Normen
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. November 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsangehörigen - der am 18. Mai 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist -, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. Mai 1991, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, abgewiesen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich dadurch beschwert, daß seiner Berufung keine Folge gegeben und "nicht festgestellt wurde, daß er Flüchtling im Sinne des Asylrechtes sei bzw. nicht festgestellt wurde, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge erfülle".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Daß ein Asylwerber durch einen Bescheid wie den angefochtenen - entsprechend dem vom Beschwerdeführer bezeichneten Beschwerdepunkt gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG - in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf "Feststellung der Flüchtlingseigenschaft" auch auf dem Boden des - von der belangten Behörde im vorliegenden Fall anzuwendenden - Asylgesetzes 1991 verletzt sein kann, hat der Verwaltungsgerichtshof zu einem ähnlich formulierten Beschwerdepunkt unter anderem bereits in seinem Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0834, dargetan.
Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 23. Mai 1991 im wesentlichen ausgeführt, er sei von 1971 bis 1973 und von 1975 bis 1989 Mitglied der "Kommunistischen Partei", seit Juni 1990 Mitglied des "Demokratischen Forums der Deutschen" gewesen. Er sei mehrmals als Tourist im Ausland gewesen, zuletzt vom 21. Februar 1990 bis 21. März 1990 in Österreich.
Seine Gattin und seine Tochter seien im Jahre 1989 nach Österreich geflohen. Ab diesem Zeitpunkt bis zur Revolution sei er von der Miliz ständig mit Delogierung bedroht worden. Seine Wohnung sei nämlich auf seine Frau geschrieben gewesen, die jedoch als "Landesverräterin" keinen Anspruch mehr darauf besessen hätte. Er sei wiederholt aufgefordert worden, sich scheiden zu lassen, es würde ihm dann eine Garconniere zugewiesen werden. Seit der Revolution sei er allerdings nicht mehr gedrängt worden, die Wohnung aufzugeben.
Seit Mai 1990 habe er Probleme mit Anhängern der "Front der nationalen Rettung" (NRF) gehabt. So habe er, nachdem er sich auf der Hochzeit eines Nachbarn gesprächsweise mit demonstrierenden Studenten in Bukarest solidarisch erklärt hätte, anonyme telefonische Drohungen erhalten, hinter denen er einen Funktionär der NRF vermute. Im Mai 1990 sei er, offenbar weil er an einer Versammlung für Iliescu nicht habe teilnehmen wollen, von zwei Zivilisten geschlagen und ungerechtfertigterweise beschuldigt worden, ein Mikrofonkabel durchschnitten zu haben. Am 18. Mai "1991" (richtig wohl: 1990) sei er abermals von zwei Zivilisten tätlich angegriffen worden, weil er sich zuvor gegen Iliescu ausgesprochen hätte. (Da der Beschwerdeführer - wie angeführt - am 18. Mai 1991 in Österreich eingereist ist, könnte sich der geschilderte Vorfall nur am 18. Mai 1990 ereignet haben).
Im Juli 1990 habe er eine Ausreisegenehmigung beim Paßamt beantragt. Es sei ihm sein Reisepaß abgenommen und lediglich das Versprechen gegeben worden, er werde "irgendwann" eine Ausreisegenehmigung erhalten. Der Chef des Paßamtes, Oberst X, habe ihn im Februar 1991 persönlich bedroht, indem er ihm gesagt habe, er würde "vernichtet" werden, wenn er seine verbalen Angriffe auf Iliescu nicht unterlasse. Überdies habe Oberst X ihn informiert, daß sein Telefon überwacht werde.
Er sei mehrmals aufgefordert worden, sich scheiden zu lassen oder Frau und Kind nach Rumänien zurückzuholen. Da er dies aber nicht gewollt habe, habe er sich entschlossen, sein Land zu verlassen.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid bekräftigte der Beschwerdeführer diese Angaben und führte weiter aus, daß ihm vor seinem Österreichaufenthalt vom 21. Februar bis 21. März 1990 ein Auswanderungspaß und damit die Chance, legal nach Österreich auszuwandern, in Aussicht gestellt worden sei, weshalb er nicht in Österreich geblieben sondern nach Rumänien zurückgekehrt sei. Am 20. Mai 1990 sei ihm von Oberst X neuerlich geraten worden, sich von seiner Frau scheiden zu lassen, und gedroht worden, es werde ihm, da sich die politischen Machtverhältnisse nicht geändert hätten, "nicht gut gehen".
Die belangte Behörde hat das Vorliegen von Furcht vor einer - asylrechtlich relevanten - Verfolgung beim Beschwerdeführer als aus objektiver Sicht unbegründet erachtet. Sie hat ihre Auffassung im wesentlichen damit begründet, daß die Vorfälle, die sich nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers bis zum Juli 1990 ereignet hätten, in keinem zeitlichen Naheverhältnis zu seiner Ausreise stünden und daher eine begründete Verfolgungsgefahr nicht indizieren könnten.
Der tätliche Angriff vom 18. Mai "1991" könne staatlichen Behörden nicht zugerechnet werden, da der Beschwerdeführer bei seiner ersten Befragung ausdrücklich angegeben habe, von Zivilisten angegriffen worden zu sein. Es bestehe für die belangte Behörde kein Anlaß, an der Richtigkeit seiner Angaben vor der Behörde erster Instanz zu zweifeln; es müsse aber dem darüber hinausgehenden Vorbringen in der Berufung die Glaubwürdigkeit versagt bleiben.
