Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Chinas, die am 4. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 7. Dezember 1991 den Asylantrag gestellt hat, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. März 1992, mit dem festgestellt worden war, daß sie die Voraussetzungen für die Zuerkennung ihrer Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, mit Berufung bekämpft.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie ging dabei von folgendem entscheidungsrelevantem Sachverhalt aus:
Die Beschwerdeführerin hatte bei ihrer niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 25. Jänner 1992 zu ihren Fluchtgründen im wesentlichen angegeben, sie habe in ihrer Heimat keiner politischen Partei angehört. Während ihrer Lehrlingsausbildung habe sie jedoch am 2. Juni 1989 in Wen Chou an einer antikommunistischen Demonstration teilgenommen, weil sie auch gegen den Kommunismus sei. Im Juli 1991 sei ihr im Lehrlingsinstitut mitgeteilt worden, daß sie ab sofort von der Ausbildung als Schneiderin ausgeschlossen sei. Ihr wurde dabei die Teilnahme an der Demonstration im Jahr 1989 vorgeworfen, was auch der Kündigungsgrund gewesen sei. Einen schriftlichen Bescheid habe sie nicht ausgestellt erhalten, sondern die Kündigung sei ihr nur mündlich übermittelt worden. Nachdem sie ihre Ausbildungsstelle verloren habe, habe sie keine Gelegenheit zur Arbeit mehr erkannt, weil man ohne entsprechende Ausbildung auch keine Arbeitsstelle bekomme. Wie sie bestraft würde oder mit welcher Strafe sie zu rechnen hätte, wenn sie nach China zurückkehrte, könne sie nicht angeben. Durch Bestechung in Höhe von etwa umgerechnet S 40.000,--, welches Geld ihre Eltern von verschiedenen Leuten ausgeborgt hätten, habe sie einen Reisepaß erhalten und sei am 9. November 1991 legal aus ihrem Heimatland über Moskau, Bukarest und Ungarn bis nach Österreich gereist.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung bekräftigte die Beschwerdeführerin diese Angaben unter Verweis auf idente Angaben anderer Asylwerber und stellte den zeitlichen Zusammenhang zwischen ihrer Teilnahme an der Demonstration im Juni 1989 und ihrer Ausreise im November 1991 mit der Behauptung her, nach der Niederschlagung der Studentendemonstration im Juni 1989 seien Untersuchungen über Teilnehmer und Organisatoren langsam aber mit absoluter Sicherheit durchgeführt worden. Es seien zunächst alle verhaftet worden und bis in die letzten Details einvernommen worden, die irgendeine Verantwortung an diesen Demonstrationen getragen hätten, diese seien dann abgeurteilt bzw. erschossen oder in die Zwangsarbeit aufs Land verschickt worden. Aufgrund eingehender Befragungen dieser Personen und deren Angaben sei dann Schritt für Schritt weitergegangen worden und so sei - durch wen könne sie nicht genau sagen - auch ihr Name an die Öffentlichkeit gekommen. Dies sei der Beschwerdeführerin erst in den ersten Junitagen 1991 von Mitschülern mitgeteilt worden und auch, daß sie aufgrund dieser Beteiligung von der Schule entlassen worden sei. In so einem Fall sei allen bekannt, daß dem oder der Betreffenden die Verhaftung bevorstehe. Sie habe sich dieser Verhaftung durch die Flucht entzogen.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet, das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere auch die eigene niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin habe nicht ergeben, daß sie Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1991 sei. Der angebliche Verlust des Arbeitsplatzes (gleichbedeutend mit dem Verlust auch eines Ausbildungsplatzes), auch wenn er aus politischen Gründen erfolgt sei, könne nicht geeignet sein, als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention qualifiziert zu werden. Da auch die Behörden ihres Heimatlandes gegen sie kein Arbeits- oder Ausbildungsverbot erlassen hätten, wäre es der Beschwerdeführerin freigestanden, ihre Ausbildung als Schneiderin an einem anderen Ort ihres Heimatlandes fortzusetzen bzw. einen anderen Beruf zu erlernen. Die Behauptung, umgerechnet ca. 40.000 S an Bestechungsgeldern für den Erhalt eines Passes bezahlt zu haben, sei unglaubwürdig in Anbetracht dessen, daß dieser für das Lohnniveau in China außerordentlich hohe Betrag in relativ kurzer Zeit von ihren Eltern als Angehörigen des Bauernstandes und von ihr selbst als Schneiderlehrling nicht hätte aufgebracht werden können. Auch widerspreche es dem Schutzbedürfnis eines politisch verfolgten Flüchtlings, wenn er sich bei einer legalen Ausreise mit einem wenn auch durch Bestechung erlangten Reisepaß ausweise.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem subjektiven Recht auf Erteilung von Asyl, in ihrem subjektiven Recht auf ein gesetzmäßiges Ermittlungsverfahren und in ihrem subjektiven Recht auf Parteiengehör verletzt. Die von ihr geltend gemachten Bechwerdegründe erschöpfen sich in folgendem Vorbringen:
"Die belangte Behörde führt in ihrem Beschluß aus, daß ich nie konkrete, gegen meine Person gerichtete, Verfolgungshandlungen behauptet habe. Die belangte Behörde übersieht dabei aber, daß ich in meiner Berufung vom 10.4.1992 angegeben habe, daß sämtliche Teilnehmer an den antikommunistischen Demonstrationen nicht nur mit Nachteilen, wie dem Verlust des Arbeits- oder Ausbildungsplatzes, sondern auch mit Verhaftungen rechnen mußten. Diese Tatsache war, wie ich ebenfalls vorgebracht habe, allgemein bekannt. Einer Verhaftung habe ich mich durch meine Ausreise entzogen. Eine Verfolgung durch die chinesischen Behörden liegt somit vor.
