnt habe (vgl. AS 67).

Das Vorbringen zu seinem Fluchtgrund ist insoweit widersprüchlich und damit unglaubwürdig. Bestätigt wird das auch durch die - wie bereits angeführt - gesteigerten Angaben in der Beschwerdeergänzung, der BF sei kurdischer Aktivist.

Bestätigt wird das auch dadurch, dass der BF auch zu seinen persönlichen Verhältnissen unrichtige Angaben machte.

In der Einvernahme am 18.07.2013 gab der BF an, dass er keine staatliche Unterstützung bekomme (AS 69). In der Beschwerdeergänzung vom 04.04.2014 führte er aus, dass er keine Unterstützung aus der Grundversorgung beziehe (Seite 6). In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24.06.2014 dagegen gab er an, er beziehe seit 6 oder 9 Monaten Grundversorgung 180 Euro monatlich.

Augenfällig ist auch der Umstand, dass die bP vor der belangten Behörde angab, eine von ihr bevorzuge legale Einreise mittels Visums sei ihr nicht möglich gewesen, da ihr ein entsprechender Titel verwehrt wurde, weshalb sie sich zur illegalen Einreise entschloss. Vor dem erkennenden Gericht brachte sie jedoch vor, die Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens ergebe sich schon aus dem Umstand, dass sie legal einreisen hätte können, jedoch aufgrund der Verfolgungsgefahr die entsprechende Zeit nicht zur Verfügung stand. Schon aus dieser Divergenz ergibt sich, dass die bP sichtlich unwahre Angaben tätigte, ihr Vorbringen im Hinblick auf den erhofften Verfahrensausgang aus Opportunitätserwägungen offensichtlich situationselastisch gestaltete und die rechtswidrige Einreise, deren näheren Umstände verschleiert wurden, sowie die anschließende Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz sichtlich der rechtsmissbräuchlichen Umgehung fremden- und niederlassungsrechtlichen Bestimmungen dienen.

Auch bestätigt der Umstand, dass die bP nicht einmal bereit bei der Feststellung der -in der Regel zumindest mittelbar bescheinigbarennäheren Umstände der Einreise in das Bundesgebiet im Verfahren mitzuwirken, die oa. Annahme und geht dies erheblich zu Lasten der persönlichen Glaubwürdigkeit der bP.

Zum Umfang des durchgeführten Ermittlungsverfahren ist auch festzuhalten, dass dann, wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher ist, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069). Dabei darf in diesem Zusammenhang aber nicht übersehen werden, dass auf Grund der Spezifika eines Asylverfahrens, unbeschadet dessen, dass es als antragsgebundenes Verwaltungsverfahren nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz abgeführt wird, die Anforderungen an einen Asylwerber auf Grund von fluchttypischen Sachzwängen nicht überzogen werden dürfen. Dennoch sieht der das asylrechtliche Ermittlungsverfahren zum Inhalt habende § 18 Asylgesetz 2005 keine Beweis- bzw. Bescheinigungslastumkehr zugunsten des Beschwerdeführers vor, sondern leuchtet aus den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung hervor, dass in dieser Bestimmung lediglich explizit darauf hingewiesen wird, dass das Asylverfahren den fundamentalen Prinzipen des Verwaltungsverfahrensrechts, insbesondere dem Prinzip der materiellen Wahrheit und dem Grundsatz der Offizialmaxime nach § 39 Absatz 2 AVG, folgt. Eine über §§ 37 und 39 Absatz 2 AVG hinausgehende Ermittlungspflicht normiert § 18 Asylgesetz nicht (vgl. schon die Judikatur zu § 28 AsylG 1997, VwGH 14.12.2000, Zahl 2000/20/0494). Auch muss die Partei - im Rahmen des ihr zu gewährenden Parteiengehörs - konkrete Vorbringen erstatten, was gegen die Ermittlungsergebnisse der Behörde spricht und allenfalls Gegenbeweise vorlegen (zB VwGH 14.12.1995, 95/19/1046). Unterlässt sie die erforderliche Mitwirkung, kann der Behörde aus der Unterlassung weiterer Ermittlungen kein Vorwurf gemacht werden (zB VwGH 20.9.1999, 98/21/0138). So kann die Untätigkeit der Partei im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung -idR zu Lasten der Partei - berücksichtigt werden (zB VwGH 26.2.2002, 2001/11/0220; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 172; Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, mwN auf die Judikatur des VwGH). Die nach gestelltem Antrag eintretende Verpflichtung der Behörde von Amts wegen vorzugehen, befreit somit die Partei nicht davon, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen (vgl auch Erk. d. VwGH vom 27.6.1997, 96/19/0256, ebenso Erk. d. VwGH vom 22.2.1994, 93/04/0064 mwN ).