Im übrigen spreche die nach den jeweiligen Auslandsaufenthalten erfolgte freiwillige Rückkehr nach Rumänien gegen das Vorliegen wohlbegründeter Furcht vor asylrechtlich relevanter Verfolgung. Dies gelte insbesondere für den Österreichaufenthalt im März 1990.
Die Auffassung der belangten Behörde trifft im Ergebnis zu:
Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Bloß subjektiv empfundene Furcht vor Verfolgung genügt nicht; es müssen vielmehr (allenfalls drohende) Maßnahmen dargetan werden, die sowohl aus objektiver Sicht, als auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes einen weiteren Verbleib im Heimatland unerträglich erscheinen lassen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0605).
Da weder dem Berufungs- noch dem Beschwerdevorbringen entnommen werden kann, daß eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens vorliegt (die übrigen Gründe des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 kommen im vorliegenden Fall von vornherein nicht in Betracht), hatte die belangte Behörde ihrer Entscheidung gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen. Auf die vom Beschwerdeführer erstmals in seiner Berufung zusätzlich vorgebrachten Umstände einzugehen, war der belangten Behörde somit verwehrt. Wenn sie daher im angefochtenen Bescheid - und zwar ohne dies näher zu begründen - ausgeführt hat, daß dem über die Angaben in erster Instanz hinausgehenden Vorbringen in der Berufung die Glaubwürdigkeit versagt bleiben müsse, so stellt dies schon mangels näherer Begründung zwar einen Verfahrensmangel dar. Dieser ist allerdings nicht wesentlich, da die Behörde auch bei seiner Vermeidung nicht zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können.
Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß nur dann von gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlungen im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 gesprochen werden könnte, wenn die Übergriffe von staatlichen Stellen seines Heimatlandes ausgegangen sind oder von diesen geduldet wurden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1992, Zl. 92/01/0613). Daß dies bei den tätlichen Angriffen auf den Beschwerdeführer der Fall gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet. Erst in der Beschwerde macht er geltend, daß der Angriff vom 18. Mai "1991" von Angehörigen der Geheimpolizei "Securitate" ausgegangen wäre, fällt mit diesem Vorbringen allerdings unter das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.
Die dem Beschwerdeführer gegenüber geäußerten Drohungen stellen - soweit sie staatlichen Stellen zuzurechnen sind - unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes für sich allein (noch) keine Maßnahmen dar, die - aus objektiver Sicht - einen Verbleib des Beschwerdeführers in seinem Heimatland als unerträglich hätten erscheinen lassen.
Gleiches gilt für die bloße Mitteilung, daß sein Telefon überwacht werde.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch die Verweigerung der Ausstellung eines Reisepasses für sich alleine weder als Verfolgung noch als Indiz für drohende künftige Verfolgung zu qualifizieren (vgl. nochmals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0605).
Der belangten Behörde ist auch beizupflichten, wenn sie - entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1993, Zl. 92/01/0966) - davon ausgeht, daß Umstände, die schon längere Zeit vor der Ausreise zurückliegen, Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht begründen können, sofern sie nicht weiterhin nachwirken. Zu Recht hat sie daher die - bis zur Revolution währenden - Versuche, den Beschwerdeführer zur Aufgabe seiner Wohnung zu veranlassen, nicht als asylrechtlich relevante Verfolgung gewertet, zumal der Beschwerdeführer auch ausdrücklich erklärt hat, daß ihm diesbezüglich nicht mehr gedroht wurde.
Obwohl die belangte Behörde keine Begründung dafür gegeben hat, warum sie - im Hinblick auf das erforderliche zeitliche Naheverhältnis - nur jene Umstände für asylrechtlich beachtlich hielt, die sich ab Juli 1990 ereignet haben, so kann darin dennoch kein wesentlicher Verfahrensmangel erkannt werden. Denn einerseits hat sich die Behörde mit dem Vorfall vom 18. Mai 1990 in der (freilich unzutreffenden) Meinung auseinandergesetzt, er datiere vom 18. Mai 1991. Zum anderen können - wie ausgeführt - die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Maßnahmen insgesamt - also auch jene aus der Zeit vor dem Juli 1990 - nicht als Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 gewertet werden.
Damit erübrigt es sich auch, auf die Frage einzugehen, ob die freiwillige Rückkehr des Beschwerdeführers von seinen Auslandsaufenthalten nach Rumänien die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe in Rumänien keine Verfolgung zu befürchten, zu bestärken, oder ob dies - wie der Beschwerdeführer meint - "an der begründeten Furcht und an der konkreten Verfolgung nichts zu ändern" vermochte. Hinzuweisen ist allerdings auf die hg. Judikatur, wonach die Rückkehr eines Asylwerbers in sein Heimatland als Indiz gegen eine bis zum Zeitpunkt der Rückkehr bestehende Verfolgung zu werten ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0745).
Schließlich vermag der Beschwerdeführer auch mit seinem Vorbringen, die belangte Behörde habe das Asylverfahren nach dem neuen Asylrecht zu Ende geführt und damit unzulässigerweise einen "rückwirkenden Eingriff in ein bestehendes Verfahren" und eine materiell-rechtliche Schlechterstellung des Beschwerdeführers vorgenommen, eine Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Es bestimmt nämlich § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991, daß Verfahren, die - wie im vorliegenden Fall - am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängig waren, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 zu Ende zu führen sind. In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, daß der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 1992, Zlen. B 1387/92, B 1542/92 ausgesprochen hat, daß gegen § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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