Wie die belangte Behörde in ihrem Bescheid ausführt, ist sie gemäß § 20 Abs. 1 AsylG vom Ermittlungsergebnis der 1. Instanz ausgegangen. Auf mein weiteres Vorbringen in meiner Berufung vom ist sie nicht eingegangen, da keiner der in § 20 Abs. 2 AsylG angeführten Fälle vorliegt.
Die belangte Behörde wendet daher § 20 Abs AsylG 1991 offensichtlich weiter in jener Fassung an, die mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. 7. 1994 (Aufhebung des Wortes "offenkundig" im § 20 Abs 2 AsylG) aufgehoben wurde. Der angefochtene Bescheid ist daher schon aus diesem Grunde rechtswidrig (VwGH 94/19/0435) u.a.).
Die belangte Behörde hat somit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Beachtung sie zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Auf Grund meines Vorbringens in der Berufung ist offensichtlich, daß gegen mich gerichtete Verfolgungshandlungen durch die Behörden meine Heimat vorliegen. Mir wäre daher bei einem gesetzmäßigen Ermittlungsverfahren Asyl zu gewähren gewesen."
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit darzutun.
Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 - welches die belangte Behörde im Sinn des § 25 Abs. 2 leg. cit. zutreffend angewendet hat - ist die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Bloß subjektiv empfundene Furcht vor Verfolgung genügt nicht; es müssen vielmehr (allenfalls drohende) Maßnahmen dargetan werden, die sowohl aus objektiver Sicht als auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffs einen weiteren Verbleib im Heimatland unerträglich erscheinen lassen (vgl. hg. Erkenntnis vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1057, hg. Erkenntnis vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0251, u.a.).
Ausgehend von den Angaben der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren (welche sie in der Berufung in ihren wesentlichen Punkten lediglich bekräftigte, sodaß für die belangte Behörde auch kein Anlaß gegeben war, einen der Fälle des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 als vorliegend zu erachten, in denen eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gewesen wäre) kann der Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführerin komme die Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 nicht zu, jedenfalls im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Der Verlust des Arbeitsplatzes - wie auch der Verlust des Ausbildungsplatzes oder Nichtzulassung zur Universität - aus Gründen der Konvention könnten zwar nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als Verfolgung gewertet werden, jedoch nur unter der weiteren Voraussetzung, daß dadurch die Lebensgrundlage eines Asylwerbers massiv bedroht würde (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 92/01/1041). Daß dies der Fall gewesen wäre, behauptet die Beschwerdeführerin nicht einmal in der Beschwerde, sie tritt damit der Argumentation der belangten Behörde, es wäre ihr freigestanden, in einem anderen Teil ihres Landes einen anderen Ausbildungsplatz zu erlangen oder überhaupt einen anderen Beruf und Broterwerb zu ergreifen, nicht entgegen. Mangels Konkretisierung können auch die von der Beschwerdeführerin befürchteten Folgen ihrer Teilnahme an einer verbotenen Demonstration im Juni 1989 nicht als so schwerwiegend erkannt werden, daß daraus eine wohlbegründete Furcht vor (weiterer) Verfolgung abgeleitet werden kann, zumal sie nicht dargetan hat und auch nach der Aktenlage nicht anzunehmen ist, daß sie in führender Position daran beteiligt gewesen sei. Die - im übrigen erstmals in der Berufung erhobene - Behauptung, ihr drohe "Verhaftung", war im Hinblick auf § 20 Abs. 1 AsylG 1991 von der belangten Behörde nicht aufzugreifen, abgesehen davon, daß diese Befürchtung mit dem Ergebnis ihrer Befragung ("Ich kann nicht angeben ....") nicht in Einklang zu bringen wäre.
Insofern den Beschwerdeausführungen zu entnehmen ist, das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geblieben, ist auf die zu § 16 Abs. 1 AsylG 1991 ergangene hg. Judikatur zu verweisen, wonach eine Ermittlungspflicht im Sinne dieser Gesetzesstelle an einen entsprechend konkreten Hinweis im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 in Frage kommt, geknüpft ist. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber eine Verpflichtung der Behörde nicht abgeleitet werden, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803, u.v.a.). Insoweit die Beschwerdeführerin die Anwendung des § 20 AsylG 1991 durch die belangte Behörde rügt und darin offenbar einen Gesetzesverstoß erblickt, ist lediglich darauf zu verweisen, daß bereits auf Grund des Zeitpunktes der Erlassung des hier angefochtenen Bescheides davon ausgegangen werden muß, daß die belangte Behörde die zu diesem Zeitpunkt geltende Gesetzes- und Rechtslage angewendet hat, d.h. auch die Bestimmung des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 in der bereits bereinigten Fassung laut Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994. Durch die Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94, wurde der Geltungsbereich des § 20 Abs. 1 leg. cit. nicht berührt.
Aus all den genannten Gründen erweist sich die Beschwerde als unberechtigt, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)