Auch umschreibt der Gesetzgeber in § 15 AsylG in der zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des Verfahrens vor der belangten Behörde geltenden Fassung die Obliegenheit des Asylwerbers zur Mitwirkung und nennt hier etwa die Erstattung wahrheitsgemäßer Angaben und die Bescheinigung des Vorbringens (§ 15 Abs. 1 leg cit.).

Vor den oa. allgemeinen Ausführungen ist die belangte Behörde und letztlich das ho. Gericht ihren Obliegenheiten zur amtswegigen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts nachgekommen.

Im Lichte der unterlassenen Vorlage unbedenklicher Bescheinigungsmittel sind abseits der nationalen Rechtsprechung dazu auch die europarechtlichen Vorgaben von Bedeutung. So normiert die - nicht direkt anwendbare - Statusrichtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 als Ausfluss der Staatenpraxis in deren Artikel 4 Absatz 1 und 5 Folgendes: "Wenden die Mitgliedstaaten den in Absatz 1 Satz 1 genannten Grundsatz an, wonach der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz begründen muss, und fehlen für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese Aussagen keines Nachweises, wenn

a) der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu substanziieren;

b) alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

c) festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

d) der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war;

e) die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist."

Wendet man im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung diese sekundärrechtliche Norm auf das gegenständliche Verfahren an, so führt auch dies nicht zum Verzicht auf die Beischaffung von Bescheinigungsmitteln seitens der bP, zumal nicht festgestellt werden kann, dass sich der Antragsteller offenkundig bemühte seinen Antrag in Bezug auf die bestehenden Verfolgungshandlungen zu substantiieren, viel mehr war offensichtlich gegenteiliges der Fall. Weiters konnte die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers im Verfahren im oa. Ausmaß nicht festgestellt werden. Keinesfalls konnte festgestellt werden, dass die Aussagen des Antragstellers zur aktuellen Verfolgungssituation kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen.

Im gegenständlichen Fall ist daher festzustellen, dass der bP auch aus europarechtlicher Sicht die Glaubhaftmachung des behauptetermaßen ausreisekausalen Sachverhaltes nicht gelang, zumal nicht festgestellt werden konnte, dass die Aussagen der bP kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen und er aufgrund der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens auch den geforderten Nachweis nicht erbrachte (das Gebot der richtlinienkonformen Interpretation der entsprechenden asylrechtlichen Bestimmungen entspricht auch dem Gesetzgeber, vgl. Wortlaut der RV zum AsylG 2005: "...Mit dem vorgeschlagenen Entwurf

werden folgende Richtlinien umgesetzt ... : Richtlinie 2004/83/EG

des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 304 vom 30.09.2004 S. 12, CELEX Nr. 32004L0083; ...")

Das ho. Gericht weist auch darauf hin, dass den seitens der belangten Behörde durchgeführten Belehrungen ein suggestiver Charakter zukommt, indem etwa das der bP ausgefolgte Merkblatt über die Rechte und Pflichten von Asylwerbern eine genaue Anleitung darüber enthält, unter welchen gesetzlichen und sonstigen Voraussetzungen der Status eines Asylberechtigten erlangt werden kann und wie damit das künftige Vorbringen im Asylverfahren gestaltet werden sollte, um Aussicht auf Erfolg zu haben, (vgl.

auszugsweise den Inhalt des oa. Merkblattes: " ... Voraussetzung für

eine Asylgewährung in Österreich: ... Sie können glaubhaft machen,

dass Sie begründete Furcht haben, in Ihrem Herkunftsstaat verfolgt zu werden. Und zwar auf Grund Ihrer Rasse, Ihrer Religion, Ihrer Nationalität, Ihrer politischen Gesinnung oder Ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Sie können sich nicht unter den Schutz Ihres Herkunftslandes begeben oder wollen es wegen Ihrer Furcht nicht tun. ..." weshalb von einer hinreichenden "Anleitung" - die überdies die Ermittlung der materiellen Wahrheit hinsichtlich eines Sachverhaltes der erst ermittelt werden soll erheblich zu erschweren geeignet ist - bereits dadurch ausgegangen werden kann (vgl. die ho. kritischen Anmerkungen zur Suggestion in den Asylverfahren als eine der "Hauptsünden" der Einvernahmetechnik v. 9.1.2012, E9420066-1/2011).

Ebenso ist festzuhalten, dass den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ein gewisser suggestiver Charakter zukommt, welcher sich in der Formulierung der Beschwerde durch die bP -oder wie hier durch jene Person oder Organisation welche die bP bei der Formulierung der Beschwerde unterstützte- niederschlägt und somit jedenfalls nicht mehr von einer freien Schilderung des behauptetermaßen ausreisekausalen Sachverhalts ausgegangen werden kann. Die bP -oder die genannte Person oder Organisation- kennt ab dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Argumente der belangten Behörde und ist in der Formulierung des Rechtsmittels bestrebt, diese Argumente zu relativieren. Hierin liegt der suggestive Charakter.

Auch die Angaben der bP vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes waren in die Beurteilung miteinzubeziehen. Vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des VfGH vom 27.6.2012, U 98/12 ist festzuhalten, dass das ho. Gericht die vom genannten Höchstgericht in diesem Erkenntnis aufgezeigten und vom AsylGH nicht im ausreichenden Maße berücksichtigten aufgezeigten Spezifika der Befragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht verkennt, es ist jedoch auch festzuhalten, dass dem genannten Erkenntnis ein völlig anders gelagerter Sachverhalt zu Grunde liegt, zudem es sich beim dortigen Asylwerber um einen psychisch angeschlagenen und von den Strapazen der Schleppung gezeichneten jugendlichen Afghanen handelte, der über traumatische Ereignisse aus seiner Kindheit berichtete und dem ho. Gericht vorgeworfen wurde, diese Umstände zu wenig berücksichtigt zu haben ("Der AsylGH ist bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zur umfassenden Auseinandersetzung mit allen relevanten Gesichtspunkten verpflichtet. Dazu gehört beispielsweise auch seine psychische Gesundheit, bei deren Beeinträchtigung ein großzügigerer Maßstab an die Detailliertheit seines Vorbringens zu legen ist (VfSlg. 18.701/2009). Auch das Alter und der Entwicklungsstand des Beschwerdeführers sind zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt der behaupteten Ermordung seines Vaters ungefähr acht Jahre alt. Der AsylGH qualifiziert die Schilderung der Ermordung des Vaters als detailarm, unpräzise und unkonkret, erwähnt das kindliche Alter des Beschwerdeführers zu dem Zeitpunkt aber mit keinem Wort. Bei der gebotenen Würdigung des durchschnittlichen Entwicklungsstandes eines achtjährigen Kindes hätte sich der AsylGH mit dem Alter des Asylwerbers auseinander zu setzen gehabt und einen dementsprechenden Maßstab an die Detailliertheit der Eindrücke des Beschwerdeführers anlegen müssen. Das gilt umso mehr für die Schilderung der politisch motivierten Feindschaft zwischen dem Vater des Beschwerdeführers, der mit den Taliban zusammengearbeitet habe, und seinem Mörder, einem Angehörigen der Hezb-e Wahdat Partei, weil der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des zu ermittelnden Sachverhaltes höchstens sechs Jahre alt war. Auch bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens wird das kindliche Alter des Beschwerdeführers mit keinem Wort erwähnt."). Dem ho. Gericht wurde nicht vorgeworfen, dass es die Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes berücksichtigte und kann dem genannten Erkenntnis nicht entnommen werden, dass die Angaben der bP vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zum Ausreisegrund generell kein Beweiswert zukommt, sondern führt das Höchstgericht aus, dass im Rahmen der Beweiswürdigung die Spezifika dieser Befragung besonders zu berücksichtigen sind. Hier ist auch auf die Regierungsvorlage zu § 19 AsylG (RV 952 XXII. GP)

hinzuweisen, der ua. Folgendes zu entnehmen ist: " ... Die Befragung

hat den Zweck die Identität und die Reiserouten des Fremden festzustellen, nicht jedoch im Detail befragend, welche Gründe ihn bewogen haben, seinen Herkunftsstaat zu verlassen. Eine generelle Aufnahme der antragsbegründenden Fluchtgründe, ohne kontradiktorische Befragung, ist auch im Rahmen der Befragung nach § 19 Abs.1 möglich. [Anm.: Unterstreichung nicht im Original]..."

Nicht außer Acht zu lassen ist auch der Umstand, dass es sich bei der Befragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienst um die für die bP erste sich bietende Möglichkeit handelt, vor den Organen jenes Staates, den sie offensichtlich für gewillt und befähigt hält, ihr Schutz vor Verfolgung zu gewähren, darzulegen, aus welchen Gründen sie diesen Schutz begehrt und erscheint es - von bestimmten, in der bereits zitierten Regierungsvorlage beispielsweise beschriebenen Fällen abgesehen - nicht nachvollziehbar, dass sie diese erste sich bietende Möglichkeit ungenützt lässt und wider besseren Wissens nicht tatsächlich stattgefundene Verfolgung, sondern andere Ausreisegründe schildert.

Im gegenständlichen Fall handelt es sich bei der bP um einen volljährigen, gebildeten, offensichtlich psychisch und physisch gesunden Mann, welcher nicht über lange zurückliegende Ereignisse aus seiner Kindheit berichtet.

Auch ergaben sich keine Hinweise, dass sie vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in relevanter Weise verängstigt gewesen wäre. Weiters wurde die bP am Beginn der Befragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes belehrt, dass ihre Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung des Bundesasylamtes darstellten und finden sich im von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Befragungsprotokoll keine Hinweise, dass sich der Gesundheitszustand bzw. der sonstige allgemeine Zustand der bP so schlecht darstellte, dass sie nicht in der Lage gewesen wäre, der Befragung zu folgen und vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Auch wurde die bP befragt, ob sie Beschwerden oder Krankheiten hätte, die sie an der Einvernahme hindern würden. Dies wurde ausdrücklich verneint und sie gab an, "dieser Einvernahme ohne Probleme" folgen zu können.

Vor dem Hintergrund der oa. Ausführungen, insbesondere unter Beachtung des Erk. d. VfGH vom 27.6.2012, U 98/12, sowie dem Zweck der Befragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (ua. eine generelle Aufnahme der antragsbegründenden Fluchtgründe, ohne kontradiktorische Befragung) ist im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass es der belangten Behörde und dem erkennenden Gericht nicht verwehrt war, die Angaben der bP, welche sie vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes tätigte, im erfolgten Umfang zu berücksichtigen.

Aufgrund der oa. Ausführungen kommt das erkennende Gericht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Einschätzung, dass die Angaben der bP zu ihren Fluchtgründen nicht glaubhaft sind.

Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

II.3.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

II.3.3. Prüfungsumfang, Übergangsbestimmungen

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gem. § 75 Abs. 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des § 75 Abs. 19 AsylG in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

3. den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht gem. § 75 Ab. 20 AsylG in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.

Zu A) (Spruchpunkt I)

II.3.5. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) ...

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

..."

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag der bP inhaltlich zu prüfen ist.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen der bP zum behaupteten Ausreisegrund im erörterten Rahmen die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr "Status eines Asylberechtigten"] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die von der bP behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Auch konnte im Rahmen einer Prognoseentscheidung (vgl. Putzer, Asylrecht Rz 51) nicht festgestellt werden, dass die bP nach einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren aktuellen Gefahr von Übergriffen zu rechnen hätte (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194). Hier wird auf die bereits getroffenen Feststellungen verwiesen.

Sollte es in der Türkei vereinzelt zu Diskriminierungen von Aleviten bzw. Kurden im Alltag kommen, ist darauf hinzuweisen, dass derartige Beeinträchtigungen nicht die zur Gewährung von Asyl erforderliche Intensität erreichen. So reichen etwa unspezifizierbare Verfolgungshandlungen von nur geringer Schwere nach ständiger Judikatur des VwGH nicht aus, solange sie nicht eine derartige Intensität erreichen, dass deshalb ein weiterer Aufenthalt der bP im Herkunftsstaat als unerträglich anzusehen wäre [VwGH 7. 10. 1993, 93/01/0942; 7. 10. 1993, 93/01/0872; 7. 11. 1995, 95/20/0080; 25. 4. 1995, 94/20/0762; "(...) Benachteiligungen (allgemeine Geringschätzung, Benachteiligung und Schikanen) (erreichen) insgesamt noch nicht eine derartige Intensität (...), dass deshalb ein weiterer Aufenthalt der Erstbeschwerdeführerin in ihrem Heimatland als unerträglich oder unzumutbar anzusehen wäre" (VwGH 23. 5. 1995, 92/20/0808)]. Der Verlust des Arbeitsplatzes ist vor dem Hintergrund der erforderlichen Intensität (Schwere) der drohenden Verfolgung nur bedingt relevant: "Der Verlust des Arbeitsplatzes - wie auch der Verlust des Ausbildungsplatzes oder Nichtzulassung zur Universität - aus Gründen der Konvention könnten zwar nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als Verfolgung gewertet werden, jedoch nur unter der weiteren Voraussetzung, da[ss] dadurch die Lebensgrundlage eines Asylwerbers massiv bedroht würde" (VwGH 12. 9. 1996, 95/20/0429; vgl auch VwGH 16. 12. 1993, 92/01/1041; für die Enteignung siehe VwGH 27. 7. 1995, 95/19/0048), was hier jedoch nicht der Fall ist Allgemein hat der VwGH die erforderliche Intensität der drohenden Verfolgung im Falle des "Verlustes des Arbeitsplatzes ohne massive Bedrohung der Lebensgrundlage" (vgl zB VwGH 20. 9. 1989, 89/01/0159; 17. 6. 1992, 91/01/0207; 7. 10. 1993, 93/01/0616; 19. 5. 1994, 94/19/0049; 22. 6. 1994, 93/01/0443), des "Ausschlusses von Aufstiegschancen" (vgl zB VwGH 20. 5. 1992, 91/01/0202, 16. 9. 1992, 92/01/0181), einer "Schlechterstellung am Arbeitsplatz" (vgl zB VwGH 31. 5. 1989, 89/01/0091, 18. 3. 1993, 92/01/0816), sowohl für sich allein als auch in ihrer Gesamtheit verneint (siehe dazu zusammenfassend VwGH 15. 12. 1993, 93/01/0285).

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

II.3.6. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. ...

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung

nach § 3 ... zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

..."

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehens der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

Art. 2 EMRK lautet:

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

Art. 3 EMRK lautet:

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gem. der Judikatur des EGMR muss die bP die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtssprechung folgende Überlegungen angestellt:

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der bP (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

Da sich der Herkunftsstaat der bP nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die bP als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der bP in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.

Weitere, in der Person der bP begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

Zur individuellen Versorgungssituation der bP wird weiters festgestellt, dass diese im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Bei der bP handelt es sich um einen mobilen, jungen, gesunden, arbeitsfähigen Menschen. Einerseits stammt die bP aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

Auch steht es der bP frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das - wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

Ebenso kam hervor, dass die bP im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Sie stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und kann die bP daher Unterstützung durch ihre Familie erwarten.

Darüber hinaus ist es der bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht über eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende Zeit, dauerhaft in eine aussichtslose Lage gerät.

Die Zumutbarkeit der Annahme einer - ggf. auch unattraktiven - Erwerbsmöglichkeit wurde bereits beispielsweise im Erk des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010 mwN bejaht.

Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in ihrem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.

II.3.7. Behebung von Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides

Aufgrund § 10 AsylG idF des von der belangten Behörde zum Entscheidungszeitpunkt anzuwendenden BGBl I 67/2012 wurde die Ausweisung der bP in deren Herkunftsstaat verfügt.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht nunmehr aufgrund der Übergangsbestimmung gem. § 75 Abs. 20 AsylG zu entscheiden, ob im gegenständlichen Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig oder ob das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen ist.

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. ...

2. ...

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. ...

5. ...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der gegenständliche Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz war abzuweisen. Es lag daher ab Erlassung dieses Erkenntnisses kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet mehr vor.

Im gegenständlichen Fall kommt der bP kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht zu.

Bei Ausspruch der Ausweisung könnte ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK).

Zum Prüfungsumfang des Begriffes des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Art 8 EMRK fällt, werden von ihrer Geburt an ipso iure Teil der Familie (Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74; VfSlg 16.777/2003; ferner Gül gg Schweiz, ÖJZ 1996, 593; 5. 2 2004, 60457/00, Kosmopoulou gg Griechenland; 18. 1. 2007, 73819/01, Estrikh gg Litauen). Umgekehrt werden Kinder erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).

Im Bundesgebiet halten sich die bereits genannten der bP nahestehende Personen auf. Die bP lebt bei ihrer Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn und wird von der

Ehefrau unterstützt.

Sie möchte offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich bereits den genannten Zeitraum im Bundesgebiet auf. Die Einreiseumstände der bP in das Bundesgebiet sind - wie angeführt - unklar. Eine legale Einreise ist nicht dokumentiert.

Die Ausweisung stellt somit einen Eingriff in das Recht auf das Privat- und Familienleben dar.

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.

Bereits vor Inkrafttreten der Vorgängerbestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-VG in der Form des AsylG 2005 idF BGBl 29/2009 entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Richtlinien (in den Medien der vielgenannte "Kriterienkatalog") im Rahmen der Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. EMRK, welche zu berücksichtigen sind:

Auch

Bereits vor Inkrafttreten des durch BGBl I 38/2011 in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG eingefügten lit. i, welcher der nunmehrigen Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, S. 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).

Ein mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden soll daher als zusätzliche Tatsache bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK berücksichtigt werden, andererseits stellte der VfGH in seinem Erkenntnis v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 unmissverständlich fest, dass die zeitliche Komponente dann in den Hintergrund tritt, wenn sich die Verweil- bzw. Verfahrensdauer aus dem Verhalten der beschwerdeführenden Partei ergibt (vgl. hierzu auch Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

Die bP ist dokumentiert seit 2 Jahren in Österreich aufhältig. Sie reiste entweder rechtswidrig in das Bundesgebiet ein oder verblieb rechtswidrig im Bundesgebiet und konnte ihren Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisieren. Hätte sie diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wäre sie rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würde.

Die bP verfügt über die bereits beschriebenen familiären bzw. privaten Anknüpfungspunkte

Die bP begründete ihr Privat- bzw. Familienleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt der bP zum Zeitpunkt der Begründung der familiären Anknüpfungspunkte ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt.

Der BF hatte am 04.08.2011 eine damals in Österreich wohnhafte türkische Staatsbürgerin anlässlich deren Urlaubsaufenthalt in der Türkei geehelicht. Diese war dann offensichtlich alleine nach Österreich zurückgekehrt. Sie verfügt über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt -EG" bis 12.06.2016. Gemäß den Angaben des BF habe es keine Möglichkeit gegeben, ein Visum für einen langfristigen Aufenthalt für Österreich zu bekommen. Mit der Anwesenheit des BF - entweder nach illegaler Einreise oder nach rechtswidrigem Verbleib im Bundesgebiet - aus dem Grund, mit seiner Ehefrau ein Familienleben in Österreich zu führen (die vorgebrachten Asylgründe haben sich als unglaubwürdig erwiesen), stellte der BF die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen, um einen Aufenthalt hier rechtsmissbräuchlich unter Umgehung fremden- und niederlassungsrechtlicher Bestimmungen zu erzwingen. Der BF ist insofern nicht schutzwürdig.

Ergänzend ist auch festzuhalten, dass die bP nach einer Ausreise aus dem Bundesgebiet nicht gezwungen ist, ihre privaten und familiären Anknüpfungspunkte gänzlich aufzugeben. Sie könnte diese auch brieflich, telefonisch, elektronisch oder im Rahmen gegenseitiger Besuche weiter aufrecht erhalten.

Ebenso stünde es ihr frei, sich von der Türkei aus -wie jeder andere Fremde auch- sich unter Einhaltung fremden- und niederlassungsrechtlicher Bestimmungen um einen legalen Aufenthalt zu bemühen. Es ist nämlich nicht Zweck des Asylrechts, Fremden die Einreise und den Aufenthalt unter Umgehung dieser Bestimmungen auf Dauer zu Ermöglichen, sondern vor Verfolgung aus in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK zu schützen.

Letztlich kam nicht hervor, dass die bP gemeinsam mit der Gattin und dem gemeinsamen Kind in der Türkei ein gemeinsames Familienleben zu führen falls dies gewünscht wird. Die Gattin und das gemeinsame Kind sind türkische Staatsbürger und befindet sich das Kind in einem Alter der erhöhten Anpassungsfähigkeit.

Die beschwerdeführende Partei ist erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig und war im Asylverfahren nicht in der Lage, ihren Antrag ohne die Beiziehung eines Dolmetschers zu begründen. Auch wenn sie einen Deutschkurs besucht, stellten sich in der Verhandlung ihre Kenntnisse in dieser Sprache als bloß rudimentär dar.

Ebenso geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, dass die bP selbsterhaltungsfähig wäre bzw. ernsthafte Bemühungen zur Herstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit unternommen hätte, indem sie sich etwa bemüht hätte, auf jenem Teil des Arbeitsmarktes Fuß zu fassen, der auch Asylwerbern offen steht. Aus dem Verhalten der bP in Bezug auf das unterlassene Bestreben, einem Erwerb nachzugehen ist, erschließbar, dass diese nicht in Erwerbsabsicht in das Bundesgebiet einreiste.

Im Rahmen einer Gesamtschau kann nicht festgestellt werden, dass die bP die Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet zu einer Integration in die österreichische Gesellschaft genützt hätte.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

Die bP verbrachte den überwiegenden Teil ihres Lebens in der Türkei, wurde dort sozialisiert, gehört der zweitgrößten Ethnie an, bekennt sich zum dortigen Mehrheitsglauben und spricht die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass in der Türkei Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- und/oder Bekanntenkreises des Beschwerdeführers existieren, da nichts darauf hindeutet, dass die bP vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätte. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es der bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Die bP ist strafrechtlich unbescholten.

Die Feststellung, wonach die bP strafrechtlich unbescholten ist, relativiert sich einerseits durch die erst kurze Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet und stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten der bP ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

Die bP reiste entweder rechtswidrig in das Bundesgebiet ein oder verblieb rechtwidrig im Bundesgebiet.

Der bP musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist.

Ein derartiges Verschulden kann aus der Aktenlage nicht entnommen werden.

Im gegenständlichen Fall sind vor dem Hintergrund der Auslastung des ho. Gerichts und der belangten Behörde zwar keine unverhältnismäßig langen Verfahrensstillstände festzustellen, auch wenn einzuräumen ist, dass eine geringfügig raschere Entscheidung unter Umständen möglich gewesen wäre. Dennoch ist hierzu anzuführen, dass es sich bei der Frage des möglichen Organisationsverschuldens hinsichtlich der Verfahrensdauer um eines von mehreren Kriterien innerhalb der hier vorzunehmenden Interessensabwägung handelt -welchem zwar in der Vergangenheit besonderes Augenmerk geschenkt wurde - und das Ergebnis der Prüfung eines möglichen Organisationsverschuldens nicht für sich alleine und isoliert, sondern in einer Gesamtschau innerhalb sämtlicher abgewogener Kriterien zu sehen ist.

Aufgrund der oa. Umstände ist im Rahmen einer letztlich Gesamtschau festzuhalten, dass eine geringfügig raschere Erledigung des Asylverfahrens denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens der bP, sowie ihrem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass ein Sachverhalt vorliegt, welcher nicht dem entspricht, wie ihn der VfGH in seinem Erkenntnissen B 950-954/10-08 bzw. B1565/10 zu prüfen hatte, weshalb letztlich nicht davon auszugehen ist, dass die zeitliche Komponente dermaßen in den Vordergrund tritt, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen der bP auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Ein Recht der Wohnsitznahme an jedem beliebigen Ort innerhalb der Vertragsstaaten - unter Umgehung der jeweiligen fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften - ist aus Art. 8 EMRK nicht ableitbar. Ebenso ist aus einem befristeten österreichischen Aufenthaltstitel kein Recht ableitbar, Familienangehörige nachzuholen und damit quasi anstelle der entsprechenden Fremdenbehörden Entscheidungen zu treffen.

Die Ehegattin des BF und der gemeinsame in Österreich geborene Sohn sind, wie der BF selbst, türkische Staatsbürger. Hinderungsgründe, die einem gemeinsamen Familienleben in der Türkei entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Ein solches wäre daher problemlos möglich.

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).

Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

Gem. Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privatund/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs 2 leg cit genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich -abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für den Beschwerdeführer grundsätzlich nicht mehr möglich seinen Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem Beschwerdeführer gem. § 21 (2) und (3) NAG die Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus offen steht, sodass ihn mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Ausweisung des Fremden bedarf.

Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ist der Beschwerdeführer somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Der Rechtsprechung des EGMR folgend (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.

Wenn man - wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

In seinem Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bewirkt.

Der GH führte weiters - wiederum auf seine Vorjudikatur verweisend - aus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen. Im geschilderten Fall wurde letztlich dennoch eine Entscheidung zu Gunsten der Beschwerdeführer getroffen, weil es der Erstbeschwerdeführerin grundsätzlich möglich gewesen wäre, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, weil sie mit dem Vater des Zweitbeschwerdeführers, einem Staatsbürger der Niederlande vom Juni 1994 bis Jänner 1997 eine dauerhafte Beziehung führte. Es war daher der Fall Erstbeschwerdeführerin trotz ihres vorwerfbaren sorglosen Umganges mit den niederländischen Einreisebestimmungen von jenen Fällen zu unterscheiden, in denen der EGMR befand, dass die betroffenen Personen zu keinem Zeitpunkt vernünftiger Weise erwarten konnten, ihr Familienleben im Gastland weiterzuführen. Ebenso wurde in diesem Fall der Umstand des besonderen Verhältnisses zwischen dem Kleinkind und der Mutter besonders gewürdigt.

Weiters wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:

Im gegenständlichen Fall erachtete es der EGMR nicht erforderlich, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist.

Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etablierte Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.

Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.

Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.

Letztlich ist festzustellen, dass eine Gegenüberstellung der von der bP in ihrem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnissen mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen der bP am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes führen würde.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie die bP erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme der Verhängung seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

Vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Standes des seitens des erkennenden Gerichts durchzuführenden Ermittlungsverfahrens kann nicht festgestellt werden, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und war daher das Verfahren gem. § 75 Abs. 20 AsylG zur (weiteren) Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen.

II.3.8. Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass die bP im Falle einer Rückkehr in die Türkei dort mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 AsylG ausgesetzt wäre. Im Übrigen war die Rechtssache gem. § 75 Abs. 20 AsylG an das Bundesamt zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe und der Auslegung des Begriffs Glaubhaftmachung, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.

In Bezug auf die Anwendung der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 19 und 20 AsylG kann ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzliche Bedeutung erblickt werden. Hierbei handelt es sich viel mehr um eine Anordnung des einfachen Gesetzgebers, wie mit einer überschaubaren Zahl von Bescheiden des Bundesasylamtes, welche in dem dort beschriebenen Zeitfenster erlassen wurden, im Beschwerdeverfahren umzugehen ist und ist auf den eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmungen zu verweisen. Darüber hinaus lässt der eindeutige Wortlaut des Gesetzes keine Auslegung zu.

Auch alleine der Umstand, dass das ho. Gericht erst mit 1.1.2014 eingerichtet wurde, und sich mit 1.1.2014 Teilweise ein Änderung in der rechtlichen Diktion ergab, vermag die Zulässigkeit der Revision nicht begründen, weil sich hierdurch in dem hier anzuwendenden materiellen Asylrecht keine substantielle Änderung ergab.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist im gegenständlichen Fall die Revision nicht zulässig.

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